A 2014 Deutsches Ärzteblatt
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9. Oktober 2009 Mittel von jährlich 10 000 deut-schen Sterbefällen der üblichen sai- sonalen Grippeepidemien liegen.
Prof. Dr. med. F. W. Schwartz, Direktor des Instituts für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover
ZUFALLSBEFUNDE
Juristen empfehlen eine gesetzliche Re- gelung (DÄ 27/2009:
„Beachtliche Zu- fallsbefunde“ von Norbert Jachertz).
Neue Fassung
. . . Zum Forscher-Probanden-Ver- hältnis hat eine Arbeitsgruppe am Institut für Wissenschaft und Ethik der Universität Bonn einen kritisch kommentierten Leitlinienentwurf im DÄ (Heinemann et al., 2007) veröffentlicht. Nach Einwänden zum Beispiel von Mitgliedern, aber auch vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (Hentschel & von Kummer, 2009) liegt nun eine neue Fassung als
„Ethisch angemessener Umgang mit Zufallsfunden bei bildgebenden Verfahren in der Hirnforschung:
Leitlinienvorschlag“ (unveröffent- licht) vor. Der Vorschlag wird nicht mehr diskutiert, sondern soll – per acclamationem – als Vorlage für ei- nen Leitlinienprozess dienen. Diese Vorlage berücksichtigt nicht die gut begründeten Anregungen und For- derungen, die auf einen standardi- sierten (Synofzik, 2007), auch inter- national geforderten (Illes et al., 2004, 2008) Umgang mit Signal- auffälligkeiten in neurowissen- schaftlichen Studien zielen. Im Zentrum des Interesses des Leitlini- envorschlages steht die Exkulpie- rung des Forschers, der in Abgren- zung zu „good scientific practice“
mit Bezug auf die „Freiheit der For- schung“ keine Qualifikation über sein unmittelbares Forschungsinte- resse hinaus haben muss. Auch wird er aus „prinzipiellen Erwägungen“
nicht verpflichtet, Experten mit spe- ziell fortgebildeter Kompetenz als (Neuro-) Radiologen oder Nuklear-
mediziner einzubeziehen. Zudem bekommt der Forscher das Recht, Datensätze ungesichtet zu verwer- fen . . . Dem fremdnützig an einer Studie teilnehmenden Probanden wird die Information über einen möglicherweise bedeutsamen Be- fund vorenthalten. Das ist ethisch nicht zu vertreten. Zudem ist eine Studie, deren Wissenschaftlichkeit der Analyse zu bezweifeln ist, ethisch nicht vertretbar gegenüber dem Sponsor, der Ethikkommission und letztlich dem Probanden.
Konsens von Forscher, Rechtswis- senschaftler und Experten sollte es sein, den Inhalt der Studien nach
„good scientific practice“ zu analy- sieren, den Probanden betreffende Er- gebnisse der neurowissenschaftlichen Studie standardisiert zu erheben und unter Berücksichtigung der informa- tionellen Selbstbestimmung zugängig zu machen, wie dies in Kenntnis in- ternationaler Diskussionen angeregt wurde (Hentschel & Klix, 2006). Es besteht die Gefahr, dass sich Deutschland gegenüber den ethi- schen Ansprüchen in der internatio- nalen scientific community isoliert!
Literatur bei dem Verfasser Prof. Dr. Frank Hentschel, Abteilung Neuroradiologie, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, J5, 68159 Mannheim
TANSANIA
Mehr Respekt ver- langte Dr. Christian Richter in seinem Leserbrief im DÄ 33/
2009 für die traditio- nellen Heiler in dem Erfahrungsbericht aus dem Heri Mission Hospital in West- tansania (DÄ 24/2009: „Zwischen Armut und Dankbarkeit“ von Diana Blaschke).
Wunschgedanke
Ich habe 26 Jahre in den Tropen, vor allem in Afrika, gearbeitet und bin der Meinung, dass der im Leser- brief kritisierte Satz von Frau Blaschke, dass traditionelle Heiler mehr Schaden als Nutzen verursa- chen, zu Recht besteht.
Aus Kostengründen geht die Land- bevölkerung zuerst zum Heiler, der durch unsachgemäße Behandlung oft
den Weg zum Hospital verzögert.
