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Franz von Kutschera

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Franz von Kutschera

Ästhetik

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DE

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Walter de Gruyter • Berlin • New York

1988

(2)

C C £300 K

Univ.-Bibtioihek Reqensburg

s

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Kutschera, Franz von:

Ästhetik / Franz von Kutschera. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1988.

ISBN 3-11-011416-X

© 1988 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30. Printed in Germany - Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Photokopien — auch auszugsweise — vorbehalten.

Satz und Druck: Arthur Colügnon GmbH, Berlin Einband: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin

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Inhalt

Einleitung «• 1 1 Erleben und Ausdruck 11 1.1 Beobachten und Erleben 11 1.2 Sprachlicher Ausdruck 29 1.3 Nichtsprachlicher Ausdruck 50 2 Ästhetische Erfahrungen und Urteile 69

2.1 Ästhetische Erfahrung 69 2.2 Ästhetische Begriffe 89 2.3 Die Objektivität ästhetischer Urteile 114

2.4 Rechtfertigung ästhetischer Urteile 148

3 Kunst 166 3.1 Formalistische Theorien 166

3.2 Ausdruckstheorien • • • • 185

3.3 Zur Ontologie der Kunstwerke 210 3.4 Kriterien für den Rang von Kunstwerken 215

3.5 Kunstkritik - 242

3.6 Wert und Aufgaben der Kunst. 260 4 Ausdruck in der bildenden Kunst 277 4.1 Ausdrucksformen in der gegenständlichen Malerei 277

4.2 Die Interpretation von Werken gegenständlicher Malerei 299

4.3 Ungegenständliche Malerei 309

4.4 Plastik 324 4.5 Architektur 335 5 Ausdruck in der Dichtung 368

5.1 Form und Gehalt , . . 368

5.2 Gedichte 380

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VI Inhalt

5.3 Erzählungen 397 5.4 Dramen 425 6 Ausdruck in der Musik 464

6.1 Theorien der Musik 464 6.2 Ausdrucksformen in der Musik 489

6.3 Zur musikalischen Hermeneutik 530

Literatur 563 Namen 573

Stichwörter 581

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Einleitung

Die heutige Ästhetik hat drei Wurzeln: Seit Hegel versteht sie sich vor allem als Philosophie der Kunst. Nach einer zweiten Bestimmung ist sie Theorie des Schönen, und nachdem im 18.Jahrhundert zuerst das Erhabene und dann das Prächtige, Elegante, Anmutige sowie auch das Häßliche, Groteske etc. als weitere Themen hinzukamen, allgemein eine Theorie ästhetischer Werte, ihrer Erfahrung und Beurteilung.

Das Wort „Ästhetik" hat Alexander Gottlieb Baumgarten (1717 — 62) geprägt und er hat auch in seiner Dissertation Meditationes philosophicae de nonnullis ad poema pertinentibus (1735) das Programm einer Ästhetik als einer eigenen philosophischen Disziplin entworfen. Sein Fragment gebliebenes Hauptwerk Aesthetica (1750/58) ist der Versuch, dieses Programm systematisch auszuführen. Baumgarten wollte der Logik, die er als Lehre von der Verstandeserkenntnis begriff, eine Lehre von der sinnlichen Erkenntnis, der Ais thesis zur Seite stellen, eine scientia cognitionis sensitivae. Er war einer der ersten, die gegenüber der einseiti- gen Wertschätzung rationaler, begrifflicher Erkenntnis in der Aufklä- rung den Eigenwert und die besondere kognitive Leistung sinnlich- anschaulichen Erlebens betonten. Zu einer solchen Ästhetik gehörte für ihn auch eine Theorie des Ausdrucks solcher sinnlicher Erkennt- nis. Er betonte, daß für die Vermittlung sinnlicher Erkenntnis die Form ihres Ausdrucks sehr viel wichtiger sei als im Fall der Verstan- deserkenntnis. Ästhetik ist also für Baumgarten auch Wissenschaft vom Ausdruck, und so sagt er in seiner „Metaphysik" (§ 533), sie sei scientia sensitive cognoscendi et proponendi.

Diese drei Themen hängen eng miteinander zusammen. Für Hegel fiel die Philosophie der Kunst im wesentlichen mit einer Theorie des Schönen zusammen, denn Kunst war für ihn schöne Kunst, und er meinte damit nicht nur die freien gegenüber den mechanischen (technischen) Künsten, Schönheit war für ihn vielmehr ein wesentliches Merkmal von Kunstwerken. Naturschönheit ordnete er hingegen einen geringeren Rang zu als der Schönheit in der Kunst,

„denn die Kunstschönheit ist die aus dem Geiste geborene und wiedergeborene Schönheit, und um soviel der Geist und seine Pro- duktionen höher steht als die Natur und ihre Erscheinungen, um

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soviel auch ist das Kunstschöne höher als die Schönheit der Natur".1 Daher ist auch nur ein Kapitel seiner „Vorlesungen über die Ästhetik"

dem Naturschönen gewidmet. Die Gleichsetzung von Kunst mit schöner Kunst ist freilich fragwürdig; sie versteht sich aus dem klassizistischen Hintergrund der Hegeischen Kunstauffassung. Kunst hat nicht nur das Ziel, Schönes darzustellen oder schöne Objekte zu produzieren. Grünewalds Kreuzigung am Isenheimer Altar und Wil- helm Raabes Roman Der Schüdderump sind große Werke, obwohl man sie kaum als „schön" bezeichnen kann. Eine Philosophie der Kunst muß aber jedenfalls eine Theorie des Schönen einschließen, da Schönheit ein wichtiges Qualitätsmerkmal von Kunstwerken ist — wenn nicht aller, so doch vieler — und allgemein eine Theorie ästhetischer Werte und ihrer Beurteilung. Da diese Beurteilung auf Erfahrung beruht und ästhetische Erfahrung für das Kunstschaffen wie für die Kunstbetrachtung eine wichtige Rolle spielt, kommt die Philosophie der Kunst auch nicht ohne eine Theorie ästhetischer Erfahrung aus.

Ästhetische Erfahrung ist nun ihrerseits das zentrale Thema der Theorie sinnlicher Erkenntnis, die Baumgarten anzielte. Seine Ästhetik sollte insbesondere die Grundlage für eine Theorie der schönen Künste liefern, denn die spezifische Perfektion, auf die sinnliche Erkenntnis im Gegensatz zur Verstandeserkenntnis abzielt, fiel für ihn mit Schönheit zusammen. Baumgartens Konzeption einer Ästhetik ist aber zweifellos viel zu weit. Von seinem Ansatz her kommt man ebenso zu den empirischen Naturwissenschaften, zur Wahrnehmungspsychologie, zur Erkenntnis- und Wissenschaftstheo- rie wie zu einer Theorie der Kunst. Daß Baumgarten seine Ästhetik tatsächlich so allgemein verstand, ergibt sich daraus, daß er sie in seiner Metaphysik in den Kontext der empirischen Psychologie einordnete, Gedächtnis, Einbildungskraft, Beobachtungsfahigkeit und sinnliches Unterscheidungsvermögen als ästhetische Vermögen abhandelte und unter dem Titel „Ästhetik" auch Meßinstrumente wie Fernrohre, Thermometer und Barometer diskutieren wollte.

Ebenso breit war seine Ausdruckswissenschaft angelegt. Sie sollte eine umfassende Semiotik sein, in der nicht nur von Zeichen, ihrer Auslegung und ihren Bedeutungen die Rede sein sollte, sondern auch

1 Hegel V Ä 13, S.14.

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von Anzeichen und ihrer Deutung, wobei Mantik und Physiognomik ein breiter Raum zugedacht war.2 Man hat daher das Baumgartensche Projekt schon bald erheblich beschnitten. So beschränkt Kant, der das Wort „Ästhetik" noch im Sinn von Baumgarten als Theorie sinnlicher Erkenntnis verstand, in der Kritik der Urteilskraft, seinem Hauptwerk zur Ästhetik, diese Erkenntnis etwa auf das, was man heute „ästhetische Erfahrung" nennt. Es bleibt aber ein Verdienst Baumgartens, die Kunstphilosophie in den weiteren Rahmen einer Theorie sinnlichen Erlebens und seines Ausdrucks gestellt zu haben.

Diese kurzen Hinweise, die im Verlauf der späteren Erörterungen noch an Substanz gewinnen werden, rechtfertigen es zunächst, Ästhetik als Philosophie der Kunst zu charakterisieren. Denn diese Bestimmung gibt ihr zentrales Thema an und schließt als Vorausset- zung eine Theorie ästhetischer Werte, Urteile und Erfahrungen und ihres Ausdrucks ein, also das, was den Kern des Projekts von Baumgarten ausmachte. Im heutigen Gebrauch des Wortes deckt sich aber Ästhetik doch nicht ganz mit einer Philosophie der Kunst. Bevor wir das erläutern, ist zunächst auf das Verhältnis der allgemeinen zu den speziellen Ästhetiken einzugehen.

