Leserdienst
Hinweise -Anregungen BUCHBESPRECHUNGEN
Hans Georg Dieroff: Lärm- schwerhörigkeit, Leitfaden der Lärmhörschadenverhü- tung in der Industrie, Ver- lag Urban & Schwarzen- berg, München/Wien/Balti- more, 1979, 312 Seiten, 254 Abbildungen, Leinen, 78 DM
Mit der Begründung, daß sich in der Zwischenzeit keine wesentlichen Neue- rungen auf diesem Spezial- gebiet ergeben hätten, wird dem Leser eine Zweitaufla- ge angeboten, die im Ge- gensatz zur damals aktuel- len Erstauflage enttäuscht.
Die objektive Audiometrie bei Simulation und Aggra- vation von Hörschäden ist ebensowenig berücksich- tigt wie Gehörschäden durch nichtindustrielle Lärmeinwirkung, zusätzli- che Freizeitlärmbelastung, Problematik der Lärmsätti- gung und Abgrenzung der Lärmschwerhörigkeit ge- genüber zusätzlichen Hör- störungen anderer Genese.
Die Aufzählung der nicht- akustischen Innenohr- schäden ist unvollständig, die Eignungskriterien für Lärmbelastung bei Ohr- erkrankungen sind nicht ausreichend berücksich- tigt. Die Häufigkeit notwen- diger Überwachungsunter-
Rudolf Lemke, Helmut Rennert: Neurologie und Psychiatrie sowie Grund- züge der Kinderneuro- psychiatrie, Ein Lehrbuch für Praxis und Studium, Verlag Johann Ambrosius Barth, Leipzig, 1979, 561 Seiten, 137 Abbildungen und Tafelanhang, Leinen, 42 DM
Das von Lemke begründe- te, von Rennert sorgfältig weitergeführte Lehrbuch liegt nun in der 7. überar- beiteten Auflage vor.
Es mag aus der Perspektive des westdeutschen Lesers unvollständig und in man- cherlei Hinsicht unbefriedi- gend sein, indem es die
suchungen bleibt eine ebenso offene Frage wie die Stellungnahme bei Vor- schäden, Nachschäden oder Stützrente. Die für die Bundesrepublik gültige Unfallverhütungsvorschrift (UVV Lärm) vom 1. 12. 1974 ist ebensowenig aufgeführt wie die Arbeitsplatzlärm- schutzrichtlinie des Bun- desministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 10.11. 1970. Obwohl be- reits seit 1973 (!) neue Ta- bellen von Boenninghaus und Röser zur Errechnung des prozentualen Hörverlu- stes Grundlage der Begut- achtung sind, werden die überholten Tabellen von 1958 abgedruckt. Auch die MdE-Tabelle von Feldmann wird in seiner veralteten Form (1962) dargelegt und modifiziert nach Lessing 1969 wiedergegeben, wel- che in der Bundesrepublik keine Anwendung findet, während die neue MdE-Ta- belle von Feldmann nicht erwähnt wird. Der Begriff Beurteilungspegel als Richtwert für berufliche Lärmbelastung, der für je- de gutachterliche Untersu- chung gefordert wird, hat in dieses Buch keinen Ein- gang gefunden.
H. Weidauer, Heidelberg
Psychiatrie unserer Tage verkürzt und allzu unpro- blematisch vorstellt. Es bie- tet aber gerade deswegen eine interessante Gelegen- heit, das eigene, durch den Umbruch der zurückliegen- den drei Jahrzehnte ge- prägte Verständnis dessen, was psychische Abnormität und seelische Krankheit sei, zu prüfen und darauf- hin zu befragen, wo tat- sächlich neue Einsichten und wo lediglich neue For- mulierungen bekannter Sachverhalte gefunden wurden. In diesem Sinne sei die Lektüre des Buches weniger dem Lernenden als dem nachdenklichen Lehrenden anempfohlen.
Johann Glatze!, Mainz
Sozialpolitik
Gesundheitspolitik
Hans-Dieter Schneider:
Sexualverhalten in der zweiten Lebenshälfte, Ver- lag W. Kohlhammer, Stutt- gart, 1980, 128 Seiten, kar- toniert, 22 DM
Die vorliegende Schrift ist im wesentlichen die Aus- wertung einer von der Schweizerischen Psycho- logischen Marktforschung durchgeführten Studie über Sexualverhalten im Alter.
Es ist nicht die Absicht des Verfassers, der Psychologe ist und keine ärztlichen und sexualmedizinischen Erfahrungen besitzt, Rat- schläge für die Behand- lung von älteren Patienten zu geben, die an funktio- nellen oder organischen Sexualstörungen leiden.
Das Buch ist vielmehr eine interessante und auf- schlußreiche sozialwissen- schaftliche Untersuchung über das geschlechtliche Verhalten älterer Men- schen.
H.-J. v. Schumann Düsseldorf
Carlo Schmid: Erinnerun- gen, Dritter Band der Ge- sammelten Werke in Ein- zelausgaben, Scherz Ver- lag, Bern/München/Wien, 1979, 868 Seiten, Leinen, 45 DM
Carlo Schmids Erinnerun- gen legen Zeugnis ab von einem Grandseigneur, der auch in der schärfsten poli- tischen Auseinanderset- zung dem Gegner als Mensch gerecht wird. So gehört Schmid zu den wohl unter Politikern ganz be- sonders seltenen Men- schen, die an sich selbst höchste Anforderungen stellen, gleichzeitig aber Güte und Verständnis für die Fehler und Schwächen anderer aufzubringen ver- mögen. Daß Schmid eine solche Haltung in der Poli-
tik durchhalten konnte, zeugt von seinen überra- genden intellektuellen Fä- higkeiten, die er stets in den Dienst einer Humani- sierung unserer Lebens- vollzüge zu stellen bemüht war. Inwieweit ihm das zu dauerhaften Erfolgen ver- holfen hat, wird erst die Ge- schichte entscheiden.
Schmids Erinnerungen sind somit mehr als ein po- litischer Rechenschaftsbe- richt. In ihnen spiegelt sich nicht nur die lebendige deutsche Geschichte der letzten fünfzig Jahre, son- dern unsere gesamte kultu- relle und soziale Entwick- lung während eines we- sentlich längeren Zeitrau- mes. Ferdinand Oeter, Köln
Iris Dauner: Brandstiftung durch Kinder, Verlag Hans Huber, Bern/Stuttgart/Wien, 1980, 152 Seiten, karto- niert, 32 DM
Die Verfasserin hat die Be- dingungen der von 30 Kin- dern im Alter von 7 bis zu 14 Jahren verursachten Brandstiftungen unter kri- minologischen, psycholo- gischen, kinderpsychiatri- schen, neurologischen, pädagogischen und psy- chosozialen Aspekten un- tersucht. Es handelt sich bei der Brandstiftung durch Kinder, ebenso wie bei vielen anderen Delik- ten, um ein multifaktoriel- les Geschehen. Die Befun- de dieser Gruppe werden mit einer Vergleichsgruppe von 30 kindlichen Eigen- tumsdelinquenten vergli- chen. Anschließend wird versucht, für die Beurtei- lung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit im Sin- ne von § 828 BGB Richtli- nien zu entwickeln und An- regungen für eine mehr psychodynamisch orien- tierte Interpretation zu ge- ben. Die analogen Rechts- bestimmungen im schwei- zerischen und österreichi- schen Zivilrecht werden dabei berücksichtigt.
E. Trube-Becker Düsseldorf
108 Heft 8 vom 26. Februar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B