Stahlbeton III – Übung 1
(101-0127-00L)
Thema: Fachwerkmodelle Bemessung eines Querträgers
(hohe Schlankheit)
Ausgabe: 18. Oktober 2018, HIL E71 Bemessungsgrundlagen der Aufgabe
1.1 Einführung
In dieser Übung soll der Querträger einer Hohlkastenbrücke über einem Brückenpfeiler gemäss den Bestim- mungen der Norm SIA 262 [1] bemessen werden. Der Hohlkasten wird über dem Pfeiler durch zwei symmet- risch zur Brückenlängsachse angeordnete Brückenlager gestützt (siehe Übersicht A1.1). Der Querträger soll für den Grenzzustand der Tragsicherheit bemessen werden.
1.2 Geometrie
Die Abmessungen können der Übersicht A1.1 entnommen werden. Im Querträger ist ein Einstiegsloch vorzu- sehen, welches im Bauzustand als Durchreiche für Material dient und im Endzustand den Zugang für Inspek- tionen und Instandsetzungen gewährleistet. Die Mindestabmessungen der Luke betragen b x h = 0.8 m x 0.9 m.
1.3 Material
Für den Bau der Brücke wird ein Beton C40/50, Betonstahl B500B und Spannstahl Y1860 verwendet.
1.4 Expositionsklassen
Der Querträger befindet sich im Hohlkasten in einer Umgebung mit relativ konstanter Luftfeuchtigkeit und keinen Tausalzen ausgesetzt. Die planmässige Betonüberdeckung beträgt cnom = 45 mm.
1.5 Lasten
Die Auflagerreaktion Rd je Lager beträgt 6 MN (Bemessungswert). Vereinfachend darf angenommen werden, dass jede angrenzende Stegscheibe des Hohlkastens gleich viel Schub zu den Auflagerplatten trägt (d.h. VL1= VL2= VR1= VR2= Rd /2, siehe Abbildung A1.2).
Es wird davon ausgegangen, dass der Querträger weder Torsion noch Horizontalkräfte übertragen muss. Das Eigengewicht der Querscheibe darf vernachlässigt werden.
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2 Aufgaben
2.1 Fachwerkmodell ohne Vorspannung
Legen Sie die erforderlichen Abmessungen des Querträgers fest und entwickeln Sie ein geeignetes Fachwerk- modell für die Lastabtragung unter der Voraussetzung, dass keine Vorspannung verwendet wird. Gehen Sie dabei von den beiden Extremfällen a) und b) aus. Bestimmen Sie die jeweils erforderliche Bewehrung und führen Sie die notwendigen Nachweise der Tragsicherheit.
a) Die gesamte Belastung der Stegscheiben soll am Querträger aufgehängt werden. Die dafür notwendige Aufhängebewehrung soll in dem in Abbildung A2.1 dargestellten Bereich angeordnet werden.
b) Es soll keine Aufhängebewehrung verwendet werden.
2.2 Aktivierung der Bügelbewehrung im Kreuzungsbereich
Bei vielen bestehenden Brücken wurde die „Aufhängebewehrung“ im Bereich gemäss Abbildung A2.2 ange- ordnet und entsprechend bemessen. Diese konstruktive Regel basiert auf Versuchen von Leonhardt und Rostásy und wird auch heute noch angewendet ([2], [3], [4]). Untersucht man den Kraftfluss mit einem Span- nungsfeld gemäss Aufgabenstellung 1 a) (direkte Lagerung), so kann die „Aufhängebewehrung“ ausserhalb des direkten Kreuzungsbereichs Längsträger-Querträger nicht für die Lastaufhängung genutzt werden. Mit einem Spannungsfeld gemäss Aufgabenstellung 1 b) ist hingegen eine Aktivierung der Bewehrung ausserhalb des direkten Kreuzungsbereichs möglich. Diese trägt so zum Tragwiderstand bei. Streng genommen handelt es sich dabei jedoch nicht um Aufhängebewehrung, sondern eher um verstärkte Schubbewehrung des Längs- resp. Querträgers.
Konstruieren Sie je ein Spannungsfeld, mit welchem die ausserhalb des direkten Kreuzungsbereichs liegenden Anteile der „Aufhängebewehrung“ nach Leonhardt/Menn entweder im Längsträger oder im Querträger voll aktiviert werden kann. Diskutieren Sie den Einfluss auf die erforderliche Zuggurtkraft im Längsträger.
2.3 Fachwerkmodell mit Vorspannung
Entwickeln Sie ein für die Lastabtragung geeignetes Fachwerkmodell unter Verwendung des Vorspannkon- zeptes gemäss Darstellung in Abbildung A3. Gehen Sie für das Vorspannkabel P1 von 27 Litzen (Ap = 150 mm2, Hüllrohrdurchmesser H = 121 mm) und für das Vorspannkabel P2 von 15 Litzen (Ap = 150 mm2, Hüllrohrdurchmesser H = 106 mm) aus. Behandeln Sie die Vorspannkräfte als Anker- und Umlenkkräfte. Zur Bestimmung der Umlenkkräfte darf angenommen werden, dass die Vorspannkabel einen parabolischen Verlauf über die Querschnittsbreite mit gegebener Stichhöhe fP1 bzw. fP2 aufweisen. Führen Sie die notwendigen Nachweise der Tragsicherheit und bestimmen Sie die einzulegende schlaffe Bewehrung.
2.4 Discontinuity Region Design
Untersuchen Sie mit Hilfe der Software IDEA StatiCa DETAIL die Querscheibe unter der äusseren Einwir- kung von Rd = 6 MN je Lager und dem Einfluss der Vorspannkabel (als Anker- und Umlenkkräfte einzufüh- ren). Was können Sie der Topology Optimization, der Linearen Analyse sowie dem resultierenden Spannungs- feld im Querträger entnehmen? Vergleichen Sie die Resultate mit ihren Handrechnungen.
3 Literatur
[1] Kommission SIA 262 (2003), “SIA 262 Betonbau.” Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, 2013.
[2] F. Leonhardt, R. Koch, and F. Rostàsy S. (1971), “Aufhängebewehrung bei indirekter Lasteintragung von Spannbetonträgern, Versuchsbericht und Empfehlungen,” Beton- und Stahlbetonbau, vol. 66, no.
10, pp. 233–241.
[3] European Committee for Standardization (2004), “Eurocode 2: Design of concrete structures - Part 1-1:
General rules and rules for buildings.”
[4] E. Brühwiler and C. Menn (2003), Stahlbetonbrücken, 3rd ed. Springer.
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Anhang A - Abbildungen
A1 Übersicht
A1.1 Querschnitt des Hohlkastens (Auflagerbereich), Querträger mit hoher Schlankheit
A1.2 Kraftfluss von den angrenzenden Stegscheiben zur Querscheibe
4200
300
2500 400
500 900
400
800
A2 Bereich zur Anordnung der Aufhängebewehrung A2.1 Schnitt für Aufgabe 1 a)
A2.2 Schnitt für Aufgabe 2
kfm Seite 6/6 dk/rev. hs, mle 15.10.2018 A3 Querschnitt mit Anordnung der Vorspannung
parabolische Spanngliedführung 635 330
1010
5000 P1
P2