Wenn dann der Patient in desolatem Zustand schließlich ins Hospital kommt, ist oft eine Hilfe nicht mehr möglich. Ich habe des Öfteren Fälle von Ileus gesehen, die nach dreitägi- ger unsachgemäßer Behandlung durch den Heiler zum Hospital ge- bracht wurden und nun in desolatem Zustand nicht mehr operationsfähig waren. Luxationen wurden in einem Stäbchenverband fixiert, anstatt ein- gerenkt zu werden und versteiften. In diesem Zustand suchten die Patien- ten dann das Hospital auf. Frakturen wurden mit einem viel zu kleinen Stäbchenverband fixiert und heilten in Fehlstellung. Viele dieser Fehlleis- tungen wären bei einem rechtzeitigen Hospitalbesuch vermieden worden . . . Oft ist es ein Wunschgedanke der Europäer, an die Wunder der Natur- heiler zu glauben, der dann einer nä- heren Untersuchung nicht standhält.
Dr. med. Detlev Wissinger, Auf dem Kiewitt 4, 21397 Barendorf
FALLPAUSCHALEN
Behauptungen der Kostenträger, wo- nach die Kranken- häuser im großen Stil falsch abrech- nen, sind nicht halt- bar (DÄ 33/2009:
„Codierqualität in den Krankenhäusern:
Unberechtigte Vorwürfe“ von Wolfgang Fiori, Kristina Brüning, Holger Bunze- meier und Norbert Roeder).
Konfliktsituationen sind unvermeidlich
Die im Artikel zitierten Auswertun- gen freiwilliger Selbstauskünfte von fünf bis 15 Prozent der deut- schen Krankenhäuser ergeben also, dass bei einer Prüfquote von zehn bis elf Prozent aller Krankenhaus- rechnungen bei ca. 40 Prozent Be- anstandungsgründe gefunden wer- den. Die Autoren bestätigen damit Zahlen, von denen auch der MDS ausgeht.
Zur Rechtfertigung wird auf die
„nicht trivialen und intuitiv zu er- fassenden Vorgaben“ verwiesen, al- so um Verständnis dafür gebeten, dass unangemessene Rechnungen
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9. Oktober 2009 A 2015 quasi zwangsläufig gestellt werdenmüssen. Diese seien doch immerhin
„seltener als sie aufgrund der kom- plexen Codierung zu erwarten sei- en“. Leider teilen die Autoren nicht mit, was sie denn erwartet hätten.
Zusätzlich wird mit Zahlenspielen versucht, die unstreitige Beanstan- dungsquote von vier bis fünf Prozent kleinzurechnen. Nur 23 Prozent der Fälle würden in Bezug auf Falsch- codierung geprüft, die übrigen Fälle
„nur“ auf Notwendigkeit und Dauer des stationären Aufenthaltes. Diese Zahlen aus Selbstauskünften sollten mit größter Zurückhaltung bewertet werden – das Verhältnis bei den Gründen der Rechnungsbeanstan- dung stellt sich sowohl in den Zah- len der Medizinischen Dienste, als auch in einigen Zahlen von Kran- kenkassen durchaus anders dar.
Aber diese Rate ist auch relativ un- interessant, denn es kann wohl nicht ernsthaft argumentiert werden, dass
die Abrechnung von unnötigen oder unnötig langen stationären Aufent- halten korrekt wäre! . . . Es bleibt dabei: Mindestens vier Prozent aller Rechnungen sind zu beanstanden.
Dies erkennen offensichtlich die Krankenhäuser auch an und über- weisen die Rückforderungen – ein nennenswerter Betrag, der so dem Solidarsystem wieder zur Verfü- gung steht.
Der MDS stellt fest, dass es weiter- hin und über die letzten Jahre kei- neswegs abnehmend Beanstandun- gen an Krankenhausrechnungen in relevantem Ausmaß gibt. „Betrüge- rische Absicht“ oder „frisieren“ ge- hören nicht zu unserem Sprachge- brauch. Die Gutachter der Medizi- nischen Dienste übernehmen die ih- nen vom Gesetzgeber zugewiesene Rolle bei Auseinandersetzungen zwischen Leistungserbringern und Kassen. Sie tun dies im Übrigen auch im Sinne und Interesse der
korrekt abrechnenden Krankenhäu- ser. Konfliktsituationen sind dabei unvermeidlich. Diese sollten idea- lerweise mit Kompetenz und ohne Emotionen bewältigt werden. Die Suche nach konstruktiven Lösun- gen, für die es viele Ansätze und Beispiele gibt, ist dabei allemal hilfreicher, als völlig „unberechtigte Vorwürfe“.
Dr. med. Annette Busley, Prof. Dr. med. Jürgen Windeler,
Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS), Lützowstraße 53, 45141 Essen
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