Ästhetik als Philosophie der Kunst ist allgemeine Ästhetik. Es gibt eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Kunstgattungen: die bildenden Künste (Malerei, Plastik und Architektur), Dichtung, Schauspiel, Musik, Tanz, und zu diesen „höheren Künsten" kommen noch

„niedere" hinzu wie Ornamentik, Kunsthandwerk und Film.3 Neben der allgemeinen Ästhetik gibt es spezielle Ästhetiken, die sich mit den einzelnen Künsten befassen, also z.B. eine Ästhetik der bildenden Kunst, eine Literatur- und eine Musikästhetik. Sie rechnet man zu den Einzelwissenschaften, also zur Kunstwissenschaft, zur Literatur- bzw, zur Musikwissenschaft, und für sie sind nicht die Philosophen zuständig, sondern vor allem die Vertreter dieser Disziplinen, die über die dafür notwendigen Detailkenntnisse verfügen. Thematisch lassen sich aber allgemeine Ästhetik und spezielle Ästhetiken nicht

2 Vgl. dazu auch den „Versuch einer allgemeinen Auslegungskunst" (1757) seines Schülers G.F.Meier.

3 Im engeren Sinn bezeichnet das Wort „Kunst" nur die bildenden Künste. Wir verwenden es hier jedoch in dem weiteren Sinn, in dem es auch die anderen Künste umfaßt.

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scharf von einander trennen, denn die Kunst im allgemeinen ist eben nicht mehr als die Summe bzw. Verbindung spezieller Künste, und wenn man z.B. etwas über Kunst als Ausdruck sagen will, so muß man untersuchen, wie sich dieser Ausdruck in den einzelnen Künsten vollzieht, greift damit aber in den Bereich der speziellen Ästhetiken über. Die philosophische Ästhetik ist aber auch weniger an einer exklusiven Zuständigkeit für ihre Probleme interessiert, als an deren Aufklärung. Eine besondere Zuständigkeit für Fragen der Kunst entfallt schon deswegen, weil die Philosophie nicht über eigene Erkenntnisquellen in diesem Bereich verfügt.

Auf den ersten Blick scheint viel dafür zu sprechen, die philoso- phische Ästhetik „von oben", die von allgemeinen Begriffen und Aussagen ausgeht und sie dann auf die konkreten Erscheinungen der Kunst anzuwenden sucht, durch eine Ästhetik „von unten" zu ersetzen, die von den einzelnen Phänomenen in den verschiedenen Kunstgattungen ausgeht und in den speziellen Ästhetiken zu Begriffs- systemen für und generellen Aussagen über die verschiedenen Kunst- gattungen gelangt, um dann zu prüfen, was ihnen allen gemeinsam ist. Ein solches — im weitesten Sinn des Wortes — induktives Verfahren hat sicher seine Berechtigung, aber in der Ästhetik muß es wie in anderen Disziplinen ein Wechselspiel zwischen der Analyse von Einzelphänomenen und dem Entwurf genereller Hypothesen oder Theorien geben. Einzelanalysen sind stets Analysen „im Lichte von Theorien", wie man mit K.Popper sagen kann. Erst aus Hypo- thesen ergeben sich Fragestellungen, unter denen man die Phänomene systematisch untersuchen kann. Einzelanalysen ohne Hypothesen sind blind. Umgekehrt gilt: Sinnvolle Hypothesen lassen sich nur auf- grund einer gewissen Kenntnis der Phänomene entwerfen, und müs- sen sich an ihnen bewähren: Sie müssen sich in den Einzelfallen als richtig erweisen und ihre Fruchtbarkeit zur Ordnung der Phänomene unter Beweis stellen. Dieses Wechselspiel zwischen Hypothesen und Datenerhebung findet schon in den speziellen Ästhetiken statt und wiederholt sich im Verhältnis von allgemeiner und speziellen Ästhetiken. Die Problematik der allgemeinen Ästhetiken liegt gegen- wärtig vor allem darin, daß sie schon generelle Hypothesen über alle Künste formuliert, obwohl die speziellen Ästhetiken in ihren Bereichen noch weit von allgemein akzeptierten Theorien entfernt sind. Ihre Hypothesen sind also „kühn", wie Popper sagen würde, vielleicht auch voreilig, können aber trotzdem für die Arbeit der

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speziellen Ästhetiken fruchtbar werden. Ob sich diese Hoffnung realisiert, kann nur der Versuch zeigen. Immerhin gibt es bereits heute sowohl interdisziplinäre Anregungen in den speziellen Ästhetiken — man denke etwa an die Anleihen der literaturwissen- schaftlichen Stiltheorie bei jener der bildenden Kunst — wie wechsel- seitige Einflüsse zwischen ihnen und der allgemeinen Ästhetik. Um die Einwirkung der Philosophie der Kunst auf die einzelnen Kunst- theorien zu verdeutlichen, braucht man nur Namen wie Aristoteles, Kant und Hegel zu nennen.

Wir haben oben gesagt, daß die allgemeine Ästhetik im heutigen Verständnis nicht mit einer Philosophie der Kunst identisch ist. Das gilt ebensowenig, wie z.B. die Musikästhetik mit der Musikwissen- schaft zusammenfällt. Die Musikwissenschaft gliedert sich in Musik- geschichte, Musikkritik und Musiktheorie. Die Musikgeschichte (zu der wir auch die Musikethnologie rechnen, die vergleichende Musik- wissenschaft) ist eine historische Disziplin, die es mit Datierung und Zuschreibung von Kunstwerken zu tun hat, ihrer kritischen Rekonstruktion und mit der Entwicklung des Musikschaffens in den verschiedenen Kulturen und Epochen. Unter Musikkritik verstehen wir hier nicht das, was im Feuilleton von Zeitungen steht, also die Kritik der Aufführungen von Musikwerken, sondern die Formana- lyse, Interpretation und Bewertung einzelner Werke. Sie ist keine historische Disziplin, selbst wenn sie es mit historischen Erscheinun- gen zu tun hat. Ihr geht es nicht um eine Betrachtung der Werke als Stationen einer Entwicklungsreihe oder als Exemplare eines Stils, sondern um ein Verständnis und eine Würdigung des einzelnen Werkes. Dabei sind natürlich historische Kenntnisse unerläßlich.

Umgekehrt muß auch die Musikgeschichte die Erscheinungen verste- hen und würdigen, um sie in Entwicklungsreihen einordnen zu können. Die Musiktheorie befaßt sich mit den allgemeinen Grundla- gen der Musik (musikalische Akustik, Tonsysteme, Harmonielehre, Formenlehre, Notenschrift, Instrumentierung usf.) und entwickelt Begriffssysteme für die Interpretation und Bewertung von Musikwer- ken.4 Auch wissenschaftstheoretische Überlegungen zur Musikwis- senschaft würden hierher gehören. Die Musikästhetik ist jener Teil

4 Statt "Musiktheorie" verwendet man heute meist die Bezeichnung „Systemati- sche Musikwissenschaft", da Musiktheorie sich weithin zu einer Kunstlehre des Komponierens verengt hat.

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der Musiktheorie, in dem es um die theoretischen Grundlagen der Musikkritik geht, die sich heute wegen des Vorherrschens eines formalistischen Musikverständnisses freilich vor allem auf Formana- lysen beschränkt. Analoge Gliederungen gelten für Literatur- und Kunstwissenschaft. Entsprechend kann man die allgemeine Ästhetik als jenen Teil einer allgemeinen Kunsttheorie bezeichnen, in dem es um die begrifflichen und systematischen Grundlagen der Kunstkritik geht. In diesem Sinn hat z.B. M.C.Beardsley in seinem einflußreichen Werk Aesthetics (1958) Ästhetik als Philosophie der Kunstkritik defi- niert — der Untertitel seines Buches lautet „Problems in the Philoso- phy of Criticism". Eine Philosophie der Kunst diskutiert darüber hinaus aber auch Fragen ihrer geschichtlichen Entwicklung, ihres Ursprungs, der Kunstproduktion, des Sitzes der Kunst im Leben, ihrer gesellschaftlichen Aufgaben, ihres Verhältnisses zu Religion und Wissenschaft, usf. Andererseits geht die allgemeine Ästhetik über den Rahmen einer Philosophie der Kunst dadurch hinaus, daß sie mit einer Theorie ästhetischer Erfahrung auch das (ästhetische) Naturerleben zum Gegenstand hat, wenngleich man sagen muß, daß dieses Thema heute keine große Rolle spielt.

Eine allgemeine Ästhetik sieht sich einer Reihe von Schwierigkeiten gegenüber, die ihr Vorhaben zu gefährden scheinen. Einige der wichtigsten sind diese:

1) Angesichts der Verschiedenartigkeit der einzelnen Künste ist es fraglich, ob sich ein allgemeiner Begriff der Kunst angeben läßt, der noch so gehaltvoll ist, daß generelle Aussagen über die Kunst nicht uninformativ bleiben.5 Die Grenzen dessen, was man als „Kunst"

bezeichnet, sind ferner in allen Gattungen fließend — etwa in der Literatur die Grenzen zwischen Dichtung und literarisch anspruchs- volleren Briefen oder Texten der Philosophie — und sind besonders heute so in Fluß geraten, daß man schon in den einzelnen Kunstwis- senschaften oft der Frage ratlos gegenübersteht, wo der eigene Ge- genstand endet. Endlich unterliegt das Kunstschaffen wie die Kon- zeption der Kunst einem starken zeitlichen Wandel. Jede Kultur und Kulturepoche hat ihre eigene Vorstellung von Wesen, Wert und

Es sei daran erinnert, daß die Bezeichnung „die Kunst" für den Inbegriff aller Künste erst seit dem Ende des 18.Jahrhunderts gebräuchlich ist.

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Aufgabe der Kunst bzw. der einzelnen Kunstgattungen. Gibt es also einen allgemeinen Kunstbegriff mit festen Merkmalen, oder besteht nicht zwischen den verschiedenen Künsten (zu verschiedenen Zeiten) nur so etwas wie eine „Familienähnlichkeit", so daß es zwischen je zwei Kunstformen zwar immer gewisse Verwandtschaften gibt, aber keine Züge, die allen gemeinsam sind? Kann es aber eine allgemeine Ästhetik ohne einen allgemeinen Kunstbegriff geben?

