P
atienten, die aus klinisch unterschiedlichen Grün- den intensivmedizinisch betreut werden, weisen eine ausgeprägte Hyperglykämie und Hyperlaktatämie auf; bei allen trägt die Oxidation der verfügbaren Glukose haupt- sächlich zur Energieversor- gung bei. Die internistischen Intensivpatienten zeigen außerdem eine massiv redu- zierte Austauschrate von Glutamat, Glutamin und Alanin. Der veränderte transmembranöse Einwärts- Transport von Aminosäuren hat Konsequenzen für die kri- tisch Kranken: Seine partielle Blockade und die Forcierung des Aminosäure-Auswärts- Transportes tangieren die Frage der Ernährbarkeit die- ser Patienten.In diesem Zusammen- hang analysierten Holm et al.
den peripheren Aminosäu- ren-Austausch bei internisti- schen Intensivpatienten während der parenteralen Ernährung. Die Patienten zeigten eine Nettoabgabe fast aller Aminosäuren. Stellt man die Aminosäuren-Bilan- zen dieses Kollektives denen einer gesunden Kontrollgrup- pe gegenüber, so zeigt sich für die essentiellen Aminosäuren ein signifikanter Unterschied.
Die negative Aminosäu- ren-Bilanz und die „Nicht- ernährbarkeit“ der Muskula- tur ist die primäre Ursache für Muskelatrophie und Muskelschwäche bei Inten- sivpatienten, bei Sepsis und multiplem Organversagen (Schock). Auch die Kontrak- tilität der Muskeln wird be- einträchtigt – infolge redu- zierter Aktivität der Kalzium- Pumpe und Einbuße des Na/K-Gradienten mit Verlu- sten am Membranpotential, erläuterte Dr. Anton Wagen- makers (Maastricht) anläß- lich eines intensivmedizni- schen Symposiums in Berlin.
Dieser Muskelabbau in- folge Protein- und Aminosäu- ren-Verlusten, vor allem an Glutamin, erfordert gezielte therapeutische Strategien.
An postoperativen Patienten wurde gezeigt, daß die Substi- tution von Glutamin die
Glutamin-Bilanz und die Pro- teinsynthese in der Muskula- tur fördert, berichtet Dr. Jan Wernerman (Huddinge, Schweden).
In Liverpool wurde von Griffiths et al. eine Studie an 84 Intensivpatienten durch- geführt, deren Ergebnis ein- deutig belegte, daß eine par- enterale Ernährung mit Glutaminzufuhr ein günstige-
res Langzeitergebnis bringt:
Die Mortalitätsrate war um ein Drittel niedriger.
Katabolie überwinden
Intensivpatienten, die nicht essen dürfen oder kön- nen, müssen entweder enteral über die Sonde oder par- enteral ernährt werden. Dies trifft besonders auf Patienten mit kataboler Stoffwechsella- ge zu, deren Gastrointestinal- trakt nicht mehr ausreichend funktioniert. Wegen des kata- bolen Stoffwechsels benöti- gen sie jedoch mehr Nährstof- fe als Gesunde, um verletztes Gewebe zu regenerieren, In- fektionen abzuwehren und sich somit schnell wieder zu erholen. Um die Darmfunkti- on, zum Beispiel bei einer
Sepsis, zu verbessern, kann man den vorliegenden Hyper- metabolismus reduzieren, die Perfusion anheben oder das metabolische Milieu optimie- ren. Dr. Michael Georgieff (Ulm) erinnerte daran, daß die Volumensubstitution mit Hydroxyäthylstärke in Kom- bination mit Dopamin sowohl die Perfusion als auch die me- tabolischen Leistungen im
Gastrointestinaltrakt verbes- sert. Es hat sich auch gezeigt, daß durch die Gabe von Phos- phordiesterase-II-Inhibitoren das metabolische Milieu des Splanchnikus-Gebietes von einer glukosebetonten Ener- gie-Utilisation zu einer mehr physiologischen fettbetonten Energiegewinnung modifi- ziert wird. Dies ist eine wichti- ge Voraussetzung für eine adäquate Darmfunktion.
Neue Ergebnisse über den Effekt vasoaktiver Substan- zen, wie Prostazyklin, beim Menschen im septischen Schock zeigen, daß zur Auf- rechterhaltung der Organ- funktion des Splanchnikus- Areals beim Einsatz von Me- dikamenten mit alpha-mime- tischer Wirkung auch ein be- ta-mimetischer Effekt erfor- derlich ist, um eine kritische
Hypoperfusion zu vermeiden.
