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Nichtsprachlicher Ausdruck

Im Dokument Franz von Kutschera (Seite 54-73)

Ausdruck im allgemeinen wie die Ausdrucksformen Darstellung und Ausdruck i.e.S. gibt es nicht nur in der Sprache. Auch Diagramme, in denen z.B. die prozentuale Aufteilung des Staatshaushalts auf die Aufgabenbereiche der einzelnen Ministerien in Form von Kreisseg-menten veranschaulicht wird oder das Anwachsen der Weltbevölke-rung, sind Darstellungen. Ebenso Grund- und Aufrisse und Modelle von Gebäuden sowie Fotografien und (gegenständliche) Grafiken, Gemälde und Skulpturen. In all diesen Fällen ist der Gegenstand etwas objektiv und unabhängig von der Darstellung Gegebenes, wenn er auch wie z.B. im Fall von Gemälden mit mythologischen

Man kann sie zwar eindeutig kennzeichnen, aber eine Kennzeichnung ist keine vollständige Beschreibung.

Themen nicht immer real ist. Solche Darstellungen sind korrekt oder inkorrekt, mehr oder minder genau und detailliert wie sprachliche Darstellungen. Im Gegensatz zu diesen sind sie aber keine Beschrei-bungen. Sie sind keine Aussagen über den Gegenstand, sondern sie zeigen ihn. Wir wollen sie daher auch als repräsentierende Darstellungen bezeichnen, im Gegensatz zu Beschreibungen als deskriptiven Darstel-lungen. Wie diese vermitteln auch jene Informationen über den Gegen-stand, wie wir sehen werden aber nicht immer solche, die sich durch endlich viele Aussagen vollständig beschreiben lassen.

Der Paradefall einer repräsentierenden Darstellung im Feld der Kunst ist das Bild. Im engeren Sinn des Wortes, der dabei gemeint ist, also als Abbilder, sind Bilder z.B. Fotografien, (gegenständliche) Gemälde, Grafiken und Skulpturen.1 Solche Bilder sind sichtbare Dinge, die sichtbare Gegenstände darstellen. Die Abbildungsbezie-hung beruht dabei auf einer gewissen Ähnlichkeit zwischen Bild und abgebildetem Gegenstand. Auch bildliche Darstellungen vermitteln aber das Dargestellte nur kraft Konventionen, mithilfe eines konven-tionellen Interpretationsschlüssels. Das übersehen wir leicht, da uns diese Konventionen selbstverständlich geworden sind. In einer Foto-grafie sehen wir z.B. ohne weiteres den abgebildeten Gegenstand, ohne uns dabei einer Deutung bewußt zu sein. Menschen, die das erstemal mit einer Fotografie konfrontiert werden, fassen sie aber nicht als Abbild auf, sondern zunächst einfach als Stück Papier. Auch die zentralperspektivische Darstellung des Raums und der Körper in ihm ist uns selbstverständlich, ist aber doch konventionell. Der altägyptischen Kunst etwa ist sie fremd; in ihr finden sich z.B.

Darstellungen, in denen ein Garten im Grundriß dargestellt ist, während Bäume und Personen in ihm in Seitenansicht wiedergegeben werden, also für unsere Lesart liegend. In der Malerei gibt es eine

Im weiteren Sinn ist ein Bild so etwas wie eine anschauliche Vorstellung — wir machen uns z.B. ein „Bild" vom ursprünglichen Aussehen des Parthenon.

Man bezeichnet allgemein auch nichtgegenständliche Gemälde und Grafiken als „Bilder", nicht aber als Abbilder. Skulpturen nennt man hingegen meist nicht „Bilder", sondern „Bildwerke". Darüber wollen wir uns aber hier hinwegsetzen, da man sie jedenfalls „Abbilder" nennen kann. Bilder, nicht aber Abbilder, sind ferner auch bildhafte Vergleiche, Metaphern und Sinnbilder (der Löwe als „Bild" der Stärke). Schatten- und Spiegelbilder kann man zwar

„Abbilder" nennen, sie drücken aber nichts aus.

