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Allgemein - Newsletter 3-2002

Nachdem der Ausgang der Bundestagswahl dazu geführt hat, dass die von der CDU/CSU angekündigte Aufhebung des Grundsicherungsgesetzes nicht mehr zur Debatte steht, ist in Teil B eine an der Praxis orientierte Zusammenfassung des Ge- setzes aufgenommen und in Teil C die Empfehlungen des Deutschen Vereins hierzu, die auch den Gesetzestext enthalten.

Hinsichtlich der Rechtsprechung ist zunächst auf eine Entscheidung zum Ernäh- rungsmehraufwand bei Diabetes hinzuweisen, zu dessen Erläuterung auch die Emp- fehlungen des Deutschen Vereins zum Mehrbedarf wegen Ernährung in Teil C einge- stellt sind. Weiter finden Sie einige Entscheidungen zum Nachrang der Sozialhilfe, zur Hilfe zum Lebensunterhalt und zur Anrechnung von Einkommen. Von allgemeiner Bedeutung ist eine Entscheidung zum Verhältnis von § 16 SGB I und § 5 Abs. 2 BSHG und eine zur Beratungspflicht der Arbeitsämter zur freiwilligen Krankenversi- cherung (zu § 14 SGB I). Auch zur Weiterversicherung von Kranken, die einen Be- treuer haben, findet sich eine wichtige Entscheidung zu § 9 Abs. 2 SGB V. Abschlie- ßend ist auf eine Anzahl von Entscheidungen zur Schuldnerberatung bzw. zur Verbraucherinsolvenz hinzuweisen.

Münster, im September 2002 Diakonisches Werk Westfalen Friesenring 32/34

48147 Münster

Peter Niemann

Dr. Heribert Renn, Frankfurt

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Allgemein – Stichwortverzeichnis 3-2002

Stichwortverzeichnis: 2

Beratung und Wiedereinsetzung bei Weiterversicherung 3

Zurechnung der Kenntnis eines anderen Sozialleistungsträgers 6

Überlappende Mieten und Vollstreckungskosten 8

Rücklastschrift und Scheckrückgabeklauseln 10

Auskunftspflicht und Amtsermittlung 12

Nichtangabe von Einkünften 13

Ausschluss von Strafgefangenen von der Restschuldbefreiung 15

Restschuldbefreiung bei Angabenkorrektur 17

Zustimmungsersetzung bei voller Befriedigung von Kleingläubigern 19

Fiktives Einkommen und Abzüge im Elternunterhalt 21

Unterhalt unter Verwandten 23

Vergütungs- und Aufwendungsersatz für Vormundschaftsverein 24

Mindestbedarf eines unterhaltsberechtigten Kindes 26

Vergütungs- und Aufwendungsersatz für Vormundschaftsverein 28

Rückumzug Volljähriger in den elterlichen Haushalt 30

Abgrenzung der Hilfe bei Unterhalt für erwachsene behinderte Kinder 32

PKW-Bereitstellung als anzurechnendes Einkommen 34

Höhe des Absetzungsbetrages für Erwerbstätige 36

Kostenbeitrag bei Übergangsgeld 40

Keine Kostenerstattung bei Nichterreichen der Bagatellgrenze 44

Übernahme von Kabelanschlussgebühren 45

Leistungen für den Kauf eines gebrauchten Kühlschranks 46

Kabelanschlussgebühren 47

Mehrbedarfszuschlag bei Diabetes 49

Beschaffung von Mütze, Schal und Handschuhen 52

Heranziehung zu den Kosten einer Wohnung 53

Erstattung von abgezweigtem Kindergeld 55

Weiterversicherung bei psychisch Kranken mit Betreuer 57

Pflege von Angehörigen im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses 60

Pflegegeld und Steuern 62

Grundpflege bei Esszwang 64

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IDAS-A-1 –1 –SGB I-§ 14-1998-11-17

Sozialgesetzbuch - Allgemeine Vorschriften

§ 14 SGB I (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V)

Stichwort: Beratung und Wiedereinsetzung bei Weiterversicherung Leitsatz: Der Rechtsanspruch auf Gewährung von Wiedereinsetzung

greift auch dann ein, wenn eine materiell-rechtliche Aus- schlussfrist (hier: Dreimonatsfrist für freiwillige Versicherung) unverschuldet versäumt worden ist.

Der Krankenkasse obliegt als zuständigem Sozialversiche- rungsträger gegenüber bei ihnen versicherten Arbeitslosen ei- ne besondere Betreuungspflicht, die auch die Aufrechterhal- tung des Versicherungsschutzes nach dem Ende der Versi- cherungspflicht umfasst. Sie hat daher aus dem vorbestehen- den Versicherungsverhältnis die nachgehende Nebenpflicht, den Betroffenen rechtzeitig über die Möglichkeit und die Vor- aussetzungen der Aufrechterhaltung des Versicherungsschut- zes nach § 9 SGB V zu beraten, wobei die gesetzliche Drei- monatsfrist besonders herauszustellen ist.

Thema/Fall: Ein türkischer Arbeitnehmer erlitt einen Arbeitsunfall. Er erhielt Arbeitslosenhilfe und war dadurch bei der Krankenversiche- rung versichert. Als die Arbeitslosenhilfe wegen Überschnei- dung mit der Verletztenrente endete, endete auch die Versi- cherung. Erst ein halbes Jahr später, als er wegen einer Zu- zahlungsbefreiung zur Krankenkasse kam, stellte sich heraus, dass er nicht mehr versichert war. Es ging jetzt um die Frage, ob ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs. 1 SGB X zustand, um die Drei-Monats-Frist nach § 9 Abs. 2 SGB V, die längst verstrichen war, wieder aufzugreifen.

Entscheidungs-

auszüge: Die Pflichtversicherung des Klägers aufgrund des Bezuges von Arbeitslosenhilfe endete gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V i.V.m. § 155 Abs. 3 Satz 2 AFG (seit 01.01.1998: § 190 Abs.

12 SGB V) mit Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung bezogen worden ist, also am 28.08.1995. Das Ende der Mit- gliedschaft trat kraft Gesetzes ein, ohne daß es einer be- scheidmäßigen Feststellung durch die Beklagte bedurfte (.

Der Kläger war nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V weiterversiche- rungsberechtigt. Er erfüllte die Vorversicherungszeit dieser Vorschrift. Er hätte der Beklagten den Beitritt zur freiwilligen Versicherung gem. § 9 Abs. 2 Nr. 1, § 188 Abs. 3 SGB V in- nerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Pflichtmit- gliedschaft schriftlich anzeigen müssen. Dies ist nicht erfolgt.

Die Versicherungsberechtigung besteht jedoch ungeachtet dieses Fristversäumnisses, weil der Kläger ohne Verschulden

verhindert war, die Beitrittserklärung zur freiwilligen Weiterver- sicherung rechtzeitig abzugeben.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist auf Antrag demjenigen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, der oh- ne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzu- halten. Der Rechtsanspruch auf Gewährung von Wiederein- setzung greift auch dann ein, wenn eine hier vorliegende ma- teriell-rechtliche Ausschlussfrist unverschuldet versäumt wor- den ist (vgl. BSGE 64, 153, 155 ff.; BSGE 73, 56, 58 f. = SozR 3 - 1200 § 14 Nr. 9). Ein krankenversicherungsrechtli- cher Ausschluss der Wiedereinsetzung liegt nicht vor (§ 27 Abs. 5 SGB X; KassKomm-Peters, § 9 SGB V RdNr. 31, § 8 SGB V RdNr. 20).

Der Kläger war unverschuldet verhindert, die Beitrittsfrist zu wahren, weil die Beklagte ihn nach dem Ende der Versiche- rungspflicht nicht auf die Form- und Fristerfordernisse der Bei- trittserklärung zur freiwilligen Weiterversicherung hingewiesen hat. Die Rechtsunkenntnis des Klägers ist wegen dieser Ver- letzung der sozialbehördlichen Beratungspflicht als unver- schuldet i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X anzusehen.

Aufgrund der Beratungspflicht aus § 14 des Sozialgesetz- buchs - Allgemeiner Teil - (SGB I) ist ein Versicherungsträger gehalten, auf klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrän- gen und die von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt werden (BSG SozR 3 - 1200 § 14 Nr. 5 und Nr. 6, je- weils m.w.Nw.). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Versicherungsträger trotz Nichtvorliegens eines Beratungsbe- gehrens gehalten sind, Versicherte bei einem konkreten An- lass von sich aus "spontan" auf solche klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen (BSGE 41, 126, 128 = SozR 7610 § 242 Nr. 5; BSGE 46, 124, 126 = SozR 2200 § 1290 Nr. 11; BSGE 60, 79, 86 = SozR 4100 § 100 Nr. 11;

BSG SozR 3 - 5750 Art. 2 § 6 Nr. 7, Bl. 30 f.; BSG, Urteil vom 26.10.1994 - 11 RAr 5/94 -, Umdr. S. 6). Darin liegt keine Ü- berforderung der Sozialleistungsträger. Die engen Verknüp- fungen der verschiedenen Zweige der sozialen Sicherung, die von Betroffenen oftmals nicht überschaut werden, machen es erforderlich, die Beratungspflicht der Versicherungsträger da- hin abzugrenzen, dass Versicherte zumindest auf Fragen, die für die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes oder er- hebliche Leistungsnachteile bedeutsam sind, bei konkretem Anlass hingewiesen werden (BSGE 73, 56, 59 ff. m.w.Nw.;

s.a. BSG SozR 3 -2600 § 58 Nr. 2, Bl. 6 f.; BSG, Urteil vom 06.08.1992 - 8 RKn 9/91 -, Umdr. S. 5). Diese Pflichtenstel- lung der Versicherungsträger bildet einen Gegenpol zu der komplexen Sozialrechtsmaterie und ihrer häufig existenziellen Bedeutung für Versicherte, wobei sich eine normative Be- gründung aus dem gesetzlichen Auftrag zur möglichst weitge- henden Verwirklichung sozialer Rechte in § 2 Abs. 2 SGB I

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ergibt (BSG SozR 3 - 1200 § 14 Nr. 22, Bl. 74 f.; SG Dort- mund, Breithaupt 1997, 587, 589).

