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In einem Vorbericht werden hier die ersten Ergebnisse einer größeren Arbeit iiber die Rolle der Übersetzungen aus dem Arabischen in der äthiopi¬ schen Literatur vorgelegt

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Arabisch-äthiopische Übersetzungstechnik am Beispiel der

Zena Ayhvul (Yosippon) und des Tarikä Wäldä-'^Amid}

von Manfred Kropp, Heidelberg

Traduttore — traditore — dieses Wortspiel von tiefer Einsicht in das

Übersetzungsgeschehen hat seine Parallele im Ga'az, der klassischen

Literatursprache Äthiopiens: älawi älawi wd'atu, „der Übersetzer ist

der Verderber" könnte man die beiden Partizipien des Kausativstam-

' In einem Vorbericht werden hier die ersten Ergebnisse einer größeren

Arbeit iiber die Rolle der Übersetzungen aus dem Arabischen in der äthiopi¬

schen Literatur vorgelegt. Neben der Herausarbeitung und Charakterisierung der deutlich abweichenden sprachlichen Form der Übersetzungstexte, soll diese Studie auch den erheblichen Beitrag der Übersetzungen zum Lexikon des Ga'az, so wie es sich uns heute in der Tradition darbietet, herausstellen. Im Interesse

einer knappen und flüssigen Darstellung wurde auf Angabe umfangreichen

Belegmaterials (z. T. statistischer Art) und Anmerkungen weitgehend verzich¬

tet. Die angesprochenen grammatischen Fakten fassen sich den Grammatiken

des Klassisch-Arabisch und Ga'az, sowie des Amharisehen entnehmen, die Ver¬

weise auf Literaturgeschichtliehes sind ebenfalls so knapp wie möglieh gehal¬

ten; allgemein sei verwiesen auf die Darstellungen von: Ignazio Guidi: Storia della letteratura etiopica. Roma 1932; Enrico Cerulli: La letteratura etiopica.

3. ed. ampliata. Milano 1968; Enno Littmann: Geschichte der äthiopischen Lit¬

teratur. In: Die Litteraturen des Ostens in Einzeldarstellungen. 7,2: Die Geschichte der christlichen Litteraturen des Orients. Leipzig 1903, 185-270 {Nachdr. 1972);

Lanfranco Ricci: Letterature delVEtiopia. In: Storia delle letterature d'Oriente.

1. Milano 1969, 803-911. Zu dem Thema direkt ist der knappe Aufsatz von

Muräd Kämil zu vergleichen: Translations from Arabic in Ethiopic literature.

In : Bulletin de la Soci6t6 d'Archeologie Copte 8 (1942), 61 -71. Die Textbeispiele sind, sofern nicht anders angegeben, der Einleitung zu al-Makins Universalge¬

schichte entnommen (Sigel: WA).

Als rein empirische Arbeit geht der Aufsatz nicht auf Theorie und Modelle der

Übersetzung ein, wenn sie auch von dort aufgenommenen Anregungen ausgeht.

Aus der reichen Literatur zu diesem Gebiet seien stellvertretend zwei — sehr ver¬

schiedenartige Arbeiten — genannt, die fiir mich von besonderer Bedeutung waren: Emilio Betti: Allgemeine Auslegungslehre als Methodik der Geisteswis¬

senschaften. Tübingen 1967, bes. S. 504-505; 512-519; Georg Bossong: Pro¬

bleme der Übersetzung wissenschaftlicher Werke aus dem Arabischen in das Altspa¬

nische zur Zeit Alfons des Weisen. Tübingen 1979. (Beihefte zur romanischen Phi¬

lologie. 169.)

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Arabisch-äthiopische Übersetzungstechnik 315

mes der Wurzel 'aläwä übersetzen. Nominale Ableitungen der Wurzel

sind das sehr häufige 'alwät, „Verderbnis, Irrlehre, Rebellion"; die Ver¬

ben dieser Wurzel bedeuten dementspreehend je nach Stamm „verder¬

ben; Häresien verbreiten; zu Verrat und Rebellion anstiften". In über¬

tragener Bedeutung, abgeleitet von dem alten Grundstamm, bedeutet

der schon angesprochene Kausativstamm äläwä „abschreiben, kopie¬

ren (einer Handschrift)" und schließlich „übertragen (von einer Sprache

in die andere), übersetzen"; jeder, der sich mit der Bearbeitung von

Handschriften und Übersetzungen befaßt, wird bestätigen, wie feinsin¬

nig damit beide Tätigkeiten charakterisiert sind.^

Für das Ga'az, die Kirchen- und Gelehrtensprache Äthiopiens seit sei¬

ner Christianisierung, und bis heute ein Steinbruch fiir Neuschöpfungen

der modernen Semitensprachen Äthiopiens, steht die Übersetzung der

Bibel nicht nur am Anfang, sondern Übersetzungsliteratur, zunächst

aus dem Griechischen, vornehmlich aber aus dem Arabischen macht

den überwiegenden Teil seiner Literatur überhaupt aus. Die Überset¬

zung der Bibel aus dem Griechischen in den der Christianisierung fol¬

genden Jahrhunderten bildete den Ausgangspunkt der Literatur¬

sprache, in die auch Werke weltlichen Inhalts neben reichem theologi¬

schem Schrifttum übertragen wurden.

Die erste Periode der Übersetzungen im Ga'az findet ihr Ende in den

dunklen Jahrhunderten äthiopischer Geschichte, in denen das Ga'az als

lebende Sprache ausstirbt und sich das Macht- und Kulturzentrum weg

vom Meer und von Aksum nach Süden verschiebt; zunächst unter der

Zagwe-Dynastie nach Lasta, dann mit den Salomoniden nach Schoa,

südöstlich des Tänä-Sees, wo das christliche Reich der Amharen die

Geschichte des mittelalterlichen Äthiopien bestimmen sollte. Ab 1270

n. Chr., einer Zeit, die wieder im Lichte der geschichtlichen Dokiunente

steht, werden die Bindungen an den Patriarchenstuhl des Hl. Markus in

Alexandrien gefestigt und intensiviert, eine kirchlich und kulturelle

Renaissance setzt ein. Im theologischen Bereich wird der in langer

Überlieferung verderbte Bibeltext nunmehr nach arabischen Vorlagen

aus Ägypten revidiert; dies fuhrt zu Arabismen in den Texten. Aller¬

dings kommt es nicht, wie auch in fast allen christlich-orientalischen

Kirchen, zur Ausformung eines kanonischen Textes. Arabisch war die

Sprache der Mönche, Handwerker und Kaufleute, die ab dem 13. Jhdt.

n. Chr. nach Äthiopien kamen. Aus dem Koptischen ist wohl nie über¬

setzt worden. In der Zeit des Kaisers 'Amdä-Sayon (1314-1344 n.Chr.)

und seiner Nachfolger, die das äthiopische Reich wirksam gegen die

^ Vgl. DL 352-955.

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316 Manfred Kropp

andrängenden islamischen Staaten im Süden verteidigen und auswei¬

ten — erinnert sei hier nur an die prächtige Schilderung der Feldzüge

des 'Amdä-Sayon, ein Glanzstück genuin äthiopischer Literatur, das

freilich schon deutliche Spuren der arabischen Ubersetzersprache

trägt* —, werden aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Texte aus dem

Arabischen übertragen, die Gegenstand der folgenden Ausführungen

sein sollen. Es lag nahe, daß eine Usurpatorendynastie, die ihren Ur¬

spnmg peinlich genau auf Salomo zurückführte und sich als legitimen

Nachfolger des alttestamentlichen Israel betrachtete, die Übersetzung

und Verbreitung von Geschichtswerken förderte, besonders solcher, die

sich mit der Geschichte der Juden oder christlicher Geschichte befa߬

ten. Ihren reinsten Ausdruck fand diese legitimistische Strömung in

dem Gründungsbuch des äthiopischen Reichs, dem Kabrä nägäSt, der

Herrlichkeit der Könige, das freilich, nun auch aufgrund der hier anzu¬

führenden Ergebnisse, als arabischer Übersetzungstext einzustufen

ist.*

Zunächst stelle ich die beiden im Titel genannten Werke vor, dann

begründe ich, weshalb ich sie für den Vergleich ausgewählt habe.

Anschließend soll ein einfaches Modell deskriptiv die wichtigsten Fak¬

toren zeigen, die auf die Übersetzungsprache wirkten. Im Hauptteil

meiner Ausführungen werde ich an ausgewählten Beispielen die Eigen¬

art der Übersetzersprache vorfuhren. Zum Abschluß sollen die gewon¬

nenen Kriterien der sprachlich-stilistischen Wertung eines Textes die¬

nen, der in der äthiopischen Literaturgeschichte, besonders der Histo¬

riographie, von Bedeutung ist.

Der Yosippon, mit seinem äthiopischen Namen Zena Ayhud, „die

Geschichte der Juden", des Josef Ben Gorion fand seinen Weg aus einer

noch nicht näher definierten hebräischen Fassung in das Arabische, wo

er in verschiedenen Versionen handschriftlich überliefert ist.' Das

' Vgl. die Ausgabe von Jules Perruchon: Histoire des guerres d'Amda

Syon, Roi d'Ethiopie. In: JA 8, 86r. 14 (1889), 271-363; 381-493. Sep.-Dr. Paris 1890. Eine kritische Neuausgabe des Textes mit Übersetzung ist von mir erstellt und zur Veröffentlichung im CSCO vorgesehen.

* Vgl. die Ausgabe von Carl Bezold: Kebra Nagast. Die Herrlichkeit der

Könige. München 1905. (Abhdlg. d. K. Ak. d. Wiss. 1. Kl., XXIII., Bd., 1. Abt.) Irfan Shahid hat eine Entstehung des K)brä NägäSt schon im 6. Jhdt. n. Chr.

vertreten (vgl. The Kebra Nagast in the light of recent research. In: Le Mus6on 89 [1976], 133-178.) Doch besonders die hier entwickelten syntaktischen Krite¬

rien sichern dieses Werk, neben den zahlreichen arabischen Fremdwörtem, als

Übersetzungstext des 14. Jhdts.

■'' Vgl. die hebräische Ausgabe von David Flusser: The Yosippon (Josephus Gorionides). Ed. with an introd., comm. and notes. 2. vols. Jerasalem 1978.

