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Archiv "Demokratische Republik Kongo: Weit entfernt von der Normalität" (18.08.2006)

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aufsicht, vorzuhalten. Eine Anbindung an die Ärzte- und Psychotherapeuten- kammern wurde aber von den anwesen- den Richtern und Rechtsanwälten des BVVP-Symposiums als kritisch einge- stuft, weil die Kammern immer auch ihre Mitglieder vertreten müssen und ein Interessenkonflikt programmiert er- scheint.

Auch eine aktive Aufklärung der Pati- enten, wohin sie sich bei Problemen mit ihrem Psychotherapeuten wenden kön- nen, ist dringend zu empfehlen. Die potenziellen Tätertherapeuten dürfen nicht mehr das Gefühl haben, in einem tabugeschützten Dunkelfeld ungescho- ren zu bleiben und obendrein auf den Schutz der berufsständischen Organisa- tion hoffen zu können.

Folgebehandlungen scheitern oft an Zweijahresfrist

Schließlich muss auch die Zusammenar- beit der Institutionen der Berufsaufsicht und des Sozialrechtes, also zwischen Kammern und Kassenärztlichen Verei- nigungen, verbessert werden. Es kann nicht sein, dass die Tätertherapeuten das Honorar für unsachgemäß erbrachte Psychotherapien behalten können und vielleicht damit möglicherweise ihren Anwalt bezahlen. Es liegt im Interesse der Patienten, dass dieses Geld zurück- geführt wird, um den Betroffenen eine rasche Anschlusstherapie zu ermögli- chen. Bisher scheitern die Folgebehand- lungen jedoch oftmals an der in den Psychotherapierichtlinien festgelegten Zweijahresfrist und an den Schwierig- keiten des Gutachterverfahrens. Norma- lerweise muss nach dem Abschluss einer Psychotherapie eine Zeit von zwei Jah- ren verstreichen, damit für dieselbe Pati- entin bei gleicher Diagnose und Erkran- kung eine neue Richtlinienpsychothera- pie beantragt werden kann. Die Patien- tinnen müssten also auf die Folgebe- handlung warten, weil die Therapie, in der der Missbrauch stattfand, formal als abgeschlossen und abgerechnet gilt.

Dass die Therapie nicht „lege artis“

durchgeführt wurde und keinen Erfolg brachte, erfahren die Krankenkassen nicht.

Dr. med. Veronika Hillebrand, Benedikt Waldherr, Dipl.-Psych.

T H E M E N D E R Z E I T

A

A2158 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 33⏐⏐18. August 2006

Demokratische Republik Kongo

Weit entfernt von der Normalität

Noch immer sind 1,6 Millionen Kongolesen auf der Flucht vor kriegerischen Auseinandersetzungen. Doch auch Hunger und die mangelnde medizinische Versorgung machen den Menschen zu schaffen.

Vertriebenenlager bei Dubie

M

asangue Mwamba ist so er- schöpft, dass er die Feldklinik von Ärzte ohne Grenzen nur noch mit fremder Hilfe erreichen kann.

Um seinen Brustkorb hat er sich einen Lumpenstrick gebunden – in der Hoff- nung, dadurch den chronischen Husten zu unterdrücken, der ihn seit Monaten quält. Außerdem klagt er über Kraftlo- sigkeit, Nachtschweiß und Gewichts- verlust. Hagere 39 Kilo bringt er noch auf die Waage. Das Symptombild ent- spricht dem einer offenen, anstecken- den Tuberkulose.

Masangue hat sie mitgebracht von der Flucht, zu der er mit seiner Frau und seinen acht Kindern wegen Kämpfen zwischen Militär und Rebellen gezwun- gen wurde. Mit 18 000 weiteren Vertrie- benen fanden sie schließlich Sicherheit

in einem der Lager, die Ende letzten Jahres rund um den Ort Dubie in der Provinz Katanga im Südosten der De- mokratischen Republik Kongo (D. R.

Kongo) aus dem Boden schossen – und die Einwohnerzahl dieses von der Außenwelt weitgehend isolierten stau- bigen Dorfes in wenigen Wochen plötz- lich verdreifachten.

Dubie ist kein Einzelfall: Die D.R.

Kongo hat etwa die Größe Westeuropas und besteht zum überwiegenden Teil aus unbewohnter Steppe und Dschungel. In ihr leben weit verstreut rund 60 Millio- nen Menschen verschiedener ethnischer Zugehörigkeit – und sie kommen nicht zur Ruhe. Rund 40 000 Kongolesen wer- den jeden Monat aus ihrem Heimatort vertrieben. Insgesamt sind derzeit 1,6 Millionen Kongolesen auf der Flucht.

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Als den gegenwärtig „tödlichsten Krieg weltweit“ beschreibt das Time- Magazin diesen vergessenen Konflikt in der D. R. Kongo, der seit 1998 etwa vier Millionen Menschenleben forder- te und als Afrikas erster Weltkrieg gilt, als die tödlichste humanitäre Katastro- phe der letzten 60 Jahre, in die minde- stens acht Staaten verwickelt waren und sind. Denn trotz des offiziellen Friedensschlusses mit den östlichen Nachbarn Ruanda und Uganda im Jahr 2002 sterben nach Angaben des Inter- national Rescue Committee kriegsbe- dingt noch immer 1 200 Kongolesen – jeden Tag.

