A1718 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 3315. August 2008
P O L I T I K
D
ie medizinische Rehabilitati- on scheint ihre Krisenzeiten überwunden zu haben. Nachdem die Spargesetzgebung Ende der 90er- Jahre zu einem dramatischen Ein- bruch geführt hatte, hat sich die Lage mittlerweile deutlich entspannt.2007 ist die Zahl der Rehabilita- tionsbehandlungen zulasten der gesetzlichen Rentenversicherung erneut gestiegen. Von rund 1,5 Mil- lionen Anträgen wurden 999 000 bewilligt (Grafik 2). Die Rentenver- sicherungsträger gaben im vergan- genen Jahr rund 3,7 Milliarden Euro für medizinische Rehabilitations- leistungen aus (2006: 3,6 Milliarden Euro). „Der Zuwachs spiegelt den steigenden Bedarf an Rehabilitation wider“, erklärte Dr. med. Christiane Korsukéwitz, Leiterin des Ge- schäftsbereichs Sozialmedizin und Rehabilitation der Deutschen Ren- tenversicherung (DRV) Bund, ge- genüber dem Deutschen Ärzteblatt.
Für die kommenden Jahre gehe die Rentenversicherung von einem weiteren Anstieg der Rehabehand- lungen aus; Korsukéwitz rechnet mit einem Zuwachs von neun Pro- zent bis 2011.
Verantwortlich für den Aufwärts- trend sind mehrere Faktoren. Dazu zählt Korsukéwitz unter anderem die Entwicklung hin zu einer länge-
ren Lebensarbeitszeit. Diese sei schon heute spürbar. So sei bei- spielsweise die Zahl der Frühver- rentungen deutlich zurückgegan- gen. Mit der Erhöhung des Ren- teneintrittsalters werde die Rehabi- litation künftig noch mehr an Be- deutung gewinnen. Den aktuellen Anstieg der Rehaleistungen führt Korsukéwitz aber auch auf die gute Konjunktur zurück. „Wenn jemand
in einem sicheren Beschäftigungs- verhältnis steht, dann beantragt er vermutlich eher eine notwendige Rehabilitation, als wenn er Angst um seinen Arbeitsplatz haben muss.“ Außerdem habe sich die DRV in den vergangenen Jahren dafür engagiert, die Rehabilitati- onsangebote bekannter zu machen.
Der Einsatz der Rentenversiche- rung für mehr Qualität und Effizi- enz habe zu einer steigenden Ak- zeptanz der medizinischen Rehabi- litation geführt.
Es gibt zwei Trends in der Reha- bilitation: Immer mehr Behandlun- gen finden als Anschlussrehabilita- tion (AHB) statt, und die ambulante Reha legt immer weiter zu (Gra- fik 1). Die Anschlussrehabilitationen machen mittlerweile fast 30 Prozent aller Rehaleistungen aus. Es sei nicht abschließend geklärt, ob die-
ser Entwicklung eine intensivere In- anspruchnahme oder eine gestiege- ne Fallzahl im Akutsektor zugrunde liege, sagt Korsukéwitz. Denkbar, aber nicht bewiesen, sei ein Zusam- menhang mit den kürzeren Ver- weildauern im akutstationären Be- reich. In diesem Zusammenhang verwies Korsukéwitz auf die Redia- Studie der DRV, die sich mit den Auswirkungen der Fallpauschalen auf den Rehasektor beschäftigt und deren dritte Erfassungsphase bis Ende 2008 läuft.
Der Anteil von ambulanter Reha- bilitation lag 2007 bei rund zehn Pro- zent. „Die ambulante Reha hat sich mit großer Dynamik entwickelt“, erläutert Korsukéwitz. Dies gelte besonders für Ballungsgebiete. Bei orthopädischen Indikationen erreiche
der Anteil bis zu 30 Prozent, eine Steigerung auf bis zu 50 Prozent sei in diesem Bereich denkbar.
Bei der Verteilung nach Diagno- sen hat sich seit Beginn der 90er-Jah- re einiges verändert: Die Orthopädie war rückläufig, ebenso der Bereich Herz-Kreislauf. Der Anteil von on- kologischen und psychischen Er- krankungen nahm zu. In den letzten Jahren haben sich die Zahlen aber auf einem relativ stabilen Niveau einge- pendelt: 2007 lagen die Orthopädie bei 34 Prozent (1991: 47 Prozent), die Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei neun Prozent (13 Prozent) und die Diagnosegruppe Stoffwechsel/
Verdauung bei vier Prozent (sechs Prozent). Die Neubildungen mach- ten 19 Prozent (neun Prozent) aus, die psychischen Erkankungen 18 Pro-
zent (13 Prozent). I
Dr. med. Birgit Hibbeler
MEDIZINISCHE REHABILITATION
Aufwärtstrend setzt sich fort
Die Zahl der Rehabehandlungen zulasten der gesetzlichen Renten- versicherung ist 2007 weiter gestiegen. Immer mehr Behandlungen finden als Anschlussrehabilitation statt. Die ambulante Reha boomt.
GRAFIK 2
Anträge und Bewilligungen (gesetzliche Rentenversicherung)
1 500 000 1 400 000 1 300 000 1 200 000 1 100 000 1 000 000 900 000 800 000
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
GRAFIK 1
Anteil AHB und ambulante Reha
35 % 30 % 25 % 20 % 15 % 10 % 5 % 0 %
AHB ambulante Reha
21,3 %
3,0 % 29,7 %
10,2 % 2000 2007
Anträge
Bewilligungen 999 185
1 504 640
Quelle: DRV Bund