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Grundkurs H¨ohere Mathematik II (f¨ur naturwissenschaftliche Studieng¨ange) SS 2003

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(1)

Grundkurs H¨ohere Mathematik II (f¨ ur naturwissenschaftliche

Studieng¨ange) SS 2003

Prof. Dr. Udo Hebisch

Warnung:

Dieses Skript enth¨ alt nur Definitionen und S¨ atze.

Es ersetzt nicht den Besuch der Vorlesung.

Erl¨ auterungen und Beispiele zum Skript werden

ausschließlich in der Vorlesung gebracht.

(2)

1 VEKTOREN

1 Vektoren

In der Physik sind Vektoren Gr¨ oßen, zu deren Beschreibung die Angabe eines Be- trages und einer Richtung notwendig ist, z. B. Kraft, Geschwindigkeit, Feldst¨ arke, Drehmoment, etc. Dagegen bezeichnet man Gr¨ oßen, zu deren Beschreibung die Angabe einer reellen Zahl reicht, als Skalare.

In der Mathematik dagegen faßt man wesentlich abstrakter Vektoren als Ele- mente eines Vektorraumes auf und Skalare als Elemente eines K¨ orpers. Was man dabei unter einem Vektorraum bzw. K¨ orper versteht, wird recht allgemein durch Rechenregeln beschrieben, die man in diesem Zusammenhang als Axiome bezeich- net. Wir betrachten hier nur die konkreten K¨ orper R der reellen Zahlen und C der komplexen Zahlen. Auch die Vektoren fassen wir zun¨ achst noch sehr speziell auf:

Definition 1.1 Ein Vektor (des Anschauungsraumes oder der Ebene) ist eine gerichtete Strecke. Ist P der Anfangspunkt und Q der Endpunkt einer solchen gerichteten Strecke, dann bezeichnet man diesen Vektor mit P Q. ~

Man betrachtet Vektoren als gleich, wenn sie die gleiche L¨ ange und die gleiche Richtung haben.

Ubliche abk¨ ¨ urzende Symbole f¨ ur Vektoren sind ~a,~b, ~c, . . . oder a, b, c, . . . oder a, b, c, . . ..

Unter dem Betrag | a | eines Vektors a versteht man die L¨ ange der gerichteten Strecke. Es ist also stets a = | a | ≥ 0 ein Skalar. Ein Vektor a heißt Einheitsvek- tor, wenn f¨ ur seine L¨ ange | a | = 1 gilt.

W¨ ahlt man f¨ ur einen Vektor Anfangs- und Endpunkt gleich, etwa P , so bezeich- net man P P ~ = o als Nullvektor. Es ist | o | = 0 und der Nullvektor ist der einzige Vektor, der keine Richtung besitzt. F¨ ur einen beliebigen Vektor a gilt offensicht- lich a = o ⇐⇒ | a | = 0.

Der zu a entgegengesetzte Vektor − a entsteht aus a durch Vertauschen von An- fangs- und Endpunkt. Man hat dann offensichtlich − o = o und | − a | = | a | .

Die Addition von Vektoren geschieht nach dem Parallelogrammprinzip.

(3)

1 VEKTOREN

7

7 -

-

1

a a

b b + a b

a + b

Daher gilt f¨ ur diese Vektoraddition das Kommutativgesetz a + b = b + a und das Assoziativgesetz (a + b) + c = a + (b + c).

F¨ ur die Addition von Vektoren gelten die gleichen Rechenregel wie f¨ ur die Ad- diton reeller (oder komplexer) Zahlen: Die Vektoren eines Vektorraumes bilden bez¨ uglich der Addition eine kommutative Gruppe.

Definition 1.2 Eine Gruppe (G, · ) besteht aus einer nichtleeren Menge G und einer Multiplikation · , die jedem Paar (a, b) von Elementen aus G eindeutig ein Produkt a · b ∈ G zuordnet, so daß die folgenden Axiome (Rechengesetze) gelten.

(1) Assoziativgesetz: a · (b · c) = (a · b) · c f¨ ur alle a, b, c ∈ G.

(2) Es gibt ein Einselement e ∈ G, so daß e · a = a = a · e f¨ ur alle a ∈ G gilt.

(3) Zu jedem a ∈ G gibt es ein Inverses a

−1

∈ G, so daß a · a

−1

= e = a

−1

· a gilt.

Eine Gruppe heißt kommutativ oder abelsch (Niels Henrik Abel), wenn stets gilt (4) a · b = b · a.

Bemerkung 1.3 Meist schreibt man kurz ab anstelle von a · b. Speziell f¨ ur kom- mutative Gruppen benutzt man oft die additive Schreib- und Sprechweise: (G, +), Addition statt Multiplikation, Summe statt Produkt, Nullelement 0 statt Einsele- ment e, Entgegengesetztes − a statt Inverses a

1

.

Beispiel 1.4 a) Die additiven Gruppen der ganzen Zahlen ( Z , +), der rationalen Zahlen ( Q , +), der reellen Zahlen ( R , +) und der komplexen Zahlen ( C , +) sind abelsch. Das gleiche gilt f¨ ur die multiplikativen Gruppen ( Q \ { 0 } , · ), ( R \ { 0 } , · ) und ( C \ { 0 } , · ).

b) Die komplexen Zahlen vom Betrag 1, also U = { c = a + ib ∈ C | | c | =

a

2

+ b

2

= 1 } bilden eine Untergruppe von ( C \ { 0 } , · ). Damit ist (U, · ) ebenfalls

kommutativ. F¨ ur jedes n ∈ N bildet U

n

= { c = e

2πik/n

| k = 0, . . . , n − 1 }

(4)

1 VEKTOREN

wiederum eine Untergruppe von U . Wegen ihrer geometrischen Interpretation nennt man U

n

auch die Drehgruppe der Ordnung n oder die zyklische Gruppe der Ordnung n. Sie besitzt genau n Elemente, ist also im Unterschied zu allen bisherigen Beispielen eine endliche Gruppe. So liefert sie etwa f¨ ur n = 1 die nur aus einem Element bestehende Gruppe G = { 1 } und f¨ ur n = 2 die Gruppe G = {− 1, 1 } .

c) F¨ ur jede nichtleere Menge M bildet die Menge S

M

aller bijektiven Abbildungen f : M → M bez¨ uglich der Nacheinanderausf¨ uhrung (f ◦ g)(m) = f(g(m)) f¨ ur alle m ∈ M eine Gruppe, die symmetrische Gruppe von M . Speziell f¨ ur endliches M nennt man diese Abbildungen auch Permutationen und schreibt S

n

im Fall

| M | = n. Es gilt bekanntlich | S

n

| = n!.

Wie gerade gesehen, liefern die Zahlenbereiche der rationalen, reellen oder kom- plexen Zahlen stets eine additive und eine multiplikative Gruppe. Man verallge- meinert diese Situation zum Begriff des kommutativen K¨ orpers.

Definition 1.5 Ein (kommutativer) K¨ orper (K, +, · ) besteht aus einer nichtlee- ren Menge K mit einer Addition + und einer Multiplikation · , so daß folgende Axiome gelten.

(5) (K, +) ist eine kommutative Gruppe mit dem Nullelement 0.

(6) (K \ { 0 } , · ) ist eine (kommutative) Gruppe mit dem Einselement 1.

(7) Distributivgesetze: a · (b + c) = a · b + a · c und (b + c) · a = b · a + c · a f¨ ur alle a, b, c ∈ K . Im folgenden werden nur kommutative K¨ orper betrachtet!

Beispiel 1.6 a) ( Q , +, · ), ( R , +, · ) und ( C , +, · ) sind K¨ orper mit unendlich vielen Elementen.

b) F¨ ur jede Primzahl p bildet die Menge Z/(p) = { 0, 1, . . . , p − 1 } mit der Addition

⊕ und der Multiplikation modulo p den K¨ orper Z modulo p. Speziell f¨ ur p = 2 erh¨ alt man so den K¨ orper der Bin¨ arzahlen.

Definition 1.7 Die Multiplikation eines Vektors a mit einer reellen Zahl (einem Skalar) λ geschieht folgendermaßen:

λ = 0 : 0a = o,

λ > 0 : λa ist der Vektor mit gleicher Richtung wie a und L¨ ange | λa | = λ | a | ,

(5)

1 VEKTOREN

λ < 0 : λa = − ( | λ | a), also der Vektor mit der Richtung von − a und der L¨ ange

| λa | = | λ || a | .

Satz 1.8 F¨ ur Vektoren a, b und Skalare λ, µ ∈ R gelten die Rechenregeln 1) (λµ)a = λ(µa),

2) (λ + µ)a = λa + µa, 3) λ(a + b) = λa + λb, 4) 1a = a.