Auf dieses Problem gehen wir im 3.Kapitel näher ein. Hier nur so viel: Jede Begriffsbestimmung ist eine Abgrenzung. Daher wird auch jeder Versuch einer Bestimmung dessen, was Kunst ist, einzelne Werke ausschließen, die manche Leute als „Kunst" bezeichnen. Es kommt weniger auf einen möglichst umfassenden als auf einen mög- lichst fruchtbaren Begriff an, und der wird sich in erster Linie an den unbestritten bedeutenden Werken orientieren. Man muß Kunst — um mit A.de Saint-Exupéry zu reden — von ihren Gipfeln her zu verstehen suchen, denn sie vor allem sind letztlich relevant; sie, nicht irgendwelche zweit- und drittrangige Produkte motivieren die Frage nach dem Wesen der Kunst. Nutzlos wäre dagegen ein Kunstbegriff, der zwar alles abdeckt, was jemand einmal „Kunst" genannt hat, der aber weitgehend inhaltsleer bleibt. Grundsätzlich ist zu sagen: Ob sich ein zugleich hinreichend gehaltvoller und hinreichend allgemei- ner Kunstbegriff angeben läßt, kann nur der Versuch zeigen. Es gibt jedenfalls in der Literatur eine Reihe von Vorschlägen, die eine Diskussion lohnen.

2) Den Vertretern der allgemeinen Ästhetik fehlt die fachwissen- schaftliche Kompetenz für die einzelnen Künste und damit die Basis für fundierte Aussagen über Kunst im allgemeinen. Sind sie Philoso- phen, so wissen sie über keine der vielen Künste genau Bescheid, sind sie Vertreter einer Kunstwissenschaft, so über keine bis auf eine.

Hinzu kommt, daß auch die speziellen Ästhetiken bisher nur in recht fragmentarischer Form existieren und heftig umstritten sind.

Dazu ist zu sagen: Eine gewisse Vertrautheit mit den einzelnen Künsten und ihren Theorien ist natürlich für den Allgemein- Ästhetiker unverzichtbar. Für ihn sind aber nicht alle Fragen der speziellen Ästhetiken relevant. Eine allgemeine Ästhetik ist, wie wir schon oben sahen, zweifellos ein gewagtes Unternehmen, es gibt bisher jedoch, soweit ich sehe, kaum ernsthafte systematische Bemü- hungen um eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den ein- zelnen Kunstwissenschaften mit dem Ziel, zu einer besser abgesicher-

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ten allgemeinen Ästhetik „von unten" zu gelangen. Im übrigen muß auch hier der Versuch entscheiden.

3) Es besteht eine verbreitete Skepsis bzgl. einer begrifflichen Analyse von Kunstwerken. Kunst, sagt man, läßt sich nicht auf den Begriff bringen, das Wesentliche an ihr läßt sich nur erleben und intuitiv erfassen. So sah Kant noch in der Kritik der reinen Vernunft die Kunst nicht als passenden Gegenstand der Philosophie an.6 Jede gute 'interpretation eines Kunstwerks, die es uns neu sehen und besser

verstehen lehrt, widerlegt aber die These, daß sich Kunst begrifflicher Analyse entzieht, und auch ein intuitiv-erlebnismäßiges Erfassen von ' Kunstwerken ist schließlich nicht begriffslos. Ästhetik und Kritik

wollen ferner Kunstwerke nicht in dem Sinn „auf den Begriff brin- gen", daß sie diese durch eine begriffliche Analyse und Interpretation ersetzen und anschauliches Erleben überflüssig machen. Sie wollen vielmehr die Kunstbetrachtung klären und vertiefen. Es ist auch sicher nicht möglich, den Gehalt von Kunstwerken begrifflich auszu- schöpfen, aber das bedeutet nicht, daß sich nicht sehr viel Relevantes über sie sagen läßt. Auch für die Kunst gilt natürlich: „Grau, guter Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum",7 und an dieses Wort wird man in der allgemeinen Ästhetik sehr viel öfter erinnert als in den einzelnen Kunstwissenschaften, die ja den konkreten Werken näher stehen. Allgemeine Gedanken über die Kunst haben nun einmal wenig ästhetischen Reiz, und die Arbeit am Begriff ist ein mühsameres Geschäft als die unbefangene Kunstbe- trachtung. Sie haben jedoch ihr eigenes Interesse, und wer dafür keinen Sinn hat, ist schließlich nicht gezwungen, sich mit Ästhetik zu befassen.

4) Die allgemeine Ästhetik bietet freilich noch aus einem anderen Grunde ein etwas tristes Bild: Sie ist gegenwärtig die systematisch und begrifflich am wenigsten entwickelte philosophische Disziplin.

Es gibt nur wenig gute Literatur, die verwendeten Begriffe sind meist vage, die Argumente oft zweifelhaft, die Problemstellungen

6 Vgl. B35. Kants Bedenken, die er in der Kritik, der Urteilskraft aufgab, ergaben sich daraus, daß nach seiner Ansicht philosophische Erkenntnis immer apriorisch ist, die Beurteilung der Kunst hingegen eine Sache des empirischen Geschmackes.

7 Goethes Faust, I,2038f.

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vielfach schief und ohne systematischen Zusammenhang.8 All das gilt zwar auch für manche andere philosophische Disziplinen, aber doch nur in einem deutlich geringeren Grade. In dieser Situation ist es schwer, signifikante Fortschritte zu erzielen. Man kann nicht hoffen, mit einem Schlag die vagen Begriffe durch hinreichend scharfe ersetzen zu können, sondern nur durch weniger vage; man kann nicht erwarten, statt schwacher Argumente st ringen te zu finden, sondern nur plausiblere.

Das gilt auch für diese Arbeit. Viele Begriffserklärungen sind noch zu vage, viele Thesen nicht ausreichend gesichert. Wenn sie trotzdem nicht in modisch-bescheidenen Formulierungen vorgetra- gen werden wie „Ich vermute, daß sich die Sache so und so verhält", so deshalb, weil man in der Wissenschaft nur daran interessiert ist, wie sich die Sache tatsächlich verhält, nicht aber an persönlichen Meinungen über sie. Hypothesen sind nur dann informativ, wenn sie an der Erfahrung scheitern können. Das können sie aber nur in der schlicht apodiktischen Form „So und so ist es". Funktion und Verständnis einer wissenschaftlichen Aussage als Hypothese hängt nicht davon ab, daß sie sprachlich als Vermutung gekennzeichnet ist.

Im übrigen wäre in der gegenwärtigen Situation der Ästhetik schon ein geringer Fortschritt eine wichtige Sache.

Die Arbeit ist wie folgt^gegliedert:- D^s erst^ Kapitel befaßt sich mit zentralen Themen der Ästhetik im Sinñe~vón Baumgarten und dient der Vorbereitung der Erörterungen in den Kapiteln 2 und 3. Es geht darin um den Begriff des Erlebens als einer speziellen Form der Erfahrung, die für die Analyse des Begriffs der ästhetischen Erfah- rung wichtig ist, und um die Unterscheidung verschiedener Aus- drucksformen, die später im Zusammenhang mit der Diskussion von Ausdruckstheorien der Kunst eine Rolle spielen. Im zweiteiT|Capitel werden dann ästhetische Erfahrungen und Urteile diskutiert, im (diitten^ler Begriff der Kunst. Dabei wird eine Definition von Kunst

mTSinn der Ausdruckstheorien vorgeschlagen. Von anderen solchen Theorien unterscheidet sie sich durch eine genauere Diskussion der Frage, was Kunstwerke ausdrücken und wie sie das tun. Aufgabe

A.Isenberg spricht vom „present stone age of aesthetic inquiry", j.A.Passmore von der „dreariness" der Ästhetik, J.Wisdom von ihrer „dullness" und für CD.Broad ist sie „boring ... and largely bogus".

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der Kapitel 4 bis 6 ist es endlich, diese Konzeption im Feld der einzelnen „höheren Künste" zu testen und näher zu erläutern. Die Diskussion dieser Künste bleibt dabei durchaus fragmentarisch, nicht nur weil die allgemeine Ästhetik nicht auf alle Aspekte eingehen kann, die für sie wichtig sind, sondern vor allem weil die generelle These der Ausdruckstheorie hier nur an wenigen Beispielen erörtert werden kann, die im Blick auf die Vielzahl und Vielfalt der Werke bei weitem nicht als repräsentativ angesehen werden können. Auf den Tanz, der für die Ausdruckstheorie ebenfalls von besonderem Interesse ist, konnte ich leider nicht eingehen. Der Grund dafür liegt in meiner, in diesem Fall wirklich totalen Inkompetenz. Auch im Fall der bildenden Kunst, der Dichtung und der Musik habe ich freilich die Grenzen meiner fachlichen Kompetenz weit überschritten.

Ich bitte also, meine Aussagen dazu auch als Aufforderung zu kon- struktiver Kritik zu verstehen.

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1 Erleben und Ausdruck 1.1 Beobachten und Erleben

In diesem Abschnitt soll ein Erfahrungstyp beschrieben werden, der in der Ästhetik eine wichtige Rolle spielt und bei Baumgarten im Zentrum seiner Diskussion sinnlicher Erkenntnis steht. Zunächst aber einige Vorbemerkungen zum Begriff der Erfahrung.