Studien konnten darüber hin- aus aufzeigen, daß durch in- travenöse Gabe von Gluta- min in Form von Glamin (in einer pharmakologischen Do- sierung) der Darm zu einer vermehrten Aufnahme von Sauerstoff für die Bewälti- gung oxidativer Stoffwechsel- leistungen angeregt werden kann, was auch die Perfusion günstig beeinflußt.
Die Aminosäure Gluta- min darf jedoch nicht infun- diert werden. Erstens löst sie sich in wäßrigen Lösungsmit- teln schlecht, und zweitens ist die Lösung sehr instabil:
Glutamin zerfällt unter Ab- spaltung von Ammoniak zu Pyroglutaminsäure, die nicht mehr metabolisiert werden kann und die toxisch wirkt.
Dr. Wolfgang Scheppach (Würzburg) empfielt für die parenterale Ernährung die Dipeptid-Lösung aus Gluta- min und anderen Aminosäu- ren (Glamin®, Pharmacia &
Upjohn). Die Dipeptide wer- den gut resorbiert und durch intra- und extrazellulär vor- handene Dipeptidasen in ein- zelne Aminosäuren aufge- spalten.
Die zentrale Rolle von Glutamin im Aminosäure- und Protein-Stoffwechsel macht es bei kritisch kranken Patienten notwendig, den Glutamin-Pool aufrechtzuer- halten beziehungsweise ihn wieder aufzufüllen. Denn nur bei normaler intrazellulärer Konzentration dieser Ami- nosäure ist eine Verkürzung der katabolen Stoffwechsella- ge zu erwarten.
Glukose und Lungenfunktion Der Ernährungszustand des Intensivpatienten beein- flußt auch seine Lungenfunk- tion, vor allem durch eine übersteigerte Produktion von Kohlendioxid, verursacht durch eine Hyperalimentati- on mit Kohlenhydraten. Aber auch die Sauerstoff-Aufnah- me wird beeinträchtigt. Ein Überangebot an langkettigen Fettsäuren kann ebenfalls die Lungenfunktion verschlech- A-2486 (66) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 40, 2. Oktober 1998
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
Intensivmedizin
Patienten profitieren von Glutamin
Die Abbildung zeigt den Gluta- min-Fluß im nor- malen Stoffwech- sel. Bei internisti- schen Intensivpa- tienten ist der Me- tabolismus von Muskulatur, Lun- ge, Darm, Leber und anderen Or- ganen beeinträch- tigt. Dadurch wird die Austauschrate von Glutamin re- duziert.
Schema: Pharmacia & Upjohn
tern. Ursache dafür ist der ho- he Anteil an Linolsäure in den meisten Fettlösungen.
Sie steigert die Produktion von Arachidonsäure-Meta- boliten und verändert da- durch den Gefäßtonus in der Lungenstrombahn. Die Folge ist eine Ventilations-Perfusi- ons-Dysbalance.
Dr. Mario Hensel (Berlin) empfielt daher, im Rahmen eines dualen Kalorienregimes aus Glukose und Fett, die Kohlenhydrat-Menge auf ma- ximal 5 bis 6 g/kg Körperge- wicht/Tag zu begrenzen. Fette sollten als integraler Bestand- teil der vollständig parentera- len Ernährung etwa 30 bis 40 Prozent der Nichteiweißkalo- rien ausmachen (zirka 2 g/kg KG/Tag). Liegen die Triglyze- rid-Werte im Normalbereich, kann in der „weaning“-Phase der Fettanteil vorübergehend auf 50 Prozent der Nichtei- weißkalorien angehoben wer- den. Die Aminosäuren-Zu- fuhr muß in der Zusammen- setzung und Menge an die Le- ber- und Nierenfunktion ad- aptiert werden. Sie sollte 1 bis 1,5 g/kg KG/Tag, höch- stens aber 2 g/kg KG/Tag betragen. Siegfried Hoc
Mehr Service für die Kun- den und neue Präparate: mit diesem Rezept will sich die Thiemann Arzneimittel GmbH, die in diesem Jahr ihr 70jähriges Bestehen feiert, in Zukunft gesund halten. Ziel des Unternehmens ist, den Umsatz mit eigenen Produk- ten von zur Zeit 61 Millionen DM langfristig auf mehr als 100 Millionen DM zu steigern – „der kritischen Masse für weiteres Wachstum“, so Ge- schäftsführer Bernd Stolten- hoff.