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Arabisch-äthiopische Übersetzungstechnik 317

Werk, eine Kompilation aus Flavius Josephus, dem zweiten Makka-

bäerbuche und anderen Quellen, stammt wohl aus der Feder eines gebil¬

deten und literarisch begabten Juden des 10. Jhdts. n. Chr. in Italien. Es

hatte einen großen Erfolg, stillte es doch bei seinem jüdischen Publi¬

kum, das in seinem Bibelkanon über die Zeit der Makkabäer und bis

zum Untergang des zweiten Tempels keine historischen Schriften hatte,

den Wissensdurst über diese Zeit. Ähnliche Gründe machten es auch

bei den orientalischen Christen beliebt und zu einem gern gelesenen

Buche bei den Äthiopiern, die es wegen seiner lebendigen Schlachten¬

schilderungen dem Makkabäerbuche vorzogen." Der arabische Text

wurde 1872 n.Chr. in Bairüt unkritisch gedruckt (im folgenden zitiert

TY).' Die Abweichungen des Drucks, die M. Kämil als Eingriffe des

Herausgebers in die handschriftliche Tradition ansah, gehen aber schon

auf Handschriften zurück.' Durch die Liberalität des Kustos der Port¬

heim-Stiftung in Heidelberg konnte ich eine arabische Handschrift des

Yosippon aus den Beständen der Stiftung benutzen." Sie ist um das

Jahr 1800 n.Chr. in Jerusalem geschrieben und weist bereits alle

Zusätze und Änderungen des gedruckten Textes auf. Julius Well¬

hausen hat in seiner Abhandlung der arabische Josippus Auszüge aus

anderen Handschriften mitgeteilt. Aus dem so vorliegenden Textmate¬

rial ließen sich genügende Entsprechimgon zum äthiopischen Text lin¬

den, die eine Kritik der Übersetzung ermöglichten. Der äthiopische

Text dagegen liegt in einer guten Ausgabe des LiTTMANN-Schülers

MuBÄD Kämil vor, der den äthiopischen Text durchgehend mit einer

guten alten arabischen Handschrift verglichen hat (im folgenden zitiert

ZA).'»

" Vgl. E. Littmann: Oeschichte der äthiopischen Litteratur, S. 228; ZA, XVIII;

GCAL, I, 221-223.

' Ta'rih Yüsiffüs al-Yahüdi. Bairüt 1872. Die in hebräischen Lettern

gedruckte Ausgabe Algier 1855 „Yüsippüs bi-l-'Arabi' (vgl. ZA, XII) war mir

nicht zugänglich.

» Vgl. ZA 12.

" Hs. des Völkerkundemuseums der Portheim-Stiftung Heidelberg Nr. P. St.

C IV. 4. Die im Druck als Amnerkunngen (z.B. S. 64; 123; 302) gesetzten

Zusätze werden in der Hs. mit häSiya bzw. qäla l-muJiaqqiq eingeleitet, gehen also auf eine handschriftliche Glossentradition zurück.

'" Julius Wellhausen: Der Arabische Josippus. Berlin 1897. (Abhdlg. d. K.

Ges. d. Wiss. zu Göttingen. Phil.-hist. Kl. N.F. 1,4.)

Zenä A^üd (Geschichte der Juden) von Josef ben Gorion (Josippon). Nach den

Hss. hrsg. Phil.-Diss. Tübingen 1935. Glückstadt (usw.), 1983. S. XVTII-

XLVIII: Entsprechungen arabisch-äthiopisch (Mißverständnisse, Fehler, aus¬

gelassene Stellen usw.). Vgl. a. die Rezensionen: E. Birkema in: REJ N.S. 4

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318 Manfred Kropp

Das zweite Werk ist nicht so gründlich bearbeitet, obwohl in Europa

schon seit gut dreihundert Jahren bekannt. Die Universalgeschichte

des Ibn-al- 'Amid, mit vollem Namen öirgis Ibn-Abi-l-Yasir Ibn-Abi-1-

Makärim al-Makin Ibn-al-'Amid (geb. 602 d.H./1205 n.Chr. in Kairo;

gest. in Damaskus 672 d.H./1273 n.Chr.) hat trotz erster Versuche

durch den berühmten Erpenius im 17. Jhdt. n.Chr. nieht die gebüh¬

rende Aufmerksamkeit und Bearbeitung gefunden." Von dem Kitäb al-

ma^mü' al-mubärak, wie der arabische Titel lautet, ist bisher die isla¬

mische Geschichte bis 1260 n.Chr. (Sultan Baybars) ediert; gesondert

davon die Chronik der Ayyübiden.'^ Es fehlt aber bisher die Ausgabe

und Bearbeitung der wesentlich interessanteren vorislamischen

Geschichte. Sie beinhaltet namentlich die Geschichte des christlichen

Ägypten, benutzt viele heute verlorene Quellen und ist selbst wiederum

zu einer wichtigen Quelle geworden, etwa des ägyptisch-islamischen

Historikers al-Maqrizi. Der wohlbekannte Johann Heinbich Hottin¬

ger hatte sich bereits eine halbspaltige Abschrift dieses Textes anferti¬

gen lassen, die heute in München aufbewahrt wird, und die ich trotz vie¬

ler Mängel, die nebenbei bemerkt auch in der Vorlage des äthiopischen

Ubersetzers bestanden haben müssen, für meine Untersuchungen

zugrunde lege.'* Unklar ist das Verhältnis der Universalgeschichte des

öirgis Ibn-al-'Amid al-Makin zu dem chronographischen Werke seines

Zeitgenossen Abü-Säkir Butrus Ibn-ar-Rähib Ibn-al-Muhaddib (gest.

nach 681 d.H./1282 n.Chr.).'"* In seiner äthiopischen Übersetzung ist

letzteres wohl jünger als die Übersetzung des al-Makin, stammt es doch

erst aus dem 16. Jhdt. n.Chr., doch scheinen die Kapitel 47-50 der

äthiopischen Übersetzung mit dem Werke des al-Makin identisch zu

sein. Solange das arabische Original des Abü-Säkir als verloren gelten

muß, bleibt es auch fraglich, ob der äthiopische Übersetzer an den

(1938), 133-139. J. Simon in: Orientalia N.S. 9 (1940), 378-387. 0. Löfgren in: OLZ 1939, 525-529.

Der äthiopische Übersetzer der ZA muß schon die äthiopische Fassung von

WA vor sich gehabt haben, fügt er doch z. B. ZA 207, 7-15 eine Passage aus WA in den Text der ZA ein.

'' Vgl. GCAL, II, 348-351. Erpenius' Ausgabe des al-Makin u. d. T. Historia Saracenica. Leiden 1625. Vgl. J. FtJcK: Die arabischen Studien in Europa. Leip¬

zig 1955, 155-157.

'^ Claude Cahen: La „chronique des Ayyoubides" d'cd-Makin b. al-'Amid. In:

BEO 15 (1955/57), 109-184.

'* Hs. München, arab. 376. Zu Johann Heinrich Hottinger (1620-1667

n.Chr.) vgl. J. Fück: Die arabischen Studien, S. 175-176.

'* Vgl. GCAL, H, 428-434.

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Arabisch-äthiopische Übersetzungstechnik 319

betreffenden Stellen an Stelle dürrer Kalendertafeln das ihm bekannte,

ausführliche Werk des al-Makin inseriert hat.'®

Die Geschichte des Wäldä- 'Amid, wie al-Makin nun auf äthiopisch

genannt wird, wird in Äthiopien zu einem literarischen Erfolg. Schon

früh entstehen Auszüge und Abkürzungen, die als Einleitung zu den

äthiopischen Königschroniken dienen.'" Seine synchrone Darstellung

der verschiedenen Völker und Reiche — darunter z. b. eine höchst inter¬

essante Darstellung der vorislamischen persischen Geschichte nach

einer bisher nicht bekannten Quelle, der Geschichte eines Rüzbehan" —

führt in Äthiopien zur Schaffung der besonderen Gattung der Königsli¬

sten, die rund zweitausend Jahre Geschichte seit Salomo ausfüllen müs¬

sen, in denen sich vielleicht dunkle historische Erinnerungen an das

Reich von Aksum erhalten haben. Der äthiopische Text des Wäldä-

'Amid lag mir in einer guten Handschrift aus Berlin vor, wo er in einem

Polioband mit der Zena Ayhud vereinigt ist." Außerdem konnte ich

Auszüge einer Handschrift aus der Sammlung Eduard Rüppell benut¬

zen, die heute in der Stadt- und Universitätsbibliothek in Frankfurt am

Abu-Säkir ist in Äthiopien generell zur Bezeichnung eines Kalendertrak¬

tats geworden, auch wenn der äthiopische Computus nicht auf Abü-Säkirs chro¬

nographisches Werk zurückgeht, wie dies 0. Neugebaubr nachgewiesen hat

(vgl. Abü-Shäker and the Ethiopic Hasäb. In: JNES 42 [1983], 55-58. Die betref¬

fenden Geschichtskapitel in Abü-Säkirs äthiopischer Übersetzung gehen in vie¬

lem mit den Pseudo-Abü-Säkir Butrus Ibn ar-Rähibs Chronicon Orientale. Ed.

L. Cheikho. Nachdr. Louvain 1955-62. (CSCO. Vol. 50 = script. arab. 6.) zusam¬

men, enthalten aber darüber hinausgehendes Material (freundliche Mitteilung

von Rev. Dr. Roger Cowley vom 29. 10. 1984 aus einem unveröff. Aufsatz: The

relationship of Geez AbuSaktr mss. to the Chronicon Orientale of Petrus Ibn Rähib).

Dieses zusätzliche Materiaf stammt wohl aus WA, wie ich an einzelnen Stellen nachprüfen koimte (z. B. die Alexandergeschichte!) ; zu der Insertion von TeUen

des WA in andere Werke s. a. Anm. 10.

" Diese Abkürzung findet sich z.B. in derHs. Frankfurt Or 40 (=RüppellIc;

Katalog L. Goldschmidt: Die Abessinischen Handschriften der Stadtbibliothek zu Frankfurt am Main. Berlin 1897, Nr. 19; S. 67-68. Eine weitere Kürzung dieses Auszugs bildet die Einleitung zu der sogenannten „Kurzen Chronik" in der Text¬

familie, wie sie die Hs. Paris, BN 141 (teilweise hrsg. von J. Perruchon in sei¬

nen Notes pour I'histoire d'Ethiopie. In: RS 1 [1893]-9 [1901].) darstellt.

" In den arab. Hss. Zürihär, mit allen Varianten, die der rasm des Namens zuläßt. In den äth. Hss. zumeist Zurnähar oder Zurihar. Die jüngsten Notizen, die al-Makin diesem sonst unbekannten Historiker entnimmt, sind Nachrichten

über die Gaznawiden, deren Zeit somit als terminus post quem für Rüzbehän

anzusetzen ist.

