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Chronische Schmerztherapieim Alter

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Academic year: 2022

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F O R T B I L D U N G F O R M A T I O N C O N T I N U E

GE R I AT R I C S

Dieser Beitrag diskutiert mög- liche Alternativen zu den in Ungnade gefallenen Coxiben sowie zu den in Langzeitthe- rapie ebenfalls nicht unbe- denklichen «klassischen»

nichtsteroidalen Antirheuma- tika (NSAR) bei älteren Pa- tienten mit chronischen Schmerzen.

Zur Häufigkeit chronischer Schmerzen bei Menschen über 65 Jahre gibt es einige Zahlen. So kann man davon ausgehen, dass in dieser Altersgruppe bis zur Hälfte Schmerzen in einem Ausmass haben, das mit normaler Funktion interferiert. In Pfle- geheimen haben sogar 60 bis 80 Prozent der Insassen persistierende Schmerzen.

Oft werden solche Schmerzen nicht oder nicht ausreichend behandelt, wofür es viele Gründe gibt (Kasten).

Der Marktrückzug von selektiven COX-2- Hemmern (Coxiben) und die offenen Fra- gen zur kardialen Sicherheit auch anderer, nichtselektiver und längst zugelassener nichtsteroidaler Antirheumatika wie Na- proxen und weitere mehr haben das Schmerzmanagement sicher nicht einfa- cher gemacht. Welche Alternativen gibt es? Jennifer P. Schneider, eine in innerer

Medizin, Drogentherapien und Schmerz- behandlung ausgebildete Praktikerin aus Tucson, gibt in «Geriatrics» praxisbezo- gene Antworten.

Abklärung chronischer Schmerzen

Eine gründliche Evaluation ist notwendig, um bei einem Patienten die Ursache des Schmerzes zu erfassen und die Möglichkeit von krankheitsmodifizierenden Interventio- nen abzuschätzen.

In vielen Fällen zeigt sich aber, dass selbst bei einmal erfasstem Krankheitsprozess durch Therapie keine Umkehr zu erzielen ist und dass der chronische Schmerz als eigenständige medizinische Entität anzuer- kennen ist. Dies gilt gerade bei besonders häufigen Schmerzsyndromen wie chroni- schen Rückenschmerzen oder neuropathi- schen Schmerzen bei Diabetes oder nach Zoster.

Einigen Patientinnen und Patienten mit Arthroseschmerz, einer weiteren häufigen

Schmerzform, kann durch Gelenkersatz geholfen werden. Ist dies nicht möglich, sollte der Schmerz selbst als das primäre Problem betrachtet werden.

Ärzten ist es oft am wohlsten, wenn sie Diagnosen mittels abnormer Laborwerte oder mittels «eindeutiger» Befunde in bildgebenden Verfahren dokumentieren können. Bei der Erfassung chronischer Schmerzen ist jedoch das Wort des Pa- tienten der Goldstandard. Damit einher- gehen graue Zonen der Subjektivität, die zu akzeptieren man lernen muss. Hier ist der Einsatz einer Schmerzskala von 0 bis 10 sehr wertvoll. Zwar gibt es zwischen verschiedenen Patienten grosse Unter- schiede bei der anfänglichen Beschrei- bung ihrer Schmerzen, im weiteren Ver- lauf sind die subjektiven Angaben der Intensität auf der Skala jedoch sehr oft erstaunlich konsistent. Diese semiquanti- tativen Werte eignen sich also durchaus zur Verlaufskontrolle.

Die Behandlung des chronischen Schmer- zes hat zwei Ziele: Verminderung des

Chronische Schmerztherapie im Alter

Welche Alternativen gibt es zu NSAR?

G r ü n d e f ü r U n t e r t h e r a p i e c h r o n i s c h e r S c h m e r z e n b e i ä l t e r e n P a t i e n t e n

●Patienten berichten nicht von ihren Schmerzen, weil sie glauben, dass Schmerzen unvermeidlich zum Altern gehören.

●Befürchtungen der Patienten vor zusätzlichen Kosten und Schmerzen bei Abklärungen.

●Überzeugung von Patienten und Ärzten, dass ältere Menschen weniger schmerzempfindlich sind.