In den letzten Jahren zeig- ten die Erlöse aus eigenen Produkten jedoch Schwäche- symptome. Sie sind seit 1996 um 15 Millionen DM gesun- ken. Thiemann, zu 74 Prozent eine Tochter der niederländi- schen Akzo-Nobel-Gruppe, verdient das meiste Geld mit Dienstleistungen für den Mutterkonzern: Diese wer- den in diesem Jahr rund 250 Millionen DM oder 80 Pro- zent zum Gesamtumsatz bei- steuern. Rechnet man die Einnahmen aus eigenen Präparaten und Leistungen für Dritte hinzu, so ergibt sich ein Umsatz von 311 Millionen DM. Zwei Prozent davon werden nach Steuern als Ge- winn übrigbleiben, erwartet Hans-Theo Hildebrandt, Ge- schäftsbereichsleiter Finan- zen und Controlling. „Vor fünf Jahren verdienten wir noch das Doppelte.“
Auch Thiemann leidet un- ter dem Kostendruck im Ge- sundheitswesen. Die Firma mache ihr Geschäft vor allem mit Medikamenten zu „typi- schen Hausarzt-Indikatio- nen“, etwa dem Durchfall- mittel Perenterol, sagte Dr.
rer. nat. Günter Hagenoff, bei Thiemann zuständig für Ge- sundheitspolitik und Öffent- lichkeitsarbeit. Und gerade in diesem Bereich verordneten die Ärzte immer weniger.
„Der Wechsel der Patienten zur Selbstmedikation reicht nicht aus, um die Verluste aufzufangen“, erklärte Ha- genoff. Dazu kämen sinkende Arzneimittelpreise, höhere Gebühren, hohe Lohn- und Materialkosten. Um wirt- schaftlich arbeiten zu kön- nen, rationalisierte Thiemann seinen Betrieb im westfäli- schen Waltrop. 1990 arbeite- ten dort noch 375 Mitarbeiter, langfristig werden gut 300 übrigbleiben.
Neues Präparat für die
Intensivmedizin Um sich am Markt zu be- haupten, setzt Thiemann langfristig auf zwei Karten.
Zum einen will sich das Un- ternehmen als Anbieter hochwertiger Arzneimittel weiter etablieren. Dazu soll Orgaran® beitragen, das Thiemann Anfang Oktober auf den Markt bringen will, ein Spezialpräparat für die Intensivmedizin im Kranken- haus. Es kann bei bestimmten Patienten mit einer heparin- induzierten Thrombozytho- penie eingesetzt werden kann.
Zum anderen will Ge- schäftsführer Stoltenhoff künftig mehr „Service zum Präparat“ bieten, und das nicht nur für Arztpraxen und Apotheken, sondern auch für Krankenkassen, Kassenärzt- liche Vereinigungen oder Pa- tienten. Als Beispiele nannte er Kongreß- und Fortbil- dungsunterstützung, Hilfen für die Praxisorganisation oder Informationen für Pati- enten. „Wir müssen da noch kreativ werden“, so Stolten- hoff. „Der Gesundheitsmarkt und unsere Partner erwarten von uns heute mehr als nur ein pharmazeutisches Präpa- rat.“ Alexandra Endres
A-2487 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 40, 2. Oktober 1998 (67)
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
Thiemann Arzneimittel GmbH
Service als
Firmenstrategie
Rückrufaktion für Test- streifen CoaguChek®–Boeh- ringer Mannheim hat eine Rückrufaktion für Coagu- Chek®-Teststreifen gestartet.
Betroffen sind die Chargen CoaguChek® PT-Test, Nr.
(LOT) 066–074 und Coagu- Chek® PT-Test mini, Nr.
(LOT) 075–085. Es kann in seltenen Fällen zu der Mel- dung „Testfehler“ kommen oder auch zur Ausweisung unerklärlich hoher INR-Wer- te. Als Ursache des Fehlers wurde eine Undichtigkeit an der Schweißnaht der Folien- verpackung identifiziert. Die Verpackung wurde mittler- weile optimiert, und die fehlerfreie Produktion ab Charge 086 ist sichergestellt.
Hotlines 01 30/11 24 58 für Produktfragen und 01 30/
41 52 für logistische und kauf- männische Fragen stehen werktags von acht bis 18 Uhr zur Verfügung. pe