Hs. Berlin, Petermann II, Nachtr. 57; vgl. A. Dillmann: Die Abessinischen Handschriften. Berlin 1878. (Handschriften-Verzeichnisse der Kgl. Bibliothek zu Berlin. 3.), Nr. 62; S. 51-52.

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320 Manfred Kropp

Main verwahrt wird."* Allerdings scheint den anderen Handschriften

dieses Werks in deutschen Sammlungen kein Glück beschieden zu sein;

in Frankfurt ist die gute Handschrift, die Dillmann noch für sein Lexi¬

con linguae aethiopicae auszog, vermißt,^" und eine zweite alte Hand¬

schrift ist mit einem Gelehrt«nnachlaß in Tübingen verschollen.'' '

Nun zu den Gründen, die zur Wahl dieser Texte führten. Zunächst

weil ihre Übersetzer mit einiger Sicherheit als Äthiopier auszumachen

sind. Die z. T. groben Mißverständnise des arabischen Textes lassen in

jedem Falle auf einen nicht arabisch sprechenden Übersetzer schließen,

da solch elementare Versehen auch einem weniger gebildeten Araber

nicht unterlaufen sollten. Dies ist in der äthiopischen Übersetzungshte¬

ratur nicht selbstverständlich, wissen wir doch von arabischen Mön¬

chen, die ins Ga'az übersetzt haben; neben dem Synaxar (äth. stnkjs-

sar) z. B. auch die Chronik des Johannes von Nikiu, die der ägyptische

Diakon Gabriel übersetzt hat, und v.a. der jemenitische Konvertit

Hnbaqom, der nicht nur begabter Übersetzer, sondern geradezu glän¬

zender Schriftsteller in Ga'az war.^^ Dann aber, und das war ausschlag-

S. Anm. 6.

Hs. Nr. 21 im Katalog von L. Goldschmidt (Rüppell, 1 g).

^' Vgl. H. Ewald: Ueber die aethiopischenHandschriftenzu Tübingen. In: Zeit- schrift für die Kunde des Morgenfandes 5 (1844), 200-201; die Hs., die wie die Berliner Hs. ZA und WA vereinigte, befand sich im Besitze des Theologieprofes¬

sors Christian Friedrich Schmid, gest. 1852. Nach Auskunft der UB Tübin¬

gen und der Landesbibliothek Stuttgart ist der Verbleib seines Nachlasses nicht bekannt.

Vermißt ist auch die Hs. der ZA in Frankfurt, die Dillmann noch für sein

Lexicon auszog (vgl. DL, X; Sigel Jsp.); Goldschmidt: Katalog, Nr. 2 = Rüp¬

pell II, 2, XIV = S. 5-9; dort in eine Bibel-Hs. eingefügt.

Zu den Übersetzern des Synaxars ins Äthiopische vgl. Carlo Conti Ros¬

sini: SulPetä della versione ahissina del Sinassario. {Piccoli studi etiopici. 4.) In:

ZA 27 (1912), 371-372; Ignazio Guidi: the Ethiopic Senkessdr. In: JRAS 43

(1911), 739; Sylvain Grebaut: Un nouveau classement des manuscrits du syna- xaire ethiopien. In: JA 211 (1927), 129-134. Der Fah des Synaxars ist für weiter¬

gehende Untersuchungen sehr interessant, wurde doch der ursprüngliche Über¬

setzungstext später in Bezug auf die sprachliche Form und Verständlichkeit revidiert. Die Änderungen zu ursprünglichen Fassungen müßten dann die kras¬

sesten Fälle von Übersetzer-Ga'az aufzeigen.

Zur Chronik des Johannes von Nikiu und dessen arabischem Übersetzer ins

Gs'az vgl. H. Zotenberg: Catalogue des mss. Äthiopiens. Paris 1877, Nr. 146,2;

S. 240b-241a.

Zu dem jemenitischen Konvertiten und späteren Abt des Klosters Däbrä-

Libänos, somit Oberhaupt der äthiopischen Mönche als 3^age, vgl. Lanfranco Ricci: le vite die Snbäqom e di Yohannes, abbati di Dabra Libänos di Scioa. In:

Rassegna di studi etiopici [RSE] 13 (1954), 91-120; 14 (1955/58), 69-107; 22

(8)

Arabisch-äthiopische Übersetzungstechnilt 321

gebend, handelt es sich um historiographische Texte, d. h. Texte jener

Wissenschaft, die sich vomehmlich der Alltags spräche bedient. Über¬

setzung und Vergleich von Wissenschaftstexten, die eine ausgeprägte

Terminologie und damit verbunden ein ihnen eigenes Begriffssystem

haben, folgen bei der Übertragung, die zumeist mit dem Phänomen der

Akkulturation der Zielsprache verbunden ist, anderen Gesetzlichkei¬

ten. Hier ist nicht so sehr das rein Sprachliche ausschlaggebend, viel"

mehr prägt der zu vermittelnde Inhalt die sprachliche Form. Es existie¬

ren im Äthiopischen auch Übersetzungen von wissenschaftlichen Tex¬

ten, besonders aus dem Bereich der Theologie und Chronologie. Fremde

Fachbegriffe, wie z.B. Zodikalzeichen, werden dort einfach als Fremd¬

wörter übemommen. Die Übersetzer der Zena Ayhud und des Tarikä

Wäldä-'Amid waren dieser Sprache nicht mächtig, oder sie interessier¬

ten sich nicht für theoretisch-abstrakte Sachverhalte. Dies bekundet

der Übersetzer des Wäldä-'Amid deutlich, wenn er eine längere Überle¬

gung über die Natur der Zeit in der Einleitung der Universalgeschichte

einfach ausläßt. Sie hätte ihm die Übertragung von philosophischen

Fachbegriffen abverlangt. Unter den wenigen Beispielen für termini

technici ist die Wiedergabe von arab. miqdär „Maß" mit halq" ) „Zahl" zu

nennen. Andere Fachbegriffe werden einfach in der arabischen Form

belassen: arab. kura „Erdscheibe" wird zu äth. kaura (mit falscher

Vokalisierung und Dehnung der Femininendung, die hier wohl die

Vokalqualität „a" ausdrücken soll). Den geographischen arabischen ter¬

minus al-bahr al-muhit „Ozean" versteht der Übersetzer schon gar nicht

und übersetzt wörtlich, wiewohl er dafür in seiner eigenen Tradition ein

passendes Fachwort uqyanos hätte, bahr 'abiy zä-ya'awwad „das große,

umgebende Meer". Auch das Wort für Pyramiden ahräm kennt er nicht;

er übersetzt, nach dem Kontext deutend, mäzagabt „Schatzhäuser" (alle

Beispiele aus WA, Einleitung).

(1966), 75-102; 23 (1967/68), 79-219; 24 (1969/70), 134-232. Er ist hervorge¬

treten durch eine Apologie des Christentums gegen den Islam, betitelt Angä^ä

Amin. Hrsg. von E. van Donzel. Leiden 1969, die er in Ga'az verfaßt hat. Als

Übersetzer tritt er uns in seiner Übertragung des christlichen Romans Barlaam

und Josaphat entgegen (Hrsg. von E. W. Budoe: Baraldm and Yewasef. Cam¬

bridge 1923). Diese Übersetzung nimmt eine Sonderstellung in der Überset¬

zungshteratur ein. Obwohl sie deutliche Spuren des Arabischen trägt, hat sie

doch eine Fülle von gelungenen Neuschöpfungen aufzuweisen, neben dem Feh¬

len der typischen syntaktischen Verformungen des Ga'az, die Snbaqoms Werke

als Einzelfall gelungener Übertragung einer gesonderten Untersuchung würdig erscheinen lassen; eine solche Untersuchung müßte allerdings mit einer Neuaus¬

gabe und -Übersetzung der BuDOE'schen Ausgabe einhergehen.

(9)

322 Manfred Kropp

Die Sprache dieser Texte ist schhcht. Die Zielsprache Ga'az verfugt

über alle Ausdrucksmittel, um den arabischen Ausgangstext in ein idio¬

matisch einwandfreies Ga'az zu übertragen. Dafür ist der Bibeltext, der

in den Geschichtsbüchern eine wesentliche Rolle spielt, und an dem

sich jeder Übersetzer orientieren konnte, ein gutes Beispiel. Die Bibel

selbst ist in der ganzen Übersetzungstätigkeit, wie auch beim Schreiben

historiographischer äthiopischer Texte allgemein, sprachliche und stili¬

stische Norm. Daß sie darüber hinaus noch eine wichtige Rolle im Dia¬

log der an der Übersetzung Beteiligten erfüllt, wird die Praxis der Über¬

setzung erweisen. Die Übersetzungen ergeben aber nicht solche idioma¬

tisch einwandfreien Ga'az-Texte; die Abweichungen von der Norm

verdienen unser Interesse und machen die Mechanismen der Über¬

setzungsarbeit deutlich.

Ich beschreibe zunächst das Modell eines Übersetzungsvorgangs zwi¬

schen den beiden Sprachen etwas näher. Beim Ga'az in seinen verschie¬

denen stilistischen Stufen und der 'Arabi3^a, d.h. der arabischen

Schriftsprache, handelt es sich grundsätzlich um zwei genetisch eng

verwandte Sprachen der semitischen Sprachfamilie, deren Stellung

zueinander etwa der zweier romanischer Sprachen vom jeweils ent¬

gegengesetzten Ende des romanischen Sprachraums zu vergleichen ist.

Ein Großteil des morphologischen Materials ist gleich oder sehr ähn¬

lich; freilich ist, wie sich zeigen wird, dessen Verwendung im syntakti¬

schen Rahmen durchaus verschieden. Weiterhin ist das Grundphäno¬

men der semitischen Sprachen gegeben: die dreikonsonantige (dreira¬

dikalige) Wurzel, der ein bestimmter sprachlicher Inhalt anhaftet.

Solche Wurzeln sind in beiden Sprachen oft gleich, oder sind durch laut¬

gesetzliche Regeln übertragbar, allerdings ist die einzelsprachliche

semantische Entwicklung oft so verschieden, daß sich die Fälle der faux

amis häufen, nach dem Muster deutsch-englisch: „ waiter, when will I

become a beefsteak?" auf das es eben nur die kühle Antwort geben kann

„I hope never, Sir!"^*

Sodann gilt für beide Sprachen, daß sie Kunstsprachen sind, die sich

stark von der gesprochenen Sprache der Zeit unterscheiden. Für das

Arabische — was es zu Anfang seiner Entwicklung auch immer gewesen

sein mag — existiert eine strenge grammatische Norm, die besonders im

islamischen Kulturbereich eingehalten, besser: angestrebt wird. Der

christliche-arabische Schriftsteller im syrischen Räume hatte u.U. eine

alte Eigentradition der arabischen Sprache, die sich in manchem von

„Falsche Freunde"; vgl. dazu Definition und Beispiele in Kurt Rein: Ein¬

führung in die kontrastive Linguistik. Darmstadt 1983, 64-67.