Diese Rechenregeln nimmt man als Axiome zur abstrakten Definition eines Vek- torraumes ¨ uber einem kommutativen K¨ orper.

Definition 1.9 Unter einem K-Vektorraum V ¨ uber einem K¨ orper (K, +, · ) ver- steht man eine abelsche Gruppe (V, +), deren Elemente man Vektoren nennt, f¨ ur die eine skalare Multiplikation definiert ist, die jedem Skalar λ ∈ K und jedem Vektor x ∈ V einen Vektor λx zuordnet, so daß die folgenden Vektorraumaxiome f¨ ur alle λ, µ ∈ K und x, y ∈ V gelten.

(8) (λµ)x = λ(µx), (9) (λ + µ)x = λx + µx, (10) λ(x + y) = λx + λy, (11) 1x = x.

Beispiel 1.10 a) F¨ ur jeden K¨ orper K und jedes n ∈ N bildet die Menge K

n

aller n-Tupel (x

1

, . . . , x

n

) mit x

i

∈ K f¨ ur i = 1, . . . , n den arithmetischen K- Vektorraum, wenn man Summe und skalare Multiplikation komponentenweise gem¨ aß

(12) (x

1

, . . . , x

n

) + (y

1

, . . . , y

n

) = (x

1

+ y

1

, . . . , x

n

+ y

n

) und (13) λ(x

1

, . . . , x

n

) = (λx

1

, . . . , λx

n

)

definiert. Speziell ergibt dies die bekannten Vektorr¨ aume R

2

und R

3

.

b) Die Menge aller Polynome P ol( R ) oder P ol( C ) mit reellen oder komplexen

Koeffizienten bildet mit der Polynomaddition und der Multiplikation mit Skala-

ren(=Konstanten) einen R - bzw. C -Vektorraum.

(6)

1 VEKTOREN

c) F¨ ur jede nichtleere Teilmenge I ⊆ R bildet die Menge Abb(I, R ) aller reellwer- tigen Funktionen f : I → R ebenfalls einen R-Vektorraum. Eine entsprechende Aussage gilt f¨ ur komplexwertige Funktionen. Diese Vektorr¨ aume sind Beispiele f¨ ur Funktionenr¨ aume, bei denen die “Vektoren” also Funktionen sind.

Definition 1.11 Vektoren x

1

, . . . , x

n

eines K-Vektorraumes V heißen linear un- abh¨ angig, wenn die Linearkombination des Nullvektors λ

1

x

1

+ . . . + λ

n

x

n

= o nur f¨ ur λ

1

= . . . = λ

n

= 0 m¨ oglich ist, sonst heißen sie linear abh¨ angig. Eine maximale Anzahl x

1

, . . . , x

n

von linear unabh¨ angigen Vektoren eines Vektorraumes V heißt eine Basis von V und n dann die Dimension von V , in Zeichen: n = dim(V ).

Besitzt ein Vektorraum keine endliche Basis, so setzt man dim(V ) = ∞ .

Bemerkung 1.12 Die Vektoren x

1

, . . . , x

n

eines K-Vektorraumes V sind genau dann linear abh¨ angig, wenn sich wenigstens einer von ihnen als Linearkombination der anderen schreiben l¨ aßt.

Satz 1.13 Jeder Vektorraum besitzt eine Basis. Je zwei Basen eines Vektorrau- mes sind gleich lang, die Dimension ist also eindeutig bestimmt.

Beispiel 1.14 a) Die Vektoren e

i

= (0, . . . , 0, 1, 0, . . . , 0) f¨ ur i = 1, . . . , n bilden die Standardbasis des arithmetischen Vektorraums K

n

, wobei genau an der i-ten Komponente von e

i

eine 1 steht. Also ist dim(K

n

) = n.

b) Die Vektorr¨ aume der Polynome P ol( R ) und P ol( C ) haben jeweils die unend- liche Basis e

i

= x

i

f¨ ur i = 0, 1, . . ..

c) S¨ amtliche oben angegebenen Funktionenr¨ aume sind unendlich-dimensional.

F¨ ur den (Anschauungs-)Raum gelten einfache Aussagen bez¨ uglich der linearen Abh¨ angigkeit:

Satz 1.15 1) Zwei Vektoren sind genau dann linear abh¨ angig, wenn sie bei glei- chem Anfangspunkt auf einer Geraden liegen.

2) Drei Vektoren sind genau dann linear abh¨ angig, wenn sie bei gleichem An- fangspunkt in einer Ebene liegen. Also sind drei Vektoren in einer Ebene stets linear abh¨ angig.

3) Vier Vektoren des Raumes sind stets linear abh¨ angig.

(7)

1 VEKTOREN

Definition 1.16 Je drei linear unabh¨ angige Vektoren des Raumes (Je zwei linear unabh¨ angige Vektoren der Ebene) bilden also eine Basis des Raumes (der Ebene).

Sind a

1

, a

2

, a

3

eine solche Basis des Raumes, dann hat jeder Vektor b des Raumes eine eindeutige Darstellung

b = λ

1

a

1

+ λ

2

a

2

+ λ

3

a

3

.

Dabei heißen λ

1

a

1

, λ

2

a

2

, λ

3

a

3

die Komponenten von b bez¨ uglich a

1

, a

2

, a

3

und λ

1

, λ

2

, λ

3

die Koordinaten von b bez¨ uglich a

1

, a

2

, a

3

.

Eine Orthonormalbasis (ONB) ist eine Basis aus paarweise senkrechten Einheits- vektoren e

1

, e

2

, e

3

. Man unterscheidet

6

e

2

e

1

@

@

@ R e

3

Linkssysteme und 6

e

2

- e

1

e

3

Rechtssysteme

Zusammen mit einem festen Punkt O, dem Koordinatenursprung, definiert eine ONB ein kartesisches Koordinatensystem (Ren´ e Descartes, 1596 - 1650). In einem solchen Koordinatensystem ist jeder Punkt P durch seinen Ortsvektor x

P

= OP ~ eindeutig bestimmt. Man nennt λ

1

, λ

2

, λ

3

mit x

P

= λ

1

e

1

+ λ

2

e

2

+ λ

3

e

3

die Koor- dinaten von P , in Zeichen: P = (λ

1

, λ

2

, λ

3

).

F¨ ur Vektoren a = a

1

e

1

+ a

2

e

2

+ a

3

e

3

und b = b

1

e

1

+ b

2

e

2

+ b

3

e

3

nennt man a =

a

1

a

2

a

3

 und b =

b

1

b

2

b

3

die Koordinatendarstellungen von a bzw. b.

Es gilt dann a = b ⇐⇒ a

1

= b

1

∧ a

2

= b

2

∧ a

3

= b

3

sowie

a

1

a

2

a

3

 +

b

1

b

2

b

3

 =

a

1

+ b

1

a

2

+ b

2

a

3

+ b

3

 und λ

a

1

a

2

a

3

 =

λa

1

λa

2

λa

3

 .

Auch diese Begriffsbildungen lassen sich wieder auf beliebige (endlichdimensio- nale) Vektorr¨ aume ¨ ubertragen:

Definition 1.17 Ist V ein n-dimensionaler K-Vektorraum und a

1

, . . . , a

n

eine

Basis von V , dann kann jeder Vektor x ∈ V eindeutig als Linearkombination

gem¨ aß x = x

1

a

1

+ . . . + x

n

a

n

mit x

i

∈ K geschrieben werden. Man nennt die

Skalare x

i

dann die Koordinaten von x bez¨ uglich der Basis a

1

, . . . , a

n

.

(8)

2 SKALARPRODUKT

Bemerkung 1.18 Durch Einf¨ uhrung von Koordinaten bez¨ uglich einer festen Basis kann man s¨ amtliche Rechnungen in einem n-dimensionalen K-Vektorraum V auf Rechnungen in K

n

zur¨ uckf¨ uhren.

Geradengleichung

In der Gleichung x = x

0

+λa durchl¨ auft x alle Ortsvektoren der Geraden g, wenn λ ganz R durchl¨ auft. Darin heißt λ Parameter, a Richtungsvektor und x

0

Ortsvektor des Aufpunktes von g.

Ebenengleichung (vektorielle Form)

In der Gleichung x = x

0

+ λa + µb durchl¨ auft x die Ortsvektoren aller Punkte der Ebene E, wenn λ und µ unabh¨ angig voneinander ganz R durchlaufen. Hierin heißen λ und µ Parameter der Ebenengleichung und die Richtungsvektoren a und b sind linear unabh¨ angige Vektoren, die E aufspannen. Auch hier ist x

0

Ortsvektor des Aufpunktes von E.

