• Keine Ergebnisse gefunden

Kulturpolitik in Thüringen

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Kulturpolitik in Thüringen"

Copied!
399
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)
(2)

Edition Politik | Band 58

(3)

Hochschulentwicklung und Netzwerkforschung tätig und arbeitet vor allem zu den Themen Kulturpolitik, nachhaltige Entwicklung und Postwachstumsgesellschaften.

Er studierte Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Musikerzie- hung, Kulturmanagement und Interkulturelle Wirtschaftskommunikation in Erfurt, Weimar, Jena, Schoelcher (Martinique) und Straßburg und war Stipendiat der Kon- rad-Adenauer-Stiftung und der Studienstiftung des deutschen Volkes.

(4)

Kulturpolitik in Thüringen

Praktiken – Governance – Netzwerke

(5)

Universität Erfurt eingereichten und angenommenen Dissertation »Kulturpolitik in Thüringen. Governance und Netzwerke«.

Die FAZIT-STIFTUNG und die Norbert und Mechthild Kleinheyer Stiftung förder- ten die Veröffentlichung.

Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution-NonCommer- cial-NoDerivs 4.0 Lizenz (BY-NC-ND). Diese Lizenz erlaubt die private Nutzung, gestattet aber keine Bearbeitung und keine kommerzielle Nutzung. Weitere Infor- mationen finden Sie unter

https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.de/.

Um Genehmigungen für Adaptionen, Übersetzungen, Derivate oder Wieder- verwendung zu kommerziellen Zwecken einzuholen, wenden Sie sich bitte an rights@transcript-verlag.de

© 2018 transcript Verlag, Bielefeld

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://

dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4255-1

PDF-ISBN 978-3-8394-4255-5

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff.

Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de

Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter:

info@transcript-verlag.de

Für eine optimale Darstellung sind einige Abbildungen dieser Publikation zusätz- lich über den folgenden Link abrufbar:

https://multimedia.transcript-verlag.de/ebooks/9783839442555_images.pdf

(6)

Vorwort | 9

1 Konzeption der Arbeit und begriffliche Vorbemerkungen | 11 1.1 Erkenntnisziel und Fragestellungen | 11

1.2 Thüringen als Forschungsgegenstand | 13 1.3 Begriffsdefinitionen | 17

1.3.1 Kultur | 17 1.3.2 Kulturpolitik | 23

1.4 Politikfeldanalyse als theoretische Grundlage | 32

1.4.1 Ideengeschichtliches Fundament der Politikfeldanalyse | 34 1.4.2 Akteurzentrierter Institutionalismus | 37

1.5 Forschungsdesign: Dokumente, Interviews, Netzwerkanalyse | 44 2 Kulturpolitik in Deutschland seit 1945 | 47

2.1 Kultur für den Staat: die kulturpolitische policy der DDR | 48 2.2 Kultur im Staat: die kulturpolitische policy der BRD und des

wiedervereinigten Deutschlands | 52

2.3 Polity und politics der Kulturpolitik in Deutschland | 73

3 Bestandsaufnahme der Landeskulturpolitik in Thüringen | 81 3.1 Die verstreute Verwaltung kultureller Angelegenheiten | 87

3.2 Handlungsbereiche der Kulturpolitik | 91 3.2.1 Theater und Musik | 91

3.2.2 Bibliotheken | 103 3.2.3 Literatur | 111 3.2.4 Archive | 114

3.2.5 Museen, Gedenkstätten und Stiftungen | 117 3.2.6 Bildende und angewandte Kunst | 127 3.2.7 Denkmalschutz und -pflege | 131 3.2.8 Soziokultur | 135

3.2.9 Festivitäten | 137

3.2.10 Hochschulen mit kunst- und kulturbezogenen Fachbereichen | 142 3.2.11 Heimat- und Brauchtumspflege | 144

3.2.12 Medienförderung und Filmtheater | 146 3.2.13 Kultur- und Kreativwirtschaft | 149

(7)

3.2.15 Zoologische und botanische Gärten | 157

3.3 Strukturierung und Konzeption der Kulturförderung | 158 3.3.1 Arten der Kulturförderung | 158

3.3.2 Verteilung der Kulturförderung | 167 3.3.3 Gremien | 171

3.3.4 Personalförderung landesbedeutsamer Akteure | 180 3.3.5 Kulturlastenausgleich | 185

3.3.6 Kulturentwicklungskonzeptionen in zwei Modellregionen | 191 4 Ergebnisse der empirischen Erhebungen | 197

4.1 Quantitative Methoden: Netzwerkerhebung und -analyse | 197 4.2 Qualitative Methoden: Interview und qualitative Inhaltsanalyse | 202 4.3 Motivationale Aspekte der Handlungsorientierung | 206

4.3.1 Kulturpolitische Identitäten | 206 4.3.2 Eigeninteresse | 222

4.3.3 Erwartungen als einwirkende Normen auf Akteure | 225 4.3.4 Interaktionsorientierungen | 227

4.4 Kognitive Aspekte der Handlungsorientierung | 233 4.4.1 Wahrnehmung der Handlungssituation | 233

4.4.1.1 Wahrnehmung der medialen kulturpolitischen Öffentlichkeit | 238

4.4.1.2 Themen und Stimmungen in der Thüringer Kulturpolitik | 243

4.4.1.3 Wahrnehmung von Exekutive, Legislative undGremien|248

4.4.1.4 Bruch oder Kontinuität unter Rot-Rot-Grün | 256

4.4.1.5 Einbindung der Akteure ins Gefüge der Kulturpolitik | 259 4.4.1.6 Kulturpolitische Akteure am Tropf der

öffentlichenHand|262

4.4.2 Wahrnehmung der Handlungsoptionen | 266

4.5 Interaktionsformen in der Regierungskoalition und im Landtag | 274 4.6 Das kulturpolitische policy-Netzwerk | 278

4.6.1 Informations- und Kooperationsnetzwerk | 288 4.6.2 Netzwerk der kulturpolitischen Ziele | 300

4.6.3 Netzwerk des subjektiv empfundenen politischen Einflusses | 305 4.6.4 Vertrauensnetzwerk | 311

5 Resümee und Ausblick | 317 Literatur | 325

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis | 355 Abbildungen | 355

Tabellen | 357 Anhang | 359

A1 Landkarten der Thüringer Kultur | 360 A2 Kulturrelevante Verwaltungsvorschriften | 362

(8)

A4 Daten der Kulturlastenausgleiche 2014-16 | 380 A5 Akteursliste der Netzwerkanalyse | 383 A6 Fragebogen Online-Netzwerkerhebung | 391 A7 Leitfaden Experteninterviews | 394

(9)
(10)

Kultur und Kunst sind unverzichtbare Bestandteile meines Lebens: Musik, Theater, Ausstellungen, Malerei, Film, Bücher, Poetry Slam, Games, interkulturelle Begegnun- gen, Auslandsaufenthalte, kulturelle Transformationsprozesse in Richtung einer nach- haltigen Entwicklung und einer Postwachstumsgesellschaft uvm. sind für mich unter diese beiden Begriffe zu fassen. Als Doktorand konnte ich mich über einen längeren Zeitraum intensiv mit der politischen Organisation des Kulturellen und Künstlerischen und den Inhalten von Kulturpolitik beschäftigen. Ich hoffe, dass die Ergebnisse dieser Analyse eine kontroverse Diskussion über den Transformationsbedarf des kulturpoli- tischen Feldes auslösen und dazu einladen, den konstruktiven Dissens zu suchen und grundsätzlich über den Sinn und die Wirkrichtung von Kulturpolitik zu reflektieren.

Ohne die Unterstützung zahlreicher Personen, Organisationen, Erhebungsteilneh- mer und Kontakte in das kulturpolitische Feld Thüringens hätte ich diese Forschungs- arbeit nicht erfolgreich abschließen können. Ein besonderer Dank geht an Prof. Dr.

Andreas Anter, der mich verlässlich, kritisch und mit einer großen Neugier am Thema begleitet hat, mir zugleich große Freiräume ließ und daher einen beachtlichen Anteil am Gelingen dieser Arbeit hat; eine solch vorbildliche Betreuung ist allen Doktoranden und Doktorandinnen zu wünschen.

Der Studienstiftung des deutschen Volkes danke ich für die finanzielle Unterstüt- zung meines Studiums und für die unvergessliche ideelle Förderung, die erst mein In- teresse an einer Promotion geweckt hat und mir inspirierende Bekanntschaften und Freundschaften geschenkt hat. Die zeitliche und finanzielle Freiheit für ein mehrjäh- riges Promotionsvorhaben ermöglichte mir die Konrad-Adenauer-Stiftung. Insbeson- ders danke ich Dr. Michael Schmitz, der mich in meiner kreativen und gewiss nicht dem Normalbild des KAS-Stipendiaten entsprechenden Art stets unterstützte.

Weiterhin bin ich dankbar für den wertvollen Austausch und die kollegialen Ge- spräche auf Tagungen verschiedener Fachdisziplinen und im Kolloquium des Center for Political Practices and Orders der Universität Erfurt. Ein Dank gebührt Sebastian Neubert, der mir mit seinem Wissen über Statistik behilflich war, und Andreas Bau- ermeister, der mir eine Einführung in Adobe Illustrator gab und mit seinen Ratschlä- gen zum ästhetischen Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat. Ebenso seien Benjamin Sippel und Christof Mathies erwähnt, die einzelne Passagen Korrektur gelesen haben.