Ein solcher konkreter Anlaß für eine "Spontanberatung" des Klägers durch die Beklagte ist darin zu sehen, dass für die Krankenkasse aufgrund der Abmeldung des Klägers durch das Arbeitsamt der Lauf der Dreimonatsfrist des § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V erkennbar war. Trotz der - inzwischen aufgege- benen - Verweisung in das Arbeitsförderungsrecht sind die Krankenkassen Träger der Krankenversicherung der Arbeits- losen. Von daher obliegt ihnen als zuständige Sozialversiche- rungsträger gegenüber bei ihnen versicherten Arbeitslosen ei- ne besondere Betreuungspflicht, die auch die Aufrechterhal- tung des Versicherungsschutzes nach dem Ende der Versi- cherungspflicht umfasst. Die jeweilige Krankenkasse hat aus dem vorbestehenden Versicherungsverhältnis die nachge- hende Nebenpflicht, den Betroffenen rechtzeitig über die Mög- lichkeit und die Voraussetzungen der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes nach § 9 SGB V zu beraten, wobei die gesetzliche Dreimonatsfrist besonders herauszustellen ist. Die Versicherungsberechtigung nach Ablauf der Versicherungs- pflicht beruht nämlich darauf, dass von einem Fortbestehen der sozialen Schutzbedürftigkeit ausgegangen wird. Sie stellt damit eine notwendige Ergänzung der Versicherungspflicht dar (KassKomm-Peters, § 9 SGB V RdNr. 2).

Dieser Zusammenhang ist für die Beklagte erkennbar bei dem Kläger gegeben: Als Arbeitsunfallopfer und Schwerbehinderter (s.a. die hier nicht mehr greifende Versicherungsberechtigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 4 SGB V) ist der Kläger seit Jahren auf Sozialleistungen angewiesen. Er gehört damit nicht zu dem Personenkreis, der aufgrund seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit für in der Lage gehalten wird, das Krank- heitsrisiko privat abzusichern (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V).

Vor diesem Hintergrund erhält die Beitrittsfrist des § 9 Abs. 2 SGB V eine besondere Bedeutung: Nach Ablauf der Aus- schlussfrist kommt die Rückkehr in die gesetzliche Kranken- versicherung außerhalb der erneuten Verwirklichung eines Versicherungspflichttatbestandes nicht mehr in Betracht.

Auf die bei fehlendem anderweitigem Krankenversicherungs- schutz - z.B. im Rahmen der Familienversicherung - offen- sichtlich zweckmäßige rechtzeitige Beitrittserklärung zur frei- willigen Weiterversicherung hätte die Beklagte nach der Ab- meldung aus dem Leistungsbezug der Arbeitsverwaltung iso- liert oder im Zusammenhang mit der Rückforderung der Kran- kenversicherungskarte hinweisen müssen. Die Krankenkasse hat gem. § 291 Abs. 4 SGB V bei Beendigung des Versiche- rungsschutzes die Krankenversicherungskarte von dem Ver- sicherten einzufordern. Ein Kontakt mit dem Versicherten aus Anlass der Beendigung der Mitgliedschaft ist demnach ge- setzlich vorgesehen. Die Beklagte trägt vor, sie übersende re- gelmäßig eine Aufforderung zur Rückgabe der Krankenversi- cherungskarte, wobei der Zeuge M dies bezogen auf den Klä-

ger nicht ausdrücklich bestätigen konnte. Weder das von der Beklagten vorgelegte Anschreiben an eine andere Versicherte bezüglich der Kartenrückgabe noch das "Begrüßungsschrei- ben" enthalten einen Hinweis auf die befristete Möglichkeit zur Weiterversicherung nach dem Ende der Versicherungspflicht.

Die Beklagte kann sich auch nicht entlasten, indem sie auf Bewilligungsbescheide und den Leistungsnachweis des Ar- beitsamtes verweist. Der von ihr vorgelegte Arbeitslosenhilfe- bescheid enthält lediglich den Hinweis, dass der Arbeitslose bei der AOK K kranken- und pflegeversichert und zuständiger Rentenversicherungszweig die Rentenversicherung der Arbei- ter sei. Der Aufhebungsbescheid des Arbeitsamtes W vom 24.08.1995 verhält sich überhaupt nicht zu krankenversiche- rungsrechtlichen Folgen der Leistungseinstellung. Lediglich der Leistungsnachweis vom 29.08.1995 enthält den wörtlich wiedergegebenen Hinweis. Dieser ist indes nicht ausreichend:

Zwar hätte dem Kläger bei der ihm abzuverlangenden Lektüre - ggfs. nach Übersetzung - klar werden müssen, dass eine Krankenversicherung durch das Arbeitsamt nicht mehr erfolg- te. Ein allgemeiner Hinweis auf die Möglichkeit der Weiterver- sicherung war vorhanden. Entscheidend ist jedoch, dass die laufende Ausschlussfrist und die Notwendigkeit einer schriftli- chen Beitrittserklärung bei der Beklagten nicht erwähnt wur- den. Darüber hinaus wäre es angesichts der Bedeutung der Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung auch nicht angemessen, diese Belehrung am Ende eines zur Vorlage bei Finanzamt und Rentenversicherungsträger be- stimmten Leistungsnachweises "zu verstecken".

Der von der Bundesanstalt für Arbeit gegebene Hinweis ist somit nicht geeignet, die primär der Beklagten obliegende in- dividuelle Beratung des Klägers zu ersetzen. Nach den Um- ständen ist davon auszugehen, dass der Kläger die Dringlich- keit einer Beratung durch die Beklagte trotz des allgemeinen Hinweises in dem arbeitsamtlichen Leistungsnachweis nicht realisiert hat. Angesichts der Weitergewährung von Kranken- behandlungsleistungen konnte bei dem eher ungebildeten Kläger der Eindruck bestehen, dass aus einem anderen Grun- de als dem AFG- Leistungsbezug (z.B. fortbestehende Ar- beitslosigkeit, Unfallrentenbezug mit Heilbehandlungsan- spruch, Schwerbehinderung) die Krankenversicherung fortge- führt würde. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Rückforderung der Krankenversicherungskarte unterblie- ben ist. Hierfür spricht, dass die Beklagte ansonsten bei Nicht- rückgabe nachgefasst hätte.

Das fehlende Verschulden des Klägers i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X folgt schließlich daraus, dass die Pflichtverlet- zung der Beklagten ursächlich für den sozialrechtlichen Scha- den des Klägers in Gestalt des Ausschlusses von der freiwilli- gen Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses ist. Mangels sinnvoller Handlungsalternativen (der unfallversicherungs- rechtliche Heilbehandlungsanspruch ist beschränkt auf den

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durch den Arbeitsunfall verursachten Gesundheitsschaden, § 556 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F.,

§ 26 Abs. 2 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfall- versicherung - (SGB VII)) ist davon auszugehen, dass der Kläger bei rechtzeitiger Beratung fristgemäß den Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung bei der Beklagten erklärt hät- te. Die verletzte Spontanberatungspflicht der Beklagten ist darauf gerichtet, gerade die hier eingetretene Versäumung der rechtzeitigen Beitrittserklärung bei Beendigung der Versiche- rungspflicht zu verhindern (Schutzzweckzusammenhang zwi- schen Pflichtverletzung und sozialrechtlichem Nachteil, vgl.

zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch: BSG SozR 3 - 2600 § 58 Nr. 2, Bl. 5 f.).

Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert nicht an den Handlungsfristen des § 27 SGB X.

Die Jahresfrist des § 27 Abs. 3 SGB X hat der Kläger gewahrt.

Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu beantragen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 27 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 SGB X).

Anmerkung/

Bewertung: Das Urteil ist zu begrüßen, da es häufig nicht im Interesse der Krankenversicherungen liegt, die Versicherten darüber zu be- raten, dass sie bei rechtzeitiger Klarstellung einen Anspruch auf Weiterversicherung haben. Besonders häufig ist die Prob- lematik auch bei psychisch Erkrankten, an deren Weiterversi- cherung die Versicherungsträger besonders wenig Interesse haben. Hier ist eine Wiedereinsetzung immer in den Fällen möglich, in denen nicht eine rechtzeitige und umfassende Auf- klärung über die Möglichkeiten erfolgte.

Fundstelle: Urteil des Landessozialgerichtes NRW vom 17.11.1998 – L 5 KR 44/97 – in www.sozialgerichtsbarkeit.de und Juris

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IDAS-A-1 –1 –SGB I-§ 16-2002-01-15

Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil

§ 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I (§ 5 BSHG)

Stichwort: Zurechnung der Kenntnis eines anderen Sozialleistungs- trägers

Leitsatz: Die Kenntnis einer Notlage durch einen anderen Sozialleis- tungsträger ist dem Träger der Sozialhilfe zuzurechnen.

Die Rechtsprechung zur analogen Anwendung vom § 16 Abs.

2 Satz 2 SGB I im Sozialhilferecht gilt auch nach Einfügung des ab dem 1. August 1996 geltenden § 5 Abs. 2 BSHG fort.

Thema/Fall: Zur Zeit der Regelung im SGB V mit dem doppelten Festzu- schuss für Zahnersatz regelte eine Hilfesuchende alles wie vorgesehen mit der Krankenkasse und dem Zahnarzt. Als ein ungedeckter Betrag von 2000,-- DM blieb, wandte sie sich an den Sozialhilfeträger, der wegen fehlender Kenntnis nach § 5 BSHG ablehnte.