(10)

Arabisch-äthiopische Übersetzungstechnili 323

der mushmisch geprägten Norm unterschied. Als das Koptische in

Ägypten im 10. Jhdt. als Volkssprache ausstarb, griffen die Christen auf

die 'Arabiyya, das Klassisch-Arabische zuriick, das sie seither stark

von der ägyptisch-arabischen Umgangssprache beeinflußt schreiben.

Die Kenntnis der geschriebenen Sprache wtirzelt nicht im lebendigen

Sprachgefühl und ist besonders bei ungebildeten Schreibern der Interfe¬

renz mit dem Dialekt ausgesetzt. Unter Interferenz verstehe ich die von

Elementen einer anderen oder der gleichen Sprache verursachte Verlet¬

zung einer sprachlichen Norm, bzw. den Prozeß dieser Beeinflussung.

Die Mönche, die vom koptischen Patriarchen in Kairo nach Äthiopien

geschickt wurden, waren sicherlich nicht die gebildetsten, sah man

doch diese Entsendung bisweilen geradezu als Strafe an. Hinzu kommt

die Defizienz des optischen Kodes, der arabischen Konsonantenschrift, des Vehikels dieser Texte. Ihr Hauptmangel ist die fehlende Differenzie¬

rung der einzelnen Zeichen, weswegen diakritische Punkte gebraucht

werden, sowie das Fehlen der Vokale, die weit auseinanderliegende

Lesungen zulassen, und, allgemein gesprochen, die mangelnde Redun¬

danz, die, wie man heute aus der Kommunikationswissenschaft weiß,

Hauptursache fiir Störungen der Nachrichtenübermittlung ist. Beson¬

ders bei fremden Eigennamen, die nicht morphologisch oder seman¬

tisch in der Sprache gebunden sind, macht sich diese Defizienz des opti¬

schen Kodes stark bemerkbar, aber auch in einfachen Sätzen kömien

dadurch grobe Fehllesungen vorkommen. Zu den sattsam bekannten

Entstellungen der Eigennamen nur zwei Beispiele, die sich aus dem

Yosippon um hunderte vermehren ließen: Äthiopisch Antal, verlesen

aus arabisch Itäliyä; äthiopisch Abibai, verlesen aus arabisch Annibäl.

Ein Beispiel eines Satzes:

ß ^amä'atin mina l-^unxl „in einer Schar Soldaten (TY 124) wird zu

m,)slä säb'a Htndalce „in einer Schar Inder" (ZA 117,20). Oder:

fa-tasira ilayya bi-zayyika „und komme zu mir in deinem Gewände"

(TY 99) wird zu

wä-hor habä Bazil „und gehe nach Bazil (1)" (ZA 95).

Bevor wir auf die äthiopische Gegenseite eingehen, möchte ich einiges

über die Praxis der Übersetzungen anmerken. Wo sich Übersetzer in

den Kolophonen der Handschriften zu erkennen geben, wird klar, daß

zumeist mehrere Personen an der Übertragung arbeiten. Allerdings

werden fast immer entweder Araber (Ägypter) oder Äthiopier genannt,

was jedoch in keiner Weise ausschließt, daß eine Gruppe von Arabisch-

und Äthiopisch-Sprechenden an der Arbeit beteiligt war. Solche

gemischtsprachigen Übersetzergruppen kennen wir z.B. aus der Über¬

setzerschule von Toledo. Die Befragung von Muttersprachlern (native

23 ZDMG 136/2

(11)

324 Manfred Kropp

Speakers) war im Orient Brauch, was erklärt, daß trotz umfangreicher

Übersetzungstätigkeit wenig Sprachlehren zum Gebrauche von Anders¬

sprachigen bekannt sind; der lebendige Kontakt ersetzte das Sprach¬

studium. Femer entstehen die uns bekannten Übersetzungen zumeist in

Äthiopien selbst, also nicht in den Pilgerstationen Obergäyptens oder

Jemsalems, die immer zahlreiche äthiopische Pilger beherbergten und

Zentren des geistigen und kulturellen Austauschs waren. Die arabi¬

schen Texte werden von den koptischen Mönchen aus Ägypten mitge¬

bracht, zuweilen auf einen spezifischen Wunsch von äthiopischer Seite

hin. An Hilfsmitteln steht den Übersetzern wenig zur Verfügung. Die

Glossare der äthiopischen Literatur (säwastw) sind Spezialglossare zu

den schwierigen Wörtern griechischer und hebräischer Herkunft in der

Bibel. Diese übertragen zudem den betreffenden, zu erklärenden Aus¬

dmck ins Amharische.^* Andere, wenige Wörterverzeichnisse arabisch¬

äthiopisch und umgekehrt dienen rein praktischen Zwecken von Kauf¬

leuten und Reisenden.^' Freilich aber haben zwei Christen verschiede¬

ner Zunge, die sich über den Sinn eines Wortes in der fremden Sprache

klar werden müssen, ein großes, gemeinsames Textkorpus, die Bibel,

der sie bei einiger Textkenntnis viele Fälle genau entnehmen können.

Daß die Bibel tatsächlich als Wörterbuch diente, zeigt die Wiedergabe

des arabischen Bäb al-ganam (Schaftor) in dem Bericht des al-Makin

über den Tempelbau Ezras. Hier wird nicht das Arabische übersetzt,

sondem der in der äthiopischen Bibel geläufige Ausdmck propatike

gewählt, ein Fremdwort aus der Sepuaginta, das ein interessierter

Leser erst wieder mit Hilfe eines säwasjw deuten müßte.^"

Die Zielsprache Ga'az ist in der fraglichen Zeit reine Schrift- und

Gelehrtensprache. Allerdings ist ihr nicht die strenge grammatische

Pflege des Arabischen zuteil geworden. Sie ist somit in großem Maße

der Interferenz mit der gesprochenen Sprache der Schreiber ausgesetzt.

Für unsere Texte müssen wir annehmen, daß es sich bei diesen um

amharisch sprechende handelt, wie dies in den meisten Handschriften

zum Ausdruck kommt. Auch die traditionelle Aussprache des Ga'az ist

von der gesprochenen Sprache, hier dem Amharisehen, geprägt. Als

^* Die Wörterverzeichnisse sind allerdings von wechselndem Umfang und

Zweck; manche beinhalten zudem einen Abriß der Grammatik des Ga'az; vgl.

dazu Martino Mario Moreno : Struttura e terminologia del Sawäsew. In: RSE 8

(1949), 12-62.

2ä Vgl. z.,B. Enno Littmann: Abessinische Glossen. In: ZA 21 (1907/8), 50- 109.

Vgl. DL 1252. Das Wort erscheint in mancherlei Entstellungen in den äth.

Hss.

(12)

Arabisch-äthiopische Übersetzungstechnilt 325

Sprachnorm des Ga'az, an der wir die Ubersetzersprache messen wol¬

len, können wir bei dem Fehlen einer granmiatischen Tradition und der

Entfemtheit der Bibeltexte, die zudem schon eine Revision nach arabi¬

schen Vorlagen hinter sich haben, nur die original-äthiopischen Schrif¬

ten wählen, die zu dieser Zeit entstehen. Dies sind keine theologischen

Schriften oder Literaturwerke, die fast ausnahmslos wieder Überset¬

zungen sind, sondem Viten (gädl) äthiopischer Heiliger und Chroniken.

Aufgmnd der inhaltlichen Nähe gebe ich der Sprache der Chroniken

mehr Gewicht als der Sprache der Viten, wenn sich auch später zeigt,

daß die Hauptergebnisse auf syntaktischem Gebiet die gleichen blei¬

ben. Die Sprache der äthiopischen Chroniken, so verschieden sie auch

von Text zu Text sein mag, muß gewisseiTnaßen als die Norm eines

Ga'aztextes angesetzt werden, um einen Kontrast zu den Übersetzun¬

gen zu erhalten."". Diese Sprache ist durch den Einfluß des Amhari¬

sehen gegenüber dem alten Ga'az, soweit sich dies erkennen läßt, stark

umgestaltet. Dies bezieht sich rücht nur auf das Lexikon, das bei vielen

praktischen Dingen einfach die Wörter der lebenden Sprache auf¬

nimmt, sondem v.a. auf die Syntax. Die altsemitische Syntax des

Ga'az, wohl wie das Arabische im Wesentlichen eine Verb-Subjekt-

Objekt-Sprache, wird unter dem Einfluß des Amharisehen vorder¬

bauend. Bestimmendes steht vor dem Bestimmten, untergeordnete

Syntagma vor den übergeordneten, ebenso untergeordnete Sätze vor

den übergeordneten; das finite Verbum steht am Schluß des Satzes.

Diese Satzstellung ist — und dies in Anfiingen schon in den Inschriften

aus Aksum — in das Ga'az eingedmngen. Weiterhin kennt das Amha¬

rische eine Reihe von Auxiliarverben, die sieh dann im Ga'az der Zeit

wiederfinden, wo sie in der betreffenden Funktion kein Heimatrecht

haben. Deutlich ausgeprägt ist der Gebauch der Kopula; ähnliches läßt

sich über die Frequenz der Gemndia, besser Konverbien, sagen, d. h.

Verbalnomina im Akkusativ mit Personalsuffix, den genetivus subjecti-

^' Die Sprache der Chroniken wird von den einheimischen Gelehrten als

gesonderte Sprachstufe empfunden und hsanä tarik (Chronikensprache)

genannt. Der Unterschied zu der Sprache der Viten äthiopischer Heiliger, die ebenfalls als genuin äthiopische Literatur anzusehen sind, ist jedoch hauptsäch¬

lich im Lexikon zu sehen. Hier muß der Chronikenschreiber in reichem Maße auf

die Sprache der Zeit, das Amharische (genannt hsanä n,)guS „Sprache des

Königs und des Hofes") zurückgreifen, da ihm das Ga'az nicht den Wortschatz für die Einrichtungen, Ämter des Hofes und auch nicht für die Beschreibung der

materiellen Kultur bot. So bestehen die Hofordnungen (hr'atä mängdSt) zum

überwiegenden Teil aus amharischem Wortgut. In der Syntax allerdings unter¬

liegt die Sprache der Heüigenviten dem gleichen starken amharisehen Einfluß

wie die Chronikensprache, so daß nur eine Sprachnorm anzusetzen ist.

