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Archiv "Schadstoff-Rückstände in Babynahrung: Ein ernährungspolitischer Rechtsstreit" (13.05.1994)

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POLITIK AKTUELL

Z

ur Vorgeschichte: Im Januar und März dieses Jahres sah sich die schwäbische Droge- riekette Schlecker gezwungen, ihre preisgünstige Baby-Gläschen- kost des spanischen Herstellers Hero Espafla S.A. aus den Regalen zu neh- men. Testungen des Lebensmittel- Überwachungsinstitutes in Stuttgart hatten ergeben, daß die nach der deutschen „Diätverordnung" zulässi- gen Schadstoffwerte von zehn Mikro- gramm zum Teil stark überschritten worden waren. So hätten zum Bei- spiel die Werte des Pflanzenschutz- mittels Lindan bis zu einem Zehnfa- chen über dem zulässigen Wert gele- gen. Weitere Untersuchungen, die auf Veranlassung der Zeitschrift

„Öko-Test" und der Verbraucher- Initiative vorgenommen wurden, be- wirkten, daß außerdem die von der Aldi-Kette vertriebene Babykost

„Leckermatz" und zwei Früchtemi- schungen der Firma Milupa aus dem Handel genommen wurden. Auch hier waren erhöhte Mengen an Pflanzschutzmittel-Rückständen ge- funden worden, wenngleich aufgrund von Kontrolluntersuchungen ein Verstoß gegen die Diätverordnung in diesen Fällen fraglich blieb. Gut ab- geschnitten hatten bei den Tests die Marktführer Hipp und Alete (von der Firma Nest1), deren Produkte ausschließlich aus kontrolliertem bio- logischen Anbau stammen.

„Nahrungsmittelproduzenten, Kontrolleure, Behörden und Politik sind unterschiedlicher Auffassung

Maßgeblich für die Qualität von Säuglingsfertignahrung, zu der auch Gläschenkost zählt, ist in der Bun- desrepublik Deutschland die „Ver- ordnung über diätetische Lebensmit- tel", kurz „Diätverordnung". Danach dürfen maximal 0,01 Milligramm Schadstoffe pro Kilogramm Nah- rungsaufnahme in Beikostprodukten vorkommen, erklärte Prof. Friedrich Manz, Pädiater und stellvertretender Leiter des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund.

Praktisch bedeutet dies, daß Baby- nahrung grundsätzlich frei von Rück- ständen sein muß. Anders sieht es bei Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs aus. Für sie gelte die

„Höchstmengenverordnung", die ge- staffelte Richtwerte für Schadstoff- anteile in den jeweiligen Lebensmit- teln vorsehe, so Manz.

Die Trennung von Lebensmit- teln des allgemeinen Verzehrs und diätetischer Nahrung wird von ihm eindeutig befürwortet. Der Stoff- wechsel eines Säuglings unterscheide sich noch wesentlich von dem eines Erwachsenen, so daß hier schwerwie- gende gesundheitliche Folgen durch Schadstoffrückstände nicht auszu- schließen seien. Hinzu käme das Ri- siko von Langzeitschäden. Da über Beeinträchtigungen — auch hinsicht- lich der beanstandeten Mengen beim spanischen Babykost-Hersteller

Schadstoff-Rückstände in Babynahrung

Ein ernährungs-

politischer Rechtsstreit

Eierskandal, Schweinepest, Rinderwahnsinn und zu guter Letzt Rückstände von Pflanzengif- ten in Babynahrung: Die Kette an Meldungen über (vermeintlich) ungenießbare Lebensmittel reißt nicht ab. Gerade der jüngste „Skandal" um schadstoffbelastete Nahrung für Säuglinge verdeutlicht dabei wieder einmal, welche Probleme aufgrund unterschiedlicher Rechtspre- chungen innerhalb der Staaten der Europäischen Union (EU) entstehen können. In einer Ak- tuellen Stunde zum Thema „Giftstoffe in Babynahrung" forderten Bundesregierung und Op- position daher einstimmig eine europaweit einheitliche Regelung. Dabei wollen sie sich vehe- ment für die Durchsetzung der niedrigen deutschen Schadstoff-Grenzwerte einsetzen.

