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Lehrlingsausbildung lohnt sich für Betriebe | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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BERUFSBILDUNG

Die Volkswirtschaft  12 / 2019 55

Lehrlingsausbildung lohnt sich für Betriebe

Bei der Lehrlingsausbildung überwiegt für die meisten Betriebe der Nutzen. Nur bei ausbildungsintensiven Berufen wie Informatikern und Polymechanikern entstehen den Betrieben während der Lehre im Durchschnitt Nettokosten.  Alexander Gehret, Jürg Schweri

J

ugendliche auf Lehrstellensuche haben oft die Wahl: Das Angebot an Lehrstellen übersteigt in der Schweiz die Nachfrage seit Jahren. Die Betriebe schreiben wesentlich mehr Lehrstellen aus, als sie Schulabgänger finden können.

Wieso ist die Ausbildung von Lernenden für Betriebe in der Schweiz so attraktiv? Ein Grund ist das attraktive Kosten-Nutzen-Ver- hältnis, wie die vierte Kosten-Nutzen-Er- hebung des Observatoriums für die Berufs- bildung des Eidgenössischen Hochschul- instituts für Berufsbildung (OBS EHB) zeigt:

Für Betriebe lohnt es sich, selbst Fachkräfte auszubilden, statt diese extern zu rekrutie- ren.1

Für die Studie im Auftrag des Staats- sekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) wurde eine Zufallsstich- probe von Betrieben angeschrieben. Über 5700 Ausbildungsbetriebe und über 4000 Nichtausbildungsbetriebe antworteten in der Online-Erhebung. Neben den drei- und vierjährigen beruflichen Grundbildungen mit Eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) des Ausbildungsjahrs 2016/17 umfasst die aktuelle Erhebung erstmals auch die zwei- jährigen beruflichen Grundbildungen mit Eid- genössischem Berufsattest (EBA).

Die gewonnenen Erkenntnisse können einerseits die Ausbildungsbetriebe bei ihren strategischen Entscheidungen zur

1 Gehret et al. (2019).

Abstract  Die Ausbildung von Berufslernenden ist bei Schweizer Betrieben weiterhin beliebt. Die neueste Kosten-Nutzen-Erhebung des Schweizerischen Observatoriums für die Berufsbildung zeigt, dass die Betriebe im Durchschnitt einen Nettonutzen aus der Ausbildungstätigkeit erzielen – dies gilt sowohl für das Eidgenössische Fähigkeits- zeugnis (EFZ) als auch für das Eidgenössische Berufsattest (EBA). Gesetzliche Vorschriften prägen das Kosten-Nutzen-Verhältnis mit. Eine Analyse zu Bildungs- verordnungen und Bildungsplänen zeigt, dass eine schlechtere Übereinstimmung der betrieblichen Anforderungen mit den Anforderungen im Bildungsplan zu Mehr- kosten führt. Wollte man die Zahl der beruflichen Grundbildungen durch Zusammen- legungen verringern, wäre daher mit negativen Auswirkungen auf das betriebliche Kosten-Nutzen-Verhältnis zu rechnen.

Ausbildungstätigkeit unterstützen. Anderer- seits generieren sie Steuerungswissen, welches den Verbundpartnern der Berufs- bildung, der Politik und der Forschung er- laubt, die Ausbildungsmotive der Betriebe besser zu verstehen und bei Entscheidungen

zu berücksichtigen: Soll etwa die Anzahl der Lektionen und Tage in der Berufsfachschule verändert werden oder gar die Dauer der ganzen Lehre? Kosten-Nutzen-Erhebungen schärfen das Verständnis dafür, wie solche Entscheidungen den Ausbildungsaufwand, aber auch den Nutzen der Betriebe verändern können.

Kosten vs. Nutzen

Das in der Studie verwendete Kosten-Nut- zen-Modell basiert auf Angaben zu ver- schiedenen Aufwendungen sowie zu den Leistungen der Lernenden aus Sicht der Betriebe. Die Bruttokosten setzen sich aus

Betriebe, die Detailhandelsfachleute ausbilden, amortisieren die Ausbildungskosten bereits während der Lehrzeit.