23*

(13)

CO tsS 05

Schaubild 1

Christlich-arabische Umwelt in Ägypten unter islamischen Einfluß

Denotat 1

\ Autor/Schreiber

\

generiert über

\

Kode 1: Klassisch Arabisch in Interferenz mit ägypt.

Umgangssprache

anti-islamischer Filter christlicher Verstärker

Christlich-äthiopische Umwelt

Denotat 2/ Ubersetzerverständnis

\ I

Denotat 2 a

Übersetzer

I \

generiert über

\ Kode 2: Klassisch-Arabisch

in Interferenz mit Dialekt¬

arabisch, und Äthiopisch (Gs'az/Amharisch).

Kode 3: Gs'az in Interferenz mit Amharisch und Arabisch

/ liest über

/ Text 1:

Christhch-Arabisches Werk

-> Transkription

Denotat 3 Leserverständnis

t Leser

Kode 4: Ga'az in Interferenz mit Amharisch oder anderer Semitensprache Äthiopiens.

liest über

Text 2:

Christliches Gs'sz-Werk

> wH ö W w o►ö D

(14)

Arabisch-äthiopische Übersetzungstechnik 327

vus vertretend, die der Nominahsierung ganzer Sätze und dem Einbau

in einen übergeordneten Satz dienen, dies zum Ausdruck begleitender

oder kurz vorausgehender Zustände oder Handlungen.

Schaubild 1 verdeutlicht schematisch den Mechanismus der Überset¬

zung. Dabei ist ein Extremfall die Transkription des arabischen Kodes

in den äthiopischen, ein Grenzfall der Ratlosigkeit des Übersetzers, der

besonders bei Eigennamen auftritt. Jeder andere Fall muß sich als

Resultat der anderen, bei der Übersetzung beteiligten Faktoren erklä¬

ren lassen. Ziel des Modells ist es nicht, einen Algorithmus zur maschi¬

nellen Übersetzung und zur Prognose des Übersetzungsergebnisses zu

erstellen, wie dies bereits für die griechisch-äthiopische Übersetzung

versucht wurde das Ziel ist hier bescheidener: ein kleines Flußdia¬

gramm soll eine traditionelle, deskriptive Beschreibung verdeutlichen.

Das erste, zunächst paradox anmutende Ergebnis aus diesem Dia-

■gramm ist, daß Araber, die sich der Mühe des Übersetzers in das Ga'az

unterziehen, weniger Schwierigkeiten und mehr Erfolg haben werden,

eine theoretische Forderung, die durch die vorliegenden Texte unter¬

mauert wird.

John A. Miles: Ancient translations from Greek to Ethiopic and thepredicta- bility of translation syntax. Phil. Diss. Harvard Univ. 1971. Die Studie basiert auf

dem Buch Ester, das als ältester äthiopischer Bibeltext angenommen wird.

Das Schaubild gilt für einen angenommenen äthiopischen Übersetzer. Kode ist

hier ein Regelsystem, das sich im Kurzzeitgedächtnis des Übersetzers/Lesers aus der Sprachnorm und unter Einfluß der aktuellen Lektüre aufbaut. Systema¬

tische Fehler werden v.a. allem durch den hybriden Kode 2 entstehen, sowie

durch die Beeinflussung zwischen Kode 2 und 3, die ja in der gleichen Person aufgebaut und jeweils kurz hintereinander aktiviert werden müssen.

Für den arabischen Übersetzer fällt Kode 2 fort ; er ist gleich Kode 1. Der

Übersetzungsvorgang wird durch den Wegfall des kompliziertesten Kodes ein¬

facher. Eventuell ist aueh Kode 3 Rir den Fall des arabischen Übersetzers als einfacher zu betrachten, da Ga'az hier nur in Interferenz mit dem strukturell näheren Arabisch stünde.

Durch Rückkoppelung kann sich beim Lesevorgang Kode 4 ändern, d. h. aus

mit Kode 4 inkompatiblen Fällen in Text 2 werden neue Regeln generiert, die

dann als Arabismen fester Bestandteil von Kode 4 werden.

Kode 2 bzw. Lesevorgang 2 wäre noeh weiter für den Fall zu spezifieren, daß der Übersetzer einen Gewährsmann (arabischer Sprache) zu Rate zieht. Dafür wäre ein Lesevorgang nach Kode 1 einzuschalten, weiterhin die Gesprächsituation Leser 2 — Übersetzer 2, für die die Kommunikationsspraehe mit ihren jeweiligen

Kodierungs- und Dekodierungssituationen, Amharisch oder Dialektarabisch als

die wahrscheinlichsten, zu berücksichtigen wäre.

(15)

328 Manfred Kropp

Aus den beiden ausgewählten Werken fertigte ich längere Auszüge in

Partituranlage mit dem arabischen und dem entsprechenden äthiopi¬

schen Text an; dies mußte wegen der unterschiedlichen Schreibrichtung

der beiden Schriften in Umschrift ausgeführt werden. Dabei wurde

schon ein wesentliches Merkmal der Übersetzungsteehnik deutlich. Es

handelt sich auf weiten Strecken um eine Wort-für-Wort-Übersetzung,

die nur an verhältnismäßig wenigen Stellen freie, sinngemäße Übertra¬

gungen in die Zielsprache aufweist.*" Der Übersetzer verhält sich

gegenüber seinen Texten nicht selbständig; er gibt unter dem Einfluß

der Ausgangssprache seine ohnehin nur angelernten Regeln der Ziel¬

sprache auf und läßt sich in der Regel gänzlich vom Textgeschehen in

der Ausgangssprache leiten. Diese passive Haltung läßt sich gut mit

dem Wort „generieren" beschreiben, d. h. er folgt den fremden syntakti¬

schen, semantischen und morjihologischen Mustem, die er eher mecha¬

nisch in seine eigene Schriftsprache übersetzt. Das Produkt trägt daher

eher den Stempel der Ausgangssprache, denn den seiner Muttersprache

oder gar der eigentlichen Regeln der Schriftsprache Ga'az. Die Mecha¬

nismen dieser Generierung wollen wir betrachten an ausgewählten Bei¬

spielen für die Themenkreise: Einzelwörter und Wurzeln; Syntagma,

besonders in Bezug auf Präpositionen und die Determination, Syntax

der Nebensätze und der Enklitika, Wortstellung im Satz. Dabei werden

neben der semantischen Sonderentwicklung der gemeinsemitischen

Wurzeln in den Einzelsprachen und die Bereicherung des Lexikons

durch tjqDische Übersetzungswörter besonders im syntaktischen

Bereich fundamentale Unterschiede zwischen diesen beiden eng ver¬

wandten Sprachen deutlich werden.

Reine Fremdwörter aus dem Arabischen können kurz abgehandelt

werden. Sie sind zumeist unmittelbar als solche erkennbar. Oft läßt der

Äthiopier den arabischen Artikel (al- bzw. ,>l-) als Determinativ für

Fremdwort stehen. Die Wörter werden, vrie meist im pl. mask, erkenn¬

bar, im casus obliquus übernommen. Zu manchen, speziell wenn sie

lautlich mit rein äthiopischen Wöi'tern zusammenfallen, werden in den

Übersetzungen erklärende Glossen hinzugegeben. Beispiele:

bä' (WA) wird zu ba', Längenmaß ohne weitere Erklämng.

hisn (WA) wird zu h>sn Festung; äth. : mahfäd;

sähil (ZA 96) wird zu sahd „Küste; in Konflikt mit äth. Shi (Gnade),

daher Glosse: zä-W)\>tu d.>ngagä bahr „d.h. der Rand des Meeres".

sar^ (WA) wird zu sär^/z „Sattel", Glosse: zä-w^atu kor „d.h. ein Sat¬

tel".

Zum BegrifT „Zielsprache" vgl. das Buch von E. Güttinger: Zielsprache.

Theorie und Technik des Übersetzens. Zürich 1963.

(16)

Arabisch-äthiopische Übersetzungstechnilt 329 al-mu'tazila (ZA 54) wird zu ( )l)-m,>%>z)la „Sezessionisten Rebellen",

im christl.-arab. oft synonym zu hawäri^.

Aus Reimgründen kann ein Fremdwort stehen bleiben; z.B.:

Yä Sagarata l-'Abbäs gä'a-ki l-fäs „Baum des 'Abbäs, an dich ist die Axt

gelegt" (WA) wird zu

o-',>zä Gas^^ mäs'a habe-kä Jas, zä-w.)\)tu mahfe „Baum von Gas, an dich ist die „fas" gelegt, d.h. die Axt." Das unverständliche Fremdwort wird

also dureh eine erklärende Glosse erläutert.

Viele solcher Arabismen sind stilbildend geworden; sie werden später

in genuin äthiopischen Schriften aufgenommen und kommen z. T. in sol¬

cher Häufung vor, daß sich die Bearbeiter fragten, ob die Autoren lucht

Araber waren. Aber abgesehen von den syntaktischen Kriterien, die wir

im Verlaufe unserer Betrachtung noch entwickeln werden, und die uns

ein klares Bild über die Muttersprache des Autors/Übersetzers liefern,

genügt es an die deutsche Literatur des ausgehenden 18. Jhdts. zu den¬

ken, um solche Modeerscheinungen richtig zu bewerten. So gibt es dann

in der Chronik des Gälawdewos, oft verdächtigt, von einem Araber ver¬

faßt zu sein:

l,)l-näsara (mit Präposition und arab. Artikel = li-n-na^ärä) „für die

Christen" (ConzGal, 42,19.)

fällahin zä-wj 'jtomv säb'a hagär (pl. u. casus obliquus) „Bauem, d. h. die

Bewohner des Landes" (ConzGal, 75)

hdfätä säniay wa-l-ard (statt wie in anderen Hss. madr) „das Vergehen

des Himmels und der Erde". Daß solche Arabismen in späteren Hss.

getilgt werden, zeigt, daß sie zu gesucht oder letztlich nicht verständ¬

lich waren.*^

Tiefer in den Bau der Sprache dringen die Lehnübersetzungen ein,

d.h. Bedeutungsverschiebungen in existierenden Wörtern, denen der

Übersetzer Teile des semantischen Feldes der Ausgangssprache auf¬

erlegt. Hier wären als kurioser Fall zunächst die faux amis zu betrach¬

ten, Wörter, die der Übersetzer um des Gleichklangs willen wählt, ohne

den Bedeutungsunterschied zu beachten:

fitra (BarY 4) „Bildung, Denkungsweise" wird wiedergegeben durch

äth. fiträt „Natur, Schöpfung".

qadima (WA) „alt", durch äth. qädamay „erster".

himl {ZA 172) „Last" durch äth. hjml; sonst nicht belegte Nominalform, die zu einer äth. Wurzel, die „grün" bedeutet, zu ziehen wäre; also: einer

trage des anderen Grün.