Das Wort „Erfahrung" wird als Obertitel für äußere und innere Erfahrung verwendet. Äußere Erfahrung ist Erfahrung vermittels unserer (äußeren) Sinne von Gegenständen oder Sachverhalten der Außenwelt.1 Innere Erfahrung besteht im Innewerden oder Innesein eigenseelischer Zustände, Vorgänge oder Akte. Die Rede von einer

„inneren Erfahrung" ist vom normalen Sprachgebrauch her freilich etwas schief, und so versteht man unter „Erfahrung" meist nur äußere Erfahrung. Da es im folgenden vor allem um äußere Erfahrung geht, wollen wir uns dem anschließen. Wir verwenden das Wort „erfahren"

hier etwa im Sinn von „wahrnehmen" und sehen der Kürze halber von Unterschieden im grammatikalischen Gebrauch dieser beiden Verben ab.2 „Erfahren" ist ein transitives Verb; wir erfahren immer etwas. Man sagt auch: Erfahrungen sind intentional, sie haben einen Gegenstand im weitesten Sinn dieses Wortes. Erfahren werden er-

1 Gelegentlich spricht man auch von einem „inneren Sinn", aber darunter kann man allenfalls die Fähigkeit zu innerer Erfahrung verstehen. Ein spezielles Organ innerer Erfahrung ist nicht aufweisbar.

2 In der allgemeinen Sprache wird das Wort „erfahren" auch im weiteren Sinn von „Kenntnis erlangen" (z.B. „von jemand etwas erfahren") oder „zuteil werden" („Anteilnahme erfahren") gebraucht sowie für größere Komplexe von Einzelerfahrungen („Die Schrecken des Bombenkrieges erfahren"). Solche Verwendungen werden hier also nicht in Betracht gezogen. Der Unterschied zwischen „erfahren" und „wahrnehmen" besteht dann vor allem darin, daß das letztere Prädikat ein Leistungsverb ist: Man kann nur wahrnehmen, daß etwas der Fall ist, wenn es tatsächlich der Fall ist. Vgl. dazu Kutschera (1981), 3.1. „Erfahren" enthält diese Implikation hingegen nicht.

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stens Sachverhalte. Solche Erfahrungen werden ausgedrückt durch Sätze der Gestalt:

a) Die Person a erfährt, daß der Sachverhalt p besteht.

Auch Dinge, Ereignisse, Zustände, Vorgänge, Handlungen, Aktivitä- ten etc. können Gegenstände der Wahrnehmung, also auch der Erfah- rung sein. Daher können Sätze über Erfahrungen zweitens die Gestalt haben:

b) Die Person a erfährt den Gegenstand b.

Hier und im folgenden verstehen wir das Wort „Gegenstand" so, daß es neben physischen Dingen und Lebewesen auch Zustände, Vorgänge, Handlungen, Aktivitäten etc. umfaßt, nicht jedoch Attri- bute oder Propositionen (Sachverhalte). Gegenstände sind also Ob- jekte im Sinn der kategorialen Unterscheidung zwischen Objekten, Attributen und Propositionen.3

Wir unterscheiden zwischen dem Akt einer Erfahrung, ihrem Inhalt und ihrem Gegenstand. Mit dem Wort „Erfahrungen" bezeichnet man meist Erfahrungsakte, gelegentlich aber auch Erfahrungsinhalte.

Als „Erfahrung" wird daneben (in Kontexten wie „Die große politi- sche Erfahrung des Herrn Schmidt" oder „Die Erfahrung eines langen Lebens") auch die Summe vieler einzelner Erfahrungen be- zeichnet. Der Gegenstand einer Erfahrung wird durch das grammati- kalische Objekt in Sätzen der Gestalt (b) explizit angegeben.4 Gegen- stände der Erfahrung sind immer reale Gegenstände. Wenn man ein Ding wahrzunehmen glaubt, das tatsächlich nicht vorhanden ist, so erfahrt man kein „phänomenales Objekt", sondern es erscheint einem so, als wäre ein reales Ding vorhanden.5 Der Inhalt einer Erfahrung ist der Sachverhalt, den sie uns als bestehend vorstellt. In Sätzen der

3 Die Frage, welche Namen man in die Leerstelle der Satzform „Ich erfahre ..."

einsetzen kann, so daß ein sinnvoller Satz entsteht, ist von der Frage zu unterscheiden, welche Gegenstände sich erfahren lassen, d.h. welche Namen sich in die Satzform einsetzen lassen, damit ein wahrer Satz entsteht. Das gilt natürlich nicht für alle Gegenstände in unserem Sinn, z.B. nicht von Neutrinos, Mengen, Zahlen, Institutionen oder Tugenden.

4 Es kann sich dabei auch um mehrere Gegenstände handeln. Man kann z.B.

mehrere Personen zugleich beobachten. Der Kürze halber reden wir aber meist einfach von dem Gegenstand der Erfahrung.

5 Vgl. dazu Kutschera (1981), Kap.4.

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Form (a) wird der Erfahrungsinhalt im Daß-Satz explizit angegeben.6 Der Inhalt einer Erfahrung umfaßt nicht alles, was uns in ihr bewußt wird. Wenn ich z.B. durch ein Fernglas sehe, daß ein Flugzeug zur Landung ansetzt, so ist mir dabei auch bewußt, daß ich das sehe und dabei ein Fernglas benutze. Diese Tatsachen gehören aber nicht zum Inhalt der Erfahrung, nicht zu dem, was ich sehe. Sätze des Typs (b) spezifizieren den Inhalt der Erfahrung hingegen nicht. Aus dem Satz

„Hans nimmt den Hund wahr" kann man nicht entnehmen, welche Eigenschaften oder Verhaltensweisen Hans an diesem Hund wahrge- nommen hat. Zwei Erfahrungen (derselben Person oder verschiede- ner Personen), die denselben Gegenstand haben, können in ihrem Inhalte ganz verschieden sein.

Man kann nun Typen von Erfahrungen nach dem Gewicht unterscheiden, das emotionale Komponenten in ihr haben. Hier soll von zwei solchen Typen die Rede sein, die wir als Beobachtung und als Erleben bezeichnen. Vom normalen Sprachgebrauch her ist die hier intendierte spezielle Bedeutung von „beobachten" nicht ausge- zeichnet, denn man verwendet dieses Wort etwa so wie wir hier das Verb „erfahren" gebrauchen. Wir müssen sie daher durch Festlegun- gen eingrenzen.7

1. Beobachtungen sind Erfahrungen, in denen emotionale Komponenten keine Rolle spielen.

Bei einer Beobachtung gelten Interesse und Aufmerksamkeit allein dem äußeren Gegenstand. Gefühle gegenüber diesem Gegenstand fehlen entweder, kommen nicht zu deutlicherem Bewußtsein oder werden ausgeblendet. Entsprechendes gilt für voluntative Kompo- nenten (wie z.B. Strebungen), die wir hier aber wegen ihrer engen Verbindungen mit Emotionen nicht eigens berücksichtigen wollen.

Bei Beobachtungen kann die Aufmerksamkeit jedoch andere eigen- seelische Momente umfassen, wie Erinnerungen, die sich mit der Erfahrung verbinden, und den Vorgang des Beobachtens. Insbeson-

6 Es können auch mehrere Sachverhalte sein, der Kürze halber reden wir aber generell von dem erfahrenen Sachverhalt.

7 Wir gebrauchen das Wort „beobachten" hier in einem etwas anderen Sinn als in (1981). Die Unterschiede sind jedoch nicht gravierend, denn auch dort war vorwiegend von Erfahrungen die Rede, in denen emotionale Komponenten keine Rolle spielen.

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clere achtet man bei sorgfältigen und planvollen Beobachtungen darauf, daß man alles tut, was zu genauen und im Blick auf die leitende Fragestellung vollständigen Feststellungen erforderlich ist.

Bei einer Beobachtung geht es aber ausschließlich darum, die objekti- ven Eigenschaften des Gegenstands zu erfassen, nicht um seinen Wert und seine Bedeutung für uns; nur seine Beschaffenheit interes- siert, nicht wie er uns anmutet oder was er für uns bedeutet. Je besser es uns gelingt, solche subjektiven Gesichtspunkte auszuschalten, je distanzierter und objektiver wir den Gegenstand betrachten, desto ungestörter verläuft die Beobachtung. Beobachtungen können natür- lich praktischen Zwecken dienen, sie können das Ziel haben, uns die für eine Entscheidung notwendigen Informationen zu liefern. Die Beobachtung selbst gilt aber nur der Feststellung von Tatsachen.

Man kann ferner auch etwas mit Freude, Befriedigung oder mit Sorge beobachten. Diese Gefühle bestimmen aber dann weder den Beobachtungsinhalt noch die Beobachtungsweise: Wir können von zwei Personen sagen, daß sie denselben Vorgang in gleicher Weise beobachten, obwohl ihn die eine mit Befriedigung, die andere hinge- gen mit Enttäuschung beobachtet. Gefühle begleiten also Beobach- tungen allenfalls, sind aber keine integrierenden Bestandteile davon.

2. Beobachten" ist ein Leistungsverb.

Wir bezeichnen eine Erfahrung nur dann als „Beobachtung", wenn sie zu einer Feststellung über den Gegenstand führt, zu einem Urteil.8 Wenn wir sagen, jemand habe beobachtet, daß ein Sachverhalt be- steht, so geben wir damit das Resultat der Beobachtung an. Der Daß-Satz ist das Urteil, das sie ergibt. Es kann sein, daß eine Beobachtung nicht zu dem gewünschten Resultat führt, nicht zur Entscheidung der Frage, zu der sie angestellt wurde. Eine Erfahrung jedoch, die zu gar keiner Feststellung führt, bezeichnen wir nicht als Beobachtung. Beobachtungen von Dingen vermitteln uns auch eine anschauliche Kenntnis dieser Dinge, die sich nicht in Urteilen aus- drückt, aber es z.B. erlaubt, das Objekt wiederzuerkennen und es

Es können auch mehrere Urteile sein, aber da sie sich konjunktiv verbinden lassen, kann man auch kurz von einem Urteil sprechen.