Abschließend möchte ich Verena Salomon hervorheben, die sich nicht nur im netzwerk n und bei WECHANGE unermüdlich dafür einsetzt, die Welt zu einem lebenswer- ten und nachhaltigen Ort zu wandeln, sondern die ebenso unzählige Stunden mit der sprachlichen Korrektur meiner Arbeit verbracht hat, mich auf meinem Lebensweg be- stärkt und motiviert, mir Glück schenkt und mir die wichtigste Begleiterin in meinem Leben ist.

(11)
(12)

begriffliche Vorbemerkungen

Im Jahr 2012 erregte Der Kulturinfarkt 1 die Gemüter eines Politikfelds, das vor dem unmittelbar bevorstehenden Kollaps zu stehen schien. Während über die polemisch vorgetragene Diagnose ein heftiger, öffentlicher Streit entbrannte, geriet der erschöpf- te Patient2 in Vergessenheit. Die inhaltliche Kritik prallte an den strukturellen Mau- ern der Kulturpolitik ab. In Erinnerung blieb das Bild eines veränderungsresistenten Politikfelds, dessen Wahrnehmung sich von seiner Praxis entfremdet hat und das die Reflexion über die Ursachen scheute, indes aber die lebenserhaltenden Maßnahmen fortsetzte. In der Politikwissenschaft löste der prognostizierte Kulturinfarkt (noch) keinen Boom an empirischen und theoretischen Forschungsarbeiten aus. Die Kultur- politikforschung fristet weiterhin ein Nischendasein. Indem ich ergründe, wie es um die Kulturpolitik im selbsternannten »Kulturland Thüringen«3 steht, möchte ich einen Beitrag leisten, dies zu verändern.

1.1 E

rkEnntnisziEl und

F

ragEstEllungEn

Die vorliegende Arbeit soll die inhaltliche Gestaltung des Politikfelds (policy) der Kul- turpolitik in Thüringen beschreiben und erklären sowie die Effekte der policy aufde- cken. Grundlegend für die Untersuchung ist der analytische Rahmen des akteurzen- trierten Institutionalismus (Kapitel 1.4.2), der die Annahmen der Politikfeldanalyse (Kapitel 1.4), dass die kulturpolitische policy aus der polity und den politics resultiert, konzeptualisiert. Dieser am Neoinstitutionalismus orientierte heuristische Ansatz be- schreibt Handlungsweisen und politische Entscheidungen von Akteuren als Resultat ermöglichender und zugleich beschränkender institutioneller Bedingungen, situativer Kontexte, Akteurspräferenzen und Akteurskonstellationen. Angesichts dieser Anlage eignet er sich insbesondere für den Vergleich von Governance-Formen und Netzwer- ken. Die verwendete dreigeteilte komplementäre Forschungsmethodik aus Dokumen- tenanalyse, qualitativer Inhaltsanalyse und quantitativer Netzwerkanalyse deckt die 1 | Haselbach et al. (2012).

2 | Nach langem Zögern habe ich mich letztlich zugunsten des Leseflusses gegen eine gendergerechte Schreibweise entschieden, auch wenn dies meinen tiefen Über- zeugungen widerstrebt. Selbstverständlich meine ich stets alle Geschlechter.

3 | TMBWK (2012): S. 9.

(13)

drei Dimensionen des Politikbegriffs ab und erlaubt, Forschungsfragen mit unter- schiedlichem Fokus zu beantworten.

Der auf einer Dokumentenanalyse beruhende erste Teile der Arbeit (Kapitel 2) widmet sich folgenden Fragen: Welche Entwicklung hat die kulturpolitische Praxis in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges genommen? Welche Begrün- dungsmuster für Kulturpolitik werden bedient? Welche grundlegenden formalen Re- gelungen bilden den Ordnungsrahmen? Welche wesentlichen Akteure und Anspruchs- gruppen sind in den kulturpolitischen Prozess involviert? Eine historisch-deskriptive Abhandlung über die Kulturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnet einen systematischen Überblick, wie sich kulturpoli- tische Auffassungen entwickelten, wandelten und etablierten. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass der kulturpolitische Diskurs nicht isoliert auf der regionalen Ebene betrachtet werden kann, sondern sich primär auf nationaler Ebene vollzog und voll- zieht. Da das Territorium des heutigen Thüringens zwischen 1949 und 1990 Teil der staatssozialistischen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) war, ist ein Exkurs über die Stellung der Kultur innerhalb dieses autoritären Regimes unabdingbar. Dieser umfasst allerdings nur wesentliche Elemente, da der Schwerpunkt der Arbeit auf der aktuellen Kulturpolitik liegt und die DDR am 3. Oktober 1990 mit dem Tag der Wieder- vereinigung dem Geltungsbereich des bundesrepublikanischen Grundgesetzes beitrat und in das demokratisch-institutionelle Gefüge der BRD integriert wurde. Beispiels- weise engagierten sich die westdeutschen Bundesländer in einem Partnerschaftspro- gramm zum (Neu-)Aufbau von Behörden und Verwaltungen. Rheinland-Pfalz, Bayern und Hessen unterstützten Thüringen, indem sie Personal entsandten und fachlich die Neustrukturierung begleiteten.4 Prägungen aus 41 Jahren DDR wirken gewiss, aber es besteht die Annahme, dass durch die etablierte freiheitlich-demokratische Rahmung ab 1990 der westdeutsche Diskurs aufgenommen wurde. Andreas Fiers konstatiert dazu in seiner Studie über die politische und wirtschaftliche Transformationsperiode:

»Große Teile der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Strukturen der ehemaligen DDR sind den neuen demokratischen und marktwirtschaftlichen Leitlini- en gewichen.«5

Der zweite Teil der Arbeit (Kapitel 3) nähert sich deskriptiv und analytisch dem Stand der Thüringer Landeskulturpolitik. Unter der Perspektive des Dokumentierten und damit Einsehbaren stellen sich folgende Fragen: Welche formalen Ordnungsprin- zipien strukturieren das kulturpolitische Handeln? Welche politischen Handlungsbe- reiche können dem kulturpolitischen Feld zugeschrieben werden und wie sind diese kulturbezogenen Bereiche ausgestaltet, ausgestattet und strukturiert? In welchen prozessualen und kulturförderbezogenen Strukturen wird kulturpolitisches Handeln ermöglicht bzw. begrenzt und wie sehen diese Strukturen aus? Das ausgewählte Bun- desland wird dabei als aggregierte Einheit begriffen. Der primäre Fokus liegt zwar auf der Landesebene, gleichwohl kann die Landespolitik nicht losgelöst von kommunalen Kulturaktivitäten und der kommunalen Selbstverwaltung betrachtet werden. Zum ei- nen tragen in Deutschland die Gebietskörperschaften (2013: 4,50 Mrd. Euro) und die Bundesländer (2013: 4,05 Mrd. Euro) den größten Teil der öffentlichen Kulturausga- ben; 2013 waren es 86,4 %.6 Zum anderen verantwortet und finanziert die kommunale 4 | Vgl. Linck (2010): S. 27-29.

5 | Fier (1998): S. 50.

6 | Vgl. Statistisches Bundesamt (2016b): S. 29.

(14)

Ebene einen erheblichen Teil der kulturinfrastrukturellen Grundversorgung vor Ort wie z. B. Theater, Bibliotheken, Museen, Musikschulen, Jugendkunstschulen oder sozi- okulturelle Zentren; deren Erhalt ist zweifelsohne im Interesse des Landes.

Der dritte Teil der Arbeit (Kapitel 4) baut auf den Erkenntnissen der vorhergehen- den Kapitel auf, fokussiert die politics als bedingenden Faktor der kulturpolitischen policy und fasst die Ergebnisse der empirischen Erhebungen zusammen. Das metho- dische Vorgehen ist sowohl induktiv, um ausgehend von der Betrachtung des spezifi- schen Einzelfalls Thüringen möglichst allgemeingültige Aussagen zu treffen, als auch deduktiv, da der gewählte analytische Rahmen des akteurzentrierten Institutionalis- mus den Forschungsfokus auf erkenntnisfördernde Faktoren lenkt und die Konzeption der Erhebungen strukturiert. Aus dem an die Kulturpolitik angepassten analytischen Rahmen speisen sich die für die empirischen Erhebungen relevanten Konzepte der kognitiven Handlungsorientierung, motivationalen Handlungsorientierung, Interak- tionsformen und Akteurskonstellation. Die drei ersten Konzepte werden im Leitfaden der Experteninterviews operationalisiert, um folgende Forschungsfragen zu beantwor- ten: Wie bearbeiten kulturpolitische Akteure in Thüringen Probleme? Aus welchen Elementen setzt sich die Handlungsorientierung der Akteure zusammen und welche prägenden Muster treten hervor? Welche Interaktionsformen sind konstitutiv für das kulturpolitische Feld? Wie versuchen Akteure, ihre Interessen durchzusetzen und Ein- fluss auszuüben? Die Akteurskonstellation wurde dagegen methodisch primär mithilfe einer quantitativen Online-Netzwerkerhebung erfasst, um sowohl deskriptiv als auch strukturanalytisch darzustellen, welche Akteure sich dem Politikfeld der Kulturpoli- tik zugehörig fühlen, wie diese interagieren und in welcher Beziehung sie zueinander stehen.

Im abschließenden Kapitel werden die wesentlichen Erkenntnisse zu den Beson- derheiten des Politikfelds, zur Governance-Struktur und zu den Mechanismen und Strukturen des policy-Netzwerks resümiert.

