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lieber eine ' Handschrift des Mufassal.
Von A. Soeln.
Im Frühjahre ■1878 wurde der Fürsthch HohenzoUem'schen
Bibhothek zu Sigmaringen eine „orientahsche" Handschrift ein¬
verleibt. Dieselbe erhielt die Nummer 425 des dortigen Hand-
schriftencatalogs '). Das Manuscript war ein Geschenk S. Kgl.
Hobeit des Fürten Karl von Rumänien an seinen Vater und wurde
zunächst als Beutestück von Plewna aufgeführt. Nach näheren
Erkundigungen, die jedoch noch nicht abgeschlossen sind, wurde
später Rahowa als Fundort bezeichnet. Ein weiteres Licht über
die Schicksale der Handschrift verbreitet ein Stempel, welcher auf
fol. II-, 57r, 105f, 155r, 214r, 267r abgedruckt ist, und bei
dessen Entzifferung mein Freund Thorbecke mir Hülfe leistete.
Zunächst finden sich darauf in besonderen kleinen Kreisen ein¬
geschlossen links übereinander die Worte : vJL*jjjJ! ^^^ic und
oiASyJt , rechts *!! ixJI und ^yJ\ ^ . Sodann die
fromme Stiftung vermacht diese Handschrift der Serif Emin Sa'ir,
der Leibdienerdes 'Ali Agä, indem er auf die zukünftige Be¬
il Vgl. F. H. Museum zu Sigm. Verzeicliniss der Handschriften. Von Hofrath Dr. F. A. Lehner. Sigmaringen 1872.
2) Vgl. Lane untur ^j^^^ ,
3) Vgl. Zenker, Tnrk.-Arab.-Pers. Handwörterbuch.
Socin, über eine Handschrift de» Mufassal. 683
lohnung von Gott rechnet, in der Ortschaft Timowa für die Jünger
der Wissenschaft unter der Bedingung, dass sie (msc!) nicht aus
der Bibliothek derselben (der Ortschaft) weggenommen werden,
noch verkauft werden solle; im Jahre 1176 (beg. a. 23. Juh
1762). — Wie nun die Handschrift von Timowa nach Rahowa
gekommen ist, wissen wir nicht.
Durch Vermittlung eines Tübinger Gymnasialprofessors richtete
die Sigmaringische Bibliotheksbehörde an mich die Bitte, die
betreifende Handschrift nach ihrem Inhalt zu untersuchen. Wie
gross war mein Erstaunen, als ich in derselben ein Exemplar von
Zamaljsari's Mufassal fand! Bald entdeckte ich, dass die Hand¬
schrift nicht bloss wegen des ausserordentlichen Weges, auf dem
sie in eine deutsche Bibliothek gelangt ist, sondem auch aus
inneren Gründen die nähere Beschreibung verdiene, welche ich
hiemit den Fachgenossen vorlege.
Der Cod. Sigm. 425 ist 14 cm. breit, 17 cm. hoch; er besteht
aus Baumwollenpapier und enthält auf 270 Blättern klein 4*" den
vollständigen Text des Mufassal. Durchschnittlich stehen auf jeder
Seite neun Zeilen; gegen den Schluss des Buches finden sich
häufiger O'/j, seltener 10 Zeilen. Die Handschrift ist sehr sorg¬
fältig behandelt; die Schrift ist ein altes schönes und deutliches Neslji; die „Juias" (Abschnitte) sind mit rother Tinte geschrieben.
Die wichtigeren Vocale sind durchgängig von dem ersten Schreiber
beigesetzt. Leider ist jedoch die Zeit, wann der Codex geschrieben
worden ist, nicht mit absoluter Sicherheit zu bestimmen. Die Unter¬
schrift No. 1 , welche direet an den Schluss des Mufassaltextes
angefügt ist (fol. 26 7i'), enthält nämlich bloss die Notiz: „Beendigt
worden ist das Buch el-Mufassal mit Gottes Hülfe,und Unter¬
stützung am Dienstag zur Mittagszeit im zweiten Gumädä ge¬
schrieben von Hasan ibn el-Häggi el-Herawi". Der Schreiber war
folglich aus Herat. Bei dieser Angabe findet sich, virie man sieht,
keine Jahreszahl; unmittelbar daneben aber steht (Unterschrift
N9. 2): „Im Jahre 754 in der Ortschaft genannt el-Kess' '). Es
fragt sich nun, ob diese Unterschrift No. 2 als Ergänzung zu
No. 1 angesehen werden darf Schrift und Farbe der Tinte
stimmen aUerdings überein; und die Wahrscheinhchkeit, dass hier
auf der Seite die Angabe des Jahres durch den Schreiber selbst
nachgeholt wurde, ist nach Thorbecke's und meinem Urtheile gross.