Entscheidungs-

auszüge: Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Anspruch des Klägers auf Übernahme der (bisher) nicht gedeckten Restkos- ten für die bei ihm inzwischen durchgeführte Zahnersatzbe- handlung ergibt sich aus § 37 Abs. 1 und 2 BSHG. Zum An- wendungsbereich dieser Vorschrift hat das Bundesverwal- tungsgericht ausgeführt: § 37 Abs. 2 Satz 2 BSHG steht der Übernahme (restlicher) Kosten des Zahnersatzes durch den Träger der Sozialhilfe nicht entgegen. Wenn es in dieser Re- gelung heißt, dass Leistungen der Krankenhilfe in der Regel den Leistungen entsprechen sollen, die nach den Vorschriften über die gesetzliche Krankenversicherung gewährt werden, so bedeutet dies nur, dass der Sozialhilfeträger darauf be- schränkt ist, das als Bedarf an Krankenhilfe anzuerkennen, was nach dem Leistungsrahmen der gesetzlichen Kranken- versicherung in diesem Versicherungszweig seiner Art nach und hinsichtlich der näheren Leistungsmodalitäten als Bedarf anerkannt werden kann. Eine Begrenzung des Leistungsum- fangs auch dahin, dass Sozialhilfe nur in der Höhe gewährt werden kann, in der Leistungen der gesetzlichen Krankenver- sicherung in Betracht kommen, ist § 37 Abs. 2 Satz 2 BSHG dagegen nicht zu entnehmen. Während in der gesetzlichen Krankenversicherung Teilleistungen und damit ein dem Versi- cherten verbleibender Eigenanteil gerechtfertigt sein mögen, ist im Sozialhilferecht die Hilfeleistung so zu bemessen, dass der Hilfebedürftige seinen notwendigen Bedarf tatsächlich in vollem Umfang befriedigen kann. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, durch die dieser Bedarf nicht in voller Höhe gedeckt wird, können deshalb zwar im Hinblick auf den Vorrang dieser Leistungen (§ 2 BSHG) zur Kürzung, nicht

aber zum gänzlichen Wegfall der Sozialhilfe führen (BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 - 5 C 11.91 - BVerwGE 92, 336 = NDV 1993, 480 = FEVS 44, 265; Urteil vom 30. September 1993 - 5 C 49.91 BVerwGE 94, 21 1 = NDV 1994, 150).

Das erkennende Gericht hat keine Zweifel, dass es sich bei den in den Rechnungen vom 5. November 1998 abgerechne- ten Leistungen um erforderliche Leistungen im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 BSHG handelt. So hat die DAK ausdrücklich bescheinigt, dass die Kostenansätze des behandelnden Zahn- arztes sachgerecht und kostenangemessen gewesen sind.

Dem ist die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 14. September 2001 nicht substantiiert entgegengetreten.

Der Anspruch auf Krankenhilfe scheitert auch nicht an § 5 Abs. 1 BSHG. In § 5 BSHG ist festgelegt, dass Sozialhilfe le- diglich dazu dient, eine gegenwärtige Notlage zu beheben, nicht aber für vergangene Zeitabschnitte Hilfe zu gewähren.

Nach § 5 Abs. 1 BSHG setzt die Sozialhilfe ein, sobald dem Sozialhilfeträger bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen. Diese vom Gesetz gezogene zeitli- che Grenze des Sozialhilfeanspruchs schließt es grundsätz- lich aus, einen vor dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens ent- standenen Bedarf sozialhilferechtlich zu berücksichtigen; So- zialhilfe kann nicht zur Behebung einer Notlage beansprucht werden, die im Zeitpunkt der beanspruchten Hilfeleistung nicht mehr besteht. Ausnahmen vom Erfordernis eines tatsächlich fortbestehenden Bedarfs kommen um der Effektivität der ge- setzlichen Gewährung des Rechtsanspruches des Bürgers auf Fürsorgeleistungen willen in Betracht, so auch bei einer zwi- schenzeitlichen Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder Hilfe Dritter, wenn es dem Hilfe Suchenden nicht zuzumuten war, die Entscheidung des Sozialhilfeträgers abzuwarten (BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 - 5 C 12.87 - BVerwGE 90, 154, 156).

Bis Mai 1995 war anerkannt (BVerwGE 66, 335; 69, 5), dass die nach § 5 BSHG erforderliche Kenntnis des Sozialhilfeträ- gers nicht durch eine entsprechende Kenntnis eines anderen Sozialleistungsträgers ersetzt werden kann. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Bundesverwaltungsgericht nämlich ent- schieden, dass § 16 SGB I im Recht der Sozialhilfe keine An- wendung findet. Seit dem Urteil vom 18. Mai 1995 (BVerwGE 98, 248 ff.) wendet das Bundesverwaltungsgericht jedoch § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I auch im Sozialhilferecht entsprechend an. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I gilt ein Antrag auch als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zustän- digen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bun- desrepublik Deutschland im Ausland gestellt wird. Diese Re- gelung wendet das Bundesverwaltungsgericht entsprechend auch auf die Situation des Bekanntwerdens im Sinne des § 5 Abs. 1 BSHG an. Diese Rechtsprechung hat das Nds. Ober- verwaltungsgericht übernommen (vgl. Urteil vom 24. April

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1997 - 12 L 7330/95 -). Durch Gesetz vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1088) ist sodann mit Wirkung ab dem 1. August 1996 § 5 Abs. 2 BSHG eingeführt worden. Somit stellte sich die Frage, ob nach dieser Gesetzesänderung die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Anwen- dung des § 16 Abs. 1 SGB I weitergilt. Der 4. Senat des Nds.

Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. Januar 1999 - 4 L 2970/99 -) hat sich für eine Weitergeltung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgesprochen und dabei insbesondere die Gesetzesbegründung (BT Drucks. 13/3904, S. 44) gewürdigt. Dieser Ansicht hat sich inzwischen auch der 12. Senat des Nds. Oberverwaltungsgericht angeschlossen (vgl. Beschluss vom 21. Oktober 1999 - 12 L 3780/99 -). Be- züglich der Entscheidung des 4. Senates war eine Nichtzulas- sungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht anhängig (5 C 41.99), es ist jedoch nicht zu einer Sachentscheidung gekommen, da sich dieses Verfahren in der Hauptsache erle- digt hatte. So bleibt abzuwarten, ob und wann das Bundes- verwaltungsgericht Gelegenheit erhält, sich selbst zu dieser Problematik zu äußern. Das erkennende Gericht schließt sich der überzeugenden Rechtsprechung beider für sozialhilfe- rechtliche Fragen zuständigen Senate des Nds. Oberverwal- tungsgerichts an. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass eine Neufassung des § 5 Abs. 2 BSHG die entsprechende Anwen- dung des § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I auch deshalb nicht ver- drängen kann, weil auch § 16 SGBI gemäß § 37 Satz 2 SGB I vom Vorbehalt abweichender Regelungen ausgenommen ist.

Deshalb müsste bei einer entsprechenden Gesetzesänderung auch § 37 Satz 2 SGB I modifiziert werden.

Nach diesen Grundsätzen ist der Beklagten die Kenntnis der DAK zuzurechnen, die diese bereits im März bzw. Juli 1998 erlangt hatte, d. h. deutlich vor der Eingliederung des Zahner- satzes im November 1998. Die nicht erfolgte Weiterleitung des Begehrens des Klägers an die Beklagte kann nicht zu Lasten des Klägers gehen.

Anmerkung/

Bewertung: Der Entscheidung ist zuzustimmen. Dies gilt zum einen für die seinerzeit geltende Fassung des SGB V und die Zahnersatz- zuschussregelung. Zu der Zeit ihrer Geltung war eindeutig, dass auch die Restbeträge vom Sozialhilfeträger zu überneh- men wären im Sinne der frühren Rechtsprechung des Bun- desverwaltungsgerichts. Möglicherweise wird es wieder eine Zeit geben, in der auf diesen Aspekt zurück zu greifen ist.

Von größerer Bedeutung ist die Entscheidung im Hinblick auf die Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I auf die Sozial- hilfe auch nach der Einführung des § 5 Abs. 2 BSHG durch die Gesetzesänderung im Jahre 1996. Aus den Gründen ist zu entnehmen, dass es sich hier nicht um eine Meinung lediglich der ersten Instanz handelt, sondern um eine von mehreren Senaten getragene Rechtsprechung des OVG Lüneburg. In der Tat spricht nichts dagegen, die Rechtsprechung des Bun-

desverwaltungsgerichts zu § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I in der Sozialhilfe auch nach der Einführung des § 5 Abs. 2 in das BSHG weiterzuführen, denn durch die Einführung des § 5 Abs. 2 BSHG erfolgte ja nur eine Lösung für einen Teil der Probleme, der sich nämlich auf die anderen Sozialhilfeträger bezog. Da § 16 Abs. 2 SGB I auch in diesem Zusammenhang nicht geändert wurde, wäre nicht einzusehen, warum nun- mehr, ohne dass der Gesetzgeber sich auch hierzu entspre- chend geäußert hätte, die Rechtsprechung des Bundesver- waltungsgerichts zu der Frage nicht weitergeführt werden soll- te. Es ließe sich aus dieser Rechtsprechung auch eine teil- weise Lösung für die Fälle der Erhöhung der Pflegestufe ge- ben, in denen zwar ein Antrag bei der Pflegekasse gestellt wurde aber nicht gleichzeitig der Sozialhilfeträger informiert wurde. Hieraus ergäbe sich dann freilich keine rückwirkendes Inkrafttreten einer Erhöhung auf den ersten Tag des Monats der Antragstellung.

Fundstelle: Gerichtsbescheid des VG Braunschweig vom 15.01.2002 – 4 A 318/00 – in NDV-RD 2002, Seite 29 ff.