2 Skalarprodukt

Im folgenden bezeichne

6

(a, b) den Winkel zwischen den (Richtungen der beiden) Vektoren a und b. Es ist also 0 ≤

6

(a, b) ≤ π.

Definition 2.1 Das Skalarprodukt der Vektoren a und b ist erkl¨ art durch a · b = ab =

0, f¨ ur a = o oder b = o,

| a || b | cos(

6

(a, b)), sonst.

Es ist also ab immer ein Skalar und kein Vektor!

F¨ ur Vektoren a und b ist ab = 0 genau dann, wenn a = o oder b = o oder

6

(a, b) =

π2

gilt. Man sagt dann, die beiden Vektoren a und b seien orthogonal oder senkrecht zueinander, in Zeichen: a ⊥ b.

F¨ ur einen Vektor a 6 = o ist a

o

=

|aa|

ein Einheitsvektor in Richtung von a und man nennt

ba

o

= | b | cos(

6

(a, b))

die orthogonale Projektion von b auf (die Richtung) von a. (Man beachte, daß f¨ ur

6

(a, b) >

π2

das Vorzeichen negativ ist.)

(9)

2 SKALARPRODUKT

Satz 2.2 F¨ ur Vektoren a, b, c und Skalare λ gilt 1) ab = ba,

2) a

2

= aa = | a |

2

,

3) (λa)b = λ(ab) = a(λb), 4) (a + b)c = ac + bc.

Satz 2.3 Es seien die Vektoren a =

a

1

a

2

a

3

 und b =

b

1

b

2

b

3

 bez¨ uglich einer ONB e

1

, e

2

, e

3

dargestellt. Dann gelten

1) a

1

= ae

1

, a

2

= ae

2

, a

3

= ae

3

, 2) ab = a

1

b

1

+ a

2

b

2

+ a

3

b

3

, 3) | a | = q a

21

+ a

22

+ a

23

.

4) Der Abstand der Punkte P

1

= (x

1

, y

1

, z

1

) und P

2

= (x

2

, y

2

, z

2

), also die L¨ ange des Vektors P

1

~ P

2

, ist d = q (x

1

− x

2

)

2

+ (y

1

− y

2

)

2

+ (z

1

− z

2

)

2

.

Auch die Begriffsbildung des Skalarproduktes l¨ aßt sich auf allgemeinere Vek- torr¨ aume ausdehnen:

Definition 2.4 Ein Skalarprodukt · auf einem R -Vektorraum V ist eine Abbil- dung · : V × V → R , die jedem Paar (x, y) von Vektoren aus V eine reelle Zahl x · y zuordnet, so daß folgende Axiome f¨ ur alle Vektoren und Skalare gelten (vgl.

Satz 2.2):

(14) Positive Definitheit: x · x ≥ 0 und x · x = 0 ⇐⇒ x = o, (15) Symmetrie: x · y = y · x,

(16) (Bi)-Linearit¨ at: (x

1

+ x

2

) · y = (x

1

· y) + (x

2

· y) und (λx) · y = λ(x · y).

Man nennt Skalarprodukte daher auch positiv definite, symmetrische Bilinear- formen. Ein R -Vektorraum V mit Skalarprodukt heißt ein euklidischer Raum.

Elemente x, y ∈ V mit x · y = 0 heißen orthogonal, ein Vektor x ∈ V mit x · x = 1

ist ein Einheitsvektor.

(10)

2 SKALARPRODUKT

Bemerkung 2.5 Durch eine leichte Modifikation der Forderung (15) gelingt es, auch f¨ ur C -Vektorr¨ aume ein Skalarprodukt zu definieren.

Beispiel 2.6 F¨ ur x = (x

1

, . . . , x

n

), y = (y

1

, . . . , y

n

) ∈ R

n

wird durch x · y =

P

n

i=1

x

i

y

i

ein Skalarprodukt definiert (vgl. Satz 2.3 2)), also ist R

n

ein euklidischer Raum. Will man ein entsprechendes Skalarprodukt f¨ ur x, y ∈ C

n

definieren, so hat man in der Formel f¨ ur x · y nur ¨ uberall y

i

durch die konjugiert komplexe Zahl y

i

zu ersetzen.

Definition 2.7 Eine Norm auf einem R - oder C -Vektorraum V ist eine Abbil- dung || || : V → R , die jedem Vektor x ∈ V seine Norm oder L¨ ange || x || ∈ R zuordnet, so daß die folgenden Axiome f¨ ur alle Vektoren und Skalare gelten:

(17) Positive Definitheit: || x || ≥ 0 und || x || = 0 ⇐⇒ x = o, (18) Homogenit¨ at: || λx || = | λ ||| x || ,

(19) Dreiecksungleichung: || x + y || ≤ || x || + || y || .

Beispiel 2.8 Ist · ein Skalarprodukt auf V , dann wird durch || x || = √

x · x f¨ ur alle x ∈ V eine Norm auf V definiert (vgl. Satz 2.3 3)). Auf dem euklidischen Raum R

n

erh¨ alt man so die ¨ ubliche L¨ ange von Vektoren. Weiterhin kann man auf jedem Raum mit Skalarprodukt den Winkel zwischen zwei Vektoren x und y defi- nieren, indem man die Gleichung x · y = || x |||| y || cos(

6

(x, y)) nach

6

(x, y) aufl¨ ost (vgl. Definition 2.1), und schließlich ist auch der Begriff der Orthonormalbasis f¨ ur jeden derartigen Vektorraum sinnvoll.

Bemerkung 2.9 In jedem Vektorraum, auf dem eine Norm definiert ist, kann man wie f¨ ur Zahlenfolgen auch f¨ ur Vektorfolgen einen Grenzwertbegriff definieren und damit eine “Analysis” betreiben.

Ebenengleichung (skalare Form)

Die Ebene E sei gegeben durch einen (Auf-)Punkt P

0

∈ E (bzw. dessen Ortsvek- tor x

0

) und einen Normalenvektor n ⊥ E. Dann gilt f¨ ur den Ortsvektor x eines beliebigen Punktes P ∈ E

n(x − x

0

) = 0 ⇐⇒ nx = nx

0

. Setzt man also x =

x y z

 , n =

a b c

 und nx

0

= d, so gilt

ax + by + cz = d.

(11)

3 VEKTORPRODUKT

Aus einer derartigen Gleichung kann man n =

a b c

 ablesen, aber die L¨ ange und die Richtung von n sind nicht eindeutig bestimmt! Dagegen ist der Norma- leneinheitsvektor n

o

=

|nn|

bis auf einen Faktor ± 1 eindeutig bestimmt. Nimmt man n

o

f¨ ur die Ebenengleichung, dann heißt n

o

x = d

0

ihre Hessesche Normalform (HNF) (Ludwig Otto Hesse, 1811 - 1874). Man erh¨ alt die HNF, indem man die Ebenengleichung durch | n | = √

a

2

+ b

2

+ c

2

dividiert:

ax + by + cz

√ a

2

+ b

2

+ c

2

= d

√ a

2

+ b

2

+ c

2

= d

0

.

Sei F der Fußpunkt des Lotes vom Koordinatenursprung O auf E und P ∈ E beliebig. Dann ist n

o

x = d

0

die orthogonale Projektion von x auf n

o

und | d

0

| der Abstand der Ebene E von O. Es ist d

0

= 0, wenn O in E liegt. Sonst ist d

0

> 0, wenn n

o

von O zur Ebene zeigt, und d

0

< 0 andernfalls.

3 Vektorprodukt

Definition 3.1 Das Vektorprodukt von Vektoren a und b ist definiert als ein Vektor a × b mit den folgenden Eigenschaften:

1) Seine L¨ ange ist | a × b | = | a || b | sin(

6

(a, b)).

2) Er steht auf a und b senkrecht: a × b ⊥ a und a × b ⊥ b.

3) a, b und a × b bilden in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem.

Es ist a × b = o genau dann, wenn a und b linear abh¨ angig sind.

Satz 3.2 F¨ ur Vektoren a, b und Skalare λ gelten die Rechenregeln 1) b × a = − (a × b),

2) (λa) × b = λ(a × b) = a × (λb),

3) (a × b)

2

= a

2

b

2

− (ab)

2

.

(12)

3 VEKTORPRODUKT

Definition 3.3 Das Spatprodukt der Vektoren a, b, c ist (a × b)c.

Satz 3.4 F¨ ur Vektoren a, b, c gelten die Rechenregeln 1) a, b, c sind linear abh¨ angig ⇐⇒ (a × b)c = 0.

2) Sind a, b, c linear unabh¨ angig, so gilt

a, b, c ist ein Rechtssystem ⇐⇒ (a × b)c > 0.