1.2 t

hüringEn als

F

orschungsgEgEnstand

Thüringen gehörte 41 Jahre der DDR an, war seit 1952 in Bezirke segmentiert und muss- te 1990 als neu angegliedertes Bundesland in ein bestehendes System von kulturellen, sozialen und politischen Institutionen integriert werden. Seit dem 3. Oktober 1990 fußt die kulturpolitische Entwicklung auf der rechtlichen Rahmung des bundesre- publikanischen Grundgesetzes. Im kooperativ-föderalistisch organisierten deutschen Bundesstaat üben die Länder die Kulturhoheit aus, d.h. sie übernehmen formal die Hauptverantwortung über das kulturelle Leben sowie den Erhalt und die Gestaltung der bestehenden kulturellen Infrastruktur. Die Hoheit ist allerdings nicht als Kultur- monopol zu interpretieren, weshalb vor allem die Kommunen, aber auch der Bund die Kulturaktivitäten der Länder unterstützen und komplettieren.7 Klaus von Beyme un- terscheidet idealtypisch das dezentrale und auf regionale und kleinteilige Akteursgrup- pen fokussierte kulturpolitische System Deutschlands von etatistisch-zentralistischen Modellen (Frankreich, Österreich), parastaatlichen Modellen mit hoher bürgerschaft- licher und inhaltlicher Autonomie (Skandinavien, Niederlande, Großbritannien), 7 | Siehe Kapitel 2.3.

(15)

vollends bürgerschaftlich organisierten Modellen (USA) und Modellen des staatlichen Kunst- und Kulturprimats (autoritäre Regime).8

Der Freistaat Thüringen rekurriert in seinen kulturpolitischen Orientierungswer- ken und in seiner Verfassung auf ein über die territorialen Grenzen ausstrahlendes und rezipiertes historisch-kulturelles Erbe. Das Kulturkonzept des Freistaats Thüringen hebt die Bedeutung traditioneller Wurzeln für das kulturpolitische Handeln hervor.

Darüber hinaus sollen innovative und experimentelle kulturelle Ansätze, die neue kulturelle und kulturpolitische Wege aufzeigen, die etablierten Kultureinrichtungen bereichern.9 In der Thüringer Verfassung zeugen die ersten Worte von einer tradierten kulturellen Verantwortung: »In dem Bewusstsein des kulturellen Reichtums […] gibt sich das Volk des Freistaats […] diese Verfassung.«10 Art. 30 Abs. 1 greift die in Art. 27.

Abs. 1 formulierte und ebenso in Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) festgeschrie- bene Freiheit der Kunst auf und konkretisiert: »Kultur, Kunst, Brauchtum genießen Schutz und Förderung durch das Land und seine Gebietskörperschaften.«11

Seit der deutschen Wiedervereinigung stellte die CDU kontinuierlich den Minister- präsidenten – von 1999 bis 2009 mit absoluter Mehrheit, sonst in wechselnden Koalitio- nen mit FDP und SPD. Erst im Dezember 2014 änderte sich die Konstellation, was einer politischen Zäsur in der bundesdeutschen Geschichte gleichkam: Erstmals wählte die absolute Mehrheit eines Landtages ein Mitglied der SED-Nachfolgepartei Die Linke zum Ministerpräsidenten. Seitdem verantwortet Die Linke in einer Koalition mit SPD und Bündnis 90 / Die Grünen die Kulturpolitik Thüringens. Unter Ministerpräsident Bodo Ramelow ging die Zuständigkeit für Kulturpolitik in die Staatskanzlei über. Der zuständige Chef der Staatskanzlei und Minister für Kultur, Bundes- und Europaange- legenheiten, Benjamin-Immanuel Hoff (Die Linke), bildet mit Babette Winter (SPD), Staatssekretärin für Europa und Kultur, das kulturpolitisch verantwortliche Gespann.

Die unterschiedliche Parteizugehörigkeit ist ungewöhnlich und als vertrauensbildende Maßnahme innerhalb der Regierungskoalition, die nur von einer Ein-Stimmen-Mehr- heit getragen wird, zu deuten.

Die Auflistung grundlegender Kennzahlen in Tabelle 1 gibt einen ersten Überblick über die kulturpolitischen Rahmenbedingungen und die finanziellen Aufwendungen im Bundesländervergleich. Thüringen positioniert sich in toto im oberen Drittel der Bundesländer, wobei einzuschränken ist, dass allein das Volumen der Kulturförderung keinen Rückschluss auf die Qualität der Fördermaßnahmen zulässt. Im Vergleich aller Flächenländer folgt Thüringen in den kulturpolitischen Kategorien Pro-Kopf-Kultur- ausgaben a) insgesamt, b) für Theater und Musik sowie c) für Museen, Sammlungen und Ausstellungen und bezogen auf den Anteil d) am BIP und e) am Gesamthaushalt direkt auf Sachsen. Die drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen weisen traditio- nell hohe Pro-Kopf-Kulturausgaben vor, da sie ein dem urbanen Raum entsprechendes dichtes Kulturangebot vorhalten und finanzieren. Diese kulturelle Infrastruktur ent- faltet eine Sogwirkung auf das Umland und zieht die Bürger angrenzender Bundeslän- der an, ohne dass sich deren Landesregierungen an der Finanzierung beteiligen. Folg- lich sind die Werte der Stadtstaaten nur eingeschränkt mit denen der Flächenländer

8 | Vgl. Beyme (2006): S. 245 und Beyme (2012): S. 53.

9 | Vgl. TMBWK (2012): S. 9, 16.

10 | Freistaat Thüringen (2004b): S. 2, Präambel.

11 | Ebd.: S. 8, Art. 30 Abs. 1.

(16)

vergleichbar. Umso erstaunlicher ist der verhältnismäßig geringe Abstand Thüringens zu den Stadtstaaten bzw. das teilweise sogar größere finanzielle Engagement.

Die Thüringer Bevölkerung konzentriert sich in den urbaneren Räumen Eisenach, Gotha, Erfurt, Weimar, Jena und Gera entlang der horizontalen Hauptverkehrsachse.

Abseits dieser Städtekette ist der Freistaat kleinstädtisch und ländlich geprägt und mit insgesamt 133 Einwohnern pro km² dünn besiedelt. Die politische Narration des Thü- ringer Raums bezieht sich auf ein stimmiges Gesamtbild, das sich aus antipodischen Charakteristika, Heterogenität und Kleinteiligkeit zusammenfügt, so die Botschaft des Landesentwicklungsprogramms Thüringen 2025:

»Thüringen ist in seiner Gesamtheit durch regionale Vielfalt, polyzentrische Sied- lungsstruktur und ein prägendes Nebeneinander städtisch und ländlich gepräg-

ter Räume charakterisiert.«12

»Thüringen wird geprägt durch eine reichhaltige und vielfältige Kulturlandschaft.

Die Vielfalt der Gegebenheiten und die Gegensätze, z. B. von städtisch und länd- lich geprägten Räumen, von stark infrastrukturell überformten und unzerschnit- tenen, verkehrsarmen Räumen oder von historischen Orten und modernen In- dustriestandorten, sind ebenso charakteristisch für den Freistaat Thüringen, wie die Kleinteiligkeit und die siedlungsstrukturelle Ausgewogenheit […]. Ausgehend von der historischen staatlichen Entwicklung Thüringens hat sich eine ausgewo- gene und relativ gleichmäßig verteilte Struktur mittlerer Städte als prägendes Merkmal der Kulturlandschaft erhalten.«13

Das Bevölkerungsniveau von 2,16 Mio. Thüringern im Jahr 2014 liegt 17 % unter dem Wert des Jahres der deutschen Wiedervereinigung. Der Trend der abnehmenden Be- völkerung soll sich auch bis zum Jahr 2020 (-3 % zum Bezugsjahr 2014) und noch deut- licher bis 2040 (-19 %) fortsetzen. Perspektivisch ergeben sich daraus Herausforderun- gen für die Kulturpolitik, da sowohl die Anzahl potenzieller Kulturnutzer abnimmt als auch eine wachsende Kohorte älterer Menschen zu bedienen ist. Die im Vergleich mit den restlichen Bundesländern relativ geringe Pro-Kopf-Verschuldung Thüringens14 eröffnet politische Handlungsspielräume, die zur Lösung künftiger (finanzieller) Her- ausforderungen wie des demografischen Wandels, des auslaufenden Solidarpakts II im Jahr 2019, der Schuldenbremse ab 202015 und der sinkenden Fördergelder der Europäi- schen Union (EU), die vermehrt strukturschwächere Regionen in Süd- und Osteuropa unterstützt, genutzt werden können.

12 | Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr (2014): S. 20.

13 | Ebd.: S. 14.

14 | Relativierend sei bemerkt, dass die neuen Bundesländer 1990 von jeglichen Schulden befreit ihr politisches Handeln im neuen demokratisch-institutionellen Gefüge aufnehmen konnten (vgl. Ebert et al. (2010): S. 129).

15 | Vgl. Bundesanzeiger (2009): S. 2248-2249, Art. 109 Abs. 2 und 3.