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IDAS-A-1 –2 –BSHG-§ 12-2001-10-25

Hilfe zum Lebensunterhalt - Laufende Leistungen

§ 12 BSHG

Stichwort: Überlappende Mieten und Vollstreckungskosten

Leitsatz: Die bis zur Beendigung des Mietverhältnisses für die bereits geräumte Wohnung – neben der für die neu bezogene Woh- nung – geschuldete Miete kann als Unterkunftsbedarf aner- kannt werden, wenn es notwendig gewesen ist, dass der Hil- feempfänger gerade diese neue Wohnung zu diesem Zeit- punkt gemietet und bezogen hat, und wenn er alles ihm Mög- liche und Zumutbare getan hat, um die Aufwendungen für die frühere Wohnung so gering wie möglich zu halten.

Zu den notwendigen Unterkunftskosten im Sinne des § 12 BSHG können neben den angemessenen Beträgen für Miete und Heizung auch inzwischen angefallene Zinsen und Voll- streckungskosten gehören, wenn diese Nebenkosten für den Hilfesuchenden nicht vermeidbar waren, weil der Träger der Sozialhilfe die eigentlichen Unterkunftskosten bisher nicht ü- bernommen hat.

Einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit herbeizu- führen, ist nicht die Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern des Hauptverfahrens. Eine Ausnahme ist nach der Rechtsprechung des Senats aber gerechtfertigt, wenn die Nichtleistung von Sozialhilfe in der Vergangenheit bis in die Gegenwart fortwirkt, d. h. eine gegenwärtige Notlage zur Fol- ge hat, etwa dadurch, dass unbefriedigt gebliebene Gläubiger des Hilfesuchenden gegen ihn ein Vollstreckungsverfahren betreiben.

Thema/Fall: Eine Familie, die aus insgesamt 9 Personen bestand, hatte eine Wohnung mit Kosten von insgesamt monatlich 2.100,00 DM, von denen der Sozialhilfeträger 2.000,00 DM übernahm.

Die Familie suchte sich eine neue Wohnung, die im sozialhil- ferechtlichen Rahmen blieb, wobei allerdings für etwa 2 Mona- te eine überlappende Mietzahlung erforderlich wurde.

Entscheidungs-

auszüge: Die Antragsteller haben einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit herbeizuführen, ist zwar nicht die Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern des Hauptverfahrens. Eine Aus- nahme ist nach der Rechtsprechung des Senats aber dann gerechtfertigt, wenn die Nichtleistung von Sozialhilfe in der Vergangenheit bis in die Gegenwart fortwirkt, d.h. eine ge- genwärtige Notlage zur Folge hat, etwa dadurch, dass unbe- friedigt gebliebene Gläubiger des Hilfesuchenden gegen ihn ein Vollstreckungsverfahren betreiben (Beschluss des Senats

vom 11. Februar 1986 - 4 OVG B 102/85 -). Ein solcher Fall liegt hier vor.

Die Antragsteller haben auch einen Anspruch gegen die An- tragsgegnerin auf Übernahme der Kosten für die Wohnung in der H. Straße 163 für die Monate Oktober und November 2000 - beschränkt auf den angemessenen Umfang - glaubhaft gemacht.

Nach § 11 Abs. 1 BSHG ist Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen beschaffen kann. Der notwendige Lebensunterhalt umfasst gemäß § 12 Abs.1 Satz 1 BSHG die Aufwendungen für die Unterkunft. Nach § 3 Abs.

1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (Regel- satzVO) werden laufende Leistungen für die Unterkunft in Hö- he der tatsächlichen Aufwendungen gewährt. § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO schränkt die Gewährung laufender Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen jedoch ein. Übersteigen die Unterkunftskosten einen der Be- sonderheit des Einzelfalles „angemessenen Umfang", so sind sie nur so lange anzuerkennen, als es dem Hilfeempfänger nicht möglich oder zuzumuten ist, durch Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken. In welcher Höhe die Unterkunftskosten angemessen sind, ist weder im BSHG noch in § 3 Abs. 1 RegelsatzVO nä- her erläutert. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl.

z.B. Beschluss vom 25. März 1996-4 M 1250/96-, Beschluss vom 24. Juli 1998 - 4 O 2084/ 98 - oder zuletzt Beschluss vom 23. April 2001 - 4 MA 1400/01 -, Vn.b.) ist 'zur Ermittlung der Angemessenheit der Aufwendungen für eine (bis zum 31. De- zember 2000 bezogene) Wohnung an die Höchstbeträge der Tabelle zu § 8 WoGG anzuknüpfen, wenn andere Anhalts- punkte wie Mietspiegel oder ähnliches fehlen. In Über- einstimmung damit hat die Antragsgegnerin in der Vergan- genheit für die Wohnung H. Straße 163 Kosten in Höhe von monatlich 1 660,- DM zuzüglich 350,- DM Heizungskosten, zusammen also 2 010,- DM monatlich, als angemessen an- gesehen. Dass hier die Voraussetzungen für die Be- rücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO vorlägen, ergibt sich weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch sonst aus dem Aktenin- halt.

Im Oktober 2000 haben die Antragsteller die Wohnung H.

Straße 163 zwar allenfalls noch kurzzeitig und im November 2000 überhaupt nicht mehr bewohnt. Nach der Rechtspre- chung des Senats kann aber die bis zur Beendigung des Miet- verhältnisses für die bisherige Wohnung - neben den für die neu bezogene Wohnung - geschuldete Miete als Unterkunfts- bedarf anerkannt werden, wenn es notwendig gewesen ist, dass der Hilfeempfänger gerade diese neue Wohnung zu die- sem Zeitpunkt gemietet und bezogen hat, und wenn er alles

(9)

ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um die Aufwendun- gen für die frühere Wohnung so gering wie möglich zu halten (Urteile des Senats vom 25. Juni 1997 - 4 L 7075/95 -und vom 10. März 1999 - 4 L 4401/98 -, Vn.b.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Mit dem Bezug der neuen Wohnung haben die Antragsteller ihre Unterkunftskosten sogar unter das Maß des Angemessenen gesenkt. Die Wohnung ist ihnen im Au- gust 2000 zur Miete ab Oktober 2000 angeboten worden. An- haltspunkte dafür, dass die Antragsteller den Zeitpunkt für den Beginn des Mietverhältnisses hätten hinausschieben können, um einen nahtlosen Anschluss an das Ende des alten Miet- verhältnisses (Kündigung frühestens zum Ende November 2000) zu erreichen, liegen nicht vor. Ebenso ist nicht er- sichtlich, dass die Antragsteller die doppelte Mietbelastung für die Miete Oktober und November 2000 etwa durch das Stellen geeigneter Nachmieter für die alte Wohnung hätten reduzieren können. Der Senat hält es für eher unwahrscheinlich, dass die Antragsteller in der Zeit zwischen der Kündigung des alten Mietverhältnisses und jedenfalls Anfang November 2000 ge- eignete Nachmieter für die alte Wohnung hätten finden kön- nen, die aufgrund ihrer Größe und der Mietkosten ohnehin nur für wenige Wohnungssuchende in Frage kommen dürfte.

Die Antragsteller haben somit Anspruch auf Übernahme der angemessenen Kosten für die Wohnung H. Straße 163 in den Monaten Oktober und November 2000 in Höhe von (1 660,- DM + 350,- DM = 2 010,- DM x 2 =) 4 020; DM. Zu den not- wendigen Unterkunftskosten im Sinne des § 12 BSHG kom- men hier neben den angemessenen Beträgen für Miete und Heizung allerdings auch die inzwischen angefallenen Zinsen und Vollstreckungskosten, denn diese Nebenkosten waren für die Antragsteller nicht .vermeidbar, da die Antragsgegnerin die eigentlichen Unterkunftskosten bisher nicht übernommen hat (vgl. Beschluss des Senats vom 1. Oktober 1985 - 4 OVG 81/85 -, V.n.b.). Da die Vermieterin hier Zinsen und Kosten für eine Gesamtforderung geltend macht, die über den von der Antragsgegnerin zu übernehmenden Teil der Kosten erheblich hinausgeht, kann der hier von der Antragsgegnerin zu über- nehmende Teil der Zinsen und Kosten lediglich geschätzt werden. Der Betrag von 4 020,- DM erfasst zwar zwei Drittel der von der Vermieterin geltend gemachten Hauptforderung von 6 368,81 DM. Die von der Vermieterin geltend gemachten Zinsen und Kosten betragen nach dem Stand 3. Mai 2001 1 623,62 DM zuzüglich Zinsen für seither rund 150 Tage ä 2,32 DM, d.h. Weitere 348,- DM. Zwei Drittel davon sind 1 315,- DM. Daraus ergibt sich der Gesamtbetrag der von der An- tragsgegnerin zu übernehmenden Kosten für die Wohnung H.

Straße 163 (Unterkunft und Heizung) für die Monate Oktober und November 2000 in Höhe von (4020,- DM + 1 315,- DM =) 5 335,- DM. Die Antragsgegnerin kann diesen Betrag (unter Bestimmung des Zahlungszwecks, § 366 BGB) direkt an die bevollmächtigten Rechtsanwälte der Vermieterin leisten.

Anmerkung/

Bewertung: Der Entscheidung ist zuzustimmen, zum einen von der inhalt- lichen Seite her, weil eine überlappende Mietzahlung in vielen Fällen unerlässlich ist, um eine neue Wohnung zu erhalten, die dann auch den Anforderungen der Sozialhilfe entspricht.

Dass in solchen Fällen auch Zinsen und Vollstreckungskosten entstehen können, die dann nicht zu vermeiden sind, wird zu- treffend dargestellt. Zum andern ist von Bedeutung, dass in diesem Sonderfall auch das Rechtsmittel der einstweiligen Anordnung als geeigneter Weg beschrieben wird.

Fundstelle: Beschluss des OVG Lüneburg vom 25.10.2001 – 4 MA 2958/01 – in NDV-RD 2002, Seite 10 ff.