3) (a × b)c = (b × c)a = (c × a)b,

4) (a + b) × c = a × c + b × c, a × (b + c) = a × b + a × c.

Warnung: Es ist i. a. (a × b) × c 6 = a × (b × c).

Satz 3.5 F¨ ur das Kreuzprodukt von Vektoren a, b, c gilt der Entwicklungssatz:

(a × b) × c = (ac)b − (bc)a.

Definition 3.6 Eine zweireihige Determinante ist definiert gem¨ aß

a

1

b

1

a

2

b

2

= a

1

b

2

− a

2

b

1

, wobei die a

i

und b

i

reelle oder komplexe Zahlen sind.

Eine dreireihige Determinante ist definiert gem¨ aß

a

1

b

1

c

1

a

2

b

2

c

2

a

3

b

3

c

3

= a

1

b

2

c

3

+ b

1

c

2

a

3

+ c

1

a

2

b

3

− c

1

b

2

a

3

− a

1

c

2

b

3

− b

1

a

2

c

3

.

Man kann die Berechnung dreireihiger Determinanten rekursiv auf die Berech- nung zweireihiger Unterdeterminanten zur¨ uckf¨ uhren. Dabei entsteht z. B. die Unterdeterminante zu a

i

durch Streichen derjenigen Zeile und derjenigen Spalte, in der a

i

steht. So erh¨ alt man etwa die Entwicklung nach der 1. Spalte

a

1

b

1

c

1

a

2

b

2

c

2

a

3

b

3

c

3

= a

1

b

2

c

2

b

3

c

3

− a

2

b

1

c

1

b

3

c

3

+ a

3

b

1

c

1

b

2

c

2

.

(13)

3 VEKTORPRODUKT

Die Determinante kann ebenso nach einer anderen Spalte oder Zeile entwickelt werden, wenn man das schachbrettartige Vorzeichenmuster beachtet

+ − +

− + − + − + ,

z. B. nach der 2. Zeile

a

1

b

1

c

1

a

2

b

2

c

2

a

3

b

3

c

3

= − a

2

b

1

c

1

b

3

c

3

+ b

2

a

1

c

1

a

3

c

3

− c

2

a

1

b

1

a

3

b

3

.

Analog k¨ onnen n-reihige Determinanten (n = 4, 5, . . .) nach einer Zeile oder Spal- te entwickelt und so letztlich auf zweireihige Determinanten zur¨ uckgef¨ uhrt wer- den.

Satz 3.7 F¨ ur jede dreireihige Determinante D =

a

1

b

1

c

1

a

2

b

2

c

2

a

3

b

3

c

3

gelten:

1) D ¨ andert sich nicht, wenn man Zeilen mit Spalten vertauscht (“Spiegelung an der Hauptdiagonalen”):

a

1

b

1

c

1

a

2

b

2

c

2

a

3

b

3

c

3

=

a

1

a

2

a

3

b

1

b

2

b

3

c

1

c

2

c

3

.

2) D darf nach jeder Zeile bzw. Spalte entwickelt werden.

3) Vertauscht man zwei Zeilen bzw. Spalten, dann ¨ andert D das Vorzeichen.

4) Multipliziert man eine Zeile bzw. Spalte mit einem Faktor λ, so wird D mit λ multipliziert.

5) Addiert man zu einer Zeile (bzw. zu einer Spalte ) ein Vielfaches einer anderen Zeile (bzw. Spalte ), so ¨ andert sich D nicht.

6) Es ist D = 0 genau dann, wenn die Spaltenvektoren (Zeilenvektoren ) linear abh¨ angig sind. Es ist D > 0 genau dann, wenn die Spaltenvektoren (Zeilenvekto- ren) in ihrer gegebenen Reihenfolge ein Rechtssystem bilden.

Die Aussagen 1) - 5) gelten f¨ ur beliebige n-reihige Determinanten.

(14)

4 MATRIZEN

4 Matrizen

Definition 4.1 Eine m × n-Matrix ist ein rechteckiges Zahlenschema der Form

A =

a

1,1

. . . a

1,n

a

2,1

. . . a

2,n

.. . .. . a

m,1

. . . a

m,n

mit a

i,j

∈ R oder C , den Koordinaten von A. Eine solche Matrix besteht also aus m Zeilen(vektoren)

(a

i,1

, . . . , a

i,n

) f¨ ur i = 1, . . . , m und n Spalten(vektoren)

a

1,j

.. . a

m,j

f¨ ur j = 1, . . . , n. Man schreibt dann auch formal kurz A = (a

i,j

). Gilt speziell a

i,j

= 0 f¨ ur alle i und j , so spricht man von der m × n-Nullmatrix.

F¨ ur m = n heißt A quadratisch. Gilt speziell a

i,j

= δ

i,j

mit dem Kronecker-Symbol (Leopold Kronecker, 1823 - 1891)

δ

i,j

=

1 f¨ ur i = j 0 sonst, so heißt E

n

= (δ

i,j

) die n × n-Einheitsmatrix.

A = (a

i,j

) heißt Diagonalmatrix, wenn a

i,j

= 0 f¨ ur i 6 = j gilt, und obere Dreiecks- matrix, wenn a

i,j

= 0 f¨ ur i > j gilt.

Die zu A transponierte Matrix A

T

entsteht aus A durch Vertauschen von Zeilen mit Spalten bzw. durch Spiegelung an der Hauptdiagonalen. Im Falle A

T

= A nennt man A symmetrisch, im Falle A

T

= − A = ( − a

i,j

) schiefsymmetrisch.

Definition 4.2 Sind A = (a

i,j

) und B = (b

i,j

) beides m × n-Matrizen und ist λ eine reelle (oder komplexe) Zahl, dann definiert man die Addition durch

A + B = (a

i,j

+ b

i,j

) und die Multiplikation mit dem Skalar λ durch

λA = (λa

i,j

)

jeweils f¨ ur i = 1, . . . , m und j = 1, . . . , n, also koordinatenweise.

(15)

4 MATRIZEN

Satz 4.3 F¨ ur die Addition von m × n-Matrizen gelten die gleichen Rechenregeln wie f¨ ur die Addition von reellen (oder komplexen) Zahlen und damit wie f¨ ur Vektoren. Die Mengen M

m,n

( R ) bzw. M

m,n

( C ) aller dieser Matrizen bilden also bez¨ uglich der Matrizenaddition abelsche Gruppen.

F¨ ur die Multiplikation mit Skalaren gelten die Rechenregeln aus Satz 1.8.

Die m × n-Matrizen bilden also auch jeweils einen Vektorraum ¨ uber dem K¨ orper der reellen (oder komplexen ) Zahlen. Dieser Vektorraum hat die Dimension mn.

Definition 4.4 Ist A = (a

i,j

) eine m × n- und B = (b

j,k

) eine n × l-Matrix, dann definiert man das Matrizenprodukt durch A · B = AB = (c

i,k

) als die m × l-Matrix mit c

i,k

= P

nj=1

a

i,j

b

j,k

. (Merkregel: c

i,k

ist das “Skalarprodukt” der i-ten Zeile von A mit der k-ten Spalte von B.)

Satz 4.5 F¨ ur Matrizen gelten folgende Rechenregeln, wobei vorausgesetzt sei, daß die jeweiligen Summen und Produkte definiert sind.

1) (λA)B = λ(AB) = A(λB) f¨ ur λ ∈ R bzw. C . 2) AE = A = EA f¨ ur die n × n-Einheitsmatrix E.

3) (AB)C = A(BC).

4) A(B + C) = AB + AC, (A + B)C = AC + BC.

5) (AB)

T

= B

T

A

T

.

Definition 4.6 Eine n × n-Matrix A heißt invertierbar oder regul¨ ar, wenn es eine Matrix B gibt mit

AB = BA = E

n

.

Hierbei ist B eindeutig bestimmt. Man schreibt B = A

1

und nennt A

1

die zu A inverse Matrix. Eine nicht regul¨ are quadratische Matrix heißt singul¨ ar.

Satz 4.7 Sind A und B invertierbare n × n-Matrizen, dann ist auch AB inver- tierbar und es gilt (AB)

−1

= B

−1

A

−1

.

Beispiel 4.8 Die Menge GL(n, R ) aller invertierbaren n × n-Matrizen ¨ uber R

(und ebenso ¨ uber C ) bildet also bez¨ uglich der Matrizenmultiplikation jeweils eine

Gruppe, die lineare Gruppe der Ordnung n uber ¨ R (bzw. ¨ uber C ). Die Menge

AO(n, R ) = { A ∈ GL(n, R ) | A

−1

= A

T

} aller orthogonalen n × n-Matrizen

(16)

5 LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

¨

uber R bildet eine Untergruppe von GL(n, R ), die orthogonale Gruppe. F¨ ur or- thogonale Matrizen A ist | det(A) | = 1 nach dem folgenden Satz. Gilt dabei det(A) = 1, so nennt man A eigentlich orthogonal, sonst uneigentlich orthogonal.