(17)

Tabelle 1: Grundlegende Kennzahlen Thüringens

0 € 50 € 100 € 150 € 200 €

insgesamt

0 % 0,5 % 1,0 % 1,5 % 2,0 % 2,5 % 3,0 % 3,5 % 4,0 % Anteil am BIP

Anteil am Gesamthaushalt

0 € 20 € 40 € 60 € 80 € 100 €

Sonstige Kulturpflege**

Denkmalschutz und -pflege Museen, Sammlungen, Ausstellungen Bibliotheken Theater und Musik

Kunsthochschulen

Kulturverwaltung

Stadtstaaten Flächenländer Thüringen

Durchschnitt der Bundesländer

Kulturausgaben je Einwohner, inklusive Kommunen und Zweckverbände (2013)

Einwohner 2.157.000

Fläche Einwohner pro km²

Bevölkerungsentwicklung 1990 – 2014

16.202 km² 133

Schätzung Bevölkerungsentwicklung bis 2020* Schätzung Bevölkerungsentwicklung bis 2030* Schätzung Bevölkerungsentwicklung bis 2040*

-17,39 % -3,25 % -10,97 % -18,59 % Schulden je Einwohner, inklusive Kommunen

Ø der Bundesländer

Position nach geringstem Schuldenstand im Vergleich aller Bundesländer

8.682 € 9.378 € 6 Basisdaten (2014)

Kulturdaten im Bundesländervergleich, inklusive Kommunen und Zweckverbände (2013)

* Basisjahr = Einwohnerzahl 2014; Entwicklung Variante 1: Kontinuität bei schwächerer Zuwanderung G1-L1-W1

** Zuordnung variiert je nach Bundesland: u.a. Filmförderung, Kultur der Vertriebenen, Volks- und Heimatkunde, kommunale Ausgaben der Heimatpflege, allgemeine Kulturförderung

0,57 %

2,64 %

140,36

60,10

12,74

29,40

11,99 6,39

10,74

8,98

Quelle: eigene Zusammenstellung mit Basisdaten Statistisches Bundesamt (2016c): S. 26 f., 266 und Statistisches Bundesamt (2015d): Tabelle Variante 1 Länder; Kulturdaten aus Statistisches Bundesamt (2016b).

(18)

1.3 B

EgriFFsdEFinitionEn

Die begriffliche Klärung des Wortes Kultur ist anfangs notwendig, um ein Gespür für die semantische Vielfalt dieses gesellschaftlichen Handlungsfeldes zu erhalten, in des- sen Rahmen Kulturpolitik entsteht und eine noch genauer zu bestimmende Verant- wortung übernimmt.

1.3.1 Kultur

Aus etymologischer Perspektive entstammt der Begriff Kultur dem lateinischen Verb colere, das in seiner Bedeutungsvielfalt primär mit pflegen bzw. pfleglich umgehen und sekundär mit anbauen, bewohnen, anbeten, verehren oder ausbilden zu übersetzen ist, und seiner Substantivierung cultura.16 Hans Maier führt aus, dass in der Frühzeit alles, was Menschen behandelten oder bearbeiteten, als höherwertiger und positiver als der natürliche Ausgangszustand empfunden wurde – unabhängig von dem Resultat; die Handlung als solche war zielführend. Der Mensch pflegte seine Umwelt und veredelte, bereicherte sie dadurch.17 Seit der römischen Antike galt gleiches für das Individuum selbst, das seinen Geist und seine Sinne pflegte, womit colere von seinem originären Sinnbereich der Kultivierung des Bodens und des Anbaus von Nahrungsmitteln auf die Pflege des menschlichen Wesens, seiner wissenschaftlichen, künstlerischen und religi- ösen Fähigkeiten übertragen wurde.18

Kultur äußerte sich zuerst in einer auf ein Objekt bezogenen Handlung, sei es im Verb colere oder später in substantivierter Form in Komposita mit cultura.19 Jürgen Bolten charakterisiert demzufolge Kultur als relational und prozessorientiert. Aus der etymologischen Bedeutungsvielfalt ergeben sich für ihn vier (zu pflegende) Tätigkeits- kontexte von colere. Anbauen verweist auf die natürliche, d.h. biologische Umwelt. In bewohnen drückt sich die soziale Umwelt und die Pflege sozialer Beziehungen aus. Die Transzendenz und der religiöse Kult finden sich in anbeten und verehren. Ausbilden meint schließlich die Veredelung des eigenen Körpers und des Geistes durch die Aneig- nung individueller Fähigkeiten.20

Viele Definitionen konzentrieren sich auf den »Menschen als kulturelles Wesen«21 und erkennen in Kultur »das, was den Menschen als Menschen konstituiert, was ihn von der übrigen Natur abhebt«22. Shakespeare griff beispielsweise das Motiv der Kultur, die aus der Natur entsteht, aber Natur wiederum verändert, in seinen späten Werken auf.23 Der ursprüngliche durchweg positiv konnotierte Kulturbegriff spiegelt die rück- sichtsvolle Koexistenz des Menschen mit seiner Umwelt, der Natur und seinen sich entwickelnden Fähigkeiten wider. Erst in der Neuzeit fasste Francis Bacon cultura als 16 | Vgl. Maier (2008): S. 403, Klein (2005), Eagleton (2009) und Kluge et al. (1989).

17 | Vgl. Maier (2008): S. 403.

18 | Vgl. Landwehr (2009): S. 8.

19 | Vgl. Maier (2008): S. 403 f. Komposita mit cultura sind zum Beispiel Feldbe- stellung = cultura agri, Pflege des Geistes = cultura animi, Pflege der Beziehung zu Gott = cultura Die.

20 | Vgl. Bolten (2009): S. 242-244.

21 | Arbeitskreis Kultur- und Sozialphilosophie (2013): S. 8.

22 | Keller (2011): S. 221.

23 | Vgl. Eagleton (2009): S. 9.

(19)

eigenständigen, abstrakten Begriff. Machtbezogene Termini wie Herrschaft und Erobe- rung ersetzten die Pflege, die Bereicherung und die Veredelung. Kultur als kognitive Leistung trat zunehmend abgegrenzt von der Natur auf, sogar als sich überlegen füh- lender Gegensatz.24

Samuel von Pufendorf entwarf im späten 17. Jahrhundert aus Hobbes‘ status na- turae den status der cultura. Der für Pufendorf trostlose und von natürlichen Gesetzen bestimmte Urzustand wird erst durch die menschliche Tätigkeit und die Bildung von strukturierten Gesellschaftsverbünden zum erstrebenswerten Kulturzustand.25 Der Mensch kultiviert sich und erreicht als integriertes Mitglied der Gesellschaft eine über dem status naturae stehende Existenz.26 Als eigenständiger Begriff stiftet cultura hier dem menschlichen Leben Sinn und beschreibt die Handlungen, mit denen Menschen ihre eigene Wirklichkeit konstruieren und ihre Daseinsform als Gesellschaft reflek- tieren. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ergänzte Johann Gottfried Herder dieses Verständnis durch die Historizität bzw. historische Entwicklung.27 Demnach ist Kultur ein zyklisches, endliches, im persistenten Wandel befindliches Phänomen, das kulturelle Höhepunkte ebenso wie die Vergänglichkeit mit sich bringt. Herder beschreibt es in seinen Briefen zur Beförderung der Humanität wie folgt: »Nun stelle man sich die Linie dieses Fortgangs [der Geschichte; M.F.] nicht gerade, noch einförmig, sondern nach allen Richtungen, in allen möglichen Wendungen und Winkeln vor.«28 In Kultur erkannte Herder die »Vielfalt von spezifischen Lebensformen, deren jede ihr eigenes Entwicklungsgesetz in sich trägt«29, wie es Terry Eagleton formuliert. Wäh- rend bis ins 17. Jahrhundert die von Individuen ausgehenden Tätigkeiten dem Begriff cultura inhärent waren, ging Herder von unterschiedlichen menschlichen Kollektiven mit jeweils charakteristischen Besonderheiten aus. Die Idee des Kulturrelativismus durchzog sein Werk, konstatiert Gerhard Hauck.30 Die moralische Bewertung anderer Völker sei demnach eine Frage der Perspektive. Weder die europäische noch eine an- dere Kultur habe das Recht, ihre Werte als Norm in die Welt zu tragen.31 Anne Löchte lehnt diese kulturrelativistische Interpretation ab und nennt Herder vielmehr einen Kulturpluralisten, da er »nicht nur von der Unvergleichbarkeit, sondern auch von der Gleichwertigkeit aller Kulturen ausgegangen«32 sei. Pluralismus meint, dass die Gat- tung des Menschen bei aller gleichwertigen Diversität eine gemeinsame moralische Verbindung hat, die das Verstehen und das Nachvollziehen verschiedener Werte und Einstellungen ermöglicht.33 Neben der Inkommensurabilität, aber zugleich Gleichwer- tigkeit von Kulturen verweist Herder auf die innere Vielfalt einer Kultur, die sich stetig durch die menschliche Interaktion transformiert und von Konflikten und Widersprü- chen geprägt ist.34 Dieser der späten Moderne vorgreifende Ansatz der zeitlichen und 24 | Vgl. Maier (2008): S. 403 f.

25 | Vgl. Huning (2007): S. 10.

26 | Vgl. Tschopp; Weber, Wolfgang E. J. (2007): S. 29.

27 | Vgl. Herder (2013).

28 | Herder (2014): S. 76.

29 | Eagleton (2009): S. 21.

30 | Vgl. Hauck (2006): S. 20.

31 | Vgl. Herder (2013): S. 337.

32 | Löchte (2005): S. 213.

33 | Vgl. ebd.: S. 205-219.

34 | Vgl. Hauck (2006): S. 21-22.