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IDAS-A-10-3 –AGBG-§ 8-2002-04-09

Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen

§§ 8, 9 AGBG (§§ 305 ff. BGB)

Stichwort: Rücklastschrift und Scheckrückgabeklauseln

Leitsatz: Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Kreditin- stituten, die Girokunden mit dem Entgelt belasten, das Kredit- institute anderen Banken zu zahlen haben, wenn sie eigene Forderungen gegen Kunden per Lastschrift von Girokonten der Kunden bei anderen Banken einziehen und diese Banken Lastschriften zurückgeben, verstoßen gegen § 9 AGBG.

Klauseln, die Scheckeinreicher mit dem Entgelt belasten, das Inkassobanken bezogenen Banken zu zahlen haben, wenn diese die Einlösung von Schecks ablehnen, sind gem. § 8 AGBG der Inhaltskontrolle entzogen.

Thema/Fall: Es war darüber zu entscheiden, ob die Regelungen in Allge- meinen Geschäftsbedingungen von Kreditinstituten gültig sind, die zum einen den Scheckeinreicher mit dem Entgelt be- lasten, das die bezogenen Banken von der eigenen Bank ver- langt haben wenn die Einlösung des Schecks abgelehnt wird.

Zum anderen ging es um die Frage, ob Kreditinstitute ihre Gi- rokunden mit dem Geld belasten dürfen, das sie zu zahlen haben, wenn eigene Lastschriften zurückgegeben werden.

Entscheidungs-

auszüge: Die Klausel über die Erstattung fremder Kosten für Rücklast- schriften, deren Wirksamkeit die Bekl. mit der Anschlussrevi- sion weiterverfolgt, verstößt gegen § 9 I und II Nr. 1 AGBG.

Sie unterliegt gem. § 8 AGBG der Inhaltskontrolle, weil sie von Rechtsvorschriften abweicht. Nach dem übereinstim- menden Parteivortrag, von dem auch das BerGer. ausgegan- gen ist, betrifft die Klausel ausschließlich Fälle; in denen die Bekl. eigene Forderungen gegen Kunden per Lastschrift von Girokonten der Kunden bei anderen Kreditinstituten einzieht.

Wenn ein solches Kreditinstitut als Zahlstelle eine Lastschrift zurückgibt und dafür von der Bekl. gern. Abschnitt II Nr. 4 des Abkommens über den Lastschriftverkehr (Last- schriftabkommen) in der am 12. 12. 1995 in Kraft getretenen Fassung vom selben Tag ein Entgelt verlangt, hat die Bekl.

auf Grund der angegriffenen Klausel einen Anspruch gegen ihren Kunden auf Ersatz dieses Entgelts. Ein solcher An- spruch steht ihr auf Grund von Rechtsvorschriften i. S. des § 8 AGBG nicht in gleichem Umfang zu.

§ 670 BGB kommt als Anspruchsgrundlage nicht in Be- tracht. Die zwischen der Bekl. und ihren Kunden getroffene -Abrede über den Lastschrifteinzug ist weder eine Weisung

gern. § 665 S. 1 BGB im Rahmen eines Geschäftsbesor- gungsvertrags i. S. des § 675 I BGB noch ein Auftrag i. S. des

§ 662 BGB (ReiserlKrepold, in: Hellner/Steuer, Rdnr. 6/349).

Die Bekl. als Lastschriftgläubigerin nimmt den Einzug vor- wiegend im eigenen Interesse vor. Sie befolgt damit keine Weisung i. S. des § 665 S. 1' BGB und erfüllt auch keine Schuldnerpflicht i. S. des § 661 BGB (Cänaris, Bankver- tragsR, 3. Aufl.; Rdnr. 628).

Auch wegen positiver Vertragsverletzung steht der Bekl.

der in der angegriffenen Klausel geregelte Ersatzanspruch nicht in gleichem Umfang zu.

Rechtsvorschriften i. S. des § 8 AGBG sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern auch alle unge- schriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts sowie die auf Grund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhält- nisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten (BGHZ 121, 13 [181 = NJW 1993, 721 = LM H. 6/1993 § 339 BGB Nrn. 35, 36). Zu ihnen zählen auch die Grundsätze über die positive Vertragsverletzung.

Die streitige Klausel räumt der Bekl. einen Ersatzanspruch nicht nur für den Fall ein, dass die Rückgabe einer Lastschrift auf einer schuldhaften positiven Vertragsverletzung des Kun- den beruht, sondern auch in Fällen, in denen der Kunde die Rückgabe nicht zu vertreten hat. Ein Anspruch wegen positi- ver Vertragsverletzung besteht, wenn der Kunde, der auf Grund der Lastschriftabrede, einer, unselbstständigen Neben- abrede zum Kausalgeschäft (van Gelder, in: Schiman- skylBuntelLwowski, § 58 Rdnr. 149; ReiserlKrepold, in: Hell- nerlSteuer, Rdnr. 6/349), gegenüber der Bekl. als Gläubigerin verpflichtet ist, auf seinem Konto die zur Einlösung der Last- schrift erforderliche Deckung vorzuhalten (BGH, LM § 7 AVB f. UnfallVers. Nr. 1 = WM 198.5, 461 [462]; van Gelder, in:

SchimänskylBuntelLwowski, § 58 Rdnr. 157; ReiserlKrepold, in: HellnerlSteuer, Rdnr. 6/350), diese Pflicht schuldhaft ver- letzt und dadurch die Rückgabe der Lastschrift verursacht.

Hingegen liegt keine positive Vertragsverletzung vor, wenn der Kunde der Belastung seines Kontos zu Recht wider- spricht, weil er keine Einzugsermächtigung erteilt hat oder be- rechtigte Einwendungen aus dem Kausalgeschäft mit der Bekl. erhebt. Auch diese Fälle eines rechtswidrigen Zugriffs auf das Konto des Kunden bei einem anderen Kreditinstitut werden, anders als die Anschlussrevision meint, von der an- gegriffenen Klausel erfasst. Dies ergibt die im Ver- bandsprozess gebotene so genannte kundenfeindlichste Aus- legung der Klausel (§ 5 AGBG; Vgl. BGHZ 139, 190 [199] = NJW 1998, 3119 = IM H. 3/1999 § 9 [Ba] AGBG Nr. 33 m. w.

Nachw.). Die Anwendung der Klausel auf Rücklastschriften, die der Kunde nicht zu vertreten hat, ist nicht nur eine theore- tisch denkbare, praktisch aber fern .liegende Möglichkeit (vgl.

(11)

Ulmer, in: UlmerlBrandnerlHensen, AGBG, 9. Aufl., § 5 Rdnr.

26), sondern liegt bei objektiver, an Wortlaut und Regelungs- zusammenhang der Klausel sowie den Verständnismöglich- keiten der typischerweise angesprochenen Kunden orientierter Auslegung (BGHZ 139, 190 [199] = NJW. 1998, 3119 = LM H.

3/1999 § 9 [Ba] AGBG Nr. 33) durchaus nahe. Der Wortlaut der Klausel beschränkt ihre Geltung nicht auf Rücklastschrif- ten, die der Kunde zu vertreten hat, obwohl dies sprachlich durch die Einfügung weniger Wörter leicht möglich wäre. Zu- dem folgt die Klausel für Rücklastschriften im Preisverzeichnis der Bekl. unmittelbar auf die Klausel für Scheckrückgaben, mit der sie auch in der Formulierung weit gehend übereinstimmt.

Die Klausel für Scheckrückgaben gilt aber, - wie dargelegt - unabhängig davon, ob der Scheckeinreicher die Rückgabe zu vertreten hat. Dass dies bei Rücklastschriften anders sein soll, ist der angegriffenen Klausel nicht zu entnehmen.

Der somit eröffneten Inhaltskontrolle gem. §§ 9-11 AGBG hält die Klausel nicht stand. Die Inanspruchnahme des Kun- den auf Ersatz des Entgelts, das die Bekl. anderen Kreditinsti- tuten für Rücklastschriften, die der, Kunde nicht zu vertreten hat, zu zahlen hat, ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar (§ 9 II Nr. 1 AGBG) und benachteiligt den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 9 I AGBG).

Es ist ein wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Re- gelung i. S. des § 9 II Nr. 1 AGBG, dass eine Verpflichtung zum Schadensersatz regelmäßig außer, einer objektiven Pflichtwidrigkeit auch ein schuldhaftes Verhalten voraussetzt (BGHZ 114, 238 [240] = NJW 1991, 1886 = LM § 9 [Blj AGBG Nr. 31; BGHZ 115, 38 [42] = NJW 1991, 2414 = IM H. 1/1992

§ 104 BGB Nr. 10; BGHZ 119, 152 [1681 = NJW 1992, 3158 = IM H. 2/1993 § 651 a BGB Nr. 7). Eine verschuldensunabhän- gige Haftung kann nur ausnahmsweise wirksam vereinbart werden, wenn sie durch höhere Interessen des AGB- Verwenders gerechtfertigt oder durch Gewährung rechtlicher Vorteile ausgeglichen wird (B;GHZ 135, 116 [121] = I~JW 1.997, 1700 = LM H. 7/1997 § 9 [Bl] AGBG Nr. 53 m. w.

Nachw.). . Mit diesem Grundgedanken ist die angegriffene Klausel nicht vereinbar, weil sie - wie dargelegt - eine Scha- densersatzpflicht des Kunden auch dann begründet, wenn er die Rücklastschrift nicht zu vertreten hat. Eine Rechtfertigung durch höhere Interessen -der Bekl. oder ein Ausgleich durch Gewährung rechtlicher Vorteile sind nicht ersichtlich und wer- den von der Bekl. nicht geltend gemacht. Diese beruft sich .nur erfolglos darauf, die Klausel gelte nicht für Rücklastschrif- ten, die ihre Kunden nicht zu vertreten haben.

Eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemes- sene Benachteiligung der Kunden der Bekl. ist damit indiziert.

