A 2440 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 106|
Heft 49|
4. Dezember 2009 Ein intravenöser Zugang und die Gabe vonAdrenalin, wie sie derzeit in den Leitlinien ge- fordert wird, haben in einer randomisierten Studie zwar den Anteil der Patienten erhöht, die nach Reanimation eines Herzstillstands mit spontaner Zirkulation die Klinik erreichten, doch die Überlebenschancen in der Klinik und im ersten Jahr danach verbesserten sich nicht signifikant. Der Einsatz von Adrenalin basiert auf Plausibilitätsüberlegungen, nach denen das Katecholamin durch eine Zentralisierung des Kreislaufs die zerebrale und koronare Per- fusion verbessert, was in tierexperimentellen Studien auch belegt werden kann.
In letzter Zeit sind jedoch Zweifel an der Sicherheit dieser Therapieform aufgekommen, die sich vor allem auf eine epidemiologische Studie gründen, in der die Adrenalin-Gabe mit einem ungünstigen Ausgang assoziiert war
(Resuscitation 2002; 54: 37–45). Das belegt zwar keine Kausalität, denn es könnte ja sein, dass Patienten mit schlechteren Überlebens- chancen eher mit Adrenalin behandelt werden.
Die Publikation aus dem Jahr 2002 war dennoch Anlass für eine randomisierte Studie, in der bei der Hälfte der 851 Patienten (von 1 183 gescreenten Patienten) zunächst auf ei- nen intravenösen Zugang verzichtet wurde.
Der primäre Endpunkt der Studie war der An- teil der Patienten, die später lebend aus der Klinik entlassen werden konnte (JAMA 2009;
302: 2222–9). Er wurde, wie Theresa Olas- veengen und Mitarbeiter der Uniklinik in Oslo, Norwegen, berichten, von 9,2 Prozent der Pa- tienten ohne intravenösen Zugang und von 10,5 Patienten mit intravenösem Zugang er- reicht, von denen die meisten (79 Prozent) mit Adrenalin behandelt wurden. Der Unterschied
war statistisch nicht signifikant und wohl auch nicht klinisch relevant gewesen. Auch im End- punkt einer Klinikentlassung mit gutem neuro- logischem Ergebnis (8,1 versus 9,8 Prozent) und im Einjahresgesamtüberleben (8,4 versus 9,8 Prozent) war der Verzicht auf einen intra- venösen Zugang, der die Reanimation außer- halb der Klinik erleichtert, nicht mit signifikan- ten Nachteilen assoziiert.
Signifikant niedriger war allerdings der An- teil der Patienten, die nach der Reanimation mit einem spontanen Kreislauf in der Klinik eintrafen (21 versus 32 Prozent), weshalb der Verzicht auf den intravenösen Zugang für die meisten Notfallmediziner nicht infrage kom- men dürfte. Für Olasveengen und Mitarbeiter besteht aber weiter Klärungsbedarf. Sie for- dern eine erneute randomisierte Studie mit ei- ner größeren Teilnehmerzahl. rme
HERZSTILLSTAND: ADRENALIN VERBESSERT LANGZEITÜBERLEBEN NICHT
Immer mehr Kinder kommen in Deutschland per Kaiserschnitt zur Welt. Von 663 000 Entbindungen im Jahr 2008 waren 30,2 Prozent Kaiserschnitte, teilte das Statisti- sche Bundesamt mit. Damit bleibt der Trend zum Kaiserschnitt unge- ENTBINDUNGSSTATISTIK
Zahl der Kaiserschnitte steigt weiter
brochen: Seit 1991 hat sich die An- zahl der Schnittentbindungen nahe- zu verdoppelt. Damals kamen auf 823 000 Geburten 126 000 Kaiser- schnitte. Das entspricht einem An- teil von 15,3 Prozent. Im regionalen Vergleich gibt es im Saarland die meisten Kaiserschnitte (36,8 Pro- zent). In Sachsen ist der Anteil be- sonders niedrig: 21,7 Prozent.
Mechanische Hilfsmittel wie die Saugglocke oder die Geburtenzan- ge werden bei Entbindungen heute kaum mehr eingesetzt. Bei 32 000 Geburten war die Saugglocke im Einsatz, eine Geburtenzange wurde lediglich bei 4 500 Geburten ver-
wendet. nos
Die Meinung der Pflegekräfte wer- de in klinischen Ethikkomitees zu wenig beachtet, kritisierte das Insti- tut Mensch, Ethik und Wissenschaft (IMEW). „Oftmals sind es die Ärz- te, die entscheiden, was ein ethisches Problem ist und was nicht“, sagte Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl vom Wissenschaftlichen Beirat des IMEW.
„Belange der Pflege und der Pfle- genden kommen in klinischen Ethik- komitees nicht hinreichend zum Zu- ge, sie werden regelrecht marginali- siert.“ Die Sichtweise der Pflege- kräfte sei jedoch für die Patienten wichtig und müsse deshalb ver- stärkt berücksichtigt werden.
Anlass zum Appell des IMEW war die zehnte IMEW-Expertise
„Klinische Ethikkomitees und die Themen der Pflege“ von Jun.-Prof.
Dr. Helen Kohlen, Philosophisch- Theologische Hochschule Vallendar.
Kohlen hat von 2004 bis 2006 die Sitzungen Klinischer Ethikkomitees von drei Krankenhäusern in unter- schiedlicher Trägerschaft (kommunal und jüngst privatisiert, evangelisch und katholisch) analysiert. Ihre For- schung ergab, dass ethische Konflik- te innerhalb der Pflegepraxis nicht als KLINISCHE ETHIKKOMITEES
Sicht der Pflegekräfte zu wenig berücksichtigt
solche wahrgenommen oder gar un- terdrückt werden. „Und wenn sie als ethische Probleme gerahmt werden, werden sie als ,kleine ethische Pro- bleme‘ definiert“, sagte Kohlen.
Das IMEW ist eine Einrichtung für interdisziplinäre und unabhän -
Foto: vario images
gige Forschung, die vor allem die Perspektiven von behinderten und chronisch kranken Menschen be- rücksichtigt. Die Expertise, die auf der Dissertation von Kohlen basiert, kann bestellt werden unter: www.
imew.de. ER