(20)

kulturellen Diversität von Gesellschaften und in Gesellschaften drückt sich in einer terminologischen Veränderung aus: Fortan wird zunehmend von Kulturen, also dem Plural von Kultur, gesprochen, wodurch der zu Zeiten der Aufklärung und der Ko- lonialisierung dominierende Eurozentrismus und dessen universalistischer Anspruch kritisiert wird.35

Der im Vergleich zur Frühzeit nun uneingeschränkten Vorrangstellung des Men- schen – vor allem europäischer Herkunft – auf dem Planeten folgte eine semantische Verschiebung des Kulturbegriffs36, der sich im Spannungsfeld zwischen Invasion, Vor- macht, Konkurrenz und anerkennender Bewahrung tradierter Erkenntnisse bewegte.37 Wo Kultur zuvor die menschlichen Interaktionen noch allumfassend durch die vier beschriebenen Tätigkeitskontexte verband, zerfiel sie insbesondere seit dem 18. Jahr- hundert in den Wissenschaften: Die Naturwissenschaften erforschen die biologische Umwelt, die Wirtschafts-, Sozial- und Rechtswissenschaften erkunden die soziale Um- welt, die Religionswissenschaften analysieren religiöse Kulte38 und die künstlerischen und geisteswissenschaftlichen Fächer konzentrieren sich auf die von Cicero geprägte cultura animi39, die Veredelung des Geistes und die Pflege der Seele.40

Der seit dem 19. Jahrhundert vorherrschende Kulturbegriff äußert sich in vier As- pekten41, die vielfältig zu interpretieren sind: (1) Kultur meint sowohl die Pflege des Individuums als auch ein spezifisches Kollektiv oder die gesamte Menschheit(-sge- schichte). (2) Alles von Menschen Geschaffene ist Kultur.42 (3) Im Gegensatz zur Tä- tigkeitsorientierung des Individuums in der Frühzeit menschlicher Existenz bezeich- net Kultur in der Moderne ein Ergebnis von Handlungen bzw. ein Bündel von Werten und Gegenständen einer menschlichen Gruppe.43 Die wissenschaftliche Annäherung erfolgt deskriptiv – den entstandenen evolutionären Zustand beschreibend – oder nor- mativ – geknüpft an erwünschte moralische Vorgaben und Urteile.44 (4) Kultur rückt als historische Kategorie in den Fokus einer neuen wissenschaftlichen Disziplin: der Kulturgeschichte.45

In Frankreich setzte sich zu gleicher Zeit der Begriff civilisation mit einer ähnlichen semantischen Vielfalt durch. Die militärischen und ideologischen Konfrontationen mit den deutschen Staaten mündeten in konstruierten Versuchen, civilisation und Kultur voneinander abzugrenzen und als diametral entgegengesetzt darzustellen. Deutsche Philosophen wie Immanuel Kant und Oswald Spengler reduzierten Zivilisation auf die Äußerlichkeiten der menschlichen Existenz bzw. auf eine äußerliche Selbstbeschrei- bung des gesellschaftlichen Lebens.46 Dagegen war »Kultur die innere Bildung des 35 | Vgl. Eagleton (2009): S. 22.

36 | Vgl. Maier (2008): S. 403.

37 | Vgl. Eagleton (2009): S. 8.

38 | Vgl. Bolten (2009): S. 244.

39 | Cicero schreibt von cultura animi im zweiten Buch der Tusculanae disputationes.

40 | Vgl. Arbeitskreis Kultur- und Sozialphilosophie (2013): S. 9.

41 | Diese Abgrenzung nehmen Silvia Serena Tschopp und Wolfgang E. J. Weber in Grundfragen der Kulturgeschichte (2007) vor.

42 | Vgl. Tschopp; Weber, Wolfgang E. J. (2007): S. 30.

43 | Vgl. Maier (2008): S. 402 und Eagleton (2009).

44 | Vgl. ebd.: S. 11 f.

45 | Vgl. Tschopp; Weber, Wolfgang E. J. (2007): S. 30.

46 | Vgl. ebd.: S. 31 und Schroer (2010).

(21)

Menschen zum moralischen Wesen«47. Ein kultivierter Mensch verhielt sich demnach angesichts seines hohen Bildungsniveaus moralisch. Darüber hinaus wurde Kultur in Deutschland als geistige, künstlerische und religiöse Reflexion des Daseins über die als mechanisch erachtete Zivilisation erhoben, die alle gesellschaftlichen Bereiche wie Politik, Ökonomie, Technik, Religion, Wissenschaft und Lebenskonzepte einschloss.48

Die Trennung der Begriffe Kultur und Zivilisation war arbiträr und verschwandt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus der gesellschaftlichen und wissenschaftli- chen Debatte. In Zeiten des Konflikts war sie dennoch nützlich, insbesondere um die Vorstellung der deutschen Territorien als Nation zu konstituieren und vom stabilen Nationalverbund Frankreichs abzugrenzen.49 Friedrich Nietzsche reflektierte dies in seinem Buch Unzeitgemäße Betrachtungen zwischen 1873 und 1876: Er begegnete der Freude der Deutschen über den siegreichen deutsch-französischen Krieg 1870/71 kri- tisch, besonders der in den Feuilletons kursierenden Meinung, die deutsche Kultur habe über die französische gesiegt. Für ihn setzte dies militärische Rationalität und Gehorsam mit Kultur gleich.50 Nietzsche erkannte im Gegensatz zu Frankreich in Deutschland keine zusammenhängende Kultur, die er

»vor allem [als] Einheit des künstlerischen Stiles in allen Lebensäußerungen eines Volkes [versteht]. Vieles Wissen und Gelernthaben ist aber weder ein notwendiges Mittel der Kultur, noch ein Zeichen derselben und verträgt sich nötigenfalls auf das beste mit dem Gegensatze der Kultur, der Barbarei, das heißt: der Stillosigkeit oder dem chaotischen Durcheinander aller Stile. In diesem chaotischen Durchei- nander aller Stile lebt aber der Deutsche unserer Tage: und es bleibt ein ernstes Problem, wie es ihm doch möglich sein kann, dies bei aller seiner Belehrtheit nicht zu merken und sich noch dazu seiner gegenwärtigen ›Bildung‹ recht von Herzen zu freuen.«51

Die Kultur zeigt sich demnach bei jeder Handlung als in den menschlichen Leib ein- geschrieben. Das reine Wissen wird analog zu Kant von der inneren Bildung differen- ziert. Nietzsche bezieht Kultur auf ein Volk, das sich homogen als Einheit manifestiert und im Kontext der damaligen Gründung des Deutschen Reiches von der Barbarei di- stanzieren soll.

Der Begriff Kultur erfährt seit den 1980er Jahren eine inflationäre Verwendung in allerlei gesellschaftlichen Teilbereichen: Stichworte sind Jugendkultur, Streitkultur, Sprachkultur, Alltagskultur, Esskultur, politische Kultur, Subkultur, Unternehmens- kultur, Kulturbeutel etc.52 Angesichts dieser Ausdifferenzierung und der verstärkten globalen Vernetzung von Gesellschaften sind generalisierende Aussagen auf der Mak- roebene wie z. B. zur Nationalkultur problematisch. Jürgen Bolten erkennt daher eine Verlagerung der wissenschaftlichen Betrachtung auf die Mikroebene der Individuen und Gruppen, die in fluiden Netzwerken Kultur persistent aushandeln und transfor- mieren. Darüber hinaus führt der Versuch, die heterogenen Begriffsbedeutungen in ihrer Komplexität in einer Definition abzubilden, zur Vereinfachung und kann nur 47 | Ebd.: S. 201.

48 | Vgl. ebd.: S. 201.

49 | Vgl. Tschopp; Weber, Wolfgang E. J. (2007): S. 31 f.

50 | Vgl. Nietzsche (1992): S. 9-15.

51 | Ebd.: S. 10.

52 | Vgl. Klein (2009): S. 30 f., Scheytt (2008b): S. 25. und Fuchs (2007): S. 7 f.

(22)

orientierenden Charakter haben.53 Die kulturbegriffliche Darstellung ist zudem da- durch erschwert, dass »Kulturbegriffe offenkundig selbst kulturspezifisch«54 seien, wie Bolten bemerkt. Dies schließt eine objektive und universelle Bestimmung aus. Die in diesem Kapitel vorgenommene Abgrenzung des Kulturbegriffs ist daher als bewusste Entscheidung gegen ein Bündel weiterer legitimer Möglichkeiten zu verstehen.

Die wissenschaftliche Debatte um das Verständnis von Kultur verläuft primär auf einer Achse zwischen den Polen des weiten und engen Kulturbegriffs. Drei Ansätze sollen hervorgehoben werden. Das anthropologische Verständnis von Kultur umfasst jegliches menschliches Handeln, Kommunizieren und Denken.55 Dies erinnert an die vielfach zitierte Definition des britischen Anthropologen Edward Burnett Tylor, der 1871 Kultur als »that complex whole which includes knowledge, belief, art, morals, law, custom, and any other capabilities and habits acquired by man as a member of so- ciety«56 beschrieb. Darauf aufbauende Kulturbegriffe bewegen sich im Spannungsfeld zwischen normativen Ansprüchen, wie Menschen als Teil einer Gesellschaft handeln sollten, und relativistischen Aussagen, die jegliches menschliches Handeln als kulturell bedingt legitimieren.57

1982 verabschiedeten 129 Staaten auf der Weltkonferenz über Kulturpolitik der Uni- ted Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) die Erklä- rung von Mexiko-City, die auf der inhaltlichen Ausgestaltung des anthropologischen, also weiten Kulturbegriffs als Basis einer friedlichen und harmonischen Kooperation der Menschen und Staaten beruht. Einerseits sind die Unterzeichner der Erklärung überzeugt, dass die Menschheit gemeinsame universelle kulturelle Werte wie den Res- pekt vor dem Anderen, das friedliche Zusammenleben und die freie Selbstbestimmung des Individuums und der Nationen teilt. Zugleich billigen sie Gemeinschaften einzig- artige und schützenswerte kulturelle Praktiken zu.58 Angesichts des Ziels, die interna- tionale Gemeinschaft und die Toleranz zwischen den Nationen zu stärken, verwundert die Offenheit eines zwischen relativistischen und normativen Tendenzen oszillieren- den Kulturbegriffs nicht, der für die UNESCO in seinem

»weitesten Sinne [...] die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, in- tellektuellen und emotionalen Aspekte [enthält] […], die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Tra- ditionen und Glaubensrichtungen«59.