Gründe, die die Klausel gleichwohl nicht als unangemessen erscheinen lassen, werden von der Bekl. nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Anmerkung/

Bewertung: Die Entscheidung ist, insbesondere was die Rückgabe von Lastschriften betrifft, zu begrüßen, auch im Hinblick auf die Schecks dürfte sie nicht zu kritisieren sein. Insbesondere der Teil, der die Rückgabe von Lastschriften betrifft, ist für die Schuldnerberatung von Bedeutung, da häufig eine ganze Rei- he von weiteren unnützen Schulden durch derartige Rücklast- schriften entstehen.

Fundstelle: Urteil des BGH vom 09.04.2002 – XI ZR 245/01 – in NJW 2002, S. 1950 ff.

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IDAS-A-10-7 –InsO-§ 20-2002-04-24

Verbraucherinsolvenzrecht

§§ 20, 98 InsO

Stichwort: Auskunftspflicht und Amtsermittlung

Leitsatz: Das Insolvenzgericht ist auch bei einem Eigenantrag verpflich- tet, die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners im Eröffnungsverfahren zwangsweise durchzusetzen, die Zu- rückweisung des Antrags allein wegen der Nichterteilung von Auskünften gegenüber dem Sachverständigen ist verfahrens- fehlerhaft.

Thema/Fall: Ein Schuldner hatte selbst einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, dann aber dem Sachverständi- gen nicht die erforderlichen Auskünfte zum Verbleib der Ver- mögensgegenstände aus der Zeit seiner Selbständigkeit ge- geben. Es ging jetzt darum, ob wegen dieser Pflichtverletzung der Antrag zurückzuweisen war.

Entscheidungs-

auszüge: Die Zurückweisung des Antrags des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen der nicht erteilten Auskünfte gegenüber dem Sachverständigen ist verfahrensfehlerhaft und führt deshalb zur Aufhebung dieser Entscheidung. Das AG hätte die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten, die den Schuldner gem. § 20 Abs. 1 Ins0 im Eröffnungsverfahren tref- fen, durchsetzen müssen. Das Insolvenzverfahren unterliegt nach § 5 Ins0 dem Amtsermittlungsgrundsatz. Das Insolvenz- gericht hat deshalb von Amts wegen alle Umstände zu ermit- teln, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Hierzu gehört insbesondere die Frage der Zahlungsunfähigkeit des Schuld- ners und das Vorhandensein einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse. Dieser Grundsatz gilt unabhängig von den in §§ 20, 97, 98 Ins0 geregelten Auskunfts- und Mitwir- kungspflichten des Schuldners. Kommt der Schuldner diesen Pflichten im Eröffnungsverfahren nicht nach, wird der Amt- sermittlungsgrundsatz dadurch nicht eingeschränkt. Vielmehr muss das Insolvenzgericht die Auskunft des Schuldners zwangsweise durchsetzen. Es ist nicht zulässig, den Antrag des Schuldners wegen seiner fehlenden Mitwirkung zurück- zuweisen (LG Köln, NZI 2001, 559 = ZIns0 2001, 1017; Küb- ler/Prütting/Pupe, Ins0, Stand 3/02, § 20 Rn. 8a; Haarmey- er/Wutzke/Förster, Handbuch zur Ins0, 3. Aufl., 3 Rn. 167;

Heidelberger Kommentar zur InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 20 Rn.

15). Dabei spielt es keine Rolle. ob es sich um den Eigenan- trag eines nicht antragspflichtigen Schuldners handelt, denn auch in diesem Fall gilt der Amtsermittlungsgrundsatz unein- geschränkt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Gläubiger in dem Fall, dass das Gericht im derzeitigen Stadium den An- trag auf Eröffnung des Verfahrens wegen der fehlenden Mit-

wirkung des Schuldners zurückweist, schlechter gestellt wer- den, als würden die Mitwirkungspflichten durchgesetzt und das Verfahren fortgeführt. Bei der Fortführung des Verfahrens stellt die fehlende Mitwirkung beim Eigenantrag einen Versa- gungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 Ins0 dar, so dass die Gläubiger im Hinblick darauf die Versagung der Restschuldbe- freiung beantragen könnten. Weist jedoch das Gericht den Antrag zurück und stellt der Schuldner erneut einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, löst die verweigerte Mit- wirkung nunmehr keine neuen Sanktionen aus und dem Schuldner wäre bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Restschuldbefreiung zu gewähren (vgl. Kübler/Prütting/Pape, a.a.0., Rn. 8a).

Letztlich kann das AG die Zurückweisung des Antrags des Schuldners auch nicht damit rechtfertigen, dass es unklar sei, ob der Schuldner zu einem Anhörungstermin erscheinen wer- de, die Durchsetzung eines Vorführungsbefehls wenig erfolg- versprechend und ein Haftbefehl unverhältnismäßig sei. Das AG darf die Erfolglosigkeit der Aufklärungsmaßnahmen nicht unterstellen, denn allein aus der Tatsache, dass der Schuld- ner auf Schreiben des Sachverständigen nicht reagiert hat, rechtfertigt sich nicht der Schluss, er werde auch gerichtlichen Aufforderungen nicht nachkommen, zumal diese zwangsweise durchgesetzt werden können (vgl. LG Göttingen, ZIP 1996, 145). Der Beschluss ist deshalb in diesem Punkt aufzuheben, das Verfahren muss insoweit vom AG fortgeführt werden.

Anmerkung/

Bewertung: Es dürfte zu begrüßen sein, dass vom Gericht der Amtsermitt- lungspflicht der Vorzug gegeben wird und nicht nur die Verlet- zung der Auskunftspflicht zur Ablehnung führt.

Fundstelle: Beschluss des LG Göttingen vom 24.04.2002 - 10 T 11/02 – In ZinsO 2002, S. 590 ff.

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IDAS-A-10-7 –InsO-§ 290-2002-02-04

Verbraucherinsolvenzrecht

§ 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO

Stichwort: Nichtangabe von Einkünften

Leitsatz: Der Schuldner ist verpflichtet, in seinen nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO aufzustellenden Verzeichnissen seine Einkünfte vollständig anzugeben.

Die Nichtangabe von Einkünften, die unterhalb der Pfän- dungsfreigrenzen liegen, kann einen Versagungsgrund gem.

§ 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO darstellen.

Der Schuldner wird von dem Vorwurf, den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO vorsätzlich oder fahrlässig ver- wirklicht zu haben, nicht ohne weiteres dadurch entlastet, dass er ein ihm von anwaltlicher Seite zur Verfügung gestell- tes Formular ausgefüllt hat, in dem Angaben zu seinen Ein- kommensverhältnissen nicht vorgesehen waren; ein vormals im Geschäftsleben tätiger Schuldner muss von sich aus er- kennen, dass er insoweit vollständige und richtige Angaben zu machen hat.

Thema/Fall: Ein früherer GmbH-Geschäftsführer hatte im Insolvenzverfah- ren nur unzureichende Angaben zu dem Einkommen ge- macht, das er durch Anstellung bei seiner Tochter bezog. Ihm war ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt worden, das vom Einkommen abgezogen wurde. Es ging um die Frage, ob die- ses zur Versagung der Restschuldbefreiung führt.

Entscheidungs-

auszüge: Bzgl. der letztlich entscheidenden Frage, ob der Schuldner auch der Höhe nach unpfändbare Einkünfte hätte angeben müssen, ist aber eine Gesetzesverletzung in der Entschei- dung des LG nicht festzustellen. Das Beschwerdegericht ist vielmehr zu Recht davon ausgegangen, dass Einkünfte unab- hängig von ihrer Pfändbarkeit vollständig und richtig angege- ben werden müssen. Zwar mag sich bei Unpfändbarkeit der Einkünfte die Nichtangabe auf die Befriedigung der Gläubiger nicht unmittelbar auswirken, für die Gläubiger ist aber gleich- wohl die Information, ob der Schuldner überhaupt einer un- selbstständigen Tätigkeit nachgeht und welche Einkünfte er dabei erzielt, von entscheidender Bedeutung. Dies zeigen be- reits die Regelungen der Obliegenheiten des Schuldners in § 295 Abs. 1 Ins0, die allerdings hier noch nicht anzuwenden sind. Der Schuldner hat seine Einkünfte nicht nur im Hinblick auf mögliche Abführungen an den Treuhänder anzugeben, vielmehr muss er mit der Angabe seines Einkommens den Gläubigern auch die Möglichkeit geben, zu überprüfen, ob er für seine Tätigkeit eine adäquate Vergütung erzielt. Dies ist

vorliegend - insoweit ist den Ausführungen des LG uneinge- schränkt beizutreten - nicht der Fall. Der Schuldner erzielt für eine Vollzeittätigkeit eine vollkommen inadäquate Bezahlung, aus der ohne weiteres der Schluss gezogen werden kann, dass die Höhe der Einkünfte des Schuldners nur im Hinblick auf das anstehende Restschuldbefreiungsverfahren derart ge- ring ist. Weiterhin zutreffend hat das LG berücksichtigt, dass dem Schuldner neben seiner unangemessenen Bezahlung ein hochwertiges Kraftfahrzeug zur Verfügung gestellt worden ist, für das ihm ein annähernd ebenso hoher Betrag in Rechnung gestellt worden ist, wie seine gesamten übrigen Einkünfte ausmachen. Dass entsprechende Informationen, die den Schluss nahe legen könnten, der Schuldner habe seine Ein- künfte nur unvollständig angegeben, für die Gläubiger von Bedeutung sind und im Hinblick auf die Pflichten des Schuld- ners aus § 305 Abs. 1 Ins0 vollständig gegeben sind, bedarf keiner großen Diskussion. Auch wenn die Unvollständigkeit der Angaben des Schuldners eine gewisse Erheblichkeit ha- ben muss (dazu Ahrens, in: Frankfurter Kommentar zur Insol- venzordnung, § 290 Rn. 54; Wenzel, in: Kübler/Prütting, Ins0,

§ 290 Rn. 22), kann sich diese Erheblichkeit aus der Beant- wortung der Frage ergeben, ob der Schuldner Vermögensge- genstände verschweigt, die für die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung gestellt werden müssten. Insoweit sind auch die Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen, die ein Recht darauf haben, über die Vermögens- und Einkommensverhält- nisse des Schuldners umfassend informiert zu werden. Das LG hat zutreffend erkannt, dass es nicht zur Disposition des Schuldners gestellt ist, ob er unpfändbare Einkünfte ver- schweigt oder nicht.