Bedeutungsperspektive, bei der Personen von höherem Stand größer dargestellt werden als andere, so daß man solche Bilder nicht einheit-lich zentralperspektivisch lesen kann. Allgemein ist die natüreinheit-liche Ähnlichkeit zwischen Original und Abbild recht beschränkt. Wir sagen zwar, ein Portrait habe „große Ähnlichkeit" mit dem Portrai-tierten, aber das Bild als eine mit Farben bedeckte Leinwand ist sicher von gänzlich anderer Beschaffenheit als der Portraitierte. Eine Ähnlichkeit besteht nur zwischen dem wirklichen und dem durch das Bild vermittelten Aussehen des Portraitierten; das ist aber keine Ähnlichkeit zwischen Zeichen und Bezeichnetem, sondern zwischen dargestellten und realen Eigenschaften des Bezeichneten.2 Die große Skala natürlicher Helligkeiten wird ferner in der Malerei in die enge Skala zwischen weißer und schwarzer Farbe transformiert, die dreidi-mensionale Realität in die Fläche projiziert, und aus dieser Abbildung muß der Betrachter das Urbild in seiner Vorstellung rekonstruieren.

Das, was ein Bild darstellt, ist ferner nicht nur das, was jeder erkennt, der das Bild betrachtet. Daß es sich in Rubens' Urteil des Paris (Madrid,

2 Ein Portrait stellt den Portraitierten als einen so und so beschaffenen (ausse-henden) dar. Stellt es ihn anders dar, als er tatsächlich aussieht, so stellt es nicht einen anderen Menschen dar, der das dargestellte Aussehen tatsächlich hat, denn einen solchen Menschen gibt es in der Regel nicht. Es ist also zwischen „x stellt y als ein F dar" und „ x stellt ein F dar" zu unterscheiden.

Ein geschöntes Portrait stellt nicht einen schönen Mann dar, der dann, weil der Portraitierte selbst nicht schön ist, von diesem verschieden wäre, sondern es stellt den Portraitierten als einen schönen Mann dar. — Beardsley unterschei-det in (1958), Kap.VI generische und spezifische Darstellungen; die letzteren bezeichnet er auch als portrayals. Ein Gemälde kann z.B. ein Haus darstellen oder ein bestimmtes Haus, etwa das Geburtshaus Raffaels in Urbino. Seine Terminologie ist freilich insofern mißverständlich, als auch im ersten Fall nicht ein „allgemeines Haus" dargestellt wird oder gar der Begriff des Hauses, sondern ein so und so beschaffenes Haus, das sich von anderen Häusern unterscheidet. Auch eine generische Darstellung eines Hauses zeigt also ein

„bestimmtes" Haus, das aber nicht unabhängig von der Darstellung bestimmt ist: Es ist kein real existierendes oder historisches Gebäude und keins, das in mythologischen oder literarischen Erzählungen vorkommt. Bilder können also auch fiktive Objekte darstellen. Wenn ein solches fiktives Objekt zufällig so dargestellt wird, wie ein reales tatsächlich aussieht, wird man nicht sagen, es stelle dieses dar. Die Unterscheidung zwischen generischer und spezifischer Darstellung orientiert sich dann an der Intention des Malers.

Prado) bei der zweiten männlichen Figur von links um Hermes handelt, sieht man nicht unmittelbar, sondern das ergibt sich erst aus der Kennt-nis seiner konventionellen Attribute (der Flügel an Kappe und Schu-hen). Oft sind also ikonographische Informationen über die Art erfor-derlich, wie bestimmte Personen oder Vorgänge konventionell darge-stellt werden.3 Bei Darstellungen gibt es das „unmittelbar Gegebene"

ebensowenig wie bei Erfahrungen. Was wir als ähnlich empfinden, ist also auch Sache der Konvention.

Bilder sind repräsentierende Darstellungen. Im Gegensatz zu Diagrammen, welche die Beschaffenheit des Gegenstands an jener eines anderen demonstrieren, zeigen sie den Gegenstand selbst. In diesem Sinn kann man sie auch spezieller als präsentierende Darstellun-gen bezeichnen. Sie vermitteln also nicht nur Informationen über ihn,

sondern eine Anschauung der Sache selbst, eine cognitio rei.