Darüber hinaus funktionalisiert die UNESCO die Kultur, die – Pufendorf und Kant folgend – den Menschen als moralisches Wesen konstituiert und in den erstrebenswer- ten status der cultura überführt.

»Der Mensch [wird] durch die Kultur befähigt […], über sich selbst nachzudenken.

Erst durch die Kultur werden wir zu menschlichen, rational handelnden Wesen, die über ein kritisches Urteilsvermögen und ein Gefühl der moralischen Verpflich- 53 | Vgl. Bolten (2009): S. 239.

54 | Ebd.: S. 245 f.

55 | Vgl. Kurt; Wagner (Hg.) (2002): S. 14 f.

56 | Tylor (1871): S. 1.

57 | Vgl. Bolten (2009): S. 245.

58 | Vgl. UNESCO (1982): S. 1.

59 | Ebd.: S. 1.

(23)

tung verfügen. Erst durch die Kultur erkennen wir Werte und treffen die Wahl.

Erst durch die Kultur drückt sich der Mensch aus, wird sich seiner selbst bewusst, erkennt seine Unvollkommenheit, stellt seine eigenen Errungenschaften in Frage, sucht unermüdlich nach neuen Sinngehalten und schafft Werke, durch die er sei- ne Begrenztheit überschreitet.«60

Ein zweiter Versuch ähnelt dem anthropologischen Kulturbegriff, definiert ihn jedoch, indem dessen Negation, also all das, was Kultur nicht ist, beschrieben wird. Diesem Ansatz ist die Abgrenzung von der Natur als biologische Grundlage des Lebens sowie als Menge der unbearbeiteten unbelebten und belebten Ressourcen gemein. Natur ist dabei das Ganze, das durch den Menschen behandelt zu einem nützlichen, alltäglichen Gegenstand transformiert werden kann oder das, was am Ende des Verarbeitungs- prozesses als Abfallprodukt deklariert übrig bleibt. Natur sei demzufolge noch keine Kultur oder keine Kultur mehr, so Peter-Ulrich Merz-Benz und Gerhard Wagner. Ein Objekt oder reines Wissen, das nicht in einen historischen Kontext eingebettet ist und nicht als Artefakt einer Epoche und eines Raums wahrgenommen wird, ist ebenso au- ßerhalb der Kultur zu verorten.61

Das eng gefasste Verständnis setzt Kultur mit den Schönen Künsten und einem hu- manistischen Bildungskanon, der von elitären Zirkeln bzw. dem Bildungsbürgertum beherrscht wird, gleich und grenzt breiten- und massenkulturelle Phänomene davon ab.62 Das Wort Kunst erfasse diesen sogenannten hochkulturellen Bedeutungshorizont, so der Philosoph und Kunstkritiker Arthur Coleman Danto. Kunstwerke zeichnen sich demnach durch einen hohen Grad an Abstraktion aus und grenzen sich von Alltagsge- genständen dadurch ab, dass sie als Symbole wirken und etwas mitteilen, dementspre- chend über etwas aussagen, wogegen Letztere für ihren schlichten Gebrauch konzipiert sind und keine gesonderte Aussage vermitteln. Als weiteres Unterscheidungsmerkmal benennen Merz-Benz und Wagner den von Friedrich Schiller als wünschenswert emp- fundenen Zustand der Zweckfreiheit der Kunst, die sich der Verwertungslogik ent- zieht.63 Pierre Bourdieu führt die Genese eines eigenständigen künstlerischen Feldes im Verlauf des 19. Jahrhunderts genau in diesem Sinn auf die »rupture avec les deman- des externes«64 zurück, ergo auf die Ablösung von der Nützlichkeit und von der Logik des ökonomischen Marktes: »[L]'affirmation du primat de la forme sur la fonction [...]

est l'expression la plus spécifique de la revendication de l'autonomie du champ et de sa prétention à produire et à imposer les principes d'une légitimité spécifique tant dans l'ordre de la production que dans l'ordre de la réception de l'œuvre d'art.«65

Der Blick auf die deutsche Judikatur offenbart die Schwierigkeiten des Gesetz- gebers, einen konsensfähigen Kunstbegriff zu definieren. Das Grundgesetz schützt in Art. 5 Abs. 3 die Freiheit der Kunst. Die Rechtsprechung sieht sich allerdings mit dem Dilemma konfrontiert, nicht einen ›herrschenden‹ Kunstbegriff zu oktroyieren sowie nicht die Qualität und die künstlerische Aussage zu werten, aber zugleich die Schutzbedürftigkeit der Kunst im Einzelfall festzustellen. Das Bundesverfassungsge- richt operiert zuletzt vor allem mit dem »offenen Kunstbegriff, der Kunst primär als 60 | Ebd.: S. 1.

61 | Vgl. Merz-Benz; Wagner (2005): S. 260-263.

62 | Vgl. Kurt; Wagner (Hg.) (2002): S. 14 f.

63 | Vgl. Merz-Benz; Wagner (2005): S. 256-264.

64 | Bourdieu (1998): S. 294.

65 | Ebd.

(24)

gesellschaftlichen Kommunikationsprozess begreift«66 und neuen Kunstformen aufge- schlossen gegenübersteht. Die Vielzahl möglicher Interpretationen künstlerischer Äu- ßerungen wird anerkannt, jedoch sinkt dadurch die Hürde, ›einfache‹ gegebenenfalls diffamierende Äußerungen als Kunst zu kaschieren. Weitere verfassungsrechtliche Versuche, den Kunstbegriff zu erfassen, rekurrieren auf den freien schöpferischen Akt (materieller Kunstbegriff), auf die Einordnung in tradierte künstlerische Gattungen (formaler Kunstbegriff) und auf den affirmativen oder kritischen Bezug auf tradierte Kunstformen (relationaler Kunstbegriff).67

Als praktikabler Ansatz soll Kultur in der vorliegenden Arbeit das eng gefasste hochkulturelle Verständnis einschließen, aber vielmehr als gesellschaftliches Hand- lungsfeld begriffen werden, auf dem Individuen und Netzwerke durch jegliche symbo- lische und kreative Akte in Interaktion mit gesellschaftlichen Entwicklungen treten, ihre eigene Existenz verarbeiten und durch kritische Reflexion den Status quo zur Dis- kussion stellen.68 Damit erhält Kultur für den Menschen eine identitäts- und sinnstif- tende Funktion.69 Kunst ist dabei als Teilmenge zu verstehen.70 Kultur, die von den In- dividuen und gesellschaftlichen Teilgruppen stetig transformiert und neu ausgehandelt wird, entsteht auf der Mikroebene. In Wechselwirkung zwischen charakterisierenden Merkmalen einer menschlichen Gruppe und der eigenverantwortlichen Entfaltung des Einzelnen ist Kultur kein homogener Zustand, sondern prozessorientiert und relatio- nal.

1.3.2 Kulturpolitik

Aus der Literatur geht keine einheitliche Definition von Kulturpolitik hervor. So viel- schichtig der Kulturbegriff ist, so mannigfaltig sind die Verständniszugänge, Normen, Ansprüche, Zielsysteme und Anspruchsgruppen, die im kulturellen Handlungsfeld aufeinandertreffen und teilweise kollidieren.71 Eine Annäherung über den Begriff der Politik soll den inhaltlichen, formalen und prozessualen Rahmen vorgeben, in dem Kulturpolitik entsteht und gestaltet wird. Das Wort Politik entstammt dem griechi- schen polis, was Stadtstaat oder Bürgerschaft bedeutet.72 Daraus leitet sich die allge- meine Definition von Politik ab, die »jegliche Art der Einflussnahme und Gestaltung sowie die Durchsetzung von Forderungen und Zielen [umfasst], sei es in privaten oder öffentlichen Bereichen«73. Dies zeigt das Spannungsfeld des politischen Handelns, das einerseits die Fragen der Macht (Einflussnahme, Durchsetzung) und andererseits der persönlichen oder gruppenspezifischen Überzeugungen (Gestaltung, Ziele) umfasst.

Erstere nehmen im politischen System eine herausgehobene Stellung ein, da aktives Gestalten Macht voraussetzt. Der Entscheidungsprozess verläuft gewiss je nach poli- tischem Regime unterschiedlich, aber letztlich entscheidet ein handelndes Individu- um oder eine handelnde Gruppe, um das System der gesellschaftlichen Ordnung in 66 | Wittreck (2013): S. 772.

67 | Vgl. ebd.: S. 771-774.

68 | Vgl. Kurt; Wagner (Hg.) (2002): S. 14 f.

69 | Vgl. Fuchs (2007): S. 24 f.

70 | Vgl. Merz-Benz; Wagner (2005): S. 258.

71 | Vgl. Fuchs (1998): S. 223-225.

72 | Vgl. Scheytt (2008b): S. 29.

73 | Schubert; Klein (2006): S. 230.

