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Deutschland und Indien: Arenen der Zusammenarbeit

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Academic year: 2022

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2. Handel

Hintergrund

In Indien stoßen Freihandelsabkommen auf Skepsis. Auch in der Welthandelsorganisation (WTO) nahm das Land in der Vergangenheit mehrfach eine Blockadehaltung ein. Statt Handelshürden abzubauen, setzte Premierminister Naren- dra Modi zuletzt verstärkt auf protektionistische Maßnah- men. Für ein Handelsabkommen mit der Europäischen Union zeigt sich seine Regierung zwar prinzipiell offen – sieht aber dabei aber auch erhebliche Schwierigkeiten.

Einen Beitritt zum Handelsabkommen RCEP (Regional Com- prehensive Economic Partnership) lehnte Indien zuletzt nach jahrelangen Verhandlungen ab. Der Handelspakt wurde da raufhin im November 2020 ohne Indiens Beteiligung von den zehn Ländern der südostasiatischen Staatengemein- schaft Asean sowie China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland unterzeichnet. Er umfasst rund 30 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Modi begründete seine Ableh- nung damit, dass RCEP die Interessen Indiens nicht ausrei-

Was steht auf der Agenda?

• Indien und die Europäische Union bekunden Interesse an neuen Freihandelsgesprächen.

• Die indische Regierung setzt zunehmend auf protektionistische Maßnahmen.

• In der WTO präsentiert sich Indien oftmals als Gegenspieler westlicher Industrienationen.

Deutschland und Indien:

Arenen der Zusammenarbeit

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rat“, die für ein „eigenständiges Indien“ warb.

Das Ziel ist, Indiens Abhängigkeit von Importen zu verringern und das Handelsdefizit zu senken.5

Diese Agenda verfolgt Modi schon seit Längerem:

Um Unternehmen dazu zu bringen, ihre Ferti- gung nach Indien zu verlagern, erhöhte Indien in den vergangenen Jahren mehrfach eine Reihe von Einfuhrzöllen.6 In der EU wird das als zunehmen- der Protektionismus wahrgenommen.7 Kritisiert wurde das Vorgehen auch von den USA.8

Auch in der Welthandelsorganisation (WTO) ver- folgte Indien in der Vergangenheit tendenziell einen protektionistischen Kurs und fühlte sich durch die Regelungen der Welthandelspolitik oft benachteiligt. 2008 scheiterte die Doha-Verhand- lungsrunde am Streit über die Landwirtschaft vor allem an Indien und China. Indien will weiterhin seine Grundnahrungsmittel subventionieren und pocht auf einen Sonderstatus.9

Andere WTO-Mitglieder nehmen Indien zuweilen als destruktiven Akteur wahr. Bei der Weiterent- wicklung der Welthandelsorganisation spielte das Land bisher keine tragende Rolle.

5 https://www.cmie.com/kommon/bin/sr.php?kall=wartic le&dt=2020-09-24%2016:57:03&msec=360

6 https://www.businesstoday.in/union-budget-2020/de- coding-the-budget/budget-2020-import-duty-hiked- on-a-host-of-products-to-bolster-make-in-india/

story/395286.html

7 https://www.news18.com/news/india/officials-say-in- dia-eu-still-far-apart-on-trade-deal-as-atmanirbar- bharat-seen-as-protectionist-2715991.html

chend berücksichtige. Seine Regierung befürch- tete in erster Line Wettbewerbsnachteile in der Konkurrenz zu China, die der heimischen Indust- rie schaden würden.1

Die Gespräche über ein Handelsabkommen mit der EU waren bereits 2013 gestoppt worden.

Zuletzt bekundeten aber beide Seiten, ein Inte- resse an einem Neustart der Verhandlungen zu haben. Portugal will den Austausch darüber in sei- ner EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2021 vertiefen und das Thema auch auf die Agenda des geplanten EU-Indien-Gipfels im Mai setzen.

Ob es aber tatsächlich zu einer Vereinbarung kom- men kann, ist fraglich. Aus Sicht der EU sind beide Seiten noch weit voneinander entfernt. Auch Indi- ens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar bezeichnete die Gespräche als sehr schwierig.2 Er zeigte sich zuletzt mit Blick auf Handelsab- kommen insgesamt zurückhaltend. Diese hät- ten in der Vergangenheit zu einer „Deindustri- alisierung“ von Teilen der indischen Wirtschaft geführt.3 Auch Wirtschaftsminister Piyush Goyal ist der Ansicht, dass Indiens Handelsverträge mit Japan, Südkorea und den Asean-Staaten in erster Linie den Vertragspartnern geholfen haben, indi- sche Unternehmen aber nicht in gleicher Weise profitiert hätten.4

Eine Stärkung der heimischen Industrie zählt zu den zentralen wirtschaftspolitischen Vorhaben der Modi-Regierung. Sie startete zuletzt eine Ini- tiative unter dem Schlagwort „Atmanirbhar Bha-

1 https://www.aninews.in/news/world/asia/rcep-was- not-partnership-among-equals-india-has-con- cerns-over-chinas-trade-practices-piyush-go- yal20200116212349/