KEYSTONE

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BERUFSBILDUNG

56 Die Volkswirtschaft  12 / 2019

Lehrlingslohn, Personalkosten, Material- und Anlagekosten sowie sonstigen Auf- wendungen zusammen. Bei den Personal- kosten werden die zeitlichen Aufwendungen der Ausbildner erhoben und mit ihren Löhnen verrechnet.

Auf der Nutzenseite profitieren die Be- triebe von der Arbeitskraft der Lernenden, den «produktiven Leistungen». Dabei unter- scheidet die Studie zwischen Tätigkeiten, die sonst von ungelernten Arbeitskräften ausgeführt würden (sogenannten Un- gelernten-Tätigkeiten), und Arbeiten von ausgebildeten Fachkräften (Fachkraft-Tätig- keiten). Daneben gibt es auch «unproduktive»

Tätigkeiten wie Übungen.

Dem Umstand, dass Lernende bei den Fachkraft-Tätigkeiten nicht gleich produk- tiv sind wie ausgebildete Fachkräfte, wird mithilfe eines Leistungsgrads Rechnung getragen. Überwiegen die produktiven Leis- tungen, so ergibt dies für den Betrieb einen Nettonutzen aus der Lehrlingsausbildung.

Berufsattest auf Kurs

Für ein durchschnittliches Lehrverhältnis be- lief sich der Nettonutzen bei den zweijährigen EBA- und den dreijährigen EFZ-Ausbildungen im Schnitt auf über 10’000 Franken (siehe Ab- bildung 1). Auch die vierjährigen EFZ-Ausbil- dungen wiesen im Durchschnitt am Ende der Lehre mit über 8000 Franken einen positiven Nettonutzen aus.

Beim Eidgenössischen Berufsattest konn- ten die Ausbildungsbetriebe seit der ersten Erhebung für das Ausbildungsjahr 2008/09 den Nettonutzen erhöhen: Während sich da- mals Kosten und Nutzen die Waage hielten 2, ist nun der Nettonutzen – einschliesslich der seit damals neu eingeführten EBA-Lehrbe- rufe – mit über 10 000 Franken klar positiv.

In Bezug auf die drei- und vierjährigen beruf- lichen Grundbildungen werden die Resultate früherer Erhebungen in ihren wichtigsten Resultaten bestätigt.3 Insgesamt wiesen 63 Prozent der Betriebe einen positiven Netto- nutzen auf, während bei 37 Prozent der Be- triebe die Kosten überwogen.

Zusätzlichen Nutzen können die Betriebe generieren, indem sie die Lernenden nach Lehrabschluss weiterbeschäftigen. Sie sparen damit Such- und Einarbeitungskosten für die Rekrutierung von Fachkräften von durch- schnittlich 10’700 Franken pro Lehrverhältnis.

Diese Ergebnisse decken sich auch mit der Selbsteinschätzung der Betriebe:

2 Fuhrer und Schweri (2010).

3 Vgl. Strupler und Wolter (2012).

Abb. 3: Anteil nicht benötigter Bildungsplan-Inhalte der zehn häufigsten Ausbildungsberufe

EHB; GEHRET UND SCHWERI (2019) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Die schwarzen Linien stellen das 95-Prozent-Vertrauensintervall dar.

Fast 78 Prozent der Betriebe bezeichneten sich als eher oder sehr zufrieden mit dem Kosten-Nutzen-Verhältnis der eigenen Lehr- lingsausbildung.

Teure Informatiker

Für 33 Berufe mit genügend hohen Fallzahlen im Datensatz wurden die Resultate separat

ausgewertet.4 Wenn man die zehn am häu- figsten ausgebildeten Berufe miteinander vergleicht, fällt die grosse Heterogenität auf:

Beispielsweise liegt der Nettonutzen bei der Ausbildung von Elektroinstallateurinnen und -installateuren bei über 40 000 Franken (siehe Abbildung 2). Überdurchschnittlich

4 Vgl. «Lernende ausbilden – lohnt sich das für Betriebe?»

unter Ehb.swiss.