(25)

den Sphären des Privaten und des Öffentlichen aufrechtzuerhalten. In demokratisch legitimierten Herrschaftsformen basiert dies auf einem Diskurs in und zwischen den verfassungsgemäßen Organen des Staates, den bürgerschaftlichen Gruppen und den Medien. Am Ende dieses Diskurses treffen die durch die Verfassung legitimierten Ver- treter zwangsläufig eine mehrheitliche Entscheidung, die gewichtige Gegenargumente vernachlässigen muss. Demgegenüber steht Kultur als gesellschaftliches Handlungsfeld per se für einen unvollendeten Diskurs und einen unbeschränkten Reflexionsprozess, der den vielfältigen Argumenten der sich beständig transformierenden Lebensrealitä- ten eine Bühne gibt. Als Korrektiv gesellschaftlicher Zustände hält Kultur den Diskurs vital.74

Klaus Schubert und Martina Klein entnehmen der politikwissenschaftlichen Dis- kussion drei spezifische Definitionsansätze: Politik sei (1) das staatliche Handeln, das alle Mitglieder eines Staatsverbundes tangiert und verpflichtet, (2) der Aushandlungs- prozess über die Ausgestaltung des Gemeinwesens oder (3) das bewusste Handeln, um Einfluss auf die staatliche Ordnung auszuüben.75 Diese drei Ansätze beinhalten die weitgehend konsensfähigen Analysedimensionen der Politik, die auf die Essenz be- schränkt für Dieter Fuchs und Edeltraud Roller »in der Regelung der gemeinsamen Angelegenheiten eines Gemeinwesens durch allgemein verbindliche Entscheidun- gen«76 besteht. Die deutsche Sprache bietet lediglich das Wort Politik, um diese in- haltliche Komplexität und Vielschichtigkeit abzubilden. Um die semantischen Ebenen auch sprachlich zu differenzieren, rekurriert die Politikwissenschaft auf die englischen Begriffe policy (inhaltlich: die gemeinsamen Angelegenheiten), polity (formal: die Rege- lung) und politics (prozessual: der Mechanismus, wie allgemein verbindliche Entschei- dungen entstehen).77 Tabelle 2 gibt einen Überblick über die interdependenten und sich teils überschneidenden Dimensionen des Politikbegriffs und deren Anwendung auf die Kulturpolitik.

Policy zielt auf die inhaltliche Ausgestaltung des Politikfelds ab und veranschau- licht die Intentionen, Konzepte und Ziele, die der politischen Diskussion zugrunde liegen. Die Dimension orientiert sich an der Frage, mit welchen Ansätzen gesellschaft- lichen Problemen und Herausforderungen begegnet wird.78 Dies schließt ebenso die konkreten politischen Entscheidungen am Ende von Aushandlungsprozessen ein.79 Klaus Schubert und Nils C. Bandelow erfassen mit policy »Gesetze, Verordnungen, Entscheidungen, Programme und Maßnahmen […], deren konkrete materielle Re- sultate die Bürger direkt betreffen, gegebenenfalls an den Bürgern vorbeigehen oder auch nur symbolische Funktion haben.«80 Politikfelder, seien sie weit (u. a. Umwelt-, Kulturpolitik) oder eng (u. a. Hochwasserschutz-, Urheberrechtspolitik) gefasst, sind nicht als abgeschlossene und statische Container zu verstehen, sondern überlappen sich inhaltlich abseits des thematischen Kerns. Die konkrete Abgrenzung ergibt sich daher

74 | Vgl. Fuchs (2007): S. 23 f.

75 | Vgl. Schubert; Klein (2006): S. 230.

76 | Fuchs; Roller (2009): S. 205.

77 | Vgl. Blum; Schubert (2011): S. 14.

78 | Vgl. Fuchs (2007): S. 9.

79 | Vgl. Fuchs; Roller (2009): S. 208.

80 | Schubert; Bandelow (2009): S. 4.

(26)

aus der praxisbezogenen und juristischen Diskussion der politischen Akteure oder in der wissenschaftlichen Analyse.81

Tabelle 2: Dimensionen des Politikbegriffs und deren Anwendung auf die Kulturpolitik

polity politics policy

Erkenntnis­

interesse strukturelle und formale

Rahmenbedingungen Prozess Inhalte

Ausrichtung institutionenorientiert inputorientiert outputorientiert Erscheinungs­

formen Verfassungen

systemordnende Gesetze Normen

explizite und implizite Spielregeln des Politik- felds

Macht Einstellungen Interessen Verhalten Konflikte

Entscheidungsfindung und -durchsetzung Handlungssituationen

Aufgaben

Programmatik (Prob- lemlösung)

Ziele

Einflussfaktoren auf Politikfeld (politische Steuerung)

Entscheidungen von Regierungen und Akteuren (materielle Resultate)

Untersuchungs­

objekte Verfassungsrecht Staats- und Herrschafts- form

Regierungssystem Regimetyp

kulturbezogene Gesetze kulturbezogene Verwal- tungsvorschriften Handlungskompetenzen formelle und informelle Institutionen

ordnungs- und förder- politische Regelungen politische Kultur (strukturell)

Akteure Akteursgruppen policy-Netzwerk Gremien Wahlen

motivationale und kognitive Aspekte der Handlungsorientierung Interaktionsorien- tierungen und -formen Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse politische Kultur (handlungszentriert)

inhaltliche Leitlinien des Politikfelds Handlungsbereiche der Kulturpolitik Kulturförderung kulturpolitische Konzepte und Instrumente politische und parlamentarische Dokumente

Quelle: In Anlehnung an Koch (2010): S. 79.

In der Kulturpolitik beziehen sich das inhaltliche Verständnis und die Konzeptualisie- rung der Programmatik in der Praxis weitgehend auf vier übergeordnete Sparten mit ihren sich teils überschneidenden Subkategorien: (1) Die bildenden Künste wie Malerei, Grafik, Bildhauerei, Design, Fotografie und Architektur produzieren eigenständig wir- kende und langlebige Objekte, die ohne eine Mittlerinstanz rezipiert werden können.

(2) Die darstellenden Künste wie Theater und Tanz sind dagegen originär von ephe- 81 | Vgl. Blum; Schubert (2011): S. 14 f.

(27)

merem Charakter, auch wenn die identische Reproduktion der Aufführungen mitt- lerweile technisch möglich ist. Film, Medien- und Konzeptkunst erweitern seit dem 20. Jahrhundert diese Sparte. (3) Die vielfältigen Möglichkeiten der Interpretation und der Komposition von Tonmaterial werden unter Musik subsumiert. (4) In geschriebe- ner Form festgehaltene Werke gehören der Literatur an.

Guido Houben typologisiert fünf Kulturkonzepte, die auf differenten funktiona- len Kulturbegriffen und gesellschaftspolitischen Zielvorstellungen beruhen und die inhaltliche Bandbreite der möglichen grundlegenden Kulturpolitiken abbilden. Wenn Kultur als Selbstzweck von jeglichem Legitimationsdruck enthoben und natürlicher- weise als zur Lebenswelt dazugehörig akzeptiert wird, dann ist eine Begründung der Kulturförderung unnötig. Ein enger Kulturbegriff, der das kulturelle Schaffen in den Schönen Künsten als per se bereichernd definiert und unabhängig der Bildung und des Kontextes für jeden Rezipienten als zugänglich erachtet, liegt diesem Ansatz zugrun- de. Aus l'art pour l'art ergibt sich, dass die staatliche Kulturförderung grundsätzlich legitim ist, auch wenn sie nicht zwingend notwendig ist, da sich die Kultur frei und uneingeschränkt von staatlichen Vorgaben entfalten soll. Jedoch impliziere diese indi- vidualrechtliche Freiheitsgarantie auch ein staatliches Recht auf Gestaltung, so Hou- ben;82 Hilmar Hoffmann erfasst dies mit dem Satz: »Freiheit der Kunst heißt nicht nur Freiheit vom Staat, sondern zugleich Freiheit durch den Staat.«83

Aufklärung durch Kultur steht dafür, den Zugang zu kulturellen Aktivitäten zu demokratisieren und damit die habituelle Abgrenzung einer bestimmten Kultur-Elite durch die partizipative Integration aller gesellschaftlichen Gruppen zu beenden. Dieser erweiterte Kulturbegriff steht der von Hoffmann in den 1970er Jahren propagierten Kultur für alle nah, was die pädagogische Vermittlung der Kunst und eine Fokussie- rung auf breitenkulturelle Phänomene einschließt.84

Wird Kultur als Wertefundament verstanden, basiert dies auf einem anthropolo- gisch-normativen Kulturbegriff. Dies bedeutet, gewisse konsensfähige Wertvorstellun- gen als normatives Fundament einer Gesellschaft durch kulturpolitische Aktivitäten hervorzuheben. Die Integration heterogener sozialer und kultureller Hintergründe in den Staatsverbund soll dessen Legitimität erhöhen. Eine wertorientiert-integrative Kul- turpolitik möchte nicht die bestehenden Unterschiede schärfen, sondern konsensfähi- ge und identitätsstiftende Lebensmodelle unterstützen. Houben benennt exemplarisch die EU, die von ihren Gründervätern und -müttern als kulturelle Gemeinschaft85 kon- struiert wurde, um daran anknüpfend die wirtschaftliche und politische Integration aufzubauen.86

Kultur als Motor sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung gründet sich auf dem weiten, funktionalisierten Kulturbegriff, der beispielsweise von der UNESCO in der Erklärung von Mexiko-City aufgegriffen wird. Zudem erfasst dies die gesellschaftli- che und auf Erneuerung ausgelegte Wirkung von Kulturpolitik. Im sozialen Kontext bedeutet das, die Pluralität der Lebensweisen anzuerkennen, die Gleichwertigkeit aller 82 | Vgl. Houben (2003): S. 91-93.