Der Entscheidung des LG steht nicht entgegen, dass die Gläubiger möglicherweise auch aufgrund von Angaben des Schuldners an anderer Stelle hätten erkennen können, welche Einkünfte der Schuldner erzielt. Die Verzeichnisse nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 Ins0, deren Vollständigkeit und Richtigkeit der Schuldner zu versichern hat, sollen den Gläubigern derartige Nachforschungen gerade ersparen. Der Schuldner muss sei- ne wirtschaftlichen Verhältnisse vorbehaltlos offenbaren.

Die Entscheidung des LG ist auch in subjektiver Hinsicht nicht zu beanstanden. Das LG ist zutreffend von einer Gesamtwür- digung des Schuldnerverhaltens ausgegangen (dazu bereits Senat, Beschl. v. 23.7.2001 - 2 W 71/01, ZIns0 2001, 757 = NZI 2001, 399 = DZWIR 2001, 516 m. Anm. Ahrens). Im Rahmen einer solchen Gesamtwürdigung kann das Gericht eine früheren Tätigkeit des Schuldners berücksichtigen, die Aufschlüsse über dessen Möglichkeiten, die Bedeutung fal- scher Angaben im Schuldenbereinigungsplan zu erkennen, gibt. Es kann auch das weitere Verhalten des Schuldners - hier etwa die fortdauernde Benutzung eines im Hinblick auf das erzielte Einkommen und die damit für die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehenden Beträge extrem be- nachteiligende Benutzung eines hochwertigen und damit auch

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im Unterhalt teuren Fahrzeuges - in seine Überlegungen ein- beziehen. Bei einem Schuldner, der in dieser Art und Weise demonstriert, dass er trotz des von ihm eingeleiteten Rest- schuldbefreiungsverfahrens zu keinen Einschränkungen sei- ner persönlichen Bedürfnisse bereit ist, liegt der Schluss auf eine vorsätzliche - zumindest aber grob fahrlässige - Benach- teiligung der Gläubiger nahe. Dass dem Schuldner insoweit unvollständige Formulare von anwaltlicher Seite zur Verfü- gung gestellt worden sind, in denen nicht einmal die Angabe des Vermögens des Schuldners vorgesehen ist, kann den Schuldner auch in subjektiver Hinsicht nicht entlasten. Von ei- nem ehemals als Geschäftsführer einer GmbH tätigen Schuldner muss erwartet werden, dass er selbst erkennt, wel- che Angaben er gegenüber dem Insolvenzgericht zu machen hat.

Anmerkung/

Bewertung: Der Entscheidung dürfte zuzustimmen sein.

Fundstelle: Beschluss des OLG Celle vom 04.02.2002 – 2 W 5/02 – in ZinsO 2002, S. 230 ff.

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IDAS-A-10-7 –InsO-§ 290-2002-02-12

Verbraucherinsolvenzrecht

§ 290 Abs. 1, 295 Abs. 1, 296 InsO

Stichwort: Ausschluss von Strafgefangenen von der Restschuldbe- freiung

Leitsatz: Die Anwendbarkeit der Versagungsgründe der §§ 295, 296 InsO, die die Versagung in der Wohlverhaltensperiode regeln, kann vorverlagert werden. Die Versagung der Restschuldbe- freiung kann im eröffneten Insolvenzverfahren auch auf die §§

295, 296 InsO gestützt werden.

Ein langjährig inhaftierter Straftäter ist kein redlicher Schuld- ner i.S.d. Gesetzes. Ihm ist die Restschuldbefreiung zu versa- gen, weil er nicht die reale Möglichkeit hat, nach seinen Fä- higkeiten Einkünfte zu erzielen.

Thema/Fall: Ein Schuldner, der Kleingewerbetreibender war, verbüßte eine 12-jährige Haftstrafe und beantragte 1 ½ Jahre nach der In- haftierung die Restschuldbefreiung. Fraglich war, ob es hier einen Grund für die Versagung gibt.

Entscheidungs-

auszüge: Dem Schuldner ist darin zuzustimmen, dass die Versagung der Restschuldbefreiung vor Beginn der Wohlverhaltensperio- de grds. nur auf die in § 290 Abs. 1 InsO genannten Gründe gestützt werden kann. Die Versagungsgründe sind nach all- gemeiner Auffassung abschließend aufgezählt (vgl. Kohte u.a., Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren,

§ 290 Rn. 5; Kübler/Prütting, Kommentar zur Insolvenzord- nung, § 290 Rn. 2 jeweils m.w.N.). Der vom AG angeführte Versagungsgrund des Verstoßes gegen die Verpflichtung, in zumutbarer Weise Einkommen zu erwerben, ist darin nicht aufgeführt. Daraus in strikter Anwendung der §§ 290, 291 In- sO die Konsequenz zu ziehen, die Restschuldbefreiung anzu- kündigen und sodann während des Laufes der Abtretungser- klärung die Voraussetzungen der §§ 295, 296 InsO zu prüfen, stellt nach Auffassung der Kammer jedoch eine unnötige För- melei dar und wird zudem Sinn und Zweck der Vorschriften für die Restschuldbefreiung nicht gerecht.

Restschuldbefreiung soll nach der Zielsetzung des Gesetzge- bers nur der Schuldner erlangen können, der redlich ist und sich bei Beachtung der berechtigten Interessen der Gläubiger nichts hat zuschulden kommen lassen. Dies ist bei der jetzi- gen Lebenssituation des Schuldners nicht gegeben. Er ist auf- grund seiner langjährigen Strafhaft erkennbar nicht in der La- ge, seiner Obliegenheit, eine angemessen Erwerbstätigkeit auszuüben oder sich zumindest um eine solche zu bemühen, nachzukommen. Der Schuldner kann voraussichtlich im Straf-

vollzug nur Tätigkeiten ausüben, die immer unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegen werden. Dadurch werden die be- rechtigten Interessen seiner Gläubiger verletzt. Sie können von einem Schuldner erwarten, dass er jede zumutbare Be- schäftigung ausübt, um seine Schulden zu tilgen. § 295 Ins0 verlangt, dass eine reale Möglichkeit besteht, dass Gläubiger einen Teil ihrer Forderungen befriedigt erhalten. Die bestmög- liche Gläubigerbefriedigung durch den Einsatz der Arbeitskraft zur Erzielung möglichst hohen Einkommens ist dem Schuld- ner jedoch gerade durch die Strafhaft genommen. Diese nachhaltige Beschränkung seiner Erwerbsmöglichkeiten ist dem strafgefangenen Schuldner als Verstoß gegen seine Ob- liegenheitsverpflichtung aus § 295 InsO vorzuhalten, auch wenn der Grund für die Beschränkung seiner Erwerbs- möglichkeiten vor dem Antrag auf Restschuldbefreiung liegt.

Ein langjährig inhaftierter Straftäter ist nicht als redlicher Schuldner i.S.d. Gesetzes anzusehen, gleich, wann die Ursa- che für seine Strafhaft gesetzt wurde. Wollte man dieses an- ders entscheiden, hieße dieses im Ergebnis, dass jeder lang- jährige Strafgefangene zwangsläufig mit dem Ende seiner Strafhaft zum Nachteil seiner Gläubiger von seinen Verbind- lichkeiten ohne Schuldentilgung befreit werden würde, ohne dass er tatsächlich Wohlverhalten gegenüber seinen Gläubi- gern zu leisten hatte. Dies verstößt gegen Sinn und Zweck der Restschuldbefreiung und ist auch nicht durch den Gedanken der Resozialisierung zu rechtfertigen, die durch eine Schul- denfreiheit am Ende der Strafhaft zweifelsohne gefördert wer- den würde. Vielmehr ist es jedem Strafgefangenen unter Be- rücksichtigung der Interessen seiner Gläubiger zumutbar, sei- ne Resozialisierung durch Entschuldung über die Restschuld- befreiung unter eigener Verantwortung erst dann zu betreiben, wenn er in der Strafhaft als Freigänger die reale Möglichkeit zur Erzielung von Erwerbseinkommen hat oder dazu nach Ende der Strafhaft in der Lage ist. Eine Resozialisierung gleichsam ohne Verantwortung für selbst bestimmte eigene Handlungen zum Zwecke der Entschuldung einseitig zum Nachteil der Gläubiger erreichen zu können, ist nach Auffas- sung der Kammer nicht durch die Vorschriften der InsO be- zweckt und zu rechtfertigen.

Gegen die Entscheidung, die Restschuldbefreiung zu versa- gen, spricht nach Auffassung der Kammer auch nicht, dass Voraussetzung der Restschuldbefreiung nicht ist, dass Gläu- biger eine Mindestbefriedigung erhalten müssen oder der Schuldner im Zeitpunkt der Abtretung überhaupt über Ein- kommen verfügt. Entscheidend ist vielmehr, dass für den Schuldner die reale Möglichkeit besteht, nach seinen Fähig- keiten Einkünfte zu erzielen. Dies ist bei einem langjährigen Strafgefangenen nicht der Fall.

Der Schuldner kann ebenfalls nicht damit durchdringen, dass die Gläubigerin ihren Antrag auf Versagung nicht binnen der Jahresfrist gern. § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO gestellt habe. Sie habe bereits im September 1999 von der Strafhaft gewusst,

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den Antrag aber erst am 25.1.2001 gestellt. Die Jahresfrist ist auf den vorliegenden Fall der Versagung nicht anwendbar.