Abb. 1: Kosten und Nutzen von Lehrlingsausbildungen (Durchschnitt)

EHB; GEHRET UND SCHWERI (2019) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

125 000 In Franken 120 000 75 000 50 000 25 000

1 2 3

  Bruttokosten         Produktive Leistungen         Nettonutzen Ausbildungsdauer in Jahren 0

Kaufmann/-frau EFZ Informatiker/-in EFZ

Koch/Köchin EFZ Polymechaniker/-in EFZ

Elektroinstallateur/-in EFZ Logistiker/-in EFZ

Durchschnitt Zeichn

er/-in EFZ

Detailhandelsfachmann/-frau EFZ Fachma

nn/-frau Gesundheit EFZ Fachmann

/-frau Betreuung EFZ

Abb. 2: Nettonutzen der zehn häufigsten Lehrberufe

EHB; GEHRET UND SCHWERI (2019) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Informatiker/-in EFZ Polymechaniker/-in EFZ Koch/Köchin EFZ

Fachmann/-frau Gesundheit EFZ Durchschnitt vierjährige EFZ Kaufmann/-frau EFZ Durchschnitt EBA Durchschnitt dreijährige EFZ Detailhandelsfachmann/-frau EFZ Zeichner/-in EFZ

Fachmann/-frau Betreuung EFZ Logistiker/-in EFZ

Elektroinstallateur/-in EFZ

In Franken

-30 000 -20 000 -10 000 0 10 000 20 000 30 000 40 000 50 000

25 In % 20 15 10 5

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BERUFSBILDUNG

Die Volkswirtschaft  12 / 2019 57

Literatur

Fuhrer, M. und Schweri, J. (2010). Kosten und Nutzen von zweijährigen beruflichen Grundbildungen.

Schlussbericht. Zollikofen: Eidgenössisches Hoch- schulinstitut für Berufsbildung.

Gehret, A., Aepli, M., Kuhn, A. und Schweri, J. (2019).

Lohnt sich die Lehrlingsausbildung für die Betriebe?

Resultate der vierten Kosten-Nutzen-Erhebung.

Zollikofen: Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung.

Strupler, M. und Wolter, S. C. (2012). Die duale Lehre:

eine Erfolgsgeschichte auch für die Betriebe: Er- gebnisse der dritten Kosten-Nutzen-Erhebung der Lehrlingsausbildung aus der Sicht der Betriebe.

Zürich: Rüegger.

hoch ist er auch bei Logistikerinnen und Logistikern. In solchen Berufen überwiegt eine produktionsorientierte Ausbildungs- strategie, und die Betriebe amortisieren die Ausbildungskosten bereits während der Lehrzeit.

Umgekehrt weisen Berufe wie Informa- tiker/-in und Polymechaniker/-in, bei denen eine investitionsorientierte Ausbildungs- strategie dominiert, erhebliche Nettokosten auf. Hier bemühen sich die Betriebe, die künftigen Fachkräfte möglichst gut gemäss dem eigenen Bedarf auszubilden. Die dabei entstehenden Kosten werden nach der Aus- bildung mit der Übernahme der Lernenden und den daraus entstehenden Erträgen ge- deckt.

Angesichts des im Durchschnitt posi- tiven Nettonutzens über alle Lehrverhält- nisse hinweg überwiegt in der Schweiz die produktionsorientierte Ausbildungs- strategie.

Bildungserlasse als Faktor

Den Rahmen für die betriebliche Ausbildung geben Gesetze und Verordnungen vor, die zum Beispiel beeinflussen, wie viel Zeit die Lernenden im Betrieb verbringen. Für alle beruflichen Grundbildungen gibt es spezi- fische Bildungsverordnungen und Bildungs- pläne. Sie beschreiben die Tätigkeiten und Handlungskompetenzen, welche die Lern- orte, also auch die Ausbildungsbetriebe, ihren Lernenden in einem bestimmten Lehr- beruf vermitteln sollen. Sie beeinflussen das betriebliche Kosten-Nutzen-Verhältnis: Stel- len sie hohe Anforderungen an die betrieb- liche Ausbildung, so erhöhen sich, wegen der dafür nötigen, hohen Zeitaufwendungen, die Bruttokosten im Betrieb. Auch können hohe Anforderungen dazu führen, dass die Lernenden mehr Übungszeiten im Betrieb benötigen und so weniger produktiv tätig sind. Letzteres wirkt sich negativ auf die produktiven Leistungen der Lernenden und somit negativ auf den Nettonutzen der Aus- bildung aus.

