Dermatologie
Erschreckender Einblick
Wilfried Schmeller, Christoph Bendick, Peter Stingl: Dermato- sen aus drei Kontinenten. Bildat- las der vergleichenden Dermato- logie. Schattauer GmbH, Stutt- gart, New York, 2005, X, 230 Sei- ten, 328 farbige Abbildungen, ge- bunden, 129 A
Der Farbbildatlas der ver- gleichenden Dermatologie mit mehr als 100 verschiede- nen, alphabetisch geordneten Krankheitsbildern von A wie Akne bis Z wie Zoster aus den drei Kontinenten Europa,Asi- en und Afrika ist der beste Beweis dafür, dass die Völker näher zusammengerückt sind.
Europa ist ein Zuwanderungs- gebiet, und dieser Tatsache ist es zuzuschreiben, dass Derma- tologen vornehmlich in Bal- lungsgebieten auch mit Haut- krankheiten auf farbiger Haut konfrontiert werden.
Dieser spezielle Atlas bietet die Möglichkeit nachzuschau- en, um welches Krankheits- bild es sich handeln könnte, da dem Betrachter stets der Ver- gleich mit den auf weißer Haut vertrauten Krankheiten mit- gegeben wird. Ein Verdienst dieses Buches besteht zudem darin, dass man wie durch ein Schlüsselloch einen Einblick in die mitunter katastrophalen gesundheitlichen Verhältnisse in den Ländern der so genann- ten Dritten Welt und in die dort sehr beschränkten thera- peutischen Behandlungsmaß- nahmen erhält. Bedrückend sind zum Beispiel Bilder von einem Kind mit Tinea profun- da capitis oder von einem Er-
wachsenen, der mit Lepra- plaques geradezu übersät ist.
Solche Bilder sind zum Hin- und nicht zum Wegschauen gedacht. Sie lösen Betroffen- heit aus und haben einen der Autoren veranlasst, wieder in Phnom Penh tätig zu werden.
Die einzelnen Krankheits- bilder werden auf Doppelsei- ten nach einem einheitlichen Schema besprochen. Thera- peutische Maßnahmen wer- den eher gestreift, was für die- ses Werk auch hinreichend ist.
Die alphabetische Abfolge lässt ein schnelles Auffinden der Krankheiten auch ohne das vorhandene Sachverzeich- nis zu. Eine einseitige Biblio- graphie mit den wichtigsten weiterführenden Büchern run- det das Werk ab.
Einige Anmerkungen er- gänzender und kritischer Art seien gestattet: Benzoylper- oxid zählt nicht mehr zu den Standardtherapeutika ei- ner Akne. Die infantile Akro- pustulose kommt bei Kindern jeder Hautfarbe vor, auf schwarzer am häufigsten.
Nicht die Pityriasis alba, son- dern die Pityriasis versicolor wird auch als Kleieflechte be- zeichnet. Diese kommt bei Diabetes mellitus oder Aids nicht öfter vor. Die Behand- lung der Tinea capitis im Kin- desalter mit Terbinafin bezie- hungsweise Itraconazol ist in Deutschland nicht zugelassen.
Griseofulvin bleibt das Mittel der Wahl.
Kritisch zu sehen ist die keratolytische Behandlung mit salizylsäurehaltigen Ex- terna, vor allem in der Thera- pie des Milchschorfs oder ei- ner Psoriasis capillitii bei Kindern. Es sind Hörstürze bei Erwachsenen nach der salizylsäurehaltigen Ölkappe beschrieben, da Acidum sa- licylicum leicht von der Haut aufgenommen wird.
Fazit: ein aufrüttelnder und instruktiver Atlas, der allen Dermatologen ans Herz gelegt werden darf. Der deutsche Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe hat es auf den Punkt gebracht: „Was man weiß, sieht man erst.“ (Schrif- ten zur Kunst, Propyläen 1798–1800) Claus Oster-Schmidt Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 5⏐⏐3. Februar 2006 AA247
B Ü C H E R