2 https://www.financialexpress.com/economy/rcep- could-have-hurt-indian-economy-fair-balanced- trade-required-s-jaishankar/2131818/

3 https://mea.gov.in/Speeches-Statements.

htm?dtl/33196/Keynote_address_by_External_Affairs_

Minister_at_the_Deccan_Dialogue

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Daten und Fakten

0 10 20 30 40 50 60 70 80

2019 2018 2017 2016 2015 2014 2013 2012 2011 2010 2009

77,8 77,9 73,0 65,7 64,4 60,7 60,4 64,0 67,7 57,9 45,3

Handel zwischen der EU und Indien gewinnt an Bedeutung

Wert der Warenausfuhren und -einfuhren zwischen Indien und der EU (in Mrd. Euro)

Quelle: Europäische Kommission10

10 https://webgate.ec.europa.eu/isdb_results/factsheets/country/details_india_en.pdf, S.3

0 2 4 6 8 10 12

Indonesien Südkorea

Irak Singapur Hongkong

Saudi- Arabien Vereinigte Arabische Emirate China

USA EU

Die EU ist Indiens wichtigster Handelspartner

Führende Handelspartner Indiens im Jahr 2019, Anteil an Indiens Handelsvolumen (in Prozent)

Quelle: Europäische Kommission11

11 https://webgate.ec.europa.eu/isdb_results/factsheets/country/details_india_en.pdf, S. 8

(4)

0 10 20 30 40 50 60

Nepal Bangladesch Deutsch-

land Vereinigtes

Königreich Nieder-

lande Singapur Hongkong

China Vereinigte Arabische Emirate USA

Deutschland gehört zu den wichtigsten Abnehmern indischer Güter Indiens Top-10-Exportmärkte im Jahr 2019 (in Mrd. Dollar)

Quelle: Internationaler Währungsfonds12

12 https://data.imf.org/?sk=388dfa60-1d26-4ade-b505-a05a558d9a42

0 50 100 150 200

2019 2018

2017 2016

2015

159,7 189,7

150,7 97,1

126,2

Indiens Importe übersteigen die Exporte deutlich

Handelsbilanzdefizit in Indien (Volumen der Importe minus Volumen der Exporte) (in Mrd. Dollar)

Quelle: Statista/WTO13

13 https://www.statista.com/statistics/263633/trade-balance-of-india/

(5)

Deutschland Indien 88 %

40 %

Außenhandel ist für Deutschland wichtiger als für Indien

Anteil des internationalen Handels (Importe und Exporte) am Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2019 (in Prozent)

Quelle: Weltbank14

14 https://data.worldbank.org/indicator/NE.TRD.GNFS.ZS

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

Australien

USA

Kanada

Japan

Europäische Union

Russland

Mexiko

China

Südafrika

Indonesien

Türkei

Brasilien

Argentinien

Südkorea

Indien

Indiens Zölle sind im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch Durchschnittliche Zollsätze führender Volkswirtschaften im Jahr 2019 (in Prozent)

Quelle: WTO15

15 https://data.wto.org/

(6)

0 10 20 30 40 50 60 70 80

0 % 1 % 2 % 3 % 4 % 5 %

Wohlfahrtsgewinn (in Mrd. US-Dollar) Wohlfahrtsgewinn (in Prozent des BIPs)

Deutschland Indien Deutschland Indien

Deutschland profitiert stärker von der WTO-Mitgliedschaft als Indien Einkommensgewinne durch die WTO-Mitgliedschaft im Jahr 2016

Quelle: Bertelsmann Stiftung 201916

16 https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/MT_WTO_at_25_20191212.pdf, S.30

Ein EU-Indien-Handelsabkommen könnte beiden Seiten ähnlich stark nützen Veränderungen im Außenhandel bei weitgehender Zollsenkung und Abbau von anderen Handelsbarrieren, Anstieg (in Mrd. Euro)

EU-Exporte nach Indien 13,97

Indiens Exporte in die EU 13,24

Quelle: European Parliamentary Research Service17

17 https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2020/642841/EPRS_STU(2020)642841_EN.pdf, S. 30

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Unterschiede

•• Während Deutschland als Exportland ein gro- ßes Interesse an einer liberalen Handelsord- nung hat, setzt die indische Regierung auf pro- tektionistische Maßnahmen, um die eigene Industrie vor internationalem Wettbewerb zu schützen. Vergleichsweise hohe Importzölle in Indien stehen einer Ausweitung des euro- päisch-indischen Handels im Weg.