83 | Hoffmann (1979): S. 28.

84 | Vgl. Houben (2003): S. 93 f.

85 | Beispielhaft sind das gemeinsame Erbe der griechisch-römischen Antike, Hu- manismus, demokratische Willensbildung, Aufklärung, Christentum, Bürger- und Menschenrechte zu nennen.

86 | Vgl. ebd.: S. 94-96.

(28)

Individuen zu schützen, sozial deprivilegierte Gruppen zu fördern und die Menschen im Sinne des Empowerment als selbstbestimmte Akteure zur Partizipation am gesell- schaftlichen Leben zu ermächtigen. Auf einer anderen Ebene behaupten die Vertreter des funktionalisierten Kulturbegriffs, dass durch Kunst Fähigkeiten wie Kreativität, Selbstreflexion, Kommunikation, vernetztes Denken und Teamfähigkeit ausgebildet würden, was nicht das Individuum als Selbstzweck bereichere, sondern dessen Stellung im rational geprägten Wirtschaftskreislauf positiv beeinflusse.87

Ein letztes Kulturkonzept sieht den Kultursektor selbst als Wirtschaftsfaktor. Seit den 1980er Jahren findet dieser Ansatz des ökonomischen Nutzens u. a. in Deutsch- land und Frankreich Anwendung. Die Betrachtung der Kultur als volkswirtschaftli- cher Katalysator steigert die Legitimation gegenüber anderen politischen Feldern und stärkt die argumentative Position eines gemeinhin als subventioniert und als finanziell abhängig erachteten Kultursektors. Demnach fördert der Kultursektor zum einen, be- ruhend auf Umwegrentabilitäten, z. B. Unternehmensansiedlungen, das Standortmar- keting, die touristische Erschließung von Regionen und den Konsum vor und nach Kulturveranstaltungen. Zum anderen füllt er die Staatskasse durch Steuern und Sozi- alabgaben. Allerdings degradiert diese Konzeption Kultur zum nutzbringenden Mittel innerhalb der Verwertungslogik und entzieht dem kulturellen Feld die von Bourdieu beschriebene konstitutive Eigenständigkeit.88

Als strukturelle und formale Dimension beschreibt polity die verfassungsmäßige Ordnung, in die die Handelnden eingebettet sind und in deren Rahmen sie ihre inhalt- lichen Ziele umsetzen wollen.89 Diese Rahmenbedingungen äußern sich in rechtlichen Vorgaben, Kompetenzzuweisungen, Entscheidungshierarchien sowie dem Aufbau staatlicher und nicht-staatlicher Institutionen und determinieren das politische Han- deln und die möglichen Handlungsspielräume der auf differenten Ebenen verorteten Akteure.90 Sonja Blum und Klaus Schubert fassen unter polity zudem die politische Kultur eines Landes. Eine zunächst abstrakte Hülle, die sie mit den vorherrschenden Normen und Werten füllen, die sich abseits explizierter Regelungen vor allem in im- pliziten Spielregeln widerspiegeln.91 Eine Zuordnung der politischen Kultur zu politics wie in Tabelle 2 ist aber ebenso zulässig, da sie entweder aus struktureller oder aus handlungszentrierter Perspektive betrachtet werden kann. Primär bilden die verfas- sungsrechtlichen Kompetenzzuweisungen und die ordnungs- und förderpolitischen Regelungen das strukturelle Fundament, auf dem die verschiedenen politischen Ebe- nen ihr kulturpolitisches Handeln begründen und voneinander abgrenzen. Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht im Jahr 199392 wird dies von der suprana- tionalen EU komplettiert. Zu den gegebenen, aber veränderbaren Strukturen gehören ebenso (Kultur-)Einrichtungen, die als Plattform die kulturpolitische Willensbildung ermöglichen sollen.

Politics bildet den Verlauf des politischen Aushandlungsprozesses ab und be- schreibt, mit welchen spezifischen Verfahrensweisen und Handlungslogiken sich An-

87 | Vgl. ebd.: S. 96-99.

88 | Vgl. ebd.: S. 99 f.

89 | Vgl. Fuchs (2007): S. 9.

90 | Vgl. Koch (2010): S. 78.

91 | Vgl. Blum; Schubert (2011): S. 15.

92 | Siehe Kapitel 2.3.

(29)

spruchsgruppen einbringen, um ihre politischen Ansichten durchzusetzen.93 Dies ist von Bedeutung, da sich Akteure interdependent zueinander positionieren und im ge- genseitigen Wettstreit um mehrheitsfähige Ansichten ringen.94Politics greift in drei wesentlichen Phasen der politischen Auseinandersetzung: Herausbildung des poli- tischen Willens in u. a. Parteien und Interessensgruppen, Entscheidungsfindung auf politischer Ebene und Umsetzung der verbindlichen Regelungen auf administrativer Ebene.95 Die Kulturpolitik erhält somit die Aufgabe, den politischen Aushandlungs- prozess unter Einbeziehung der geltenden strukturellen Rahmenbedingungen und der relevanten Anspruchsgruppen, ergo der staatlichen, kommunalen, gemeinnützig ori- entierten, wissenschaftlichen, ausbildenden, privatwirtschaftlichen und medialen Ak- teure, mit zu ermöglichen und zu koordinieren.96 Der politische Aushandlungsprozess transformiert zugleich die Inhalte (policy) und die strukturelle Verankerung (politiy) der Kulturpolitik.97

Wenn die allgemeine Politikdefinition mit dem Kulturbegriff verbunden wird, dann führt das Kompositum Kulturpolitik partiell in die Irre, denn die staatliche Politik soll- te idealtypisch keine Kultur machen. Dieses konkrete Handeln erwächst vielmehr aus der Gesellschaft. Als organisierender Pol rahmt der Staat die kulturellen Aktivitäten und vermittelt als übergreifende Instanz zwischen den konfligierenden Individualin- teressen der Akteure und Anspruchsgruppen. Kulturpolitik wandert dabei stets auf einem schmalen Grat zwischen staatlicher Rahmung und normativer Beeinflussung des Individuums zum ›tauglichen‹ Staatsbürger.98 In Anlehnung an die Politikdefiniti- on, die den politischen Willensbildungsprozess als Hauptaufgabe beinhaltet, beteiligt sich Kulturpolitik an der kulturpolitischen Willensbildung einer Gesellschaft, indem sie am Diskurs bürgerschaftlicher Vereinigungen, Kulturschaffender und der Öffent- lichkeit partizipiert und zwischen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und staatlichen Akteuren vermittelt.99

Kulturpolitik muss in besonderem Maße für die Anspruchsgruppen und deren In- terdependenzen sensibilisiert sein und diese in ihre Entscheidungen einfließen lassen – diese Teilhabe verschiedener Anspruchsgruppen an politischen Entscheidungen ist natürlich kein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Politikfeldern.100 Das Kon- zept der Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik drückt aus, dass Kulturpolitik »eine die Gesellschaft mitgestaltende und in diesem Sinn relevante Aufgabe, welche über reine Kunstförderung hinausragt«101, reklamiert. Damit einher gehen Ambitionen, die ge- sellschaftliche Wirklichkeit gestalten und durch Handeln beeinflussen zu können.102 Gesellschaftspolitik meint nicht nur, auf Gesellschaft einzuwirken und latente oder of- fene Konflikte transparent zu machen, sondern auch, dass die Akteure und Träger he- 93 | Vgl. Fuchs (2007): S. 9.

94 | Vgl. Koch (2010): S. 79.

95 | Vgl. Blum; Schubert (2011): S. 14.

96 | Eine Typologie der in Thüringen involvierten kulturpolitischen Akteure ist Kapitel 4.6 zu entnehmen.

97 | Vgl. Scheytt (2008b): S. 31.

98 | Vgl. Beyme (2012): S. 13.

99 | Vgl. Scheytt (2008b): S. 29.

100 | Vgl. Gad (2014): S. 99 f.

101 | Ebd.: S. 100.

102 | Vgl. Houben (2003): S. 90.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ob Ziele als Richtschnur für das Projekthandeln geeignet sind, lässt sich auch daran erkennen, ob das »a« in smarte Ziele berücksichtigt wurde: Wenn die Ziele für die

Schon früh werden durch die Lernstandserhebungen (s. 6) und die differenzierten Lernangebote auch im Fach Mathematik deutlich, auf welchem Entwicklungsniveau sich die einzelnen

Also nicht Training für die aktuelle oder eine zukünftige Tätigkeit, sondern breite Qualifikation durch Förderung derjenigen kognitiven Funktionen, die im Alter nachlassen.

Das Schuldrecht des BGB geht traditionell vom Idealtypus zweier gleich- starker Verhandlungspartner aus, denen ein weiter Spielraum bei der Ge- staltung ihrer

Demokratischen Grund- sätzen entsprechende Binnenstrukturen der in die Ausübung von Staatsfunktionen integrierten privat organisierten Interessen könnten sich schließlich auch unter

www.jobmensa.de/ratgeber/karriere/zeitmanagement/alpenmethode.. Individuelle Förderung und Nachhaltigkeit in der Mittelstufe. Know-how: Beispiele

Durch diese Auswahl soll in erster Linie deutlich werden, dass viele der bereits bekannten Methoden mit Gewinn einge- setzt werden können, wenn man sich über ihre spezielle

auf Türen und Schlösser und lässt es (normalerweise, außer im Jemen und in den Vereinigten Staaten) nicht zu, dass Schusswaffen ebenso leicht zu erwer- ben sind wie