" Gas als Verlesung aus dem rasm des Namens 'Abbäs.

Letztes Beispiel aus der Chronik des Zär'a-Ya'qob. Ed. J. Perruchon.

Paris 1893, S. 103 und Anm. 2.

(17)

330 Manfred Kropp

Der Übersetzer erfaßt oft nicht den besonderen Sinn eines arabischen

Wortes oder Ausdrucks im Kontext und gibt das betreffende Wort

mechanisch in seiner Grundbedeutimg wieder. Dies gilt allerdings nicht

für die reiche Verwendung des äthiopischen nägär in den Übersetzun¬

gen, das eigentlich dem lateinischen res entspricht. Im Äthiopischen

wie im Lateinischen werden eben viele Sachverhalte auf die res redu¬

ziert, kategorisiert. So gibt nägär wieder arabisch sabab „Ursache" ; ha¬

bar „Nachricht"; Geschichte"; ra'y „Ansicht, Meinung"; qani „Rede";

amr „Ding"; haqiqa „Wahrheit, Sachverhalt" u. vieles mehr.

In dem Herrschemamen Rukn ad-Din „Eckpfeiler der Religion" gibt

der Übersetzer wieder Ma'z.mtä Haymanot (Ecke der Religion, abgele¬

gener Winkel). Hier muß unentschieden bleiben, ob er es nicht besser

wußte, oder aber ob er nicht absichtlich einem muslimischen Fürsten

einen seltsamen Namen anhängte. Beispiele bewußter Entstellung sol¬

cher Namen (vgl. Arwe Bädlay)'^^ und die sonstige Sitte, solche Namen

zu transkribieren (z.B. Taz Mduk für Tä^ al-Mulük) legen freilich das

erste nahe; zu ähnlichen Ironisierangen noch zum Schluß.

Das im arabischen häufig gebrauchte wa^h eig. „Gesicht", dann „Art

und Weise, Vorgehen" usw. findet sich in zahlreichen Lehnübersetzun¬

gen durch äthiopisch gas „Gesicht, Front", wo es eindeutig den vom

Arabischen gewollten Sinn trägt: bä-ayy gas (alle Texte passim) ent¬

spricht dem arabischen 'alä ayyi wa^h „aufweiche Weise" und kann nur

von daher verstanden werden.

Die arabische nushatu-l-aslh wörtl. „Abschrift der Wurzel" d.h. „des

Originals, der Vorlage des Kopisten" wird zum mäshafä Sarw, dem

„Buch der Wurzel" (ZA, passim). Dieser terminus technicus wird ein¬

gebürgert, war allerdings nicht immer den europäischen Bearbeitern als

Arabismus und somit in seiner Bedeutung klar, und so finden wir in

Wrights Katalog der äthiopischen Handschriften im British Museum

in London im Index ein Mäshafä. Strw (Buch der Wurzel) als Titel eines

gesonderten Werks (gedacht als grammatische Abhandlung?) angege¬

ben.**

** Arwe „Schlange, Bestie" als Volksetymologie des Titels awra'i; vgl.

Enrico Cerulli: Documenti arabi per la storia dell'Etiopia. In: Memorie della Reale Accademia Nazionale dei Lincei ser. 6, vol 4 (1931), S. 47, n. 3; S. 78, n. 1.

Die dort vorgeschlagenen Et3Tnologien des Titels (darunter auch die von R.

Basset) befriedigen nicht recht. Es ist wohl an einen zusammengesetzten Titel mit dem ersten Bestandteil aw „Vater, Ältester" zu denken.

Vgl. W. Wright: Catalogue of the Ethiopic manuscripts in the British

Museum. London 1877, S. 359a; S. 288a = Nr. 378; DL 242.

(18)

Arabisch-äthiopische Übersetzungstechnili 331 Arabisch mas'ala, eig. „Frage", dann „Problem, Angelegenheit" wird

zu äthiopisch pyaqe (DL 1247; BarY 20). Arabisch diqqatu l-qalbihzw.

aä-su'üri „Feinheit der Empfindung, Empfindsamkeit" wird zu äthio¬

pisch qatnätä übbu (BarY 20). Die Wurzel qtn ist sonst nur fiir konkretes

„fein, dünn", auch „abgetragen, von Kleidern" belegt. Die beiden letz¬

ten Beispiele stammen freilich schon von dem wohl größten Sprach¬

schöpfer in Übersetzungen, dem jemenitischen Konvertiten Snbaqom,

dessen Werke in Dillmanns Lexicon fiir bestimmte Wörter und Aus¬

drücke in aufialliger Weise die einzigen Belege liefern, die daher mit

einiger Sicherheit, wenn sie mit entsprechenden arabischen Wendun¬

gen zusammengehen, als seine Neuschöpfungen angesehen werden

können. Eine solche glückt ihm noch mit der Opposition ('aläm) näbari

— halafi, die ganz dem arabischen bäqi —fäni, bzw. däru l-baqä'i — däru

l-fanä'i „Vergänghchkeit und Ewigkeit" abgelauscht ist. (BarY 18).

Allerdings sind viele solcher Neuschöpfungen nicht wirksam gewor¬

den, da sie dem äthiopischen Sprachgebrauch zu fremd waren. Zum

Abschluß bringen wir aus der Zena Ayhud eine gänzlich mißglückte.

. . . wa-bi-yadi-hi sayfun mitlu l-barqi l-lämi'i s-säti'i l-ba§ar lautet der

arabische Satz in TY 26. Es handelt sich um einen Engel, der ein blit¬

zendes, blendendes Schwert in der Hand hält. Der Äthiopier übersetzt

(ZA 30,18) . . . wä-säyf w)stä )de-hu yansäbärraq kämä mäbräq wä-

määati, eine Lesart fugt hinzu: kämä anbäsa. Hier ist vieles mißglückt.

Der Häl- (Zustands-)Satz des Arabischen ist im Äthiopischen in eine

Parataxe umgewandelt, aber auch die Wiedergabe von as-säti'i l-ba^ar

„den Blick raubend, blendend, strahlend", für das der Äthiopier durch¬

aus die Wendung zä-yähayy.)d a'y mtä^^ mit der gleichen Metaphorik

zur Verfügung gehabt hätte, ist verfälscht. Oder wollte er eine beson¬

ders gesuchte Übertragung liefern? Er wählt streng nach dem ersten

Wortsinn „rauben, reißen" rnäSätä (von Tieren gebraucht (DL 152) und

läßt das Partizip, das er im ersten Falle und sonst auch oft mit einem

Relativsatz übersetzt, zusammenhanglos stehen, weswegen es sich

dann notwendigerweise auf den Engel, und nicht auf dessen Schwert

bezieht. Was Wunder, daß ein späterer Abschreiber verschlimmbesser¬

te und hinzufügte kämä 'anbäsa, also „ein Engel, reißend wie ein Löwe".

Bei den nominalen Ableitungen der nisba finden wir typische Formen,

die den Übersetzungen eigentümlich sind: ruguSawi „königlich" nach

dem arabischen malaki; in genuin äthiopischen Texten zumeist mit der

Genetivverbindung zä-n>guJ o.ä. ausgedrückt. Masihawi „christlich"

nach dem arabischen masihi; sonst äthiopisch zumeist krastiyanawi

Vgl. DL 16.

(19)

332 Manfred Kropp

oder Genetivverbindung zä-knstiyan o.ä. Dabei kommt es auch zu

hybriden Bildungen wie z.B. habaSiyawi „äthiopisch", wo der Überset¬

zer an die arabische Nisba gleich noch einmal die äthiopische anhängte

(ConzGal 28).

Einen noch tieferen Eingriff in das System der Zielsprache stellen die

nächsten zwei zu besprechenden Kategorien dar: Lehnwurzeln und

Fremdwurzeln. Gemeinsam ist beiden, daß nicht nur der Sinn eines

Wortes verschoben wird, sondem das ganze morphologische Ablei-

tungsgefüge der Wurzel diesem Wechsel unterworfen ist. Handelt es

sich dabei um eine äthiopische Wurzel, so spreche ich von Lehnwurzel;

handelt es sich aber auch der lautlichen Gestalt nach um eine dem

Äthiopischen sonst fremde Wurzel, also um die lautliche Einbringung

einer arabischen Wurzel, so spreche ich von Fremdwurzel. Von den vie¬

len hier anzuführenden Beispielen, die in Dillmanns Lexikon SMigmnA

der Stmktur der Belegstellen herauszulösen sind und eine beträchtliche

Schicht des literarischen Ga'az ausmachen, möchte ich hier drei vorstel¬

len.

Zunächst die Lehnwurzel DHR, deren Ableitungskategorien beson¬

ders reich belegt sind. Gmndsiim ist „hinten, zurück bleiben". Sie kon¬

kurriert damit mit den beiden arabischen Wurzeln 'HR und HLF, die

ebenfalls über einen reichen Ableitungsbestand sehr häufiger Verben

verfügen. Dies erklärt, weshalb die äthiopische Wurzel in den Überset¬

zungen funktional überladen wurde. Aus den vielen Belegen, die nur

nach dem arabischen Sinne verständlich sind, sei astädäharä „an die

letzte Stelle setzen, hintanstellen" herausgenommen; das Beispiel aus

ZA 205: wä-astädäharä wäldo Titos, ya'gatta lä-hagär, was nicht heißen

kann: „Er (Vespasian) setzte seinen Sohn Titus an die letzte Stelle,

damit er die Stadt (Jemsalem) belagere" sozusagen als Strafverset¬

zung, sondern erst durch den entsprechenden arabischen Satz (TY 217)

verständlich wird fa-stahlafa walda-hü J'itüs ..." wo es bedeutet „er

setzte seinen Sohn Titus als Stellvertreter (halifa) ein . . ."