●Ein kognitiver Abbau bei älteren Patienten kann es für den Arzt schwieriger machen, das Schmerzausmass richtig zu erfassen.

●Diagnostische Schwierigkeiten, da ältere Patienten oft multiple Schmerzquellen haben.

● Bedenken bei den Ärzten, dass ältere Patienten auf Schmerzmedikationen (und Medikamente überhaupt) empfindlicher reagieren.

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Schmerzes und Verbesserung der Funk- tion. Daher muss die Therapie multimodal sein und folgende Aspekte umfassen:

●Medikamente

●körperliche Aktivität

●psychologische Interventionen

●alternative Therapien.

Im Folgenden ist von der Pharmakothera- pie die Rede, die übrigen Gesichtspunkte sind jedoch für ein erfolgreiches Manage- ment mit Medikamenten ebenso von grosser Bedeutung, um auch eine Verbes- serung der Funktion zu erreichen. Man muss die Patienten immer wieder dazu anhalten, trotz Schmerzen ihre körperli- che Aktivität zu steigern, was auch einer Verbesserung des emotionalen Zustands förderlich ist. Da sich Depression und Schmerz gegenseitig verstärken, muss auch eine Depression angesprochen und behandelt werden. Bei manchen Patien- ten sind auch alternative oder komple- mentäre Massnahmen wie Akupunktur, Hypnose, Yoga oder pflanzliche Präparate nützlich.

Pharmakologische Therapien

Auch wenn sie eher zu Nebenwirkungen neigen, können ältere Patienten sicher und effektiv mit Analgetika oder schmerz- modulierenden Medikamenten behandelt werden. Kombinationen können gegen- über Monopräparaten oft nützlicher und sogar weniger toxisch sein. Die älteren, nichtselektiven NSAR haben das bekannte Risiko von Nebenwirkungen wie Blut- druckerhöhung, Nierenschäden und gas- trointestinalen Blutungen. Bei alten, ge- brechlichen und multimorbiden Patienten sind diese Risiken nicht akzeptabel. Die Autorin zitiert dazu aus einem Positions- papier der amerikanischen Geriatriegesell- schaft: «In der endgültigen Analyse könnte der chronische Einsatz von Opioi- den oder anderen analgetischen Strate- gien gegen persistierende Schmerzen we- niger lebensbedrohliche Risiken bergen als der Langzeiteinsatz von hoch dosierten nichtselektiven NSAR.»

Nichtopioide

Zu den Nichtopioidstrategien gehören:

●Paracetamol

●topische Präparate

●Antikonvulsiva gegen neuropathischen Schmerz

●Muskelrelaxantien

●Sedativa

Paracetamol ist bei leichten bis mässigen Schmerzen nützlich. Für gesunde ältere Menschen sind 4 g Paracetamol pro Tag über eine kürzere Zeit eingenommen die Obergrenze. Die Patienten sind auch da- rauf hinzuweisen, nicht zusätzlich frei käufliche Präparate einzunehmen, die ebenfalls Paracetamol enhalten. Bei chro- nisch mit Paracetamol Behandelten sollte man die Obergrenze von 2 bis 3 g/Tag nicht überschreiten, dies insbesondere wenn Leberprobleme bekannt sind.

Antikonvulsiva können bei neuropathi- schen Schmerzen sehr effektiv sein. Klas- sischer Vertreter ist Gabapentin (Neu- rontin®), das wegen seiner sedativen Eigenschaften anfänglich sehr niedrig dosiert und dann innert einiger Tage zur optimalen Wirkdosis auftitriert werden sollte. Ebenfalls wirksam sind Topiramat (Topamax®) und Tiagabin (Gabitril®), und in der Schweiz in dieser Indikation neu zu- gelassen wurde Pregabalin (Lyrica®). Topi- ramat soll auch bei chronischen Kopf- schmerzen nützlich sein. Chronische Rückenschmerzen werden als somatisch taxiert, haben aber oft eine neuropathi- sche Komponente, schreibt die Autorin und empfiehlt einen Versuch mit Antikon- vulsiva, besonders wenn eine Ischiaskom- ponente vorliegt.

