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Schizophrenie: Die Langzeit-therapie ist weiterhin schwierig

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Academic year: 2022

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NEWENGLANDJOURNAL OFMEDICINE

Die von den National Insti- tutes of Health durchgeführte CATIE-Studie legt die Ver- mutung nahe, dass die neuen atypischen Neuroleptika gemessen an der Zahl der Therapieabbrüche nicht wesentlich besser abschnei- den als die klassischen Vorgängersubstanzen.

Neuroleptika sind seit langem ein wich- tiger Pfeiler, auf dem die Behandlung der Schizophrenie beruht. Sie tragen vor allem dazu bei, die produktiven Symptome, wie etwa Halluzinationen, zu lindern. Weniger ausgeprägt ist der Einfluss auf die Minus- symptomatik, wie Apathie, Sprachverar- mung oder allgemeines Desinteresse. Vor allem geht es bei der medikamentösen Therapie um eine Rezidivprophylaxe. Nur etwa 20 Prozent haben nämlich das Glück, lediglich eine einzige schizophrene Episode durchmachen zu müssen, bei den Übrigen ist mit Rezidiven und dem Über- gang in eine chronische Verlaufsform zu rechnen. Neuroleptika haben, nach der- zeitig herrschender Meinung, keinen gerin- gen Einfluss auf die weitere Entwicklung.

Werden die Medikamente abgesetzt,

steigt das Rückfallrisiko um etwa das Fünffache an, haben Untersuchungen ge- zeigt.

Doch gerade hier liegt das Problem in der Praxis: Viele Patienten nehmen ihre Medi- kamente nur teilweise oder irgendwann gar nicht mehr ein. Dafür gibt es verschie- dene Gründe, wobei mangelnde Verträg- lichkeit eine führende Rolle spielt.

Das hängt offenbar mit dem Angriffspunkt der Neuroleptika zusammen. Zumindest die Neuroleptika der ersten Generation blockieren im Wesentlichen Dopamin (D2)-Rezeptoren im Gehirn, wodurch auch die Motorik auf unerwünschte Weise beeinträchtigt wird. Die Patienten leiden unter extrapyramidalen Störungen wie Parkinsonismus, Akathisie oder akuten Dys- tonien, bei längerer Einnahme auch unter Spätdyskinesien (tardive Dyskinesien).

Clozapin – beste Wirksamkeit, aber mit eingeschränkter Sicher- heit

Das änderte sich in den frühen Siebziger- Jahren mit der Einführung von Clozapin (Leponex®). Diese Substanz erwies sich nämlich als antipsychotisch wirksam, ohne gravierende extrapyramidale Störungen hervorzurufen. Clozapin blockiert offen- bar weniger die Dopamin (D2)-Rezepto- ren, es hat eine hohe Affinität zu anderen Transmittersystemen, vor allem antagoni- siert es die Serotonin (5-HT2)-Rezeptoren.

Doch trübte sich die Freude über diesen Prototyp der «atypischen Neuroleptika»

bald merklich ein, als sich herausstellte, dass einzelne Patienten unter der Behand- lung eine lebensbedrohliche Agranulo- zytose entwickelten – ein zu hoher Preis für eine breite Anwendung dieses Medi- kaments. Heute erhalten nur 10 Prozent dieses Mittel, vor allem sind es Menschen,

bei denen sich andere Neuroleptika als unwirksam erweisen.

Seither versucht die Industrie, Substanzen zu entwickeln, die die Wirkung von Clo- zapin kopieren, aber ohne dessen Toxi- zität auskommen. Heraus kam eine Reihe von (atypischen) Neuroleptika der zweiten Generation, die ihre Vorgänger mittler- weile weitgehend verdrängt haben. Allen gemeinsam ist, dass motorische Störbilder nur noch selten auftreten. Extrapyrami- dale Störungen spielen heute nur noch bei hoher Dosierung eine Rolle. Ob die Atypika hingegen wirksamer sind als die Neuroleptika der ersten Generation, ist nur lückenhaft untersucht. Viele Studien haben sich darauf beschränkt, die Überle- genheit gegenüber Plazebo zu bestätigen.

Und: Es traten neue Verträglichkeitsprob- leme auf, in erster Linie sind es metabolische

Schizophrenie: Die Langzeit-

therapie ist weiterhin schwierig

Eine NIH-Studie zeigt, dass auch die Therapie mit den atypischen Neuroleptika sehr oft abgebrochen wird

A R S M E D I C I 2 12 0 0 5 9 8 3

S T U D I E É T U D E

M M M

M e e e e r r r r k k k k -- --

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●In dieser über 18 Monate ange- legten Studie brach die Mehrheit der Teilnehmer die Behandlung vorzeitig ab und musste auf ein anderes Medikament eingestellt werden.

●Die geringste Abbruchrate wies Olanzapin auf. Allerdings fanden sich hier am häufigsten starke Gewichtszunahmen.

●Die Wirksamkeit der atypischen Neuroleptika Quetiapin, Risperi- don und Ziprasidon fiel ähnlich aus wie die des klassischen Anti- psychotikums Perphenazin.

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Störungen und eine manchmal beträcht- liche Gewichtszunahme. Ob atypische Neuroleptika deshalb tatsächlich immer als Mittel der ersten Wahl gerechtfertigt sind, ist gerade angesichts des hohen Preises gelegentlich in Zweifel gezogen worden.