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von anderen zu unterscheiden. Auch das ist eine kognitive Leistung.9 Eine Beobachtung soll aber nicht nur zu einer solchen anschaulichen Bekanntschaft mit Dingen oder Personen führen, sondern immer auch zu Urteilen über sie. Beobachtungen haben also immer einen Inhalt, sie sind Beobachtungen, daß Sachverhalte bestehen. Diese Sachverhalte betreffen die Außenwelt. Das, was in einer Beobachtung evtl. an subjektiven Komponenten deutlich wird, gehört nicht zu ihrem Inhalt. Wenn wir den Vorgang der Beobachtung charakterisie- ren, so durch Ausdrücke, die nicht im Daß-Satz stehen. So sagen wir „Hans hat durch ein Fernrohr (aus der und der Entfernung, von dem und dem Punkt aus oder unter den und den Bedingungen) beobachtet, daß

Es gibt absichtliche und unabsichtliche Beobachtungen. Absichtlich sind Beobachtungen, die wir anstellen, um etwas herauszufinden.

Den exemplarischen Fall absichtlicher Beobachtungen bilden syste- matische, methodische Beobachtungen, insbesondere Experimente.

Wir sprechen von sorgfältigen, methodischen, mühevollen, schwieri- gen, planmäßigen oder wohlüberlegten Beobachtungen und verwen- den damit Adjektive, mit denen wir auch sonst absichtliche Handlun- gen und Aktivitäten charakterisieren. Unabsichtliche Beobachtungen sind solche, die wir nicht anstellen, sondern die sich mehr oder minder unerwartet ergeben, z.B. wenn wir zufällig Zeuge eines Unfalls werden. Unabsichtliche Beobachtungen können natürlich in absichtliche münden, sich in planvollen Aktivitäten fortsetzen. Auch wenn sie das nicht tun, enthalten sie aber mit dem Urteil, das sich mit ihnen verbindet, ein aktives Element, so daß man auch hier von

„Beobachtungsakten" reden kann.

Das Wort „erleben" gebrauchen wir in Kontexten wie c) Hans erlebt den Sonnenaufgang.

9 Eine Erkenntnis über einen Gegenstand, die sich in einem Urteil über ihn ausdrückt, bezeichnet man auch als cognitio circa rem, eine Kenntnis dagegen als cognitio rei. Beides ist normalerweise miteinander verbunden: Wenn ich jemand so genau sehe, daß ich ihn wiedererkennen kann, so erkenne ich dabei auch etwas über ihn, z.B. daß er ein Erwachsener ist. Und wenn ich umgekehrt sehe, daß er diese oder jene Eigenschaft hat, so erfasse ich seine Erscheinung oft auch so genau, daß ich ihn wiedererkennen kann.

(20)

d) Hans erlebt eine Aufführung des „Fidelio" unter der Leitung von Eugen Jochum.

e) Hans erlebt, wie sich Frit% und Max streiten.

Gegenstände des Erlebens sind primär Vorgänge, Ereignisse und Zustände. „Erleben" wird selten mit „daß" konstruiert. Man kann zwar statt (e) grammatikalisch korrekt auch sagen „Hans erlebt, daß Fritz und Max streiten", aber die Konstruktion mit „wie" ist gebräuchlicher. Der einheitlichen Sprachregelung wegen wollen wir hier jedoch Daß-Konstruktionen verwenden. Auch von einem Erle- ben von konkreten Dingen und Lebewesen ist nur selten die Rede.

Man kann aber z.B. sagen, jemand habe den Dirigenten Leonard Bernstein zuerst bei einem Konzert in München erlebt, und wir sprechen von einem Erleben von Kunstwerken, meist in Bezug auf Aufführungen von Schauspielen oder Musikwerken wie in (d), die man als Ereignisse oder Vorgänge ansehen kann, gelegentlich aber auch von Gemälden. Wir wollen hier ausdrücklich auch solche Ver- wendungsweisen zulassen und generell vom Erleben von Gegenstän- den reden. Die Grundformen von Sätzen über Erlebnisse sind also die Formen (a) und (b), die wir oben für Aussagen über Erfahrungen angegeben haben.

Semantisch unterscheidet sich das Wort „erleben" von „beobach- ten" dadurch, daß es eine innere Beteiligung oder Anteilnahme des Subjekts am erfahrenen Geschehen impliziert. Das führt uns zum ersten Merkmal des Erlebens:

1. Für Erleben sind emotionale Komponenten wesentlich.

Auch das Erleben richtet sich auf Gegenstände der Außenwelt. In ihm werden darüber hinaus aber auch Gefühle, Neigungen und Einstellungen zum Gegenstand deutlich, und bestimmen die Art und Weise, wie er uns erscheint, wesentlich mit. Gefühle begleiten unser Erleben nicht nur, wie wir das von Freude und Sorge bei Beobachtun- gen gesagt haben, sondern prägen es. Das zeigt sich schon in den Adjektiven, mit denen wir Erlebnisse charakterisieren, wie „tief4,

„leidenschaftlich", „beglückend", „bedrückend", „angenehm" oder

„traurig". Sie sind auch Adjektive für Gefühle.1 0 Man kann nicht

Es gibt daneben eine Reihe unspezifischer Vokabeln, mit denen wir nicht nur Gefühle und Erlebnisse, sondern auch Beobachtungen charakterisieren

(21)

behaupten, zwei Personen erlebten dasselbe Ereignis in gleicher Weise, wenn es die eine mit Freude, die andere hingegen mit Sorge erlebt.

Freude und Sorge gehören zum Erlebnis selbst. Beobachtungen sind emotionslos und distanziert, es gibt aber kein unemotionales und di- stanziertes Erleben. Im Erleben sind wir am erlebten Geschehen betei- ligt. Bei Beobachtungen ist uns zwar das Beobachtete auch nicht immer gleichgültig, wie schon betont wurde, und wir befinden uns nicht im- mer in der Rolle des unbeteiligten Zuschauers, aber diese Beteiligung gehört nicht zum Beobachtungsakt. Im Erleben hingegen nehmen wir Anteil am Geschehen. Eine aktive Beteiligung daran ist für das Erleben nicht erforderlich, nicht einmal, daß es für den Erlebenden persönlich nützlich oder schädlich ist. Entscheidend ist allein die emotionale Betei- ligung. Im Erleben werden wir vom Gegenstand in irgendeiner Weise betroffen, selbst wo er uns persönlich gleichgültig sein könnte. Wenn ein anderer einen Unfall erleidet oder ihm Unrecht geschieht, so kön- nen wir das beobachten, d.h. einfach konstatieren. Es erleben heißt, Anteil daran nehmen, innerlich davon bewegt werden oder die Situa- tion als Aufforderung zum Eingreifen erfahren. Anteilnahme bedeutet dabei nicht immer Mitfühlen. Im Beispiel gilt unser Mitgefühl dem, der das Unrecht erleidet, wir können aber auch das Unrechttun erleb- nismäßig thematisieren, und dabei paßt dann die Rede von einem „Mit- gefühl" nicht mehr.

Der Unterschied zwischen distanziertem Beobachten und enga- giertem Erleben wird besonders dort deutlich, wo es um andere Personen geht, um das was sie tun, erleiden oder empfinden. Er besteht aber auch im Fall der Naturerfahrung. Den exemplarischen Fall von Naturbeobachtungen stellen naturwissenschaftliche Experi- mente dar. Das Naturerleben hingegen findet seinen exemplarischen Ausdruck in der Kunst, z.B. in der Naturlyrik. Als Beispiel einige Zeilen aus Goethes Willkommen und Abschied:

Der Abend wiegte schon die Erde, Und an den Bergen hing die'Nacht.

können, wie z.B. „intensiv", „oberflächlich" oder „flüchtig". „Intensiv" kann dasselbe wie „ t i e f bedeuten und ist dann nicht auf Beobachtungen anwendbar, sondern nur auf Erlebnisse. Das Wort kann aber auch dasselbe wie „ange- strengt", „genau", „sorgfältig" besagen, und ist dann nicht auf Gefühle und Erlebnisse, sondern nur auf Beobachtungen anwendbar.

(22)

Schon stund im Nebelkleid die Eiche Wie ein getürmter Riese da,

Wo Finsternis aus dem Gesträuche Mit hundert schwarten Augen sah.

Der Mond von seinem Wolkenhügel Schien schläfrig aus dem Duft hervor.

Die Winde schwangen leise Flügel, Um sausten schauerlich mein Ohr.

Gegenstand des Erlebens, das sich in diesen Zeilen ausdrückt, ist eine abendliche Landschaft. Von Gefühlen des Betrachters ist nicht die Rede, aber die Natur wird im Spiegel der Gefühle beschrieben, mit denen sie erlebt wird. Es wird nicht zwischen der Naturszene selbst und der Art und Weise unterschieden, wie sie den Betrachter anmutet.