Bilder stellen nicht nur momentane sichtbare Zustände dar, sie können z.B. auch haptische Empfindungen vermitteln 4 — in hollän-dischen Stilleben des 17.Jahrhunderts meint man die dargestellten Materialien fühlen zu können — und auch Bewegungen wiedergeben, etwa dadurch, daß ein typischer Moment in einem Bewegungsablauf wiedergegeben wird.5 Man vgl. z.B. die rasche, kreisende Bewegung in Rubens' Bauerntan^ (Madrid, Prado) oder den Sturz des Jägers vom Pferd in seiner Löwenjagd (München, Alte Pinakothek). Ebenso können Kräfte dargestellt werden, z.B. in der Anspannung von Muskeln, sowie Gefühle, Haltungen und Charaktere. In Botticellis Verkündigung (1489/90, Florenz, Uffizien) ist nicht nur die Miene, Geste und Haltung Mariens dargestellt, sondern auch ihre Demut.

Wir haben oben betont, daß man im normalen ^ Sinn des Wortes auch Gefühle (durch Gesten, Mienen, Haltungen oder Bewegungen hindurch) sehen kann, daß ihre Erkenntnis nicht eine Sache bewußter Interpretation ist. Ebenso sieht man in unserem Bild auch die Haltung der Demut (im physischen wie psychologischen Sinn des Wortes

„Haltung"); sie wird durch das Bild vermittelt. Bildliche Darstellung beschränkt sich also nicht nur auf Physisches, wenngleich sie natürlich Psychisches nur durch Physisches vermitteln kann. N.Hartmann hat

3 Vgl. dazu auch Panofsky (1964), S.87f, und unten den Abschnitt 4.2.

4 Bernard Berenson spricht von ideated sensations. Vgl. dazu auch Gombrich (I960), Kap.8.

5 Vgl. dazu auch R.Arnheim (1956), Kap.VIII.

in (1953) Schichten der Darstellung unterschieden. Bei bildlichen Darstellungen würden die dargestellten Körper und ihre Haltungen zu einer ersten Schicht gehören, Bewegungen, Handlungen und Kräfte zu einer zweiten, Gefühle, Stimmungen und Absichten zu einer dritten, Charaktere und Schicksale zu einer vierten und allge-meine Ideen, Phänomene, Ideale usf. zu einer fünften. In Botticellis

Verkündigung würden also z.B. die Gestalten Mariens und des Engels zur ersten, die Überbringung der Botschaft durch diesen zur zweiten, die Demut Mariens, mit der sie die Botschaft aufnimmt zur dritten, ihr Charakter und Schicksal, die sich in dieser Szene zeigen, zur vierten, und die menschliche Bereitschaft, dem Wort Gottes Folge zu leisten, wie sie durch Maria exemplifiziert wird, ebenso wie die Heilsgeschichte, die mit der Verkündigung beginnt, zur fünften Schicht gehören. Nach Hartmann bilden diese Schichten insofern eine natürliche Reihenfolge, als die Phänomene det höheren Schichten nur vermittels jener der niedri-geren zum Ausdruck gebracht werden können. Abbildbar ist zunächst nur Physisches in einem statischen Zustand. Bewegung und Kräfte las-sen sich nur durch Haltungen, Anspannung der Muskeln etc. darstellen.

Psychisches läßt sich nur durch Mienen, Gesten und Handlungen ver-mitteln, Geistiges nur durch Psychisches, und Allgemeines nur durch Besonderes. Dieses Modell gibt wichtige Hinweise darauf, daß und wie speziell geistige und seelische Inhalte bildlich vermittelt werden können.

Die Unterscheidung der Schichten ist aber nicht scharf, das Schema also zu rigide, einzelne Schichten können — wie Hartmann selbst betont — auch ausfallen, der Verschiedenheit von Ausdrucksformen wie z.B. Dar-stellung und Ausdruck i.e.S. wird nicht Rechnung getragen, symboli-sche und allegorisymboli-sche Inhalte werden nicht diskutiert, und die Rolle formaler Elemente wie z.B. Farbe und Komposition für die Bestimmung des Gehalts wird übersehen. Wie die Vermittlung von Inhalten höherer Schichten funktioniert, kann man wohl nur an konkreten Beispielen genauer erläutern.

