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rientiert man sich am Redetempo von Kurdi- rektor Erwin Küfner, dann herrscht im beschauli- chen Bad Gögging zwischen Ingolstadt und Regensburg ei- ne dynamische, ja fast hek- tische Betriebsamkeit. Und dieser Eindruck kann nicht ganz falsch sein, denn es gilt hier wie andernorts, Schäden zu begrenzen: „Wir hatten im vergangenen Jahrzehn Prozent Rück- gang bei den Kurgä- sten“, sagt Küfner,
„damit sind wir noch mit einem blauen Au- ge davongekommen.“
In anderen Kurorten betrug der Umsatzein- bruch nach Streichung vieler Kur-Fördermit- tel 30, ja 40 Prozent.
Doch in Bad Gögging, für seine Schwefel- quellen, Moorpackun- gen und Thermalbä- der schon bei antiken römischen Rheumati- kern berühmt, will man nicht nur den gu- ten alten Zeiten hin- terhertrauern.
Mitten im Kur- haus hat Küfner Platz geschaffen für die „Internet- akademie“, einen 1996 ge- gründeten Verein, der EDV- Schulungen für gewerbliche Nutzer und Privatleute anbie- tet. An 16 Computerarbeits- plätzen im Seminarraum ler- nen die Teilnehmer der Kur- se, wie man gängige PC-Pro- gramme bedient, oder sam- meln praxisorientierte Erfah- rungen mit dem neuen Medi- um Internet. Der Clou aus Sicht der Kurverwaltung:
Wer nach Bad Gögging an die Akademie kommt, bucht ein Paketprogramm – inclusive Übernachtungen in den Kur- hotels und Bad in der Ther- malquelle.
Erste Zielgruppe der Bad Gögginger Akademie waren ausgerechnet die rund 400 deutschen Kurdirektoren. Ih- nen rennen Internetanbieter die Türen ein, die den jeweili-
gen Kurort werbewirksam im Netz zu präsentieren verspre- chen. Da tut unabhängige Be- ratung über die Möglichkei- ten und Fallstricke des neuen Mediums not, dachten sich die Gögginger und behielten recht. Das erste Kompaktse- minar war schnell ausgebucht, ein zweites wird nun zügig nachgeschoben. „Ganz ähn- lich“, erinnert sich Küfner,
„lief es mit den Pfarrern, die mit dem Gedanken spielen,
ihre Sonntagspredigten im In- ternet zu präsentieren.“ Seit- her hat das Bad eine Anzahl gottesfürchtiger Gäste mehr.
Doch High-Tech-Dienst- leistungen sind nicht das ein- zige Standbein, auf dem die Kurverwaltung einen neuen Boom der örtlichen Wirt- schaft begründen will. Küf- ner: „Unsere zweite Hoff- nung ist der Sport.“ Bad
Gögging und Rock ’n’ Roll soll nach dem Willen der ört- lichen Marketing-Strategen bald zu einer begrifflichen Einheit werden.
Fußballer und Schach-Sportler Wenn etwa zehnmal im Jahr der Deutsche Rock ’n’- Roll-Verband zum Trainings- lager für internationale Mei- sterschaften nach Bad Gög-
ging kommt, „dann ist bei uns regelmäßig die gesamte deutsche Elite zu Gast“.
Dafür tritt man gerne mal in Vorleistung und baut die vor- handenen Hallen nach den Bedürfnissen der Tänzer um.