Alle diese Gruppen sind unendlich und nicht kommutativ. Die Zeilenvektoren (Spaltenvektoren) einer orthogonalen Matrix A sind wegen AA

T

= E s¨ amtlich Einheitsvektoren und paarweise orthogonal zueinander. Sie bilden also eine ONB des Vektorraumes R

n

.

Definition 4.9 Die Determinante einer n × n-Matrix A = (a

i,j

) det(A) =

a

1,1

. . . a

1,n

.. . .. . a

n,1

. . . a

n,n

wird durch Zeilen- bzw. Spaltenentwicklung wie im vorigen Abschnitt definiert.

Satz 4.10 F¨ ur n × n-Matrizen A und B gelten 1) det(E

n

) = 1.

2) det(AB) = det(A) det(B).

3) Genau f¨ ur det(A) 6 = 0 ist A regul¨ ar. In diesem Fall gilt det(A

−1

) =

det(A)1

.

5 Lineare Gleichungssysteme

Definition 5.1 Es sei A = (a

i,j

) eine m × n-Matrix mit reellen (oder komplexen) Zahlen a

i,j

und b =

b

1

.. . b

m

 ein Spaltenvektor. Dann heißt a

1,1

x

1

+ . . . + a

1,n

x

n

= b

1

a

2,1

x

1

+ . . . + a

2,n

x

n

= b

2

.. .

a

m,1

x

1

+ . . . + a

m,n

x

n

= b

m

ein lineares Gleichungssystem (LGS) mit m Gleichungen, n Unbekannten x

i

, der Koeffizientenmatrix A und der rechten Seite b. Man faßt die Unbekannten in ei- nem Vektor x =

x

1

.. . x

n

 zusammen und schreibt das LGS in Matrixform Ax = b.

(17)

5 LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

F¨ ur b = o heißt das LGS homogen, sonst inhomogen. Gesucht sind alle L¨ osungs- vektoren x =

x

1

.. . x

n

 , also konkrete Zahlen x

1

, . . . , x

n

∈ R bzw. C , die s¨ amtliche Gleichungen erf¨ ullen. Unter der L¨ osungsmenge des LGS versteht man die Menge aller L¨ osungsvektoren und unter der allgemeinen L¨ osung eine Formel, die alle L¨ osungsvektoren beschreibt.

Zur Bestimmung der allgemeinen L¨ osung eines LGS dient das Gaußsche Elimi- nationsverfahren (Carl Friedrich Gauß, 1777 - 1855):

Man schreibt das LGS kurz als

a

1,1

a

1,2

. . . a

1,n

b

1

a

2,1

a

2,2

. . . a

2,n

b

2

.. . .. . .. . .. . a

m,1

a

m,2

. . . a

m,n

b

m

Folgende Umformungen f¨ uhren das LGS in ein ¨ aquivalentes, d. h. in eines mit gleicher L¨ osungsmenge ¨ uber.

1) Zeilenvertauschungen,

2) Spaltenvertauschungen links von | (entspricht Umnumerierung der Unbekann- ten),

3) Multiplikation einer Zeile mit einer Zahl λ 6 = 0, 4) Addition des λ-fachen einer Zeile zu einer anderen.

Man sorgt jetzt durch 1) und 2) daf¨ ur, daß a

1,1

6 = 0 gilt. Dann multipliziert man die erste Zeile mit

a1

1,1

. Im neuen System ist dann also a

1,1

= 1!

F¨ ur i = 2, . . . , m multipliziert man nun die erste Zeile mit − a

i,1

und addiert sie zur i-ten Zeile. Man erh¨ alt das Zwischenergebnis

1 a

1,2

. . . a

1,n

b

1

0 a

2,2

. . . a

2,n

b

2

.. . .. . .. . .. . 0 a

m,2

. . . a

m,n

b

m

Ohne Ver¨ anderung der ersten Spalte sorgt man nun durch 1) und 2) daf¨ ur, daß a

2,2

6 = 0 gilt, und multipliziert die zweite Zeile mit

a1

2,2

. Im neuen System ist dann

a

2,2

= 1!

(18)

5 LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

F¨ ur alle i 6 = 2 multipliziert man die zweite Zeile mit − a

i,2

und addiert sie zur i-ten Zeile. Man erh¨ alt das Zwischenergebnis

1 0 a

1,3

. . . a

1,n

b

1

0 1 a

2,3

. . . a

2,n

b

2

.. . .. . .. . .. . 0 0 a

m,3

. . . a

m,n

b

m

Dieses Verfahren setzt man fort, bis man am unteren Rand des Schemas angelangt ist oder links von | nur noch Nullzeilen ¨ ubrig sind. Man ist also bei folgendem Ergebnis angelangt:

1 0 . . . 0 a

1,j+1

. . . a

1,n

b

1

0 1 . . . 0 a

2,j+1

. . . a

2,n

b

2

.. . .. . . .. ... .. . .. . .. . 0 0 . . . 1 a

j,j+1

. . . a

j,n

b

j

0 0 . . . 0 0 . . . 0 b

j+1

.. . .. . .. . .. . .. . .. . 0 0 . . . 0 0 . . . 0 b

m

Dieses (und damit das urspr¨ ungliche) LGS ist genau dann l¨ osbar, wenn b

j+1

= b

j+2

= . . . = b

m

= 0 gilt. In diesem Fall k¨ onnen x

j+1

= λ

1

, x

j+2

= λ

2

, . . . , x

n

= λ

n−j

beliebig gew¨ ahlt werden. Die restlichen Unbekannten x

1

, . . . , x

j

sind f¨ ur jede solche Wahl dann eindeutig bestimmt. Die L¨ osungsmenge hat also n − j

“Freiheitsgrade” bzw. die “Dimension” n − j:

x

1

= b

1

− a

1,j+1

λ

1

− . . . − a

1,n

λ

n−j

.. .

x

j

= b

j

− a

j,j+1

λ

1

− . . . − a

j,n

λ

n−j

x

j+1

= λ

1

x

j+2

= λ

2

.. .

x

n

= λ

n−j

Dies ist die allgemeine L¨ osung des LGS mit den frei w¨ ahlbaren Parametern λ

1

, . . . , λ

n−j

. Man schreibt sie auch in vektorieller Form

x =

b

1

.. . b

j

0 0 .. . 0

+ λ

1

− a

1,j+1

.. .

− a

j,j+1

1 0 .. . 0

+ · · · + λ

nj

− a

1,n

.. .

− a

j,n

0 0 .. . 1

(19)

6 LINEARE ABBILDUNGEN

Bedeutung der Determinanten

Die Koeffizientenmatrix A eines LGS sei quadratisch. Ist det(A) 6 = 0, so existiert A

−1

und das LGS Ax = b ist mit jeder beliebigen rechten Seite b eindeutig l¨ osbar.

Man erh¨ alt die L¨ osung als x = A

−1

b.

Ist umgekehrt das LGS Ax = b f¨ ur beliebige rechte Seite b stets eindeutig l¨ osbar, dann kann man die Spaltenvektoren von A

1

durch Vorgabe geeigneter rechter Seiten berechnen. Also existiert A

−1

und folglich muß det(A) 6 = 0 sein.

Daher gilt:

det(A) = 0 ⇐⇒ Ax = b hat keine oder unendlich viele L¨ osungen.

Speziell also:

det(A) 6 = 0 = ⇒ Ax = 0 hat nur die triviale L¨ osung x = o.

det(A) = 0 = ⇒ Ax = 0 hat (unendlich viele) L¨ osungen x 6 = o.

6 Lineare Abbildungen

Definition 6.1 Sind V und W beides K-Vektorr¨ aume, dann heißt eine Abbil- dung f : V → W linear, wenn f¨ ur alle x, y ∈ V und λ ∈ K gilt

(1) f(x + y) = f(x) + f (y) und f (λx) = λf (x).

Die Menge Ker(f ) = { x ∈ V | f(x) = o } heißt dann der Kern von f und die Menge Im(f ) = { y ∈ W | y = f(x) f¨ ur ein x ∈ V } das Bild von f.

Lineare Abbildungen f : V → V heißen Endomorphismen. Ist W der eindimen- sionale K-Vektorraum K selbst, so nennt man lineare Abbildungen f : V → K Funktionale. Lineare Abbildungen auf Funktionenr¨ aumen heißen auch Operato- ren.