Eine ausgedehnte Literatur stützt die Vor- stellung, dass Depression Schmerz ver- stärkt und dass Schmerz eine Depression verschlechtert, weshalb beide behandelt werden müssen. Einige Antidepressiva scheinen den Schmerz auch direkt zu bes- sern. Traditionell sind in dieser Indikation Trizyklika in niedriger Dosierung, bevor- zugt vor dem Zubettgehen, verabreicht worden. Selektive Serotoninwiederauf- nahmehemmer (SSRI) sind ausgezeichnete Antidepressiva, so Jennifer Schneider, aber ihnen scheine ein schmerzhemmender Effekt zu fehlen. Für Venlafaxin (Efexor®) konnte eine Wirkung gegen verschiedene Schmerztypen nachgewiesen werden, al-

lerdings erst in hoher Dosierung (225 mg oder höher), wenn der Wirkstoff sowohl die Serotonin- als auch die Noradrenalin- wiederaufnahme hemmt.

Muskelrelaxanzien finden bei einigen Pa- tienten grossen Anklang, im Alter sind ihre sedativen Eigenschaften aber ein grosses Handikap.

Viele alte Patienten leiden unter Schlaf- problemen. Manchmal sprechen auch diese auf eine Schmerztherapie an. Oft sind aber zusätzlich Sedativa notwendig.

Opioide

Viele medizinische Fachorganisationen haben sich für einen adäquaten Einsatz der Opioide stark gemacht, dennoch be- stehen weiter Widerstände, insbesondere wenn es darum geht, nicht Krebsschmer- zen, sondern chronische Schmerzen an- derer Genese mit Opioiden zu behandeln.

Wenn Opioide nach Vorgabe eingesetzt werden, sind sie sichere Medikamente, denen anders als den NSAR kein Risiko von Organschäden anhängt. Dies gilt selbst für den jahrzehntelangen Gebrauch in hohen Dosen.

Die anfänglichen Nebenwirkungen wie Nausea und Verstopfung verschwinden mit der Toleranzentwicklung gegenüber diesen Effekten rasch. Allerdings kann die Obstipation ein Problem sein. Dem ist – von Anfang an – mit der Verschreibung von Stuhlweichmachern, Stimulanzien wie Senna (z.B. Agiolax®mit Senna) oder Bisacodyl (Dulcolax®) und bei Bedarf zu- sätzlich einem osmotischen Laxativum (z.B. Transipeg®) Rechnung zu tragen.

Die Langzeittherapie mit hohen Dosen von Opioiden kann häufig zu einer signifi- kanten Abnahme der Testosteronspiegel beim Mann führen. Selbst wenn männli- che Patienten nicht spontan über sexuelle Probleme klagen, kann es sinnvoll sein, die Spiegel von Gesamt- und freiem Testo- steron zu bestimmen und bei tiefen Wer- ten eine Substitution vorzuschlagen, da tiefe Testosteronspiegel zu Osteoporose und Einbussen der Muskelfunktion führen können.

Chronische Schmerzpatienten ohne Miss- brauchanamnese entwickeln kaum je eine Opioidsucht, wie Studien bestätigt haben.

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Im Gegensatz zur Einengung aller Lebens- belange bei Opioidsüchtigen erfahren adäquat behandelte Schmerzpatienten eine Ausweitung ihrer Lebensumstände und Verbesserung ihrer Lebensqualität.

Allerdings entwickeln die meisten Patien- ten, die Opioide in mehr als minimalen Dosen über lange Zeit anwenden, eine körperliche Abhängigkeit, die sich beim abrupten Absetzen in typischen Entzugs- erscheinungen äussert. Dies ist einfach zu verhindern, indem man die Dosis langsam ausschleicht.

Zu den Warnhinweisen auf eine tatsächli- che Opioidsucht gehören:

●Injektion oraler oder topischer Opioide (um eine Euphorie zu erleben)

●Verkauf verschreibungspflichtiger Medikamente

●wiederholtes Nichtausreichen der Medikamente nach der Verschreibung einer Dosis, die nach Angabe des Patienten zuvor effektiv war

●wiederholter «Verlust» oder Diebstahl von Rezepten.

Schmerzpatienten, die mit inadäquaten Dosen von Schmerzmitteln behandelt werden, können Süchtigen ähneln, wenn sie von sich aus die Dosis erhöhen und ih- nen der Medikamentenvorrat ausgeht.