Der Schuldner hat seinen Insolvenzantrag und Antrag auf Restschuldbefreiung erst am 15.2.2000 gestellt. Erst nach Er- öffnung des Insolvenzverfahrens und Kenntnis von dem Rest- schuldbefreiungsantrag des Schuldners im November 2000 konnte die Gläubigerin den Versagungsantrag stellen. Dies hat sie rechtzeitig getan. Aus ihrem vorherigen Verhalten war, anders als es § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO voraussetzt, nicht ab- zuleiten dass sie aus der Kenntnis des Versagungsgrundes keinen für den Schuldner nachteiligen Prüfungsantrag ableiten werde.

Anmerkung/

Bewertung: Es erscheint durchaus zweifelhaft, ob der abgeschlossene Katalog des § 290 Abs. 1 durch entsprechende Anwendung von §§ 295, 296 InsO erweitert werden kann. Hier wird sicher- lich noch weitere Rechtsprechung zu erwarten sein. Proble- matisch ist sicherlich, dass auf Grund der Verhältnisse im Strafvollzug die Wohlverhaltensperiode vermutlich voll in die Zeit des Strafvollzuges fällt und auch kaum entsprechendes Einkommen zu erzielen ist. Dem gegenüber gibt es auch sonst Fälle, in denen eine Erwerbstätigkeit, die etwas ein- bringt, nahezu ausgeschlossen ist und in denen doch eine Restschuldbefreiung nicht ausgeschlossen werden soll. In der Anmerkung von Jens Wilhelm ist auch das Beispiel des geis- tig oder körperlich behinderten Erwerbsunfähigen erwähnt. Es dürfte auch schwierig sein, die Restschuldbefreiung an den Freigängerstatus zu binden, denn auch diese ist möglicher- weise eines Tages zu Ende ggf. auch ohne Verschulden des Betreffenden.

Fundstelle: Beschluss des LG Hannover vom 12.02.2002 – 20 T 2225/01 -

-80- mit Anm. von Jens Wilhelm in ZinsO 2002, S. 449 ff.

(17)

IDAS-A-10-7 –InsO-§ 290-2002-04-17

Verbraucherinsolvenzrecht

§§ 290 Abs. 1 Nr. 6, 305 Abs. 1 Satz 1, 307 Abs. 3 Satz 1

Stichwort: Restschuldbefreiung bei Angabenkorrektur

Leitsatz: Die Restschuldbefreiung kann nicht wegen Mängeln der mit dem Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfah- rens und auf Restschuldbefreiung eingereichten Unterlagen versagt werden, wenn der Schuldner noch im Eröffnungsver- fahren seine ursprünglichen nicht vorsätzlich falschen Anga- ben gem. § 305 III 1 oder § 307 III 1 InsO korrekt ergänzt oder berichtigt.

Thema/Fall: Eine Schuldnerin hatte im Eröffnungsverfahren unzutreffende Angaben gemacht. So hatte sie zwar eine Bank als Besitzerin eines Autos und auch eine monatliche Ratenzahlung angege- ben; die Angabe zur Darlehnshöhe wurde allerdings erst nachgeholt. Ähnlich war es bei einem Bausparvertrag, zu dem sie zwar die Ansparrate, nicht aber das Guthaben genannt hatte. Es war jetzt fraglich, ob dies zur Versagung der Rest- schuldbefreiung führen musste.

Entscheidungs-

auszüge: Bereits in objektiver Hinsicht rechtfertigen die von der Schuld- nerin im Eröffnungsverfahren in Bezug auf das Darlehen bei der Bank und das Guthaben aus dem Bausparvertrag ge- machten Angaben nicht den Vorwurf der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit. Denn die Schuldnerin hat noch innerhalb des Eröffnungsverfahrens von der ihr in § 305 III 1 und § 307 III 1 Ins0 eingeräumten Möglichkeit, Fehlendes zu ergänzen oder unrichtige Angaben zu ändern, Gebrauch gemacht. Die noch im Eröffnungsverfahren erfolgte Ergänzung oder Berich- tigung genügt, um eine Versagung nach § 290 1 Nr. 6 Ins0 auszuschließen. Dies ist hier der Fall.

Darlehen bei der Bank

Bereits im Eröffnungsantrag vom 15. 2. 2000 gab die Schuldnerin mit der Benennung der Bank (mit vollständiger Anschrift) als Besitzerin des Kfz-Briefs und mit der Angabe ei- ner monatlichen Ratenzahlung von 297 DM an die Bank deut- liche Hinweise auf eine offene Darlehensschuld. Die noch feh- lende Angabe der Darlehenshöhe (ca. 10 000 DM) holte die Schuldnerin noch im Eröffnungsverfahren nach, als sie mit Schreiben vom 10. 3. 2000 dem Insolvenzgericht gegenüber die Mitteilungen der Gläubigerin vom 24. 2. 2000 bestätigte.

Auch der Umstand, dass trotz des Bestehens dieser Darle- hensrestschuld die Schuldnerin weder am 15. 2. noch am 10.

3. 2000 die Bank in das Gläubigerverzeichnis aufnahm, recht- fertigt eine Versagung nach § 290 1 Nr. 6 Ins0 nicht. Denn die Schuldnerin hat mit den Anlagen 1 und 3 der Erstbeschwerde

vom 7. 9. 2001 hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihre El- tern ihr seinerzeit zugesagt hatten, ihr diese Darlehenslast ab- zunehmen. Die Mitteilung des Treuhänders im Schlusstermin, er habe die Bank am 17. 4. 2000 (als mögliche Gläubigerin) angeschrieben, aber keine Antwort erhalten, bestätigt zusätz- lich die Glaubhaftmachung der Schuldnerin. In dem offenkun- digen Motiv dieser Schuldübernahme (nämlich der Schuldne- rin für Berufsausübung und Kinderbetreuung die weitere Nut- zung des Fahrzeugs zu sichern) liegt weder etwas Verwerfli- ches noch eine „grobe Benachteiligung" der Bg., der der Weg- fall eines konkurrierenden Gläubigers durch freiwillige Leis- tungen der Eltern lediglich Vorteile bringt.

Guthaben aus Bausparvertrag

Es ist unstreitig, dass die am 15. 2. 2000 auf Seite 2 der An- lage 4 zum Eröffnungsantrag vorgenommene Eintragung „100 DM" nicht das damalige Guthaben darstellte. Auch in diesem Fall hat die Schuldnerin ihren Fehler noch im Eröffnungsver- fahren in einer die Anwendung von § 290 I Nr. 6 Ins0 aus- schließenden Weise berichtigt. Denn sie hat am 10. 3. 2000 dem Insolvenzgericht mitgeteilt, mit „100 DM" habe sie die monatliche Ansparrate gemeint, der ihr von 1999 bekannte Kontostand liege bei ca. 1600 bis 1700 DM. Mit dieser Ergän- zung ist nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falls die Schuldnerin ihrer Auskunftspflicht nach § 305 I und III Ins0 ausreichend nachgekommen; denn der mitgeteilte Kontostand am 7.3. 2000, nämlich 2194,10 DM, entspricht der Größenordnung nach (bei Berücksichtigung einer seit 1999 monatlich hinzukommenden Ansparrate von 100 DM) den von der Schuldnerin im Eröffnungsverfahren gemachten Angaben, d. h., diese sind bereits objektiv nicht unrichtig i. S. von § 290 I Nr. 6 Ins0. Im Übrigen konnte der damals aktuelle, exakte Kontostand jederzeit von jedem Beteiligten erfragt werden, wie die Drittschuldnerauskunft vom 7. 3. 2000 gegenüber der Bg., die Mitte Februar 2000 Pfändungsgläubigerin dieses Gut- habens geworden war, belegt.

Die Vorlage der in §§ 305 1 Nr. 3, 307 I Ins0 genannten Verzeichnisse dient nicht buchhalterischen Zwecken; sondern - insbesondere, was das Vermögens- und das Gläubigerver- zeichnis betrifft - der Entlastung des Insolvenzgerichts und der Information der Gläubiger über die Grundlagen der geplanten Schuldenbereinigung (Grote, in: Frankfurter Komm. z. Ins0, 3.

Aufl., § 305 Rdnrn. 1, 23, und Ahrens, in: Frankfurter Komm.

z. Ins0, § 290 Rdnr. 53; Römermann, in: NerlichlRörnermann, Ins0, Stand: November 2000, § 305 Rdnrn. 31 f.; Hess, Ins0,

§ 305 Rdnr. 52). Hinsichtlich des Forderungsverzeichnisses ist der Schuldner ohnehin auf eine aktuelle Rechnungslegung der Gläubiger angewiesen (Grote, in: Frankfurter Komm. z.

Ins0, § 305 Rdnr. 32), so dass ohne deren Hilfe die Angaben des Schuldners häufig nicht buchhalterisch korrekt sein wer- den, aber dennoch den Gesetzeszweck insbesondere in Be- zug auf die Erstellung des Schuldenbereinigungsplans erfül-

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len. Der Versagungsgrund des § 290 I Nr. 6 Ins0 ist daher nicht erfüllt, wenn der Schuldner nach Maßgabe der §§ 305 III 1, 307 III 1 Ins0 seine Verzeichnisse korrigiert (Ahrens, in:

Frankfurter Komm. z. Ins0, § 290 Rdnr. 52).

Anmerkung/

Bewertung: Die Entscheidung ist zu begrüßen. Es wäre nicht einzusehen, dass im Verbraucherinsolvenzverfahren, das ja auch gerade geschäftlich nicht so erfahrene Bürger schützen soll, auch ein zunächst unzureichender, aber im weiteren Verfahren von sich aus ergänzter Vortrag zur Versagung der Restschuldbe- freiung führen könnte.

Fundstelle: Beschluss des BayObLG vom 17.04.2002 – 4Z BR 20/02 - NZI 2002, S. 392 ff.

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