Wie Naturbeobachtung keine Domäne der Naturwissenschaft, so ist Naturerleben keine Domäne der Lyrik. Beide Formen der Erfahrung finden sich auch im Alltag. Lyrische Naturbeschreibung ist auch keine metaphorische, „poetische" Verkleidung von Natur- beobachtung, sondern — wo sie gut ist — Ausdruck einer anderen Erfahrungsweise. Der Gegenstand kann derselbe sein, aber die Art, wie wir ihn erfahren, ist in Beobachtung und Erleben deutlich verschieden. Dort werden Tatsachen konstatiert, hier zeigen sich Gegenstände in ihrer Bedeutsamkeit. Erleben ist nicht nur sinn- liches Bemerken, sondern darüber hinaus ein Innewerden im Fühlen.

2. „Erleben" ist kein Leistungsverb.

Beobachtungen sind Leistungen; sie haben ein (noetisches) Resul- tat: das Urteil, das den Beobachtungsinhalt zusammenfaßt. Insofern ist „beobachten" mit „besteigen" vergleichbar: Beides sind Erfolgs- verben oder accomplishment-verbs in der Terminologie von Z.Vendler.

„Erleben" drückt dagegen eine Tätigkeit aus wie etwa „Suchen" oder

„Gehen"; es ist ein activity verb. Die Aussage, jemand erlebe etwas, impliziert nicht, daß er dabei zu gewissen Feststellungen gelangt.

Das schließt natürlich nicht aus, daß wir beim Erleben auch urteilen.

Wenn man einen Unfall erlebt, so macht man dabei schon gewisse Feststellungen und kann hinterher etwas über das Ereignis aussagen.

Den Inhalt eines Erlebnisses gibt man wieder durch den Nebensatz

(23)

in einer Ausage der Form „Die Person a erlebt, daß ..." an. Er umfaßt aber nicht die emotionalen Komponenten, die das Erleben prägen. Daher wollen wir Erlebnissen neben dem Inhalt auch einen Gehalt zuschreiben als die Art und Weise, wie der Gegenstand darin aufgefaßt wird. Wir haben oben gesagt, die Konstruktion von Erleb- nissätzen mit „wie" sei üblicher als jene mit „daß". Während in einer Aussage über eine Beobachtung in der Daß-Form der beobachtete Sachverhalt im Daß-Satz erscheint und die Art und Weise der Beobach- tung im Hauptsatz charakterisiert wird, wird beides in Aussagen über Erlebnisse nicht systematisch getrennt und dem entsprischt die Wie- Konstruktion besser als die Daß-Konstruktion. Der Gehalt umfaßt also die Charakterisierung des Gegenstands wie seines Erlebens. Dieser Unterschied hängt damit zusammen, daß Beobachtungen Aktivitäten des Feststellens und Bestimmens sind, während das für Erlebnisse nicht gilt. Gewöhnlich sieht man sie als passiv an. Auch im Erleben spielen zwar Aktivitäten wie z.B. begriffliche Bestimmungen eine Rolle, aber nachdem wir im Erleben immer am erlebten Geschehen emotional beteiligt und von ihm betroffen sind, sind Erlebnisse jedenfalls nicht Aktivitäten, die man zu gewissen Zwecken unternimmt. Wie wir sahen, kann man von absichtlichen, planvollen, sorgfaltigen oder schwierigen Beobachtungen reden, es gibt aber kein absichtliches, planvolles, sorg- faltiges oder schwieriges Erleben.

3. Im Erleben verbinden sich subjektive und objektive Momente 11 Im äußeren Erleben sehen wir die Gegenstände der Außenwelt in emotionaler Beleuchtung. Wir erleben Dinge und Vorgänge als heiter oder traurig, bedrohlich, vertraut oder fremd, erhebend oder be- drückend, beruhigend oder erregend. Wir beschreiben Geschmacks- oder Geruchseigenschaften als angenehm oder sympathisch, wider- lich, ekelhaft oder aufdringlich. Wir sprechen von freundlichen, ruhigen, angenehmen oder agressiven Farben, von traurigen, fröhli- chen Melodien, erregenden Rhythmen, furchtbarem Getöse, von bedrückender Enge und freier Weite. Wir verwenden also Vokabeln mit emotionalem Gehalt zur Beschreibung der Umwelt und charakte- risieren sie dadurch von den Empfindungen her,mit denen wir ihnen

Vgl. dazu auch die Bemerkungen in Kutschera (1981), Kap.8 zur Polarität von Subjektivem und Objektivem.

(24)

begegnen. Man bezeichnet das auch als affektive Perspektive.12 In ihr werden die emotionalen Qualitäten den Dingen selbst zugeschrieben, sie werden als gegenständliche Attribute erfahren, ebenso wie Farb- oder Formeigenschaften. In einem engeren Sinn redet man von einer affektiven Perspektive nur dann, wenn die emotionalen Qualitäten als für die Natur der Dinge und ihre Klassifikation entscheidend angesehen werden wie z.B. im mythischen Denken. Die Gegenstände können im Erleben auch so erfahren werden, daß ihr freundlicher oder bedrohlicher Charakter Ausdruck einer freundlichen oder dro- henden Einstellung zu uns ist. Dann erscheinen sie als beseelt, so daß sich mit dem Erleben eine mehr oder minder ausgeprägte panpsychistische Weltsicht verbindet. Eine solche Sicht der Dinge wird zumindest angedeutet, wenn ihre Erscheinungsweise, ihre Ei- genschaften, Veränderungen und Bewegungen durch Verben ausge- drückt werden, die wir normalerweise vor allem auf menschliches Tun beziehen. Leblose Dinge erscheinen und agieren wie lebendige Wesen, physikalische Kräfte wie beseelte Mächte. Das zeigt sich wieder am besten in der Naturlyrik. In den oben zitierten Versen aus Goethes Willkommen und Abschied wiegt der Abend die Erde, die Eiche baut sich vor uns auf wie ein drohender Riese, die Finsternis blickt aus dem Gesträuch hervor, der Mond scheint schläfrig aus den Wolken, die Winde schwingen ihre Flügel. Das sind nicht bloß poetische Bilder. Bilder wären es — und zudem schlechte —, wenn hier die physische Natur beschrieben werden sollte, aber hier geht es darum, erlebte Natur zu schildern. Man spricht auch oft von einem physiognomischen Charakter der Erscheinungen: Wir sehen Gesichts- züge, Miene, Gesten, Haltung und z.T. auch Körpergestalt eines Menschen als Ausdruck oder Manifestation seines Wesens oder seiner Einstellung, Absichten und Gefühle an. Diese Erfahrung körper- licher Erscheinungen als Ausdruck von Seelisch-Geistigem erstreckt sich aber im Erleben viel weiter: auf Tiere, Pflanzen und auf Anorga- nisches. Wir sagen, ein Baum recke seine Äste empor, er lasse seine Blätter fallen, eine Blume wende sich der Sonne zu, sie lasse ihren

1 2 Daneben gibt es eine funktionale Perspektive, in der wir die Gegenstände in ihrem Nutzen oder Gebrauchswert betrachten und sie z.B. als nützlich, vorteilhaft, schädlich, hinderlich, als geeignet oder ungeeignet für diese oder jene Zwecke erfahren. Sie kommt in Bezeichnungen wie Nutzpflanze, Unkraut, Heilpflanze, Möbel, Werkzeuge, Kleidungsstück zum Ausdruck.

(25)

Kopf hängen, ein Bach murmele. Das ist wiederum keine bloß

„metaphorische" Ausdrucksweise, sondern die Sprache des Naturer- lebens. Mit der Rede vom „physiognomischen Charakter" der Gegen- stände im Erleben verbindet sich auch der Gedanke, daß wir darin ihren Gesamtcharakter auffassen und nicht, wie in der Beobachtung, einzelne Eigenschaften. Wenn wir ein Gesicht sehen, stellen wir in der Regel nicht mehrere Eigenschaften und Maßverhältnisse fest, sondern haben einen intuitiven Gesamteindruck, der zwar wenig detailliert ist, uns aber ein sehr viel sichereres Wiedererkennen ermög- licht als detaillierte Feststellungen über einzelne Eigenschaften.

Bisher war von äußerer Beobachtung und äußerem Erleben als Typen äußerer Erfahrung die Rede. Es gibt die entsprechenden Typen auch im Bereich innerer Erfahrung. Man kann zwischen der Empfindung von Freude, Trauer, Zorn, Sehnsucht usf., also dem Haben von Gefühlen und der Reflexion auf sie unterscheiden. Diese Unterschei- dung liegt jener zugrunde, die wir zwischen innerem Erleben und innerer Beobachtung machen wollen. Im inneren Erleben tritt ein Gefühl, das wir haben, deutlich ins Bewußtsein, so daß wir es nicht nur empfinden, sondern unsere Aufmerksamkeit darauf richten, die Tatsache dieses Empfindens und seine Bedeutsamkeit für uns themati- sieren. Die Beobachtung eines Gefühls ist hingegen eine Reflexion darauf, in der wir es gewissermaßen als Zuschauer unserer eigenen seelischen Vorgänge distanziert betrachten.

Äußere und innere Erfahrung sind Typen, d.h. eine Erfahrung ist nicht entweder eine äußere oder eine innere, sondern sie ist mehr oder minder eine äußere oder eine innere Erfahrung je nachdem, ob die Aufmerksamkeit vorwiegend einem äußeren Gegenstand gilt oder nicht, und zwischen rein äußeren und rein inneren Erfahrungen gibt es ein breites Spektrum von Zwischenformen. Die Verbindung von äußerer mit innerer Erfahrung ist insbesondere im Fall des Erlebens deutlich. Äußere Gegenstände muten uns vielfach in gewisser Weise an, sie haben für uns eine emotionale Valen^ einen emotionalen Wert, eine Bedeutsamkeit.13 Man kann nicht behaupten, daß es sich dabei nur um Wirkungen äußerer Erfahrungen handelt. Wir sehen

J.von Uexküll hat diesen Valenzcharakter der Dinge auch für das Erleben der Tiere nachgewiesen.

