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Archiv "Kommentar - Walter Jens: Grenzfragen" (18.04.2008)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1618. April 2008 A821

P O L I T I K

Die parlamentarische Staatssekre- tärin im Gesundheitsministerium, Marion Caspers-Merk (SPD), wür- digte anlässlich des 60-jährigen WHO-Bestehens deren Wirken. Ihr komme eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Infektionskrank- heiten zu. Auch habe die Weltge- sundheitsorganisation den Impfschutz wesentlich vorangebracht. Pocken seien weltweit ausgerottet. Der größ- te Teil der Welt sei frei von Kin- derlähmung; seit 1992 komme die Krankheit in Deutschland nicht mehr vor. Als Meilenstein bezeichnete Caspers-Merk die Tabakrahmen- konvention der WHO von 2003. Sie habe dazu beigetragen, in Deutsch- land den Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens zu verbessern.

WHO-Generaldirektorin Dr. Mar- garet Chan warnte vor den dramati- schen Folgen des Klimawandels für die Gesundheit. Es seien die armen Länder, die die große Last der Klima- veränderungen tragen müssten. Als Beispiel verwies sie auf die jüngsten Überschwemmungen in Angola, die zu einer Ausbreitung der Cholera geführt hatten. Chans Stellvertreter, Dr. David Heymann, sprach von ei- nem „Meningitis-Gürtel“ in Schwarz- afrika, der auf größere Trockenheit zurückzuführen sei.

Susanne Weber-Mosdorf, stell- vertretende Generalsekretärin der WHO in Europa, hatte anlässlich des Weltgesundheitstages in Deutsch- land auf die schlechte Gesundheits- versorgung in Entwicklungsländern verwiesen. Rund ein Fünftel aller Länder weltweit hat demnach maxi- mal 15 US-Dollar pro Jahr und Kopf für seine Bevölkerung zur Verfü- gung. Hilfe für die Gesundheitssy- steme in Entwicklungsländern ist geboten, zumal sie nach Ansicht von Mosbach-Weber auch reicheren Staaten nutzen würde: „Wir können unsere eigene Gesundheit nicht schützen, wenn wir nicht helfen, die Gesundheitsversorgung in armen Ländern zu unterstützen.“ Denn es sei klar, dass man beispielsweise bei der Eindämmung von Epidemien, die sich in Zeiten der Globalisierung rasch ausbreiten könnten, nicht auf die Hilfe extrem armer Länder

zählen könne. I

Sabine Rieser, afp

M

an muss Walter Jens nicht mö- gen, um den Umgang seiner Fa- milie mit ihm, nachdem er hochgradig dement ist, geschmacklos zu finden. Nun hat auch seine Frau und Mitarbeiterin, Inge, sich in einem Interview im „Stern“, Heft Nr. 15 ausführlich zu seinem Zu- stand und zu ihrer eigenen Befindlichkeit geäußert und es zudem zugelassen, dass ihr Mann mit seinem entleerten, verstör- ten Gesicht den sieben Millionen „Stern“- Lesern im Bild vorgeführt wird.

Schon zuvor, Anfang März, hatte Sohn Tilman Jens mithilfe der „FAZ“ der Öffent-

lichkeit angekündigt: „Meine Mutter, mein Bruder und ich sind uns einig, wir wollen, wir werden sein Leid nicht verstecken.“

Nein, verstecken wäre falsch. Und ver- steckt wird Walter Jens ja auch nicht, wenn er von seiner Pflegerin durch Tübin- gen geführt wird. Was stört, ist das Prä- sentieren. Das nimmt dem ahnungslos in seinem Elend Präsentierten die Würde.

Gewiss, Inge und Tilman Jens und si- cher auch der Bruder leiden unter den verstörenden Veränderungen, die mit dem Mann, mit dem Vater vor sich gehen. Sie teilen dieses Leid mit ungezählten Famili- en, die einen Angehörigen, der so anders geworden ist, pflegen. Still, Tag für Tag, ohne persönliche Pflegerin. Sie alle, auch Inge und Tilman Jens, verdienen unser Mitgefühl, unsere Gesprächsbereitschaft.

Denn der Austausch mit anderen hilft, selbst in Würde zu überleben. Das wissen alle, die sich in den Selbsthilfegruppen für Angehörige gegenseitig stützen.

Inge Jens, die mit ihrem Mann seit 57 Jahren verheiratet ist, distanziert sich nun vorsichtig von ihm: „Den Mann, den ich liebte, gibt es nicht mehr.“ Und: „Er ist nicht mehr mein Mann. Die Krankheit hat ihn zu einem anderen Menschen ge- macht.“ Distanzierung spricht auch aus dem zwiespältigen Artikel seines Sohnes.

Er beklagt, zu Recht, dass viele aus der Generation seines Vaters ihre Vergangen- heit im Dritten Reich schönreden, und führt prominente Beispiele an. So auch

seinen Vater. Dem Leser legt er nahe, die Demenz des Vaters als Verdrängung an- zusehen. Denn dessen Vergessen habe im September 2003 begonnen, als jene Karteikarte durch die Medien geisterte, mit der Walter Jens’ Eintritt in die NSDAP dokumentiert wurde.

Gehören solche privaten Distanzie- rungen in die Öffentlichkeit? Und wie kommt eine angesehene Zeitung dazu, den, biologisch gesehen, tilmanschen Blödsinn zu veröffentlichen? Und wes- halb besinnt sich ein Magazin, dem an- sonsten die informelle Selbstbestim-

mung angelegen ist, bei dem dementen Walter Jens nicht darauf?

Um noch eins draufzusetzen: Das

„Stern“-Interview propagiert kaum ver- hüllt Euthanasie (freilich ohne den belas- teten Begriff zu verwenden) bei Demenz.

Ihr Mann, sagt Inge Jens, habe über sein Lebensende frei entscheiden wol- len. „Aber den Zeitpunkt, seinem Leben ein Ende machen zu können, den hat er im wahrsten Sinn des Wortes verpasst.“

Und sie fragt sich: „Könnte ich ihm jetzt vom Leben zum Tod verhelfen?“ Sie ha- be die Frage ernsthaft erwogen. Ob Hans Küng, der Theologe, mit dem sie darüber sprach, sie endgültig davon ab- bringen konnte, bleibt im Interview offen.

Vielleicht war das die eigentliche Botschaft, die der Öffentlichkeit nahe- gebracht werden sollte: die Diskussion um Sterbehilfe für Demente zu beför- dern. In den Beneluxländern scheint Sterbehilfe auch bei Demenz schon praktiziert zu werden. Hugo Claus je- denfalls, der berühmte flämische Dich- ter, hat diesen Weg kürzlich gewählt.

Wie es heißt, aus freier Entscheidung.

Wie lange aber kann ein Mensch, der unter Demenz leidet, wie Claus, noch frei entscheiden, und wann nehmen ihm die Angehörigen die Entscheidung ab?

Und wer unterscheidet, ob der Kranke oder die Familie leidet? Walter Jens scheint, folgt man den Worten seiner

Frau, nicht zu leiden. I

KOMMENTAR

Norbert Jachertz

WALTER JENS

Grenzfragen

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