Eine dritte Unterschrift berichtet von einem Anonymus, der die
Handschrift unter dem Seh Faljr ed-din el-IJärezmi gelesen hat;
dazu gehört höchst wahrscheinlich das Datum: „es (d. h. die Lesung)
wurde vollendet am 25. des ersten Rebi' des Jahres 773'. Eine
vierte Unterschrift schräg unter den vorigen enthält folgende
1) Vgl. Jäküt Bd. 4, p. Cvv .
684 Socin, Hier eine Handschrift des Mvfassal.
Notiz: „Diese Schrift und was ihr gleicht, ist die Handschrift des
Verfassers des 5däh et-telhis fil-ma'äni wal-bajan des Hatib ed-
Dimaski'. Da diese Persönlichkeit jedoch nach H. Haifa Bd. 1,
p. 509 (u. a. a. 0.) im Jahre 739 gestorben ist, kann sich die
Notiz weder auf Unterschrift No. 2 noch auf No. 3 beziehen ;
wahrscheinlicher jedoch ist, wenn man Alles erwägt, dass darin
ein Irrthum vorliegt, dass die Scbrift nicht die des im Jahre
739 gestorbenen Gelehrten ist, sondem dass die Handschrift erst im
Jahre 754 von einem Ungenannten geschrieben und im,Jahre 773
von einem hier nicht genannten Gelehrten bei seinem Seb gelesen
worden ist. Immerhin könnte sicb aber auch No. 4 auf No. 1
beziehen : dann könnte No. 2 nicht als Ergänzung von No. 1 an¬
gesehen werden. Jedenfalls aber stammt somit die Handschrift
aus dem achten Jabrh. des Isläm.
Es scbeint , dass wir derselben Hand , von welcher die Notiz
No. 4 herrührt,, auch eine andere höchst wichtige Bemerkung
No. 5 verdanken. Wir lesen nämlich weiter: „Diese Handscbrift
(a) ist ein zweites m.al mit einem Exemplare (b) verglichen wor¬
den, an dessen Schlüsse stand: die Handsehrift (b) ist verglichen
worden mit dem von es-Sagäni geschriebenen Exemplare (c) , das
(c) verghchen war (^Lä*) mit der Handschrift des Zamaljsari (d)
in der Stadt des Heils (Bagdäd) in der Medrese el-mustansirije
Preitag den fünften du'l-ka'da des Jahres 678". Das angegebene
Datum bezeichnet also den Schluss der Collation der Handschrift
b mit Handschrift c, weicbe letztere mit der Originalhandschrift
(d) des Verfassers des Mufassal verglichen worden war. Unter
es-Sagäni ist wohl der im Jahre 650 verstorbene Gelehrte zu
verstehen, welcher nach H. Haifa Bd. 6, p. 40 einen Commentar
zu den im Mufassal citirten Versen verfasst hat. Hier vmd da,
wenn auch nicht gerade häufig , finden sich am Rande unserer
Handscbrift Lesarten des es-Sa^äni angeführt. Häufiger sind die
Fälle ,, dass Lesarten und Bemerkungen nach den Exemplaren der
Sehe Sems ed-din el-Mu'izzi und des 'Alä ed-din el-Hänkähi mit¬
getheilt sind. Auch auf dem Blatte, auf welchem die bereits
besprochenen Unterschriften stehen, ist von einer Vergleichung
unseres Codex mit den Handschriften der letztgenannten Ge¬
lehrten . über die ich leider keine Nachricbten gefunden habe,
die Rede.
Es sind jedocb nicht bloss die am Rande der Handschi-ift
eingetragenen zahlreichen, wenn auch häufig nicht gerade wichtigen
Varianten , die dem Codex Werth verleihen . sondem besonders
auch die mannigfaltigen nützlichen Bemerkungen, welche von ver¬
schiedenen Händen zwischen und neben den Zeilen beigefügt sind.
So sind z. B. alle im Mufassal citirten Halbverse ergänzt und
theilweise erklärt, den ganzen Versen häufig die vor- oder nach¬
stehenden Verse beigefügt. Eine gewisse Anzahl von gram-
Socin, Hier eine Handschrift des Mufassal. 685
uiaticalischen Erläutemngen sind ausserdem auf besonders bei¬
gelegte, bisweilen auch eingeheftete Blättchen geschrieben; in der
Regel findet sich am Schluss dieser Glossen das Citat des Werkes,
welchem sie entnommen sind. Am häufigsten ist der Muwassal
(Jjioyi) citirt. Nach H. IJalfa Bd. 6, p. 39 giebt es zwei Mufassal-
commentare dieses Namens; ebenso steht es mit dem Citate idäh
ebds. p. 37 und 38; doch ist unter idäh wohl der Commentar
von ibn Ginni gemeint. ,Seltener wird die metrische Ueberarbeitung
des Mufassal von Abu Säme (ebds. p. 40) angeführt; sehr häufig
der lub ä'i) (H. Haifa Bd. .5, p. 302 No. 11066) sowie Sibaweihi;
ausserdem noch manche andere wie Käfi u. s. w.