(26)

nicht zunächst einen wertneutralen Gegenstand, auf den wir dann emotional reagieren oder dem wir dann einen Wert und eine Bedeu- tung zuordnen. Auch das kommt natürlich vor, aber das primäre Kriterium für Bewertungen liegt in der Erfahrung selbst und erst aufgrund von Erfahrungen bilden wir uns generelle Wertmaßstäbe.14 Die verbreitete These vom „postkognitiven Charakter der Affekte", die These also, allen Willens- und Gemütsregungen, die sich auf eine Sache richten, gehe die Erkenntnis dieser Sache voraus, ist nicht haltbar. Die Behauptung, zuerst müsse erkannt werden, was für ein Gegenstand oder Sachverhalt vorliegt, bevor man dazu Stellung nehmen und ihn bewerten könne, klingt zwar zunächst ganz plausi- bel, sie ist aber eher ein Postulat für rationales, überlegtes Verhalten als eine generelle empirische Tatsache und sie setzt voraus, daß wir schon aufgrund von Erfahrungen Wertmaßstäbe entwickelt haben.

Einfache Beobachtungen wie psychologische Experimente zeigen, daß emotionale Einstellungen wie praktische Reaktionen oft deutli- cher Erkenntnis vorauseilen und daß wir emotional auch da differen- zieren, wo dafür keine greifbaren sachlichen Anhaltspunkte vorlie- gen. Wir finden z.B. einen Menschen, dem wir das erstemal begegnen, spontan sympathisch oder vertrauenswürdig, obwohl uns noch die Grundlage für ein fundiertes Urteil fehlt. Umgekehrt sind auch viele innere Erfahrungen mit äußeren verbunden. Ein Großteil unserer Antriebe, Neigungen und Gefühle ist gegenstandsbezogen und aktua- lisiert sich erst in äußeren Erfahrungen der entsprechenden Gegen- stände. Freude und Trauer, Bewunderung und Abscheu, Befriedigung und Enttäuschung haben konkrete Anlässe in äußeren Erfahrungen.

Sie beschränken sich freilich nicht darauf: Der Ärger über einen Vorfall kann wesentlich länger andauern als dessen Wahrnehmung, und wir können uns in der Erinnerung an ein Ereignis darüber freuen oder in seiner Erwartung. Verbindet sich eine innere Erfahrung mit einer äußeren, so wird sie von dieser mitbestimmt. Der Charakter einer Freude hängt von ihrem Gegenstand ab. Über ein gutes Essen freuen wir uns in anderer Weise als über einen beruflichen Erfolg, über eine Landschaft anders als über eine gute Tat. Auch nichtinten-

In Kutschera (1981), 8.2 wurde darauf hingewiesen, daß manche primitive Sprachen keine Verben für ein Wahrnehmen besitzen, die nicht auch die emotionalen Reaktionen mitbezeichnen. Zu spontanen, nicht durch Überle- gung vermittelten Wertungen vgl. auch Zajonc (1980).

(27)

tionale Empfindungen wie körperliche Schmerzen verbinden sich oft mit äußeren Erfahrungen, so z.B. bei einem Stoß, den ich erhalte.

Hier finden nicht zwei Erfahrungen statt: die Beobachtung des Stoßes und eine Schmerzempfindung, sondern es handelt sich um eine einzige Erfahrung eines schmerzhaften Stoßes.

Der Zusammenhang äußerer und innerer Erfahrung zeigt sich nun nicht nur darin, daß ein und derselbe Erfahrungsakt äußere und innere Komponenten hat, sondern stärker noch im Erfahrungsinhalt.

Wir erleben die Außenwelt im Licht unserer Gefühle und Neigungen, und diese bestimmen sich umgekehrt im Spiegel der Außenwelt. Da sich uns im äußeren Erleben die Welt im Licht unserer Gefühle darstellt, läßt sich unser Empfinden umgekehrt auch von den Gegen- ständen her charakterisieren. Das zeigt sich wiederum in der Sprache.

Wir reden von tiefer Trauer, hohen Erwartungen, dunklen Gedanken, hellem Entzücken, festen Entschlüssen, warmen Empfindungen und kalter Wut, charakterisieren also Seelisches durch Adjektive, die ihrem primären Sinn nach dem Gebiet des Physischen zugehören.

Aufschlußreich sind auch die Vergleiche von Gefühlen mit Gegen- ständen der Außenwelt, wie z.B. in Amiens' Gesang in Shakespeares As You Like It (11,7):

Blow, blowy thou winter wind, Thou art not so unkind

As man's ingratitude;

Thy tooth is not so keen.

Because thou art not seen.

Although thy breath be rude.

Freeze, freeze, thou bitter sky, That dost not bite so nigh

As benefits forgot.

Though thou the waters warp, Thy sting is not so sharp,

As friend remember'd not.

Wird die Natur als beseelt erlebt, so kann sie im Vergleich mensch- liches Gefühl und Verhalten erhellen. Völlig Verschiedenartiges ließe sich nicht vergleichen.

Ein Beispiel für die Fusion von Naturerleben und innerem Erleben ist Theodor Storms Gedicht Über die Heide:

(28)

Über die Heide hallet mein Schritt;

Dumpf aus der Erde wandert es mit.

Herbst ist gekommen, Frühling ist weit Gab es denn einmal seelige Zeit?

Brauende Nebel geisten umher;

Schwär^ ist das Kraut und der Himmel so leer.

War ich hier nur nicht gegangen im Mai!

Leben und Liebe — wie flog es vorbei!

Der kognitive Wert äußerer Beobachtungen ist unbestritten. Der des äußeren Erlebens wird jedoch oft bezweifelt. Die wichtigsten Argumente sind dabei folgende:

1. Im äußeren Erleben erfassen wir die Welt nicht so, wie sie objektiv oder „an sich" beschaffen ist, sondern wir projizieren unsere subjektiven Gefühle und Einstellungen in die Welt. Gefühle, Neigun- gen und Einstellungen gehören aber der Sphäre des Subjektiv-Seeli- schen an, das von ganz anderer Art ist als das Objektiv-Physische.

Die mehr oder minder ausgeprägte panpsychistische Weltsicht, die sich mit dem Erleben verbindet, zeigt besonders deutlich, daß es völlig ungeeignet ist, uns die Natur so zu erschließen, wie sie wirklich ist. Wie sie wirklich ist, sagen uns die Naturwissenschaften, deren Weltbild dem panpsychistischen diametral entgegengesetzt ist.

2. Aussagen über die erlebte Welt sind wegen ihrer Subjektivität im Sinne einer Abhängigkeit vom einzelnen Betrachter, von seinen Neigungen, Stimmungen etc. keine inter subjektiv gültigen Sätze.

Sie werden nicht nur von der allgemeinmenschlichen Struktur des Empfindens bestimmt wie z.B. Farbaussagen, sondern auch von den momentanen seelischen Zuständen des einzelnen. Daher sind sie nicht als Sätze über die Außenwelt aufzufassen, sondern als Aussagen über das Erleben des einzelnen.

3. Erleben ist nur eine onto- wie phylogenetisch (oder historisch) primitive Vorstufe des Beobachtens. Im Vergleich mit diesem zumin- dest ist sein kognitiver Wert gering.

Diese Argumente enthalten zum Teil richtige Gedanken. Sie reichen aber keineswegs aus, die These von der kognitiven Irrelevanz des Erlebens (oder der emotionalen Faktoren der Erfahrung) zu begründen. Die ergibt sich vielmehr erst aus einer bestimmten Reali- tätskonzeption.15

1 5 Vgl. zum folgenden ausführlicher Kutschera (1981), Kap.8.

(29)

Zunächst legt schon unsere Sprache Zeugnis gegen die bloß subjektive Relevanz der Gefühle ab. Wir kennzeichnen Physisches auch durch Attribute, die Gefühle charakterisieren. So bezeichnen wir Farben als „freundlich", Melodien als „traurig", Linien als „ener- gisch", Disonanzen als „agressiv". Diese Adjektive beschreiben nicht die Wirkung der Gegenstände auf das Gefühl des Betrachters, son- dern Eigenschaften, die sie selbst haben, denn der Anblick einer freundlichen Farbe stimmt uns nicht freundlich, sondern sie mutet uns als freundlich an. Allgemein gibt es eine Fülle von Adjektiven, die wir sowohl auf Physisches wie auf Psychisches anwenden, ohne daß man sie deshalb als „mehrdeutig" bezeichnen könnte. Schwer sind z.B. Lasten wie Sorgen, heiß ein Feuer wie ein Wunsch, dunkel sind Farben wie Gedanken, tief ein Abgrund wie eine Liebe. Man kann hier nicht von bloßen „Metaphern" im Sinne von Übertragun- gen eines Wortes aus seinem ursprünglichen Anwendungsgebiet auf andere Gegenstände reden. Eine solche Übertragung wäre ja in aller Regel unverständlich ebenso wie die Ausdrücke „spitzwinklige Sorgen" oder „rote Primzahlen". Eine Metapher ist nur dann sinn- voll, wenn das metaphorische Attribut schon Bedeutungskomponen- ten enthält, die für den Gegenstand erklärt sind, auf den es angewen- det wird. Wären Physisches und Psychisches so grundlegend verschie- den, wie das die These von der bloß subjektiven Relevanz der Gefühle voraussetzt, so wären psychische Metaphern für Physisches ebensowenig möglich wie mathematische.16

Die Anwendbarkeit derselben Vokabeln auf Physisches und Psy- chisches, die Verbindung physischer und psychischer Bedeutungs- komponenten, erklärt sich aus der Integration sinnlichen Empfindens mit anderen Formen des Fühlens. Sinnesempfindungen sind mit Gefühlsempfindungen verbunden, besonders deutlich bei den Nah- sinnen — Geruchs- und Geschmacksqualitäten charakterisieren ebenso den Gegenstand wie unsere Gefühle. Die Welt, die wir erfahren, stellt sich nicht nur in der sinnlichen Wahrnehmung, son- dern auch im Gefühl dar. Die Außenwelt ist ferner immer die Welt,

1 6 Zum Begriff der Metapher vgl. ausführlicher 5.1. — Der These von der kognitiven Irrelevanz äußeren Erlebens liegt oft ein psycho-physischer Dualis- mus zugrunde, nach dem Psychisches grundsätzlich von Physischem verschie- den ist, so daß sich psychologische Prädikate nicht auf physische Dinge anwenden lassen. Vgl. dazu Kutschera (1981), Kap.7 und 8.1, 8.2.