Es trifft vor allem unschuldige Zivili- sten. Sie sterben nicht nur durch Waf- fengewalt, wenn rivalisierende bewaff- nete Gruppen umherziehen und die Be- völkerung immer aufs Neue terrorisie- ren, vertreiben und vergewaltigen. Sie sterben auch, weil es am Nötigsten fehlt. Mehr als die Hälfte der Kongole- sen hat nicht genug zu essen, sauberes Trinkwasser und medizinische Behand- lungsmöglichkeiten fehlen – und so sterben sie an Unterernährung, Durch- fall und Malaria.

Ärzte ohne Grenzen engagiert sich in der D. R. Kongo mit einem seiner

größten Nothilfeprogramme. In 25 Pro- jekten arbeiten mehr als 2 000 nationa- le und 200 internationale Mitarbeiter der Organisation, das Jahresbudget liegt bei rund 27 Millionen Euro. Ein Schwerpunkt der Hilfsarbeit liegt in Katanga. Allein hier sind in den zurückliegenden sechs Monaten rund 150 000 Menschen aus ihren Dörfern geflüchtet. Sie leben ohne Unterstüt- zung von der Regierung oder die inter- nationale Gemeinschaft.

In den Lagern rund um Dubie be- handelt Ärzte ohne Grenzen täglich mehr als 100 Patienten, die an schwe- ren, jedoch meist heilbaren Krankhei- ten leiden. Fast jeder zweite Patient in den Krankenstationen leidet an Malaria. Aber auch Wurminfektionen, Atemwegserkrankungen und Durchfall sind häufig. Eines der Hauptprobleme der Vertriebenen ist der Hunger.

Außerdem haben die Menschen kaum etwas anzuziehen und klagen über die paralysierende Abhängigkeit, mit Tau- senden anderen auf engstem Raum und ohne Zukunftsperspektive leben zu müssen.

Trotzdem bleiben sie in den Lagern.

Denn ihre Dörfer und alles, was sie zurücklassen mussten, wurden nieder-

gebrannt, und für eine Rückkehr fehlen ihnen die materiellen Mittel und die Hoffnung auf eine stabile Sicherheitsla- ge. Erst vor kurzem sind weitere 50 Fa- milien aus dem Norden in den Vertrie- benenlagern eingetroffen.

Die Gesundheitsversorgung in den Camps hat Ärzte ohne Grenzen mittler- weile weitgehend unter Kontrolle. Die Sterblichkeitsrate ist unter die Alarm- grenze von 1 : 10 000/Tag gesunken. Doch die Ernährung der Vertriebenen bleibt eine enorme Herausforderung. Die lo- kalen Nahrungsmittelvorräte sind längst erschöpft, die Preise für Lebensmittel sind in die Höhe geschossen, und trotz mehrfacher dringender Bitten von Ärz- te ohne Grenzen haben sich bisher we- der das für die Nahrungsbeschaffung zu- ständige Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen noch andere Nicht- regierungsorganisationen bereit gefun- den, den akuten Nahrungsmittelengpass zu beheben.

Und so schickt Ärzte ohne Grenzen monatlich 16 Trucks mit 130 000 Tonnen Nahrungsmitteln aus der 450 Kilometer entfernten Provinzhauptstadt Lubum- bashi nach Norden. Je nach Witterung dauert die beschwerliche Fahrt nach Dubie auf der unwegsamen Piste bis zu zwölf Tagen.

Wer es nach Dubie schafft, hat Glück: wie die ausgezehrte Frau, die ihr Alter ebenso wenig angeben kann wie den Aufenthaltsort ihrer fünf Kinder.

Während der Flucht ist ihre Familie auseinander gerissen worden. Nur dass sie alle noch am Leben sind, da ist sie sich sicher. Bei ihr ist die zweijährige Enkelin Kibawa Gormaine, deren Mut- ter auf der Flucht starb, weil sie krank wurde und keine Medikamente hatte oder ein Krankenhaus, das sie hätte auf- nehmen können. Kibawa leidet an Er- brechen und Malaria-Fieber, außerdem zeigt sie Verformungen im Gesicht und Hungerödeme an den Beinen – beides Zeichen von schwerer Unterernährung.

Der tuberkulosekranke Masangue und die unterernährte Kibawa werden von Ärzte ohne Grenzen stationär be- handelt und wohl in den nächsten Ta- gen erste Zeichen der Besserung zei- gen. Für viele Tausende aber, die wei- terhin auf der Flucht sind und es nicht bis hierher schaffen, kommt jede Hilfe

zu spät. Tankred Stöbe

T H E M E N D E R Z E I T

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A2160 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 33⏐⏐18. August 2006

Vertriebene Familie in ihrer Hütte im Lager bei Dubie

Fotos:Tankred Stöbe

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