über das, was man ,gesunde Lebens- mittel' nennen kann, und den Weg, wie man solche gesunden Lebensmit- tel fördern kann", kritisierte der SPD-Abgeordnete Klaus Lennartz bei einer Aktuellen Stunde im Deut- schen Bundestag zum Thema „Gift- stoffe in Babynahrung". Bundesge- sundheitsminister Horst Seehofer (CSU) stellte jedoch klar, daß es nicht darum gehe, neue Gesetze in der Bundesrepublik zu schaffen. Die Bundesländer sollten die bestehen- den Gesetze richtig anwenden und sein Ministerium künftig rechtzeitig über Verstöße informieren.

A-1342 (22) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 19, 13. Mai 1994

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POLITIK

keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorlägen, müsse der Prävention Vorrang eingeräumt wer- den, argumentierte Manz. Dem wür- den eben nur die strengen Grenzwer- te der deutschen Diätverordnung ge- recht.

Die meisten unserer europäi- schen Nachbarn denken jedoch an- ders darüber. Lediglich in Belgien, Luxemburg und Italien werden ähn- lich hohe Maßstäbe gesetzt wie in Deutschland. Eine Harmonisierung der Verordnungen für Babynahrung steht in der EU noch aus. Wie Micha- el Warburg, Referent für allgemeine Fragen zu Lebensmitteln und Le- bensmittelchemie im Bundesministe- rium für Gesundheit, berichtete, exi- stiere auf EU-Ebene bislang lediglich eine Diät-Rahmenrichtlinie, die wie- derum den Erlaß von Einzelrichtlini- en vorsehe.

Damit allerdings ist die Europäi- sche Kommission noch nicht sehr weit gediehen. Einzig die „Richtlinie für Säuglingsanfangs- und Folgenah- rung", die die Zusammensetzung, Kennzeichnung und Vermarktung der betreffenden Produkte regelt, ist bereits verabschiedet worden (siehe dazu auch den Beitrag „Europäische Union: Säuglingsernährung einheit- lich geregelt" im Deutschen Ärzte- blatt, Heft 4/1994). Eine einheitliche europäische Grenzwertfestlegung für Schadstoffrückstände wiederum kön- ne nur nach der — noch ausstehen- den — Verabschiedung der soge- nannten Beikost-Richtlinie erfolgen, erläuterte Warburg. Ziel der Bundes- regierung sei es, von der Ermächti- gung im Sinne der deutschen Diät- verordnung Gebrauch zu machen.

Warburg hält diesen Vorstoß allein schon deshalb für gerechtfertigt, da es möglich sei, die strengen deut- schen Vorgaben von maximal zehn Mikrogramm in der industriellen Fertigung zu berücksichtigen.

Ob sich die Vorstellungen der deutschen Gesundheitspolitiker durchsetzen werden, ist allerdings fraglich. Dagmar Roth-Behrendt, Sprecherin der Sozialdemokraten im

Umweltausschuß des Europäischen

Parlaments, jedenfalls bezeichnet die deutschen Vorstellungen als „wissen- schaftlich nicht haltbar".

Petra Spielberg

AKTUELL

Immissionskarte (14)

Die vorliegende Karte bezieht sich auf den Zeitraum vom 28. März bis zum 1. Mai. Das Wetter war ge- prägt durch anhaltende Niederschlä- ge und frische bis stürmische Winde aus westlichen Richtungen. Im Durchschnitt schwankten die Tages- temperaturen zwischen 8 und 13 Grad C. Einige wenige Aufheiterun- gen sorgten an einzelnen Tagen mit nur schwachen Winden aus östlichen Richtungen für ansteigende Tempe- raturen, ansteigende Ozonwerte und eine Zunahme der Luftschadstoffe.

Dies gilt besonders für die letzte Wo- che des Berichtszeitraumes, in der ei- ne stabile Hochdruckwetterlage für starke Sonneneinstrahlung sorgte. So stiegen vor allem die 8-h-Mittelwerte für Ozon stark an.