(30)

wie sie sich uns in der Erfahrung zeigt,17 ihre Beschaffenheit und ihre Dimensionen entsprechen den Erfahrungsformen (den Beobach- tungsverfahren), die wir zu ihrer Erkenntnis verwenden und als kognitiv relevant für sie ansehen. Das läßt sich am Beispiel der Physik besonders gut demonstrieren, es gilt aber auch für den Unter- schied des naturwissenschaftlichen und des alltäglichen Weltbildes:

Liegt diesem ein naiver Realismus zugrunde, nachdem die Dinge, die wir wahrnehmen, objektiv existieren und die Attribute, die wir an ihnen wahrnehmen, ihnen selbst zukommen, so jenem ein kritischer Realismus, nach dem das nicht generell gilt. Der kritische Realismus unterscheidet zwischen primären Sinnesqualitäten, die wir den Din- gen selbst zusprechen können, und sekundären, für die das nicht möglich ist.18 Man kann nun auch die expressiven Qualitäten der Dinge, d.h. die Art und Weise, wie sie uns anmuten, also z.B. die Freundlichkeit von Farben und die Aggressivität von Dissonanzen, als primäre Qualitäten auffassen und so dem naiven Realismus, der normalerweise solche Qualitäten von vornherein als kognitiv irrelevant aus der Betrachtung ausschließt, einen erweiterten naiven Realismus gegenüber stellen.19 Wo man die Grenze zwischen primä- ren und sekundären Qualitäten legt und welche Erfahrungen man als relevant für die Erkenntnis der Außenwelt ansieht, ist ja zunächst eine Frage des Zwecks, den man verfolgt. Ein begrifflich exakt beschreibbares und von durchgehenden Gesetzen beherrschtes Welt- bild ergibt nur die Beschränkung auf die naturwissenschaftlichen Beobachtungsverfahren. Das, was wir als objektiv real ansehen, muß freilich immer gewisse Kriterien erfüllen,2 0 unter anderem das einer (möglichst großen) Invarianz bzgl. subjektiven Auffassungen.

Diesbzgl. schneidet der erweiterte naive Realismus sicherlich schlech- ter ab als der normale, und dieser wiederum schlechter als ein an den Naturwissenschaften orientierter kritischer Realismus. Ist die Welt jedoch, wie wir sagten, jeweils das, was sich in der Erfahrung zeigt, so besteht jedenfalls in keinem Fall eine radikale Unabhängig- keit zwischen Sein und Erfahren werden. Im übrigen gehört auch der

1 7 Vgl. dazu Kutschera (1981), 8.6.

1 8 Zur Legitimität des naiven Realismus vgl. Kutschera (1981), 3.4.

1 9 Der Begriff der expressiven Qualität wird in 1.3 näher erläutert.

2 0 Vgl. dazu Kutschera (1981), S.401ff.

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Ausdruck „freundliche Farben" zur intersubjektiven Sprache und das besagt, daß wir in seinen Anwendungen weitgehend übereinstimmen, also in etwa dieselben Farben als freundlich empfinden.

Die kognitive Relevanz der Gefühle zeigt sich auch im prakti- schen Leben des Alltags. Im Umgang mit anderen Menschen reagie- ren wir auf ihre Einstellungen, Stimmungen und Absichten. Sie sind aber nicht direkt beobachtbar, wenn man den Beobachtungsbegriff so eingrenzt, daß Gefühle dabei keine Rolle spielen. Dann sind unsere Annahmen über sie nur erschlossen aus den Mienen, den Gesten, dem Ton ihres Sprechens, ihren körperlichen Bewegungen. Tatsächlich erschließen wir aber nicht aus dem Verhalten eines anderen, daß er zornig ist, sondern wir sehen das unmittelbar — im normalen Sinn des Wortes „sehen". Das ist dann aber kein bloß optisches Sehen, sondern auch eine Leistung des Gefühls. Schon das Kleinkind reagiert auf ein freundliches Gesicht ganz ähnlich wie der Erwachsene.

N.Hartmann spricht vom „Sehen des Nichtsichtbaren" und sagt, daß wir oft durch die äußere Erscheinung hindurch das sinnlich nicht direkt Bemerkbare erkennen, ähnlich wie wir beim Hören einer sprachlichen Äußerung durch den Lautklang hindurch den Sinn erfassen.21 Dieses teilweise instinktive, vielfach aber durch Erfahrung konditionierte gefühlsmäßige Erkennen spielt eine außerordentlich große Rolle. Man kann also Jean Paul Sartre zustimmen, wenn er sagt: „Uemotion est une certaine maniere d'appréhender le monde".22 Der zentrale Punkt der Kritik am Erleben ist das erste Argument.

Es stützt sich auf zwei Voraussetzungen: Auf die Konzeption der Realität, nach der sie in ihrer Existenz und Beschaffenheit völlig unabhängig vom erfahrenden Bewußtsein ist — also auf einen starken ontologischen Realismus — und auf die Ansicht, diese Realität falle zusammen mit jener, welche die Naturwissenschaften beschreiben.

Beide Voraussetzungen sind aber wie gesagt durchaus problema- tisch.23 Von einer unzulässigen „Projektion" subjektiver Empfindun- gen in die Gegenstandswelt beim Erleben kann man auch deshalb

2 1 Vgl. Hartmann (1953), Teil 1, Abschn.I.l und Kap.2.

2 2 Sartre (1939), S.30. Die kognitive Relevanz von Gefühlen wird u.a. auch von Goodman (1968), VI,4 betont.

2 3 Zum starken ontologischen Realismus vgl. Kutschera (1981), 3.4 und Kap. 8.

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nicht sprechen, weil wir hier nicht grundsätzlich anders verfahren als bei Sinnesempfindungen. Wir unterscheiden auch beim Erleben zwischen Erlebnisweise und dem erlebten Charakter der Dinge. Wir können etwas als traurig empfinden ohne deshalb selbst traurig zu sein, und umgekehrt, ebenso wie wir etwas als warm empfinden können, ohne daß uns selbst warm ist.24 Und eine Aussage „Diese Farbe ist freundlich, erscheint mir aber (gegenwärtig) nicht so" ist ebenso sinnvoll wie die Aussage „Diese Fläche ist rot, erscheint mir aber nicht so"; sie kann unter analogen Umständen (z.B. einer nicht normalen Beleuchtung) wahr sein.

Zusammenfassend können wir also zum ersten Argument sagen:

Da die Welt grundsätzlich diejenige Realität ist, die sich in unserer Erfahrung zeigt, besteht kein Grund, manche Erfahrungsformen auszuschließen und zu sagen: Nur das ist wirklich, was sich in Erfahrungen einer bestimmten Art zeigt. Jede solche Beschränkung zeigt uns nur gewisse Aspekte oder Dimensionen der Gesamtwirk- lichkeit.

Zum zweiten Argument ist zu sagen, daß Subjektivität im Sinne eines Mangels an intersubjektiver Übereinstimmung, nicht eine Sache des Entweder-Oder, sondern eine Sache des Mehr-oder-Weniger ist.

Das Erleben ist sicherlich im Großen und Ganzen subjektiver, d.h.

von individuellen Zuständen, aber auch von kulturellen Gegebenhei- ten abhängiger als das Beobachten. Wir stimmen z.B. leichter in der Frage überein, ob ein Rot ein helles Rot ist oder ob eine Melodie in C-dur gespielt wird, als in der Frage, ob es ein freundliches Rot bzw. eine fröhliche Melodie ist. Viele emotionale Bewertungen wie

„angenehm" oder „erfreulich" nehmen ferner deutlich auf individuel- les Empfinden Bezug, so daß wir uns nicht über die Frage streiten, ob etwas angenehm oder erfreulich ist: Wir verstehen Beschreibungen mit solchen Wörtern mehr als Ausdruck der Einstellungen des Spre- chers denn als sachliche Beschreibungen. Das bedeutet aber nicht, daß es keine breitere Übereinstimmung in Aussagen über den erleb- nismäßigen Charakter der Gegenstände gibt. Mangelnde Überein- stimmung ist nur dann relevant, wenn sie unter Leuten auftritt, die

Die Erfahrung von Fremdseelischen zeigt ebenfalls, daß wir beim Erleben nicht einfach unsere Gefühle in den Gegenstand hineinprojizieren: Wir erken- nen die Freude eines anderen, ohne selbst freudig gestimmt zu sein, seinen Ärger, ohne dabei selbst ärgerlich zu werden.

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