Satz 6.2 F¨ ur jede lineare Abbildung f : V → W ist Ker(f ) ein Untervektorraum von V und Im(f) ein Untervektorraum von W . Weiterhin gilt die Dimensions- formel

(2) dim(Ker(f )) + dim(Im(f)) = dim(V ).

(20)

6 LINEARE ABBILDUNGEN

Bemerkung 6.3 Man nennt def(f ) = dim(Ker(f )) auch den Defekt von f und rang(f) = dim(Im(f)) den Rang von f . Genau dann ist f : V → W injektiv, wenn def(f) = 0 ist. F¨ ur endlichdimensionale W ist f genau dann surjektiv, wenn rang(f) = dim(W ) gilt.

Beispiel 6.4 Jede Matrix A ∈ M

m,n

(K) vermittelt eine lineare Abbildung f

A

: K

n

→ K

m

gem¨ aß

(3) f

A

(x) = Ax

T

f¨ ur alle x = (x

1

, . . . , x

n

) ∈ K

n

.

Der Kern von f

A

ist dann gerade die L¨ osungsmenge des homogenen linearen Gleichungssystems Ax

T

= o. Man nennt rang(f

A

) auch den Rang von A. Dies ist die maximale Anzahl linear unabh¨ angiger Zeilen- oder Spaltenvektoren von A.

Ist die Matrix A quadratisch und (eigentlich oder uneigentlich) orthogonal, so nennt man f

A

eine (eigentliche oder uneigentliche) Bewegung. Im R

3

sind ei- gentliche Bewegungen genau die Drehungen und die ebenen Punktspiegelungen, uneigentliche Bewegungen sind die (Ebenen-)Spiegelungen und die Inversionen (= r¨ aumliche Punktspiegelungen), vgl. Beispiel 6.7.

Bemerkung 6.5 Bewegungen sind genau diejenigen Abbildungen f : R

n

→ R

n

, die den Abstand von je zwei Punkten erhalten, f¨ ur die also gilt || f(x) − f (y) || =

|| x − y || .

F¨ ur jeden geometrischen K¨ orper K im R

3

, also etwa auch f¨ ur einen Kristall oder ein Molek¨ ul, bildet die Menge aller Bewegungen f, die K auf sich abbil- den, also f (K) = K erf¨ ullen, eine Gruppe, die Symmetriegruppe von K . F¨ ur Kristalle ist diese Symmetriegruppe immer endlich und es gibt nur 32 m¨ ogliche Symmetriegruppen. Daher kann man Kristalle gut nach ihrer Symmetriegruppe klassifizieren.

Definition 6.6 Es sei f : V → V ein Endomorphismus. Gibt es zu einem Vektor x 6 = o aus V einen Skalar λ ∈ K mit

(4) f(x) = λx,

so heißt x ein Eigenvektor von f zum Eigenwert λ. Ist hierbei V ein Funktionen- raum, also f ein Operator, so nennt man x eine Eigenfunktion von f.

Beispiel 6.7 Ist A ∈ M

n,n

( R ) und f

A

: R

n

→ R

n

die zugeh¨ orige lineare Abbil-

dung, dann kann man (4) auch schreiben als Ax

T

= λx

T

= λE

n

x

T

, wobei E

n

die

(21)

6 LINEARE ABBILDUNGEN

n × n-Einheitsmatrix ist. Hieraus erh¨ alt man zur Bestimmung von Eigenwerten und Eigenvektoren das homogene lineare Gleichungssystem

(A − λE

n

)x

T

= o

T

.

Dieses LGS hat eine nichttriviale L¨ osung x 6 = o genau dann, wenn die Determi- nante det(A − λE

n

) verschwindet. Faßt man λ als zu bestimmenden Parameter dieses Gleichungssystems auf, so ergibt sich eine Polynom n-ten Grades f¨ ur λ, das charakteristische Polynom von A. Dessen (h¨ ochstens n) reelle Nullstellen sind al- so gerade die Eigenwerte von f

A

. Hat man diese berechnet, so kann man f¨ ur jeden Eigenwert das entsprechende LGS l¨ osen, um einen zugeh¨ origen Eigenvektor zu finden.

F¨ uhrt man diese Berechnungen beispielsweise f¨ ur eine beliebige orthogonale 3 × 3- Matrix A durch, so stellt man fest, daß sie nur die Eigenwerte +1 und − 1 haben kann. Tritt dabei der Eigenwert − 1 nicht auf, so handelt es sich um eine Drehung.

Jeder Eigenvektor zum Eigenwert +1 zeigt dann in Richtung der Drehachse.

Tritt dagegen der Eigenwert +1 nicht auf, so handelt es sich um eine Inversion.

Bei einer Ebenen-Spiegelung ist +1 doppelte Nullstelle des charakteristischen Polynoms und − 1 einfache Nullstelle, bei einer ebenen Punktspiegelung ist dies gerade umgekehrt.

Im Laufe des analytischen Teils der Vorlesung werden weitere Beispiele f¨ ur diese Konzepte der linearen Algebra auftauchen. Die Bedeutung in der Physik/Chemie soll nur kurz durch das folgende Beispiel demonstriert werden.

Beispiel 6.8 Die zeitunabh¨ angige Schr¨ odinger-Gleichung (Erwin Schr¨ odinger, 12.8.1887 - 4.1.1961)

H(ψ(x)) = − h

2

2m ∆ψ (x) + V (x)ψ(x) = Eψ(x)

beschreibt in der nichtrelativistischen Quantenmechanik die Wellenfunktion ψ(x)

eines Teilchens der Masse m und der Energie E im Potentialfeld V (x). Gesucht

sind also Eigenwerte E und Eigenfunktionen ψ(x) des linearen Operators H

auf dem Raum der Wellenfunktionen. Dabei ist ∆ der Laplace-Operator (Pierre-

Simon Laplace, 28.3.1749 - 5.3.1827).

(22)

7 FOLGEN REELLER UND KOMPLEXER ZAHLEN

7 Folgen reeller und komplexer Zahlen

Definition 7.1 Eine Folge (a

n

)

n∈I

ist eine reell- oder komplexwertige Funktion auf der Indexmenge I, meist I = N oder I = N

0

. Die Zahlen a

n

∈ R bzw. a

n

∈ C heißen Glieder der Folge.

Die Folge (a

n

) heißt beschr¨ ankt, wenn es eine reelle Zahl M gibt, so daß | a

n

| ≤ M f¨ ur alle Indizes n gilt.

Die Folge (a

n

) heißt Nullfolge, wenn es zu jeder Zahl ε > 0 eine Zahl N (ε) gibt, so daß | a

n

| < ε f¨ ur alle n ≥ N (ε) gilt.

Beispiel 7.2 a) Jede konstante Folge a

n

= a f¨ ur eine beliebige Zahl a und alle n ∈ N ist beschr¨ ankt, aber nur f¨ ur a = 0 eine Nullfolge.

b) Die Folge a

n

= n f¨ ur alle n ∈ N ist nicht beschr¨ ankt.

c) Die Folge a

n

=

n1

f¨ ur alle n ∈ N ist eine Nullfolge.

d) Die alternierende Folge a

n

= ( − 1)

n

ist beschr¨ ankt.

Folgerung 7.3 Jede Nullfolge ist beschr¨ ankt.

Genau dann ist (a

n

) eine Nullfolge, wenn ( | a

n

| ) eine Nullfolge ist.

Bemerkung 7.4 W¨ ahlt man als Indexmenge I = N und bezeichnet die Menge aller reellen Folgen mit R

, so ist dies nach Beispiel 1.10 c) ein R -Vektorraum, in dem die Addition und skalare Multiplikation analog zu (12) und (13) erfolgt.

Die Dimension dieses Vektorraums ist nicht endlich. Bezeichnet n¨ amlich e

i

f¨ ur jeden festen Index i ∈ N die Folge, f¨ ur die jedes Folgeglied 0 ist, außer dem i-ten Glied, welches den Wert 1 haben soll, so ist diese abz¨ ahlbar unendliche Menge von Vektoren aus R

linear unabh¨ angig. Es ist jedoch keine Basis, da sich etwa die Nullfolge aus Beispiel 7.2 c) nicht als endliche Linearkombination der e

i

schreiben l¨ aßt. Die Menge B aller beschr¨ ankten Folgen ist ein Untervektorraum von R

, die Menge N aller Nullfolgen ein Untervektorraum von B.