• Deutschland und Indien bekunden zwar beide ein Interesse an einem EU-Indien-Freihan- delsabkommen, die Verhandlungspositio- nen liegen aber weit auseinander. Zu den Hauptstreitpunkten gehört die Forderung der EU nach niedrigeren Zöllen etwa für Autos und Indiens Wunsch, leichter Arbeitsvisa für Beschäftigte des indischen Servicesektors in Europa zu bekommen. Auch der Schutz von geistigem Eigentum ist umstritten.22

• In der WTO hat sich Indien zu einem wesent- lichen Gegenspieler der westlichen Industrie- staaten entwickelt. Das Land nimmt sogar bei der Verhandlung vermeintlich unkritischer Beschlüsse – wie aktuell die zur Abschaffung von Subventionen für illegale Fischerei – eine Blockadehaltung ein. Diese Haltung resultiert daraus, dass Indien die Gruppe der Schwellen- länder zusammenhalten möchte, innerhalb derer es einen Führungsanspruch anstrebt.23

• Bei der künftigen Regelung des digitalen Han- dels vertreten Indien und die EU innerhalb der WTO unterschiedliche Standpunkte. Die EU will Handelsbarrieren abbauen.24 Indien

22 https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/

STUD/2020/642841/EPRS_STU(2020)642841_EN.pdf, S. 20

23 www.thehindubusinessline.com/economy/agri-busi- ness/india-submits-flexible-proposal-on-fisheries- sops-at-wto/article31015829.ece

24 https://www.gtai.de/gtai-de/trade/zoll/zollbericht/wto/

wto-digitalisierung-als-schluesselfunktion-des-welt- handels-254948

Gemeinsamkeiten

•• Deutschland und Indien haben ein Interesse an guten Handelsbeziehungen. Die Europäi- sche Union ist für Indien der wichtigste Han- delspartner. Innerhalb der EU betreibt Indien am meisten Handel mit Deutschland.18 Aus deutscher Sicht gehört Indien zu den 25 größ- ten Handelspartnern und ist damit einer der wichtigsten Schwellenlandmärkte für den deutschen Außenhandel.19

• Beide Länder wollen die Handelsbeziehun- gen weiter vertiefen. Bei ihrem Treffen im November 2019 betonten Kanzlerin Angela Merkel und Premierminister Modi, dass sie ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien für wichtig halten und dass sie sich für einen Neustart der Handelsgespräche einset- zen wollen.20

• Ein regelbasiertes internationales Handels- system mit der WTO im Zentrum ist sowohl in Deutschlands, als auch Indiens Interesse.

Die Krise des WTO-Streitschlichtungsmecha- nismus, der derzeit beschlussunfähig ist, hat negative Auswirkungen auf beide Länder. Sie wollen sich gemeinsam dafür einsetzen, die vollständige Handlungsfähigkeit des Streit- beilegungssystems wiederherzustellen.21

18 https://mea.gov.in/Portal/ForeignRelation/Germa- ny2020f.pdf

19 https://www.destatis.de/EN/Themes/Economy/Foreign- Trade/Tables/order-rank-germany-trading-partners.

html?__blob=publicationFile

20 https://mea.gov.in/bilateral-documents.htm?dtl/31991/

Joint+Statement+during+the+visit+of+Chancellor+of+G ermany+to+India

21 https://mea.gov.in/bilateral-documents.htm?dtl/31991/

Joint+Statement+during+the+visit+of+Chancellor+of+G ermany+to+India

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will hingegen Zölle auf die Einfuhr von digi- tal übertragenen Gütern wie Musik und Filmen erheben können. Das Land argumentiert, dass das geltende Verbot von Digitalzöllen inner- halb der WTO Industrienationen einen unbe- schränkten zollfreien Zugang zu Schwellen- landmärkten ermöglicht. Das Moratorium, das das Zollverbot regelt, wird in der Regel alle zwei Jahre verlängert. Es ist unklar, ob es Indien erneut unterzeichnen wird.

• Einer EU-Initiative zur Schaffung eines alter- nativen Streitschlichtungsverfahrens, auf das sich mehrere WTO-Mitglieder geeinigt haben, hat sich Indien nicht angeschlossen. In der Übergangslösung, die genutzt werden soll, bis das reguläre Streitschlichtungsverfahren der WTO wieder handlungsfähig ist, sah Indien seine Rechte eingeschränkt.

Bewertung

Da es innerhalb der WTO kaum noch gelingt, Konsens unter allen Mitgliedern herbeizuführen, gewinnen sowohl für Deutschland als Teil der EU als auch für Indien bilaterale und multilaterale Handelsabkommen an Bedeutung. Das Interesse an einem EU-Indien-Freihandelsabkommen ist zuletzt auf beiden Seiten gestiegen. Gleichzeitig nehmen protektionistische Tendenzen in Indien aber zu, weshalb eine schnelle Einigung als frag- lich erscheint.

Die gemeinsamen Interessen liegen im gelben bis roten Bereich

Impressum

© Bertelsmann Stiftung 2021 Bertelsmann Stiftung

Carl-Bertelsmann-Straße 256 33311 Gütersloh

Telefon +49 5241 81-0 www.bertelsmann-stiftung.de Verantwortlich

Parvati Vasanta Project Manager

Programm Deutschland und Asien asien@bertelsmann-stiftung.de Autorin

Parvati Vasanta Korrektur

Rudolf Jan Gajdacz, München Grafikdesign

Nicole Meyerholz, Bielefeld Bildnachweis

© Виталий Сова - stock.adobe.com

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