Dieses Phänomen ist als Pseudosucht be- zeichnet worden und verschwindet bei adäquater Schmerztherapie.

Die Toleranz gegenüber den sedativen und Übelkeit erzeugenden Nebenwirkun- gen ist häufig, eine Toleranz gegenüber der schmerzlindernden Wirkung von Opioiden ist jedoch selten. Die meisten Patienten, die initial auf Opioide gut an- gesprochen haben, kommen mit dersel- ben oder einer nur geringfügig erhöhten Dosis über Monate und Jahre aus. Eine leichte Dosiserhöhung ist anfänglich oft nötig, wenn mit der Schmerzlinderung auch das Aktivitätsniveau steigt.

Ein Wirkungsverlust erfordert eine neue Standortbestimmung mit der Frage nach

Krankheitsprogression oder dem Auftre- ten eines neuen Schmerzproblems.

Kürzer wirksame Opioidpräparate sind für akuten oder intermittierenden Schmerz angemessen, in der Langzzeittherapie an- haltender Schmerzen sind Opioide mit verzögerter Freisetzung (SR) am effektiv- sten. Dazu gehören beispielsweise:

●Morphin SR: MST Continus®

●Oxycodon SR: Oxycontin®

●Hydromorphon SR: Palladon®Retard

●transdermales Fentanyl (Durogesic®Matrix)

●transdermales Buprenorphin (Transtec®).

Eine Opioidtherapie muss regelmässig überwacht werden. Dabei steht die Frage nach dem Schmerzausmass («Von 0 bis 10: Wo stehen Sie?») zuerst. Daneben gilt es die Aufmerksamkeit auch auf das Ni- veau der Alltagsaktivitäten und gezielt auf Nebenwirkungen sowie Auffälligkeiten im Verhalten rund um die Medikation zu richten.

Patienten mit einer Suchtanamnese sind nicht automatisch von einer Schmerzthe- rapie mit Opioiden ausgeschlossen. Eine frühere Opiatabhängigkeit trägt ein höhe- res Rückfallrisiko als eine durchgemachte Alkoholproblematik.

Patienten unter chronischer Opioidthera- pie benötigen bei interkurrent auftreten- den Traumen oder Operationen selbstver- ständlich zusätzliche Analgetika. Die bisherige Erhaltungsdosis sollte beibehal- ten werden. Vorübergehend können sehr hohe Opioiddosen nötig sein.

Jennifer P. Schneider: Chronic pain mana- gement in older adults. With coxibs under fire, what now? Geriatrics 2005; 60 (May):

26–31.

Halid Bas

Interessenlage: Die Autorin deklariert, keine finanziellen Interessenkonflikte zu haben.

M M M

M e e e e r r r r k k k k -- --

p u n k t e p u n k t e

●In vielen Fällen zeigt sich, dass durch Therapie keine Umkehr zu erzielen ist und dass der chroni- sche Schmerz als eigenständige medizinische Entität anzuerken- nen ist. Dies gilt gerade bei den chronischen Rückenschmerzen oder neuropathischen Schmerzen bei Diabetes oder nach Zoster.

●Neben der eigentlichen Schmerz- medikation ist immer auch den weiteren Aspekten, wie körperli- che Aktivität, psychologische In- terventionen und alternative Therapien, Rechnung zu tragen.

●Paracetamol ist bei leichten bis mässigen Schmerzen nützlich.

●Antikonvulsiva können bei neuropathischen Schmerzen sehr effektiv sein.

●Selektive Serotoninwiederauf- nahmehemmer (SSRI) sind ausge- zeichnete Antidepressiva, aber ihnen scheint ein direkter schmerzhemmender Effekt im Gegensatz zu den Trizyklika zu fehlen.

●In der Langzzeittherapie anhal- tender Schmerzen sind Opioide mit verzögerter Freisetzung am effektivsten.

●Die Langzeittherapie mit hohen Opioiddosen kann häufig zu einer signifikanten Abnahme der Testosteronspiegel führen.

Wegen Osteoporosegefahr sollte dann eine Testosteronsubstitu- tion erfolgen.

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