Definition 7.5 Eine reellwertige Folge (a

n

) heißt monoton wachsend, wenn a

n

≤ a

n+1

f¨ ur alle Indizes n gilt und streng monoton wachsend, wenn sogar a

n

< a

n+1

f¨ ur alle Indizes n gilt. Entsprechend heißt (a

n

) monoton fallend, wenn a

n

≥ a

n+1

f¨ ur alle Indizes n gilt und streng monoton fallend, wenn sogar a

n

> a

n+1

f¨ ur alle

Indizes n gilt.

(23)

7 FOLGEN REELLER UND KOMPLEXER ZAHLEN

Beispiel 7.6 Die Folge a

n

= n ist streng monoton wachsend, die Folge a

n

=

1n

ist streng monoton fallend. Jede konstante Folge ist sowohl monoton wachsend, als auch monoton fallend, aber weder streng monoton wachsend, noch streng monoton fallend.

Definition 7.7 Die Folge (a

n

) heißt konvergent gegen den Grenzwert a ∈ R bzw.

a ∈ C, wenn (a

n

− a) eine Nullfolge ist, d. h. wenn es zu jedem ε > 0 eine Zahl N (ε) gibt, so daß | a

n

− a | < ε f¨ ur alle n ≥ N (ε) gilt. Man schreibt dann lim

n→∞

a

n

= a (gelesen: “Limes a

n

f¨ ur n gegen unendlich”). Eine nicht konvergente Folge nennt man divergent.

Satz 7.8 1) Jede konvergente Folge ist beschr¨ ankt.

2) Der Grenzwert einer konvergenten Folge ist eindeutig bestimmt.

Bemerkung 7.9 Jede Nullfolge ist also per Definition konvergent gegen 0, jede konstante Folge a

n

= a konvergiert gegen a. Die Folge a

n

= ( − 1)

n

ist zwar beschr¨ ankt, aber nicht konvergent.

Satz 7.10 Limesrechenregeln. Mit a = lim

n→∞

a

n

und b = lim

n→∞

b

n

gelten auch 1) lim

n→∞

(a

n

+ b

n

) = lim

n→∞

a

n

+ lim

n→∞

b

n

= a + b, 2) lim

n→∞

(a

n

b

n

) = lim

n→∞

a

n

· lim

n→∞

b

n

= ab, 3) lim

n→∞

a

n

b

n

= lim

n→∞

a

n

lim

n→∞

b

n

= a

b , falls alle b

n

6 = 0 und b 6 = 0.

Bemerkung 7.11 Die Regeln 1) und 2) zeigen, daß die Menge aller konvergen- ten Folgen einen Untervektorraum des Vektorraumes der beschr¨ ankten Folgen bildet. Er umfaßt den Vektorraum aller Nullfolgen und ist damit ebenfalls nicht endlichdimensional.

Definition 7.12 Die reellwertige Folge (a

n

) divergiert gegen ∞ , geschrieben:

lim

n→∞

a

n

= ∞ , wenn es zu jeder Zahl M > 0 eine Zahl N (M ) gibt, so daß a

n

>

M f¨ ur alle n > N (M ) gilt. Man schreibt lim

n→∞

a

n

= −∞ , wenn lim

n→∞

− a

n

=

∞ gilt.

(24)

7 FOLGEN REELLER UND KOMPLEXER ZAHLEN

Bemerkung 7.13 Die Limesrechenregeln gelten auch f¨ ur diese uneigentlichen Grenzwerte ±∞ , wenn man beachtet:

a + ∞ = ∞ , ∞ + ∞ = ∞ , a · ∞ = ∞ , wenn a > 0, ∞ · ∞ = ∞ ,

a

∞ = 0, ∞

a = ∞ , wenn a > 0.

Undefiniert bleiben dagegen ∞ − ∞ , 0 · ∞ ,

und

00

.

Es sei lim

n→∞

a

n

= a und a > 0 oder a = ∞ , sowie lim

n→∞

b

n

= 0. Man definiert

n

lim

→∞

a

n

b

n

= a 0 =

∞ , wenn b

n

> 0 f¨ ur alle n ≥ n

0

−∞ , wenn b

n

< 0 f¨ ur alle n ≥ n

0

Andernfalls ist auch

a0

undefiniert.

Satz 7.14 Es seien (a

n

) und (c

n

) konvergente Folgen mit dem gleichen Grenz- wert a. F¨ ur die Folge (b

n

) gelte a

n

≤ b

n

≤ c

n

f¨ ur alle n ≥ n

0

. Dann ist auch lim

n→∞

b

n

= a. Dies gilt auch im Fall a = ±∞ .

Satz 7.15 Es seien lim

n→∞

a

n

= a, lim

n→∞

b

n

= b und a

n

≤ b

n

f¨ ur alle n ≥ n

0

. Dann gilt a ≤ b.

Definition 7.16 Es sei (n

k

)

k∈N

eine streng monoton wachsende Folge nat¨ urlicher Zahlen. Dann heißt (a

nk

)

k∈N

eine Teilfolge von (a

n

)

n∈N

.

Satz 7.17 Konvergiert (a

n

) gegen a, dann konvergiert jede Teilfolge (a

nk

) eben- falls gegen a.

Bemerkung 7.18 Diese Aussage kann man auch zum Nachweis der Divergenz einer Folge verwenden. Man braucht etwa nur eine divergente Teilfolge zu finden, oder zwei konvergente Teilfolgen, die gegen verschiedene Grenzwerte konvergie- ren.

Definition 7.19 Die Folge (a

n

) heißt Cauchy-Folge (Augustin Louis Cauchy,

1789 - 1857), wenn es zu jeder Zahl ε > 0 eine Zahl N (ε) gibt, so daß | a

n

− a

m

| < ε

f¨ ur alle n, m > N (ε) gilt.

(25)

8 GRENZWERTE VON FUNKTIONEN

Satz 7.20 Vollst¨ andigkeitsaxiom Eine Folge ist genau dann konvergent, wenn sie eine Cauchy-Folge ist.

Satz 7.21 Satz von Bolzano und Weierstraß (Bernard Bolzano, 1781 - 1848, Karl Weierstraß, 1815 - 1897) Jede beschr¨ ankte Folge (a

n

) besitzt eine konvergente Teilfolge (a

nk

).

Satz 7.22 Jede beschr¨ ankte, monoton wachsende (oder fallende) Folge ist kon- vergent.

Satz 7.23 Die Folge (a

n

) mit a

n

= (1 +

1n

)

n

ist streng monoton wachsend und beschr¨ ankt. Also existiert der Grenzwert, die Eulersche Zahl (Leonhard Euler, 1707 - 1783)

e = lim

n→∞

(1 + 1

n )

n

= 2.71828 · · ·

Satz 7.24 Es sei (x

n

) eine beliebige Nullfolge mit x

n

> − 1 und x

n

6 = 0 f¨ ur alle n. Dann gilt

n→∞

lim (1 + x

n

)

xn1

= e.

8 Grenzwerte von Funktionen

Definition 8.1 Die Funktion f (x) hat an der Stelle x

0

den Grenzwert a, wenn f¨ ur jede Folge (x

n

)

nN

mit x

n

∈ D(f), lim

n→∞

x

n

= x

0

und x

n

6 = x

0

f¨ ur alle n ∈ N gilt

n→∞

lim f (x

n

) = a.

Man schreibt dann lim

x→x0

f (x) = a.

Gilt lim

n→∞

f (x

n

) = a nur f¨ ur Folgen (x

n

) mit x

n

→ x

0

und x

n

< x

0

(bzw.

x

n

> x

0

), dann heißt a der linksseitige (bzw. rechtsseitige) Grenzwert von f (x) an der Stelle x

0

, in Zeichen

x→x

lim

0

f (x) = a bzw. lim

x→x0+

f (x) = a.

Es muß nicht x

0

∈ D(f) gelten und a, x

0

= ±∞ sind zugelassen!

(26)

8 GRENZWERTE VON FUNKTIONEN

Satz 8.2 Genau dann existiert lim

x→x0

f(x), wenn lim

x→x0

f(x) und lim

x→x0+

f (x) exi- stieren und ¨ ubereinstimmen.

Definition 8.3 Existieren lim

x→x0

f(x) und lim

x→x0+

f(x), und sind diese Grenzwerte endlich und verschieden, so heißt x

0

eine Sprungstelle von f(x).

Satz 8.4 Limesrechenregeln f¨ ur Funktionen Sofern die rechts stehenden Ausdr¨ ucke definiert sind, gelten

1) lim

x→x0

(f(x) + g(x)) = lim

x→x0

f(x) + lim

x→x0

g(x), 2) lim

x→x0

(f(x)g(x)) = lim

x→x0

f (x) · lim

x→x0

g (x), 3) lim

x→x0

f (x)

g(x) = lim

x→x0

f (x) lim

xx0

g(x) .