Da die Bildungserlasse eine umfassende berufliche Handlungskompetenz der Ler- nenden über die Bedürfnisse des einzelnen Ausbildungsbetriebs hinaus sicherstellen sollen, passen sie nicht für alle Betriebe gleich gut. Je stärker die Handlungskompetenzen

und die Bedürfnisse der Betriebe überein- stimmen, desto positiver ist der Effekt auf die Produktivität der Lernenden – und damit auch auf den Nettonutzen für den Betrieb.

Passen die Vorgaben dagegen weniger gut, so muss der Betrieb Aufwendungen für die Vermittlung der geforderten Kompeten- zen auf sich nehmen, auch wenn diese im Produktionsprozess des Betriebs nicht zur Geltung kommen. Der entsprechende Aus- bildungsaufwand steigert in diesem Fall die Produktivität der Lernenden im eigenen Betrieb kaum. Zusätzlich entsteht den Be- trieben ein zeitlicher Mehraufwand, wenn sie den Lernenden Fähigkeiten beibringen müssen, die über die Anforderungen des Bildungsplans hinausgehen. Auch dies resul- tiert in höheren Bruttokosten.

Ausbildungsvorgaben sind relevant

Aufgrund dieser Relevanz der Erlasse für das Kosten-Nutzen-Verhältnis wurden die Betriebe erstmals zu ihrer Einschätzung der für sie relevanten Bildungserlasse befragt.

Über 65 Prozent der Betriebe geben an, dass sowohl die Bildungsverordnungen als auch die Bildungspläne ihren Anforderungen ins- gesamt gut entsprechen. Nur 12 Prozent der Betriebe vermitteln Zusatzqualifikationen, die nicht durch den Bildungsplan abgedeckt sind. Demgegenüber erachten 83 Prozent der Befragten die im Bildungsplan festgelegten Ausbildungsinhalte für den eigenen Betrieb als relevant.

Je nach Beruf weichen die Einschätzungen deutlich voneinander ab: Während beispiels- weise die Ausbildungsbetriebe im Beruf Fachmann/-frau Betreuung nur rund 11 Pro- zent der Ausbildungsinhalte im Betrieb nicht benötigen, beträgt dieser Wert im Beruf Kaufmann/-frau rund 22 Prozent (siehe Ab- bildung 3). Dies dürfte mit der grossen Vielfalt der Branchen und Ausbildungsbetriebe zu- sammenhängen.

In einem weiteren Analyseschritt wurde mithilfe von Regressionsanalysen untersucht, ob ein hoher Anteil an nicht benötigten Inhalten im Bildungsplan sowie das Ver- mitteln von Zusatzqualifikationen mit einem tieferen Nettonutzen der betroffenen Be- triebe zusammenhängen. Dabei zeigt sich, dass eine um einen Prozentpunkt tiefere

Alexander Gehret

Projektleiter, Eidgenössisches Hochschul­

institut für Berufsbildung EHB, Zollikofen

Jürg Schweri

Prof. Dr. rer. oec., Leiter Forschungs schwer­

punkt «Steuerung der Berufsbildung», Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung EHB, Zollikofen

Bewertung der Bildungsplan-Relevanz bei sonst vergleichbaren Betrieben mit einem um 129 Franken tieferen Nettonutzen einhergeht.

Ebenso weisen Betriebe, die angeben, Zu- satzqualifikationen zu vermitteln, einen tie- feren Nettonutzen auf. Daraus lässt sich zwar noch kein kausaler Zusammenhang zwischen der Relevanz der Bildungsplan-Inhalte und dem Kosten-Nutzen-Verhältnis herleiten.

Die Resultate deuten jedoch darauf hin, dass breiter ausgerichtete Bildungserlasse, wie sie durch das Zusammenlegen oder das Reduzie- ren von Lehrberufen entstehen würden, für die Betriebe teurer wären: Da dadurch die Be- dürfnisse der einzelnen Ausbildungsbetriebe weniger gut aufeinander abgestimmt wären, stiegen ihre Ausbildungskosten.

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