Von den in unserm Codex enthaltenen Erklärangen , welche
häufig bei Stellen, über welche raan bei ibn Ja'is vergeblich Aus¬
kunft sucht, wesentlicb zum Verständniss beitragen, erlauben wir
uns hier nur einiges wenige anzuführen.
Es ist fraglich, ob p. f Z. 9 nach unserm Cod. nach dem
Worte Bi/>i nicht ji.jU einzusetzen ist. — P. a Z. 15 wird an-
J
gegeben, dass die Lesart auf den Verfasser des Buches zurück¬
gehe ; ebenso Z. 7 die Lesart ü^! ^^tj neben x*.c . — In
Oo«
ibn Ja'is p. Ifv Z. |ö zu Mufassal p. lo Z. 9 ist ^( zu lesen
O cE
nach der Bemerkung i^Lä-j j. < * 1, c i_Jt ^\ ^XAc (j«Lü!
O oE
'« JjIlX «— J *— A—1— c \j —» ■» Ä •>! tö! »-JLr v_.A_JI ^«_ä>
aus dem Muwassal. — P. ff Z. 3 v. u. fehlt mit Recht nach
iJLoLc das Wort Kfi wie ibn Ja'is p. W Z. 19. — P. n Z. 17
wird zu Uljiv« angeführt ^'IXwJt 'iL^^ L**; dieses Exemplar
wird sonst selten citirt, bisweilen aber der —Lxi*,C/ worunter wohl
das von es-Sekkäki (f 626) verfasste Buch H. H. Bd. 6, p. 15
zu verstehen sein wird. — Zu dem Worte ,, \\ p. f. Z. 4 wird
nach dem Muwassal bemerkt L^jSOSj tLJ! jm^^ c5ijH j^;**^^
jJbJuJ! otyo jf~t^_ j«-w!^! !iAS> ^.,1 ^i-t j. o i ^.AM.i'
U-LLj-:^! JL^ ^ jLo (JKäJ! ,_•,! ü — >^u der
Stelle p. f-A Z. 2 ff . möchte zu bemerken sein, dass der Codex
Sig. als Beispiel für die unmöglichen Pälle *) !jsJ J^^j^W
686 Socin, über eine Uandtchrift des Mufassal.
3iy4.fi u^Lao iJ«^^-!W anführt, weil \Cs^ und v_*J>-L«a specieller
sind, als ^^^\, — P- fl Z. 4 möchte trotz ibn Ja'is p. j^^^
s- ^
Z. 1 statt iüjo: »jJu zu lesen sein, wozu die Anm. ii^j^j
Zum Schluss statte ich hier der Verwaltung des Pürstl.
Museums zu Sigmaringen meinen Dank ab, dass sie mir den werth¬
vollen Codex auf die Dauer von raehreren Monaten zur Benutzung
überlassen hat.
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Notizen und Correspondenzen.
Znr Pehlewi-Sprache und Münzkunde.
Von Th. M»ldeke.
üeber das Wesen der Pehlewi-Schrift und Sprache ist seit
25 Jahren viel geschrieben, darunter manches, was aus mehreren
Gründen besser ungeschrieben geblieben wäre. Mir scheint, die
Kenner — soweit man da von Kennern reden kann, wo auch die
Kundigsten nur Stümper sind — neigen sich allmählich mehr und
mehr zu der von Westergaard ausgehenden, wenn auch noch nicht'
consequent durchgeführten, Ansicht hin. dass alles Pehlewi eine
rein iränische Sprache ist, deren Wesen nur durch ein thörichtes
Schriftprincip verhüllt wird Den cryptographiscben Character
des Buchpehlewi giebt ja scbon Ibn Moqaffa' deutlich an, der doch
auf alle Pälle weit, weit mehr Pehlewi verstand, als es je ein
Pärse oder Europäer verstehen wird. Dieser Auffassung tritt nun
Dr. Mordtmann sen. in dieser Zeitschrift XXXIII, 137 mit der
Erklärung entgegen, das Pehlewi sei eben gar keine natürliche,
wahre Sprache, sondem nur ein künstlicher Jargon der Vomehmen
und Gebildeten, eine „Effendisprache' wie das „Osmanische" der
Stambuler Effendi's. Diese Ansicht eines Mannes, welcher den
Orient aus langer Erfahmng gründlich kennt, möchte leicht bei
solchen Anklang finden, welche sicb nie mit näherer Untersuchung
von Pehlewi-Texten selbst abgegeben haben, aber sie ist den That¬
sachen gegenüber nicht aufrecht zu erhalten. Gewiss waren die
persischen Priester, aus deren Schulen die Schreibweisen für die
verschiedenen Gattungen des Pehlewi hervorgegangen sind , eine
überaus mächtige Classe; sie hielten sich als Schriftgelehrte über
1^ Auch Salemann in der scharfsinnigen Krklärung eines Pehlewi-Satzes als der Uebersetzung von »JLj 'j(! ß^ ^ (Ztschr. XXXIII, 511; scheint dieae Ansicht zu theilen.