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igentlich hat der Schweizer Pharmakonzern Novartis allen Grund zur Zufrie- denheit: Zum neunten Mal in Folge konnte das Unterneh- men sein Jahresergebnis ver- bessern. Der Nettoumsatz stieg 2005 im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent auf 32,2 Milliarden US-Dollar, der Reingewinn um zehn Prozent auf 6,1 Milliarden Dollar. Und dennoch – überschwenglich war die Stimmung auf der Bi- lanzpressekonferenz am 19. Ja- nuar in Basel nicht. Der Kon- zern blieb hinter den Erwar- tungen der Analysten zurück.Auch die Prognose von No- vartis-Chef Daniel Vasella für das laufende Jahr fiel eher zurückhaltend aus. Für 2006 erwartet er einen Umsatzzu- wachs „im hohen einstelligen Bereich“.
Dabei hat der Pharma-Rie- se in jüngster Zeit kräftig ex- pandiert und seine Produkt- palette erweitert. Durch den Kauf von Chiron (USA) wird Novartis künftig auch in der Impfstoffproduktion aktiv sein – ein interessanter Markt nicht zuletzt ange- sichts einer drohenden In- fluenza-Pandemie. Mit der Übernahme von Bristol- Myers Squibb (USA) si- cherte man sich zudem weitere Anteile am Markt der rezeptfreien Präparate (OTC). Auch in der wach- senden Generika-Sparte wird Novartis verstärkt mitmischen: Das Unter- nehmen erwarb im ver- gangenen Jahr Hexal (Deutschland) und Eon Labs (USA).
Die zahlreichen Über- nahmen im Jahr 2005 zie- hen Spekulationen über weitere Zukäufe nach sich.
Im Gespräch: das Schwei- zer Biotechunternehmen
Serono. Von Novartis gibt es zu diesen Gerüchten jedoch keinen Kommentar. Vasella wollte sie weder bestätigen noch dementieren.
Novartis ist 2005 nicht nur durch Zukäufe gewachsen, auch die bekannten Blockbu- ster verkauften sich gut. Dazu zählt der Angiotensin-II-Re- zeptorantagonist Diovan, in seiner Wirkstoffgruppe Markt- führer. Das Zytostatikum Gli- vec und das Bisphosphonat Zometa sind weitere Spitzen- reiter von Novartis. Stolz ist man außerdem auf das seit 2005 in Europa zur adjuvanten Therapie beim Mammakarzi- nom zugelassene Präparat Fe- mara, das nach Angaben Va- sellas auf dem Weg zum Gold- standard ist.
Für 2006 setzt der Konzern besonders auf zwei neue Pro- dukte: Das Antihypertensi- vum Rasilez und das orale Antidiabetikum Galvus. Rasi- lez ist ein Renin-Inhibitor und wird als erstes Präparat die- ser neuen Wirkstoffgruppe auf
den Markt kommen. Novartis verspricht eine Wirksamkeit über 24 Stunden ohne morgen- liche Blutdruckspitzen. Rasi- lez wird voraussichtlich 2006 sowohl in den USA als auch in Europa die Zulassung erhal- ten. Ein weiterer Umsatzga- rant soll Galvus zur Behand- lung von Diabetes mellitus Typ 2 werden. Galvus erhöht nicht nur die Insulinsekretion, sondern hemmt gleichzeitig die Glukagon-Freisetzung und die Glucoseresorption im Darm. Galvus soll sowohl in Mono- als auch Kombina- tionstherapie einsetzbar sein.
Novartis setzt 2006 also ganz auf die „Wohlstands- krankheiten“. Seit Jahren en- gagiert sich das Unterneh- men allerdings auch für die
„vergessenen Krankheiten“
in den Entwicklungsländern.
Novartis unterhält ein Labor in Singapur. Forschungs- schwerpunkte: Tuberku- lose und Denguefieber.
Außerdem hat Novartis mehr als sechs Millionen Patienten weltweit eine Artemisin-basierte Mala- ria-Therapie (Coartem) zum Herstellerpreis zur Verfügung gestellt. Etwa drei Millionen Menschen erhielten eine unentgelt- liche Lepra-Behandlung.
Novartis gab für seine In- itiative im Bereich der globalen Gesundheitsför- derung im letzten Jahr rund 700 Millionen US- Dollar aus.
Für eine „gute Sache“
verzichtet Novartis also auch schon mal auf ein paar Millionen Dollar.
Dass aber die Politik in die
Preisgestaltung von Arznei- mitteln eingreift, sieht das Unternehmen nicht gerne.
Die deutsche Politik stelle die Arzneimittelausgaben ein- seitig in den Mittelpunkt der Sparmaßnahmen, monierte Dr. Emmanuel Puginier, Chef von Novartis Deutschland.
Arzneimittel seien aber nur ein Teil der Lösung, wenn es darum gehe, die Ausgaben der Gesetzlichen Kranken- versicherung einzudämmen.
Puginier kritisierte die sich ständig ändernden Rahmen- bedingungen in Deutschland.
„Das macht die Planung für uns schwierig“, betonte er.
Die Nutzenbewertung von Arzneimitteln durch das In- stitut für Qualität und Wirt- schaftlichkeit im Gesund- heitswesen birgt nach Ansicht Puginiers Risiken. „Der Pro- zess ist intransparent“, sagte er. Außerdem mache es die Politik den Ärzten immer schwerer, innovative Medika- mente zu verordnen.
Trotz aller Schwierigkeiten stieg der Umsatz von No- vartis in Deutschland 2005 um fast 63 Prozent, von 1,2 Milliarden auf 1,9 Milliar- den Euro. Novartis ist damit die führende Unternehmens- gruppe auf dem deutschen Arzneimittelmarkt. Ein Haupt- faktor für den Umsatzsprung ist die Integration von Hexal.
Ohne den Zukauf hätte die Umsatzsteigerung bei 13,8 Prozent gelegen.
Dr. med. Birgit Hibbeler V A R I A
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 5⏐⏐3. Februar 2006 AA273
Novartis
Erneut Rekordergebnis
Trotz Milliardengewinn ist die Stimmung beim Schweizer Pharmakonzern gedämpft.
Rekordgewinn – wie gewohnt:
Novartis-Chef Daniel Vasella präsentiert in Basel das Kon- zern-Ergebnis.
Novartis: Eine Erfolgsgeschichte 1996 fusionierten die Firmen Sandoz und Ciba-Geigy zu Novartis, dem heute weltweit viertgrößten Pharma-Kon- zern. Den größten Teil seines Milliarden- umsatzes erzielt der Konzern durch pharmazeutische Produkte. Der Be- reich Consumer Health steht an zwei- ter Stelle: Die Novartis-Gruppe produ- ziert Trink- und Sondennahrung (Medi- cal Nutrition), Baby- und Kindernah- rung (Gerber), Tierarzneimittel (Novar- tis Animal Health), Kontaktlinsen (Ciba Vision). In jüngster Zeit hat Novartis kräftig expandiert. Der Konzern über- nahm Chiron, Bristol-Myers Squibb und die Generika-Hersteller Hexal und Eon Labs. Zum neunten Mal in Folge konnte das Unternehmen 2005 sein Jahresergebnis verbessern.
Wirtschaft
Foto:dpa