Die Karte zeigt in diesem Monat die Ozonmaximalwerte, das heißt, die höchsten gemessenen Werte, die in einer Stunde auftreten können.

Die allgemeine Belastung durch Ozon ist zwar noch als gering zu be- zeichnen, da die höchsten Monats- mittelbelastungen bei 90 bis 100 Mi- krogramm/m3 lagen.

Die Kurzzeitbelastungen lagen im Berichtszeitraum aber schon im Bereich von über 200 Mikrogramm.

Die höchsten Werte wurden in Halle (42/245), Darmstadt (64/235), Frank- furt-Sindlingen (61/210), Fürth/

Odenwald (100/239), Merzalben (97/235) und Heidelberg (54/254) ge- messen. Außer in Halle traten alle Maximalwerte in der letzten April- woche auf.

Aufgrund der ansteigenden Ozonwerte wollen wir uns hier vor allem den Verkehrsemissionen zu- wenden. Sie sind als Hauptverursa- cher der Ozonbildung anzusehen und treten vorwiegend in Gebieten mit hohem Individualverkehr auf. Zwar sind die verkehrsverursachten Vor- läuferschadstoffe ganzjährig in Bo- dennähe vorhanden. Doch tritt ge- wissermaßen zusätzlich in der war- men Jahreszeit eine Ozonbelastung durch die stärkere UV-Strahlung auf.

Sie ist allerdings, was die gesundheit- liche Belastung anbelangt, schwer ge- gen andere saisonale Einflußgrößen wie Pollenflug, hohe Lufttemperatur, Inversionswetterlagen abgrenzbar.

Den Kfz-Emissionen Benzol, po- lyzyklische aromatische Kohlenwas- serstoffe (PAH) und den Aldehyden wird eine krebsauslösende Wirkung zugesprochen. Sie kann allerdings meist erst nach langer Exposition (20 bis 25 Jahre) erkannt werden. Ge- meinsam ist indes allen Kfz-Emissi- onen eine entzündungsauslösende und -unterhaltende Wirkung an den Schleimhäuten vornehmlich der Atemwege. Demnach müßten Perso- nen, die sich ständig im Fahrzeugin- neren oder im Freien in „Straßen- schluchten" aufhalten, besonders häufig unter entzündlichen Atem- wegserkrankungen (chronische Bronchitis, Asthma bronchiale) lei- den. Auch hier muß allerdings der zusätzliche Effekt von Schwebstäu- ben und Pollen berücksichtigt wer- den. Bislang gibt es keine gesicherten

Ozonbelastung im April

Die Werte

der Luftmeßstationen beruhen auf den Angaben von folgenden Landesämtern: Schleswig-Holstein

—Lufthygienische Überwachung, Gewerbeaufsichtsamt Itzehoe;

Mecklenburg-Vorpommern — Landes- amt für Umwelt und Natur, Güstrow; Hamburg — Umweltbehörde, Abt. Luft H4; Niedersachsen

—Landesamt für Ökologie, Hildesheim;

Bremen — Der Senator für Umweltschutz und Stadtentwick- lung; Sachsen-Anhalt — Landesamt für Umweltschutz, Lufthygienisches Überwachungssystem, Mag- deburg; Brandenburg — Landesumweltamt Brandenburg, Abt. Immissionsschutz Referat 12, Außen- stelle Cottbus; Berlin — Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz; Nordrhein-West- falen — Landesumweltamt, Essen; Hessen — Landesanstalt für Umwelt, Wiesbaden; Thüringen

—Landesanstalt für Umwelt, Ref. 4.2, Jena;

Sachsen — Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geolo- gie, Radebeul; Rheinland-Pfalz — Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht, Oppenheim;

Saarland — Staatliches Institut für Gesundheit und Umwelt, Saarbrücken; Baden-Württemberg — Ge- sellschaft für Umweltmessungen und Umwelterhebungen, Karlsruhe; Bayern — Landesamt für Um- weltschutz, München

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 19, 13. Mai 1994 (23) A-1343

Referenzen

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