Einem Bild lassen sich unbestimmt viele Informationen über den Gegenstand entnehmen. Die Art, wie es ihn darstellt, läßt sich nicht vollständig durch eine bestimmte Anzahl von Sätzen der Gestalt „Es stellt ihn als ein F dar" angeben, in denen F jeweils ein bestimmtes Prädikat ist. Individuum est ineffahile, und das gilt in etwa auch für Individuen, so wie sie dargestellt werden, selbst wenn die Anzahl derjenigen Eigenschaften, die ihnen die Darstellung zuschreibt, er-heblich geringer ist als die Anzahl ihrer realen Eigenschaften.

Be-zeichnen wir als Inhalt einer repräsentierenden Darstellung die Art und Weise, wie der Gegenstand in ihr (objektiv) charakterisiert wird, so ist dieser Inhalt in der Regel nicht vollständig beschreibbar.

Auch der Gegenstand einer repräsentierenden Darstellung läßt sich auf verschiedene Weise beschreiben.6 So kann man z.B. sagen, Rubens' Urteil des Paris stelle dar:

- drei Frauen,

- Athene, Aphrodite und Hera,

- eine Gruppe von drei Frauen und zwei Männern,

- eine Szene, in der ein sitzender Mann drei Frauen betrachtet, während eine hinter ihm stehende männliche Gestalt einen Apfel hochhält,

- das Urteil des Paris.

Aus der Verschiedenheit von Beschreibungen folgt jedoch nicht, daß sie Beschreibungen verschiedener Gegenstände sind. Nun sind natürlich drei Frauen keine Gruppe von drei Frauen und zwei Män-nern, und eine Personengruppe ist keine Szene. Aber mit einer Szene werden auch Gruppen und Personen dargestellt, die darin vorkommen, mit einem Ganzen auch seine Teile. Das Ganze ist das, was man den Gegenstand einer Darstellung nennt, und es wird in unserem Beispiel am vollständigsten durch die letzte Beschreibung erfaßt. Die anderen Beschreibungen nennen nicht den Gegenstand, sondern Gegenstände der Darstellung. Auch darin liegt also kein ernsthaftes Problem. Im Urteil des Paris ist aber nun die Gestalt der Venus eindeutig als Rubens' zweite Frau, Helene Fourment kenntlich.

Stellt also die mittlere Frauenfigur Helene dar oder Venus? Diente seine Frau Rubens nur als Modell für die Venus, so ist eindeutig diese dargestellt. Man wird das Bild aber als Hommage von Rubens an seine Frau verstehen müssen. Dann könnte man zwar sagen, es stelle sie als Venus dar, besser ist jedoch die Formulierung, es stelle die Venus in Gestalt (mit dem Aussehen) seiner Frau dar, denn diese selbst gehört ja nicht zur dargestellten mythologischen Szene.

Eine zweite Gruppe nichtsprachlicher Darstellungen bilden (dar-stellende) Tänze, Pantomimen und Schauspiele. Im Gegensatz zu Bildern und Diagrammen sind sie keine Objekte, sondern

Aktivitä-6 Wir haben schon erwähnt, daß die Bestimmung des Gegenstandes auch bei deskriptiven Darstellungen schwierig sein kann. — Das folgende Beispiel diskutiert Beardsley in (1958), §16, kommt jedoch zu anderen Ergebnissen.

ten. Die Tänzer und Mimen stellen durch Handlungen, Gesten und Mienen Personen oder auch Tiere, Götter oder mythische Wesen und deren Tun und Leiden dar. Auch hier handelt es sich um eine präsentierende Darstellung. Ihr Gegenstand ist eine Person oder ein Verhalten — ein Schauspieler stellt z.B. in einer Aufführung von Heinrich von Kleists Zerbrochenem Krug den Dorfrichter Adam dar oder er stellt dar, wie Adam versucht, Eve an einer Aussage zu hindern. Der Inhalt umfaßt wieder die (objektiven) Eigenschaften, die dem Gegenstand durch die Darstellung zugeschrieben werden.

Auch hier beschränkt sich die Darstellung nicht auf Physisches, sondern auf Sichtbares, zu dem wie gesagt Gefühle, Einstellungen und Charaktere gehören können. Sie beruht wiederum auf Konven-tionen. So verstehen wir z.B. den Monolog Hamlets in der 3.Szene des III.Aktes von Shakespeares Tragödie als stille Überlegung, sind also nicht erstaunt, daß der König, der Hamlet viel näher ist als die Zuschauer, den Monolog nicht hört.