Ähnlich im Fußball, wo nicht nur die Bayernliga- Kicker aus Regensburg, son- dern auch zweimal jährlich die Bundesligisten von 1860 München in den Donauort kommen – und nach dem Schlußpfiff den Kurbetrieb erkunden. Der Kurdirektor:
„Das regeln wir heute noch mit Sponsoren; in Zukunft werden die Sportler das natürlich voll bezahlen müs- sen.“ Doch bislang schießen Hotels, Thermalquellen-Be- treiber und auch örtliche Masseure zu, um die neuen Gäste zu locken. Zu denen gehören auch Schach-Sport- ler, denn, so Küfner: „Nach einem anstrengenden Turnier springen die doch auch mal gerne ins Thermalwasser.“
Bei alledem ver- gessen die umtrie- bigen Kur-Manager nicht, gehörig die Werbetrommel zu rühren. Alle Funk- tionäre sind gehalten, den regionalen Ra- dio- und TV-Statio- nen beim Auftauchen sportlicher Promi- nenz „fleißig Inter- views“ zu geben. In- ternetakademie-Ge- schäftsführer Christi- an Eder plaziert schon mal geschickt werbende Leserbriefe in großen deutschen Tageszeitungen. Dar- in kokettiert er, daß als Vorbilder für zukunfts- trächtige Geschäftsfelder
„immer Japan und die USA“
genannt würden, „wobei doch auch in Deutschland innovati- ve Dienstleister am Werk sind“ – siehe Bad Gögging.
Den Inhabern der 60 Ho- tels und Pensionen in dem 12 000-Einwohner-Städtchen mit ihren 2 600 Betten wird das nur allzu recht sein. Al- lein 850 Betten sind im ver- gangenen Katastrophenjahr A-301 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 6, 6. Februar 1998 (57)
V A R I A HEILBÄDER UND KURORTE
Wege aus der Kur-Krise
Mit Internet und Rock ’n’ Roll
Geklagt wird viel über die dramatischen Ein- brüche, die das Kurwesen im vergangenen Jahr durch die Gesundheitsreform erlitten hat.
Berichte über Schließungen von Kurkliniken, Personalabbau und leerstehende Fremden- zimmer in Heilbädern und Kurorten gibt es
zuhauf. Doch welche Wege führen aus dieser existentiellen Krise wieder heraus? Beispiel Bad Gögging: In einem der ältesten Kurorte Deutschlands versucht man, mit Innovation und Servicepaketen neue Kundenschichten zu er- schließen – wie es aussieht, mit Erfolg.
Bad Gögging – zwischen Ingolstadt und Regensburg gelegen – muß sich, wie andere Heilbäder auch, angesichts der Kur-Krise um neue Gästeschichten bemühen. Foto: Kurverwaltung Bad Gögging
neu hinzugekommen, als zwei nagelneue Gebäude- trakte fertig wurden – vom neuen Kurverwaltungsbau ganz zu schweigen. Die Inve- storen, gibt Kurdirektor Küf- ner zu, hätten wohl nicht ge- baut, wenn sie die Entwick- lung des Sektors hätten vor- hersehen können. Auch die Kurklinik mit ihren beiden Teilgebäuden kann nur da- durch noch einen Trakt leid- lich füllen, daß sie auf An- schlußheilbehandlungen um- gesattelt hat.
Doch das erfreut den Kurdirektor wenig: Gäste, die zum Großteil im Roll- stuhl sitzen, sind nicht die ak- tivsten Abnehmer der örtli-
chen Freizeit-Dienstleister.
Und da, eher als bei Moor- packungen und Mineralwas- ser, soll in Zukunft der Rubel rollen. Oliver Driesen
A-304 (60) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 6, 6. Februar 1998 BONN. Einen „Kur-Weg- weiser für das Arzt-Patien- ten-Gespräch“ hat der Deut- sche Bäderverband allen niedergelassenen Allgemein- und Fachärzten zugesandt.
Die 50seitige Broschüre soll
als Überblicks- und Nach- schlagewerk in allen Fra- gen rund um Therapie und Rehabilitation im Kurort dienen. Den Ärzten wer- den auch Abrechnungshilfen nach EBM/GÖA und Bei-
spiele für ärztlich ausgestellte Bescheinigungen an die Hand gegeben. Innerhalb der Kur- Kapitel finden sich stichwort- artige Hinweise auf die In- dikationsstellung, Kurmittel und -methoden, Kostenträ- ger und Antragsverfahren.
Eine Übersicht über die Heil- anzeigen aller deutschen Heilbäder und Kurorte run- det die Informationsschrift ab, mit der Ärzte ihren Pati- enten als kompetente An- sprechpartner in Kur-Fragen gegenübertreten sollen. OD