Vor diesem Hintergrund lancierte die Ab- teilung mentale Gesundheit der amerika- nischen Gesundheitsbehörde NIH (Natio- nal Institute of Health) eine doppelblind geführte Vergleichsstudie unter dem Akronym CATIE (Clinical Antipsychotic Trials of Intervention Effectiveness). Zum Einsatz kamen dabei der Klassiker Per- phenazin (Trilafon®) und eine Reihe neuer Atypika, namentlich Olanzapin (Zyp- rexa®), Quetiapin (Seroquel®), Risperidon (Risperdal®) und Ziprasidon. Man hatte Perphenazin als Vergleichssubstanz ge- wählt, weil es zwar etwas weniger wirk- sam ist als der Klassiker Haloperidol (Hal- dol® u.a.), jedoch als verträglicher gilt.

Clozapin war nicht berücksichtigt worden, weil, wie die Studienautoren erklären, dessen Wirksamkeitsvorteil als unbestrit- ten gilt.

Bei der Konzeption hatten die Studienlei- ter dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Wirksamkeit von Medikamenten bei einer derart komplexen und sehr hete- rogenen Krankheit nur schwer anhand einzelner Parameter zu messen ist, han- delt es sich doch zudem um eine Störung, die mit episodischen Exazerbationen ein- hergeht.

Deshalb versuchte man bei CATIE die Wirksamkeit indirekt über die Häufigkeit von Therapieabbrüchen zu ermitteln – unabhängig von der Ursache, die dazu führte. Als Messinstrument kam einzig die Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) zum Einsatz, deren Ergebnisse einen der sekundären Endpunkte aus- machten.

Fast 1500 Patienten aus 57 amerikani- schen Zentren nahmen an der Studie teil, die, anders als viele einschlägige Studien, über den langen Zeitraum von 18 Mona- ten lief. Inzwischen sind die Resultate der CATIE-Studie im «New Engand Journal of Medicine» veröffentlicht worden. Beson- ders erfreulich sind sie nicht ausgefallen.

Die Mehrheit der Patienten schaffte es nicht, die vorgesehene Behandlungszeit mit dem zugeordneten Medikament durchzustehen. Nur gut ein Drittel unter Olanzapin absolvierte die Studie, sogar nur jeder Vierte war es unter Perphenazin, die übrigen atypischen Neuroleptika schnitten nicht besser ab. Mit anderen Worten: Olanzapin ist, wenn auch nur mo- derat, wirksamer als die anderen geprüften Substanzen. Dieser Vorteil wird aber er- kauft durch das erhöhte Risiko metaboli- scher Nebenwirkungen. Jeder Dritte legte im Laufe der Studie etwa 7 Prozent an Gewicht zu, deutlich mehr als unter allen anderen geprüften Medikamenten.

«In der Bilanz haben die neueren Arznei- mittel keinen Vorteil gegenüber den alten erbracht», schlussfolgern die Studienau- toren. Mit Blick auf die praktischen Kon- sequenzen geben sie sich zurückhaltend:

«Wie Ärzte, Patienten, Angehörige und Politiker den Zielkonflikt zwischen Wirk- samkeit, Nebenwirkungen und Preisen bewerten, wird darüber entscheiden, welche Neuroleptika in Zukunft wie oft verschrieben werden.»

«Ein entmutigendes Ergebnis»

In einem begleitenden Kommentar be- zeichnet der Psychiater Robert Freedman die Ergebnisse als entmutigend. Er zieht folgende Bilanz: «Es gibt zwei Substanzen mit überlegener Wirksamkeit – Olanzapin und Clozapin, beide mit erheblichem Ne- benwirkungspotenzial.» Freedman meint, selbst die gefürchtete tardive Dyskinesie bereite letztlich weniger Sorgen als die zu- weilen dramatische Gewichtszunahme.

Über den Einsatz der beiden Substanzen müsse klinisch und individuell entschieden werden. In den meisten Fällen werden in der Praxis aber mehrere Substanzen aus- probiert, wobei heute Quetiapin, Risperi- don und Ziprasidon gern verwendet wer- den. Andererseits sei aber zu bedenken, meint Freedman, dass Olanzapin und Clo- zapin die kognitiven Parameter und damit den Krankheitsverlauf besser beeinfluss- ten, «ein nicht zu vernachlässigender Effekt, der aber mitunter auch bei den anderen Neuroleptika zu beobachten ist».

Offenbar dauern diese Erfolge auch an, wenn wegen der Nebenwirkungen auf eine andere Substanz gewechselt werden muss. Freedman spricht sich dafür aus, bei allen Patienten, die nach einer schizophre- nen Episode keine volle Remission erzie- len, zunächst Olanzapin oder Clozapin einzusetzen. Es sei aber notwendig, auf ein anderes Präparat zu wechseln, sobald metabolische Nebenwirkungen die Ge- sundheit der Patienten gefährdeten.

Freedman weist auch auf das Problem schizophrener Kinder und Jugendlicher hin, die oft bereits vor dem 13. Jahr erst- mals Halluzinationen und Wahnvorstel- lungen erleben. Hier sei Olanzapin oft das Medikament, dass die deutlichsten Ver- besserungen bringe. Andererseits: «Nach einigen Jahren wird es oft so sein, dass die Kinder an ihrem Übergewicht leiden und auf einen Wechsel drängen, auch auf die Gefahr hin, dass die Psychose erneut aus-

bricht.» ●

Jeffrey A. Lieberman et al.: Effectiveness of antipsychotic drugs in patients with chronic schizophrenia. N Engl J Med 2005; 353: 1209–1223.

Robert Freedman: The choice of antipsy- chotic drugs for schizophrenia. N Engl J Med 2005; 353: 1286–1288.

Uwe Beise

Interessenlage: Die Studie wurde von den NIH konzipiert und finanziert.

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