Neben der bekannten Fremdwurzel KTB „schreiben" fiir das echt

äthiopische $HF ist hier ein Neufund BfL „nichtig, hinfällig sein" anzu¬

führen. Es handelt sich auch hier um eine Wurzel, deren sämtliche

Belege in die Übersetzungshteratur gehören und deren semantisches

Feld durch echt äthiopische Wendungen belegt ist, wie etwa käntu, bäk,

zä-albo bäq"'3', läsha, Sa'aräu. ä. Die bei DL 543-544 angeführten Belege

stammen zum überwiegenden Teil aus dem Yosippon, in dem wir freilich

aber auch andere Entsprechungen zur arabisehen Wurzel BfL finden,

wie täsär,) 'a; a^ra 'a (ZA 194 u. ö. ). Zur Auffindung der echt äthiopischen

Komplemente war der lat.-dt. Index in DL von großer Hilfe. Bei solchen

(20)

Arabisch-äthiopische Übersetzungstechnili 333

Untersuchungen ist das Fehlen einer kritischen Bibelausgabe mit einer

Konkordanz, als Ersatz liir einen äthiopischen Thesaurus, besonders

hinderlich; auch Spezialglossare zu edierten äthiopischen Texten wären

hierfür ein Desiderat.

Ein anschauliches Beispiel dafür, wie ausgehend von einer nominalen

Umdeutung das ganze Ableitungsgefiige einer Wurzel „infiziert" vdrd,

ist maknayat und seine Ableitungen. Grundbedeutung der Wurzel ist

wohl „Ersatz(leisten)". Das Nomen bedeutet „Ausrede, Vorwand, fal¬

scher Grund, den man angibt". Im Arabischen ist das Wort sahab (oder

auch Hlla) „Ursache" in analytischen Wendungen häufig gebraucht und

bedeutet oft nicht mehr als „weil, darum". Den eigentlichen Wortsinn

hat es damit als quasi-Konjunktion eingebüßt, doch der äthiopische

Ubersetzer sucht es dennoch nominal wiederzugeben, statt sich mit den

ähtiopischen Konjunktionen oder Wendungen imhäynä-za, bä-antä

zBntu zu begnügen. Dafür wählt er, da es im Ga'az augenscheinlich kein

Abstraktum fur Ursache" gab, miknayat, gibt aber damit diesem Wort

einen der Grundbedeutung nur nahestehenden neutralen oder positiven

Sinn. Bä-ayy maknayat (ZA; BarY passim) „weswegen"; wä-makrayatä

Zi)ntu (ZA passim) „aus diesem Grunde". Gleichzeitig aber bleibt

makmyat Wiedergabe von arabisch ihta^^a bi-hu^^atin in der Wendung

amäknäyä bä-maknayat (ZA 19 1 u. ö. ), d. h. im Arabischen zunächst „mit

einem Beweis argumentieren", dann jedoch ins Negative verschoben

„als Entschuldigung, Ausrede anführen" (hier der äthiopischen Bedeu¬

tung nahestehend). Doch auch das arabische hila von schillernder

Bedeutung „List" bis hin zu „Kunstkniff, Technik" wird durch Ableitun¬

gen der Wurzel MKNY im Äthiopischen wiedergegeben. Tämäknäyä

heißt gut äthiopisch „eine Ausrede gebrauchen, Ausflüchte machen"

(DL 858). Doch der Satz tämäknäyu aska säq"'är,ywwo (WA) kann so

nicht verstanden werden. Erst seine Rückübersetzung ins Arabische

bzw. das Nachlesen der betreffenden Passage im Originaltext des al-

Makin ihtälü ilä an naqabü l-^abala gibt in der Deutung „technische

Tricks anwenden" den geforderten Sinn „sie wandten verschiedene

technische Kunstgriffe an, bis es ihnen gelang, den Berg (fur einen Tun¬

nel) zu durchbohren". Freilich findet der Übersetzer fiir hila auch die

wesentlich angebrachtere Übersetzung tabäb „Wissen, Können", ja oft

geradezu „Technik". Doch ist in seinem spezifischen, durch den arabi¬

schen Ausgangstext beeinflußten Sprachgebrauch die Ableitung tätäb-

bäbä, die biblisch noch durchaus „sich klug verhalten, klug zu Werke

gehen" (vgl. DL 1228) bedeutet, besetzt durch die Wiedergabe des ara¬

bischen ihtälaß/'alä „jdn mit List umgarnen, betrügen". So z.B. ent¬

spricht arabisch häfa an yal),tälü bi-hilatin uhrä (TY 304) in der Überset-

(21)

334 Manfred Kropp

zung fänha kämä i-yiUäbbähu la'lehomu bä-^abäb kala\ (ZA 289) „er

befürchtete, sie Isönnten sie wieder mit einer List umgarnen". Der ganze

Komplex semantischer Verschiebungen wäre mit Jost Triers Wort-

feldbegriff darzustellen, wobei zunächst die Wortfelder im Arabischen

zwischen sabab, Hlla, hu^^a, hila und ihren Ableitungen festzulegen

wären; dann die Wortfelder von maknayat und fabäb im genuin äthiopi¬

schen Texten; schließlich wäre am Beispiel der Übersetzungstexte zu

zeigen, wie sich die Wortfelder angleichen, bzw. der Übersetzungs Vor¬

gang Verschiebungen hervorruft.*'"

Wir wollen den im wesentlichen das Wörterbuch betreffenden

Bereich der Beeinflussung durch Übersetzung mit einem kurzen Blick

auf den Gebrauch der Präpositionen in Verbindung mit Verben und in

typischen Wendungen des Arabischen abschließen. Das Arabische ver¬

dankt seine in vielen Fällen verblüffende Kürze und Prägnanz dem syn¬

taktischen Gebrauch seiner Präpositionen, die oft ohne Hinzutreten

eines Verbs komplizierte Sachverhalte ausdrücken können. Weiterhin

ist der spezifische Sinn eines Verbs oft erst durch das Hinzutreten einer

bestimmten Präposition festgelegt. Die Präpositionen 'alä und min

gehören dabei zu den häufigsten. Im Ga'az ist die Syntax der Präpositio¬

nen nicht so konzis, die präpositionale Rektion eines Verbs oft unbe¬

stimmt, durch mehrere Präpositionen zu vertreten. Die häufigsten Prä¬

positionen sind bä-, lä- und habä. Die Übersetzung aus dem Arabischen

generiert eine wesentlich höhere Frequenz von la'lä (dibä) und amnä in

den äthiopischen Texten. Die Rektion der Verben gleicht sich in vielen

Fällen an das Arabische an, dies sogar in Fällen, in denen das äthio¬

pische Verb eigentlich keine präpositionale Rektion kennt. Als Bei¬

spiele zu den angesprochenen Erscheinungen zunächst „calques" arabi¬

scher Wendungen: Arabisch 'alä yadi-hi „durch ihn" wird zu äthiopisch

la'lä adehu statt bä-ade-hu (WA passim; SD 80,36 u.ö., d.h. dieser Ara¬

bismus ist bleibender Bestandteil der Chronikensprache geworden).

Mimmä humß-hi „aus ihrer gegenwärtigen Lage" wird zu am-zä amuntu

wastetu (ZA 262; so im Äthiopischen kaum verständlich; echt äthiopisch

mit am-nabrätomu zä-ya'aze o.ä. wiederzugeben).

'Alä mä antum 'alay-hi „bei eurem jetzigen Zustand" wird zu bä-zä

antammu la'le-hu (ZA 249) oder noch barbarischer in Ga'az antä zä-dibe-

ha ya'aze (Hs. F 40,4a) als Wiedergabe des arabischen mä hum 'alay-hä

l-äna. Die beliebte arabische Wendung 'alä kulli hälin „auf jeden Fall"

wird genauso gnadenlos in äthiopisch la'lä k"aUu gabr (ZA 86,6, u.ö.)

Vgl. dazu: Wortfeldforschung. Darmstadt 1973. (Wege der Forschung.

250.)

(22)

Arabisch-äthiopische Übersetzungstechnili 335

gepreßt. Inna r-räya Hndi „ich bin der AufTassung" wird zu ,)smä makr

habe-yä (ZA 75); neben der noch zu besprechenden Wiedergabe von

inna wirltt sich hier auch der fehlende Artikel im Ga'az aus. Der genuin

äthiopische Ausdruck wäre etwa nukr zä- mäkkir. Der Ausdruck „auf

jdm sein = müssen" arabisch käna 'alä wird äthiopisch konä la'lä und

damit unverständlich (WA) ; äthiopisch wäre das Verb däläwä zu ver¬

wenden.

Die arabisch Präposition min hat viele Funktionen. In dem Ausdruck

ba-tadbirin min-hü (GA 1) „in einer seiner Anordnungen" dient es zm-

Angabe des Urhebers und steht statt des Genetivs, um das Regens in

indeterminierten Zustand zu belassen. Der Äthiopier kennt nicht die

Schwierigkeit der Determination, setzt also genitivisches Personalsuf¬

fix, doch auch dazu noch die mechanische Wiedergabe des arabischen

Präpositonalausdrucks bä-Samrätu amne-hu, also „diu-ch seine Anord¬

nung von ihm".

Das arabische Verb nazala „absteigen" gewinnt mit der Präposition

'alä den Sinn „belagern". Der äthiopische Übersetzer verfehlt diese

Sinnvariante, wenn er übersetzt hadärä wasteta „er blieb in ihr (der

Stadt)" statt „er belagerte die Stadt" (ZA 8). Unter den vielen dem ara¬

bischen Sprachgebrauch angeglichenen präpositionalen Rektionen von

Verben wären als Beispiele zu nennen kahalä la'lä (arab.: qadara 'alä);

a'märä bä (arab.: 'arafa bi); täwäkkälä la'lä (arab. tawakkala 'alä). Wie

in anderen Fällen, sind die entsprechenden Belege in DL, falls die ent¬

sprechenden Rektionen überhaupt notiert sind, der Übersetzungshtera¬

tur zuzuweisen. Ein besonders schönes Beispiel mechanischer Überset¬

zung ist zä-yatfäqqäd habe-hu, das man aus dem Ga'az nur übersetzen

kann „was dort bei ihm benötigt wird". In Wirklichkeit steht dabei das

arabisch mä yuhtägu ilay-hi Pate (arab. ihtäla ilä „etwas benötigen")

und es ist lediglich zu verstehen „was benötigt wird". (ZA 219,15)

Viele arabische Verben haben mehrere Präpositionen bei sich. Ver¬

bunden mit der Eigenheit des Arabischen, mit dem gleichen Personal¬

prosuffixen im Satze auf verschiedenes vorher Genanntes hinweisen zu

können, ergeben sich zuweilen komplizierte Ausdrücke, die zu klären

sind. Es wird von einem Engel mit dem Schwerte gesagt wa-yuSiru bi-hi

ilay-hi (TY 26), wobei er mit ihm (dem Schwerte) auf ihn (den Mann)

zeigte." Übersetzt mit anzä ya'emmar bottu habe-hu (ZA 30) ist der Satz

nicht mehr verständlich, wie ich durch Befragen zweier gebildeter

Äthiopier feststellen konnte, die die doppelte präpositionale Wendung

einfach als Verstärkung des gleichen Sachverhalts auffaßten „er wies

dorthin".