Bemerkung 8.5 Die Definition 8.1 und die S¨ atze 8.4 und 8.10 gelten sinngem¨ aß auch f¨ ur komplexwertige Funktionen f : D(f) → C . Jedoch sind einseitige Grenz- werte f¨ ur derartige Funktionen nicht definiert.

Satz 8.6 Die folgenden Grenzwerte existieren und haben den angegebenen Wert 1) lim

x→0

sin(x) = 0 = sin(0), 2) lim

x→0

cos(x) = 1 = cos(0), 3) lim

x→0

sin(x) x = 1, 4) lim

x→0

cos(x) − 1

x = 0.

Satz 8.7 Es sei f(x) eine auf einem Intervall (a, b) monoton wachsende (fallen- de) Funktion und x

0

∈ (a, b). Dann existieren lim

x→x0

f (x) und lim

x→x0+

f (x) und es gilt

−∞ < lim

x→x0

f (x) ≤ f (x

0

) ≤ lim

x→x0+

f(x) < ∞ , wenn f (x) monoton wachsend ist, und

∞ > lim

x→x0

f (x) ≥ f (x

0

) ≥ lim

x→x0+

f(x) > −∞ ,

wenn f (x) monoton fallend ist.

(27)

8 GRENZWERTE VON FUNKTIONEN

Satz 8.8 F¨ ur a > 0 gilt lim

x→0

a

x

= 1 = a

0

.

Definition 8.9 Die Funktion f (x) heißt an der Stelle x

0

∈ D(f ) stetig, wenn lim

xx0

f (x) = f(x

0

) = f(lim

xx0

x) gilt; f (x) heißt stetig auf der Menge M ⊆ D(f ), wenn f (x) f¨ ur alle x

0

∈ M stetig ist.

Satz 8.10 Es seien f (x) und g(x) stetig auf einem gemeinsamen Definitionsbe- reich D. Dann gelten

1) f (x) + g(x) ist stetig auf D, 2) f (x)g(x) ist stetig auf D, 3) f (x)

g(x) ist stetig f¨ ur alle x ∈ D mit g(x) 6 = 0.

Folgerung 8.11 1) Jedes Polynom f (x) = a

n

x

n

+ · · · + a

1

x + a

0

ist stetig auf ganz R bzw. C .

2) Jede rationale Funktion f (x) = g (x)

h(x) mit Polynomen g(x) und h(x) ist stetig f¨ ur alle x ∈ R (bzw. x ∈ C ) mit h(x) 6 = 0.

Bemerkung 8.12 F¨ ur jedes reelle Intervall I werde die Menge aller stetigen Funktionen f : I → R mit C

0

(I ) = C(I ) bezeichnet. Dabei handelt es sich also jeweils um einen R -Vektorraum, in dem die Potenzfunktionen f

n

(x) = x

n

f¨ ur n = 0, 1, . . . eine linear unabh¨ angige Teilmenge bilden. Da es in C(I) Funktionen gibt, die keine Polynome sind, bildet diese Teilmenge aber keine Basis von C(I).

Satz 8.13 Jede auf dem Intervall I = [a, b] monoton wachsende (fallende) Funk- tion ohne Sprungstellen ist stetig auf I.

Satz 8.14 Die Funktion y = f(x) sei streng monoton wachsend (bzw. fallend) und stetig auf [a, b]. Dann ist die Umkehrfunktion x = g(y) streng monoton wach- send (bzw. fallend) und stetig auf [f (a), f(b)] (bzw. [f(b), f(a)]).

Satz 8.15 Die Potenzfunktionen, Exponentialfunktionen, trigonometrischen und

hyperbolischen Funktionen sowie ihre Umkehrfunktionen sind f¨ ur alle Punkte x

ihres jeweiligen Definitionsbereiches stetig.

(28)

9 ABLEITUNGEN REELLWERTIGER FUNKTIONEN

Aus der Stetigkeit der Exponentialfunktion e

x

ergibt sich mit Satz 7.24 sofort

Folgerung 8.16 Es gilt

n

lim

→∞

(1 + x

n )

n

= lim

n→∞

((1 + x

n )

nx

)

x

= e

x

.

Definition 8.17 Die Funktion f (x) hat auf der Menge M ⊆ D(f ) an der Stel- le x

0

∈ M ein absolutes Maximum (Minimum), wenn f (x

0

) ≥ f(x) (f(x

0

) ≤ f(x)) f¨ ur alle x ∈ M gilt. Man schreibt dann f (x

0

) = max

x∈M

f (x) (f (x

0

) = min

x∈M

f(x)).

Satz 8.18 Jede auf einem abgeschlossenen Intervall stetige Funktion nimmt dort ein absolutes Maximum und ein absolutes Minimum an.

Bemerkung 8.19 Ist I ein abgeschlossenes reelles Intervall und definiert man

|| f || = max { f (x) | x ∈ I } f¨ ur alle f ∈ C(I) (vgl. Bemerkung 8.12), so wird hierdurch eine Norm auf C(I) definiert.

Satz 8.20 Zwischenwertsatz Es sei f(x) stetig auf I = [a, b] und es gelte min

xI

f(x) ≤ y

0

≤ max

xI

f(x). Dann existiert ein x

0

∈ I mit f (x

0

) = y

0

.

9 Ableitungen reellwertiger Funktionen

Definition 9.1 Es seien P

0

= (x

0

, f (x

0

)) und P = (x, f(x)) zwei Punkte auf dem Graphen einer Funktion y = f (x). Dann ist ein Differenzenquotient von f(x) in x

0

die Steigung der Sekante durch P

0

und P , also

f (x) − f (x

0

) x − x

0

.

Der Differentialquotient oder die Ableitung von f (x) an der Stelle x

0

ist (im Falle seiner Existenz) der Grenzwert aller Differenzenquotienten, also

x

lim

→x0

f(x) − f(x

0

)

x − x

0

= f

0

(x

0

).

(29)

9 ABLEITUNGEN REELLWERTIGER FUNKTIONEN

Man kann ihn geometrisch auch als Steigung der Tangente an den Graphen von f(x) interpretieren.

Andere gebr¨ auchliche Schreibweisen f¨ ur die Ableitung sind y

0

= f

0

(x) = lim

∆x→0

∆y

∆x = dy dx = d

dx f(x).

Hierin nennt man dx und dy Differentiale und

dxd

einen Differentialoperator.

Die h¨ oheren Ableitungen von f(x) sind (im Falle ihrer Existenz) rekursiv definiert:

f

(n)

(x) = (f

(n−1)

)

0

(x).

Man nennt f

(n)

(x) =

dxdnn

f (x) die n-te Ableitung und setzt noch f

(0)

(x) = f (x).

Definition 9.2 Die Funktion f (x) heißt in x

0

∈ D(f ) differenzierbar, wenn f

0

(x

0

) existiert, sie heißt auf M ⊆ D(f ) differenzierbar, wenn f

0

(x

0

) f¨ ur alle x

0

∈ M existiert.

Satz 9.3 Jede in x

0

∈ D(f ) differenzierbare Funktion f (x) ist in x

0

auch stetig.

Satz 9.4 Ableitungsregeln Es seien f(x) und g(x) auf M ⊆ D(f ) differen- zierbar. Dann gelten f¨ ur alle x ∈ M

Summenregel (f (x) + g(x))

0

= f

0

(x) + g

0

(x), Produktregel (f(x)g(x))

0

= f (x)g(x)

0

+ f

0

(x)g(x), Quotientenregel f(x)

g(x)

!

0

= g(x)f

0

(x) − g

0

(x)f (x)

g

2

(x) , falls g (x) 6 = 0.

Folgerung 9.5 1) (x

n

)

0

= nx

n−1

f¨ ur alle x ∈ R und alle n ∈ N .

2) Jedes Polynom f (x) = a

n

x

n

+ a

n−1

x

n−1

+ · · · + a

1

x + a

0

ist f¨ ur alle x ∈ R beliebig h¨ aufig differenzierbar mit f

0

(x) = na

n

x

n−1

+ (n − 1)a

n−1

x

n−2

+ · · · + a

1

, . . . , f

(n)

(x) = n!a

n

und f

(k)

(x) = 0 f¨ ur alle k > n.

Bemerkung 9.6 Es sei I ein reelles Intervall. Dann heißt eine Funktion f : I →

R n-mal stetig differenzierbar auf I, wenn f

(n)

(x) f¨ ur alle x ∈ I existiert und eine

stetige Funktion auf I ist. Mit C

(n)

(I ) werde die Menge aller n-mal stetig differen-

zierbaren Funktionen auf I bezeichnet (vgl. Bemerkung 8.12). Man schreibt noch

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