Mit beiden Gruppen von repräsentierenden Darstellungen kann sich ein Ausdruck i.e.S. verbinden. Gemälde stellen ihren Gegenstand nicht nur in einer optischen Perspektive dar, sondern oft auch in einer subjektiven Erlebnisperspektive; sie zeigen ihn in seiner geisti-gen oder emotionalen Bedeutung. Matthias Grünewalds Kreuzigung am Isenheimer Altar veranschaulicht die Szene der Kreuzigung nicht nur optisch, sondern bringt auch die Furchtbarkeit des Vorgangs zum Ausdruck, und Rembrandts Judenbraut (Amsterdam, Reichsmuseum) stellt nicht nur Gefühle des Brautpaars dar — die werden nur sehr sparsam angedeutet -, sondern verleiht der Szene durch Licht und Farben eine starke stimmungsmäßige Atmosphäre. Der Darsteller des Adam im Zerbrochenen Krug stellt nicht nur dessen Verhalten, Gefühle, Befürchtungen und Absichten dar, sondern charakterisiert ihn etwa als einen schurkischen kleinen Dorfdespoten. Ein Darsteller des Hamlet kann die Rolle als manisch-depressiven Charakter oder als tragischen Helden gestalten; in jedem Fall zeigt er ihn in einer bestimmten Beleuchtung und Bedeutung. Wir werden in den Kapi-teln 4 bis 6 ausführlich auf den sprachlichen wie den nichtsprachlichen Ausdruck i.e.S. eingehen. Am Beispiel der Architektur und der Musik werden wir dort auch sehen, daß es nichtsprachlichen Ausdruck i.e.S.

auch ohne Verbindung mit Darstellung gibt.

Als Kriterium für Ausdruck i.e.S. haben wir im letzten Abschnitt die enge Verbindung von Form und Inhalt genannt. Die besteht auch in den oben genannten Beispielen. Man kann den Gegenstand des Altarbildes von Grünewald, eben die Kreuzigung, in vielen Weisen darstellen, bildlich wie auch sprachlich, und fast jede Beschrei-bung seines Inhalts trifft auch auf andere Darstellungen zu.7 Der spezifische Gehalt dieses Bildes, das, was es i.e.S. ausdrückt, läßt sich jedoch weder sprachlich noch in anderer bildlicher Form wiederge-ben. Fast jede Änderung eines Details würde den Ausdruckscharakter des Ganzen verändern. Zum Gehalt tragen neben der Darstellung die Farben, Linien und Formen bei wie auch die Komposition, so daß man sagen kann, dieser spezifische Gehalt ließe sich nur in dieser spezifischen Form ausdrücken.8 Daß die Form den Gehalt bestimmt, ist trivial, denn er wird ja allein durch die Form vermittelt. Entschei-dend ist, daß derselbe Gehalt nicht zwei verschiedenen Formen gemeinsam ist. Auch das läßt sich nur an Einzelbeispielen genauer belegen, wie sie später diskutiert werden.

Derselbe Gegenstand läßt sich in verschiedenen Medien darstel-len, wenn auch nicht in inhaltlich gleicher Weise. Eine sprachliche Beschreibung der Kreuzigung Christi hat einen anderen Inhalt als eine malerische Darstellung oder eine Aufführung der Szene in einem Passionsspiel. Insbesondere läßt sich in verschiedenen Medien nicht dasselbe i.e.S. ausdrücken, so daß man nicht nur von sprachlich, malerisch oder dramatisch vermittelten Gehalten, sondern geradezu von sprachlichen, malerischen und dramatischen Gehalten reden könnte. Sie können natürlich gemeinsame Züge haben; dieselbe partielle Bechreibung kann ja auf verschiedene Dinge zutreffen.

Grünewalds Kreuzigung zeigt, daß es neben Darstellung und Ausdruck i.e.S. noch weitere Ausdrucksformen gibt. Das Lamm unter dem

7 Man kann freilich kaum sagen, es gebe verschiedene Bilder mit demselben Inhalt, weil ja zumindest jedes sachlich informative Detail des Bildes zum Inhalt beiträgt. Bilder mit demselben Inhalt könnten sich also nur in der Größe, der Wahl der Fluchtpunkte, der Genauigkeit im Detail etc. unterschei-den.