Den Beispielen aus dem Wörterbuch lasse ich nun Anmerkungen zur

(23)

336 Manfred Kropp

Syntax und zur Verwendung der morphologischen Einheiten folgen.

Gerade in der syntaktischen Ausnützung sonst gleicher morphologi¬

scher Einheiten zeigen sich Grundunterschiede der beiden Sprachen,

die hier jeweils getrennte Wege gehen, die gegen äußere Einflüsse

wesentlich resistenter sind als das Lexikon. Zunächst ist anzuführen,

das Ga'az und Arabisch sich in einem Punkte fundamental unterschei¬

den. Das Arabische kennt den Artikel und hat ein ausgeprägtes Unter¬

scheiden von determiniert und indeterminiert, das sich als roter Faden

durch die gesamte Syntax zieht. Das Ga'az als artikellose Spraehe

kennt nicht den Begriff der Determination. Weiterhin ist der soge¬

nannte Relativsatz in beiden Sprachen ein verschieden zu bewertendes

Phänomen. Ist er im Arabischen attributiv, folgt also wie ein nominales

Attribut in der Determination seinem Beziehungswort — es existiert

eine Satzdeterminationspartikel, oft fälschlich als Relativpronomen

bezeichnet; indeterminierte Relativsätze werden asyndetisch kon¬

struiert, nur durch Stellung und pronominale Rückverweisung markiert

— so ist der Relativsatz im Äthiopischen in genetivischer Unterordnung

zu sehen, folgerichtig mit einer genetivisehen Partikel, die sich allge¬

mein zum Anzeiger eines Unterordnungsverhältnisses entwickelt hat,

eingeleitet. Die Frage nach der Determination stellt sich nicht. Um die

relativ schwerfälligen determinierten Relativsätze, besonders bei kur¬

zen Ausdrücken zu umgehen, verwendet der Araber an dessen Stelle

gerne ein Partizip, das dann als Attribut steht. In der Regel werden

diese Partizipien bei der Übersetzung richtig gedeutet und als Relativ¬

sätze wiedergegeben, die auch sonst die Kategorie der Adjektive

zurückdrängen. Somit ist hier kein Einfluß des Arabischen festzustel¬

len; die syntaktische Kategorie erweist sich als so fest, daß die ent¬

sprechende Übertragung prognostizierbar ist.

Etwas anders steht es mit dem asyndetischen Relativsatz, der viel¬

leicht vom äthiopischen Übersetzer nicht immer als solcher erkannt

wird. Er generiert in Übersetzungstexten des öfteren direkte Nachah¬

mung, die aber in der nicht stellungsgebundenen und damit funktional

bestimmten Satzfolge des Ga'az nur als konjunktionslose Parataxe ver¬

standen werden kann und oft in späteren Abschriften der Texte durch

Setzen einer Konjunktion „verbessert" wird. Somit ist auch hier die

Übertragung einer syntaktischen Kategorie mißlungen.*"

Das Ga'az kennt kein inneres Passiv mehr, das im Arabischen prak¬

tisch für alle Stämme des finiten Verbs erhalten ist. Diese Formen wer-

*" Der asyndetische Relativsatz findet sich besonders oft in der ältesten Fas¬

sung des Synaxars ; in den späteren Versionen ist er zumeist durch das angege¬

bene Verfahren getilgt.

(24)

Arabisch-äthiopische Übersetzungsteehnik 337

den in Ga'az mit den passiven-reflexiven t-Stämmen wiedergegeben. So

ist es nur folgerichtig, daß arabische Passiv-Partizipien in attributiver

Stellung (als quasi-Relativsätze) in der Mehrzahl der Fälle in Ga'az

durch Relativsätze mit finiten Formen von t-Stämmen übersetzt sind,

obwohl das passive Partizip als Form noch vorhanden ist.

Die Kongruenz kann kurz abgehandelt werden. Das in der arabischen

Grammatik streng geregelte Gebiet der Kongruenz zwischen Verb und

Subjekt, Beziehungswort und Attribut in Hinsicht auf Geschlecht,

Numerus und Determination ist im Ga'az wesentlich freier, oft anschei¬

nend regellos (vielleicht stehen fiir das Genus dahinter ursprünglich

andere Oppositionen, nicht mask. /fem. sondem groß/klein). Meine

Auszählungen sind für die folgende Detailfrage noch nicht aussagekräf¬

tig, doch scheint in von Arabem übersetzten Texten die Kongmenz

nach arabischer Manier öfters beachtet zu sein als in Texten, die aus der

Feder äthiopischer Ubersetzer stammen, wenn auch in den Überset¬

zungstexten allgemein die Regel der Kongmenz, eben unter dem Ein¬

fluß der Ausgangssprache, eher Anwendung findet als in äthiopischen

Originalwerken .

Das in der Übersetzungsliteratur überaus häufige asmäist zumeist die

wörtliche Wiedergabe von arabisch inna/anna. Im Arabischen dient es

zur Satzeinleitung und Hervorhebung, sowie zur Einleitung der direk¬

ten Rede. Dies wird im Ga'az recht mechanisch nachgeahmt, obgleich

r)smä in genuinen Texten eigentlich die Bedeutung „weil, da" hat.

Manchmal werden Zusammensetzungen wie arabisch innamä „nur,

lediglich" nicht verstanden und ebenfalls mit asmä statt hahtitu o. ä. wie¬

dergegeben, was zur Sprengung der Satzkonstmktion fiihrt. Wa-innamä

ya'rifüna dälika . . . „sie wissen dies lediglich . . ." (WA) wird zu wä-

haUäwu asmä a'märu zantu „so befanden sie sich, weil sie dieses wußten

(?)".

Das Ga'az kennt keine besondere Form zur Steigemng von Adjekti¬

ven. Diese wird mit dem Positiv wiedergegeben oder muß umschrieben

werden mit dem Verbum afädfädä „mehr tun, sein". Die arabische Stei-

gemngsform afalu findet so ihre regelmäßige Wiedergabe; z.B.

wa-ttafaqa l-i^mä'u 'alä anna a'dala anwä'i l-hayawäni naw'u l-insäni

wa-a'dala n-naw'i l-insäniyyi l-anbiyä'u wa-mä käna a'dala fa-huwa

atammu 'aqlan wa-mä käna atamma 'aqlan fa-qawlu-hü awlä an yuqab-

bal. (WA) „Es herrscht Übereinstimmung darüber, daß unter den Lebe¬

wesen der Mensch am gelungensten ist, und daß unter den Menschen

die Propheten wiederum die vollkommensten (man ist versucht zu über¬

setzen: gleicher) sind; wer aber ausgeglichener ist, der hat mehr Ein¬

sicht, und wer mehr Einsicht hat, dessen Wort ist mit Vorzug anzuneh-

(25)

338 Manfred Kropp

men." Dem entspricht die äthiopische Übersetzung: wä-habru k^'allu

sab' wä-yabelu asmä yä'abbi agwalä ammähayaw amnä k^allu fafrät wä-

amnä agwalä ammähayaw yä'abbayu nähiyat fädfadä wä-zä-yä-'abbi

yäfädäffad labbmia wä-zä-yafädäffad labbuna mäftaw yatwäkäfu nägäro.

In diesem Beispiel sind alle Möglichkeiten des Ausdrucks des Kompa¬

rativs (arab. afalu) in Ga'az angewandt: Positiv; Positiv T am(nä);

Positiv -I- Adverb fädfadä; verbal durch afädfädä.

In den Bereich der Syntax gehören gewisse Enklitika des Äthiopi¬

schen -sä „aber", -ni/hi „auch, aber", -ke „nun, doch", die, an satzeinlei¬

tendes Verb oder Nomen angehängt, dem Stil eine besondere Weichheit

und Schattierung in Anbindung und Gegensatz geben. Das Arabische

verfugt nicht über solche Enklitika; es drückt seine Schattierungen in

der Parataxe durch wa- „und aber" und/a- (und dann) aus, für die im

Ga'az wiederum nur wä- „und" zur Verfügung steht. Der Übersetzer

wendet aber nur diese Konjunktion an, verwischt so die Unterscheidun¬

gen des Arabischen, findet zugleich aber nicht den Weg zur Einfuhrung

der Enklitika in den Übersetzungstext. Eine statistische Auswertung

von Texten hat ergeben, daß Enklitika in Übersetzungstexten dreimal

wemger vorkommen als in äthiopischen Originaltexten. Dabei ist dieses

Stilmittel für knappen, treffenden Ausdruck wichtig und hat gerade in

der Sprache der Chroniken seinen festen Platz in vielen Wendungen.

Dem arabischen yanbagi an na'üda ilä ahbäri fulän „wir müssen jetzt die

Geschichte des Soundso fortsetzen" entspricht nicht das schwerfällige

yadällawännä kämä natmäyyät habä tantä nägär, das in allen Überset¬

zungen auftaucht (z. B. WA passim), sondem der knappe, in den Chroni¬

ken häufige und sicher auch dem Übersetzer bekannte Satz nagba'-ke

habä tantä nägär.

Im Gegensatz zum Arabischen, das den altsemitischen Nominalsatz

bewahrt hat, hat das Ga'az kaum echte Nominalsätze. Als Kopula fun¬

giert zumeist ein Personalpronomen, das auch schon in typischer Weise

nachgestellt ist. Auch die modemen Semitensprachen Äthiopiens ken¬

nen eine Kopula, so daß deren immer häufigeres Auftreten in jüngeren

Ga'aztexten der Substratwirkung dieser Sprachen zuzusclu"eiben ist. Es

zeigt sich in einer ersten Auswertung, daß der Gebrauch solcher Kon¬

stmktionen in Übersetzungstexten eine wesentlich rüedrigere Frequenz

aufweist; auch hier generiert die Ausgangssprache nicht das entspre¬

chende Satzmuster.

Das Ga'az unserer Norm keimt Hilfsverben, gleich den modemen

Semitensprachen Äthiopiens. Dies sind im wesentlichen nabbärä und

halläwä „sein, bleiben, werden" und dienen verschiedenen syntakti¬

schen Zwecken. In asyndetischer Verbindung mit einem Imperfekt

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