8 Wie im Fall der Sprache besteht ein enger Zusammenhang zwischen Inhalt und Gehalt, denn der Gehalt ist die Sache in subjektiver Perspektive, und die Sache wird durch den Inhalt bestimmt.

Kreuz ist ein Symbol Christi. Die Partie des Bildes rechts unten stellt aber ein Lamm dar, nicht Christus, sonst würde er zweimal auf dem Bild erscheinen, am Kreuz und unter dem Kreuz. Das Bild drückt den symbolischen Sinn auch nicht i.e.S. aus. Das Lamm wird nicht in einer subjektiven Bedeutungsperspektive gezeigt, sondern durch das dargestellte Tier wird symbolisch auf die Heilsbedeutung des Kreuzestodes hingewiesen, der dargestellte Vorgang wird damit ge-deutet, ähnlich wie durch die Inschrift, das Wort Johannes des Täufers „Illum oportet crescere, me autem minui". Wir wollen daher von einem symbolischen Ausdruck reden und ihn als eigene Ausdrucks-.form ansehen.

—"ÖRSw^ö'hl''das Wort „Symbol" in Sprachwissenschaft, Religions-wissenschaft und Ästhetik eine große Rolle spielt und es eine Fülle von Literatur über Symbole und Symbolbegriffe gibt, ja sogar eine eigene Disziplin, die sich „Symbolkunde" nennt,9 kann man nicht sagen, es gäbe eine hinreichend klare und allgemein akzeptierte Meinung darüber, was ein Symbol ist. Das Hauptproblem einer Explikation des Wortes besteht darin, daß es als Obertitel für sehr verschiedenartige Phänomene gebraucht wird.1 0 Wir verstehen unter

„Symbol" sowohl ein Zeichen (im weiteren, nicht nur in dem in 1.2 umrissenen semiotischen Sinn des Wortes) — wir nennen z.B.

Buchstaben, mathematische und logische Zeichen und Flaggen

„Symbole" 1 1 — wie ein Sinnbild. Im letzteren Sinn sagen wir, der Baum sei ein Symbol des Lebens, der Löwe ein Symbol der Stärke, der Adler ein Herrschaftssymbol, das Rad ein Symbol der Sonne. In diesem Sinn ist ein Symbol kein Zeichen, kein Akt des Bezeichnens i und kein Produkt eines solchen Akts, sondern ein sinnlich

erfahrba-[gene Natur, Bedeutung oder Funktion hat, aber als Symbol zugleich

9 Vgl. dazu die Bibliographie von M.Lurker (1964). Zum Symbolbegriff und seiner Geschichte vgl. auch M.Schlesinger (1967).

1 0 Der Ursprung des Wortes gibt für eine Klärung seiner Bedeutung nichts her.

H Es stammt vom griechischen Verb symballein ab (wörtlich: zusammenwerfen) lg und bezeichnet ursprünglich ein Erkennungszeichen, das aus zwei Bruchstük-p k e n z.B. einer Münze besteht, und den Besitzer des einen Stücks gegenüber

dem des anderen ausweist.

1 „Zeichen" ist dabei auch im Sinn von „Bezeichnen" zu verstehen: Es gibt auch symbolische Handlungen, z.B. im Kult.

[für etwas Unanschauliches, insbesonde für etwas Geistiges steht. Die Relation ,x ist Sinnbild für f ist also keine Bezeichnungsrelation.

Auch das Sinnbild steht zwar für etwas, aber nicht als Zeichen. Es wäre offenbar unsinnig zu sagen, der Löwe bezeichne die Stärke oder drücke sie aus. Zeichen können aber, indem sie ein Sinnbild bezeichnen, zugleich den geistigen Gehalt vermitteln, für den das

Auch das Sinnbild steht zwar für etwas, aber nicht als Zeichen. Es wäre offenbar unsinnig zu sagen, der Löwe bezeichne die Stärke oder drücke sie aus. Zeichen können aber, indem sie ein Sinnbild bezeichnen, zugleich den geistigen Gehalt vermitteln, für den das

Im Dokument Franz von Kutschera (Seite 54-73)