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Archiv "Interdisziplinäre Telekonsultation: Erfahrungen in der HNO-Heilkunde" (02.09.2013)

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A 1622 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 35–36

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2. September 2013

D

ie zunehmende Spezialisie- rung in den medizinischen Fächern und die hohe berufliche Be- lastung führen dazu, dass zwischen den Fachärzten für Hals-Nasen-Oh- ren-Heilkunde (HNO) und den All- gemeinmedizinern nur noch selten ein fachlicher Austausch erfolgt, ob- wohl gerade diese Fächer viele Er- krankungen gemeinsam in ihrem je- weiligen Spektrum haben. Die Kon- takte beschränken sich (von Ausnah- men abgesehen) auf präoperative Untersuchungen beim Allgemein- arzt und Zuweisungen bei kompli- zierten HNO-Befunden oder de- ren Komplikationen. Offensichtliche fachliche Synergien werden so nicht in vollem Umfang genutzt, etwa bei der gemeinsamen Behandlung einer Infektionserkrankung mit einer kal- kulierten Antibiose oder bei schwie- rigen Differenzialdiagnosen einer Schwindelsymptomatik.

Symptome und Erkrankungen aus dem HNO-Gebiet stellen einen nen- nenswerten Anteil in der allgemein- medizinischen Sprechstunde dar (1–5). Der Anteil von Patienten mit HNO-Erkrankungen, die ohne eine

Konsultation des HNO-Facharztes allein durch den Allgemeinarzt be- handelt werden, ist mit schätzungs- weise 50 Prozent hoch. Auch in gut versorgten Gebieten dürfte der Pa- tientenwunsch nach kurzen Wegen und Wartezeiten und der entspre- chende logistische Aufwand zur Vereinbarung einer Facharztkonsul- tation zu dieser Situation beitragen.

Gleichzeitig gibt es seit etwa fünf Jahren einen deutlichen Tech- nologiezuwachs in der Telemedizin.

Vor allem die Qualität und die Sta- bilität der synchronen bidirektiona- len Übertragung von Bild und Ton haben sich deutlich verbessert.

Breitbandnetze, Konnektoren und flexible Endgeräte sind weit ver- breitet, so dass der Anwendung im ärztlichen Alltag kaum noch Gren- zen gesetzt sind. Dennoch werden diese Möglichkeiten für die HNO- Heilkunde bis heute kaum genutzt.

Vor diesem Hintergrund wurde in einem Pilotprojekt in Leipzig über einen Zeitraum von 18 Mona- ten ein Telekonsil erprobt, an dem vier Allgemeinärzte, fünf HNO- Fachärzte und 102 Patienten teil-

nahmen. Die Lösung sollte die Kommunikation zwischen den Ärz- ten zum Zweck einer verbesserten Diagnose- und Therapiesicherheit unterstützen.

Technische Voraussetzung war eine einfache, sichere und ro - buste Breitbandverbindung für eine Audio-Video(AV)-Kommunikation zwischen zwei und mehr Praxis- standorten. Die Lösung umfasste zusätzlich zur Übertragung her- kömmlicher AV-Signale (PC-Bild, Audiosignal des Headsets) auch spezielle Signale wie das Videosig- nal eines Endoskops, um etwa Funktionen der Otoskopie (Be- trachtung des äußeren Gehörgangs und des Trommelfells) durch den Allgemeinarzt zu ermöglichen. Par - allel zur Bildübertragung und un - abhängig von dieser wird beim Konsil jeweils eine Telefonverbin- dung zwischen Haus- und Facharzt aufgebaut. Von außen kann keine Verbindung zwischen dem Telefonat und der Übertragung der Video - daten hergestellt werden, die Video- bilder lassen somit keinen Rück- schluss auf den Patienten zu.

INTERDISZIPLINÄRE TELEKONSULTATION

Erfahrungen in der HNO-Heilkunde

Von der telemedizinischen Fachkonsultation zwischen Hausarzt und Hals-Nasen- Ohren-Arzt profitieren alle Beteiligten, so das Resultat eines Pilotprojekts in Leipzig.

Die Audio-Video- Kommunikation zwischen Haus- und Facharzt bie-

tet vielfältige Mög- lichkeiten für die

HNO-Heilkunde.

Foto: ACQUA-Klinik

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2. September 2013 A 1623 Vielversprechende Ergebnisse

der Studie

Die Lösung ermöglichte eine Tele- konsultation zwischen den Ärzten und die Einbindung von speziellen Videosignalen wie Endoskopkame- ra und Ultraschall. Einschränkend im Hinblick auf die technische Machbarkeit ist allerdings anzu- merken, dass die geforderte Band- breite nicht überall verfügbar ist und eine geringere Bandbreite eine Videoverbindung teilweise unmög- lich machen kann.

Die Anforderungen an Daten- schutz und Datensicherheit sowie die Grundsätze des Berufsrechts konnten berücksichtigt werden.

Untersucht wurde zudem die Fra- ge, ob sich die Telekonsultation auf die Qualität der ärztlichen Diagnose und Therapiestrategie des behan- delnden Allgemeinarztes auswirkt.

Die häufigsten klinischen Fragestel- lungen betrafen der Studie zufolge die Tonsillen (37 Prozent), den äuße- ren Gehörgang (32 Prozent) und die innere Nase (15 Prozent), Grafik 1.

Im Durchschnitt wurden die Patien- ten 1,1-mal per Telekonsultation dem Facharzt vorgestellt. Auf der Basis der vorliegenden Daten zu den untersuchten Patienten lässt sich nachweisen, dass die telemedizini- sche Vorstellung die Behandlungs- qualität beim Hausarzt verbessern kann. Die durchschnittliche Bewer- tung des Level of Quality (LOQ*) mit 64 Punkten bedeutet einen signi- fikanten Erkenntniszuwachs beim Hausarzt im Hinblick auf die Dia - gnose- und Therapiequalität (eGra- fik, eTabelle). Dieser hat bei mehr als einem Drittel der vorgestellten Patienten zu einer Veränderung der ursprünglich geplanten Therapie ge- führt. Hiervon waren vor allem Fragen zur Trommelfellperforation (100 Prozent), zur Tonsillenasymme - trie (72,7 Prozent) und zur Septum- deviation (62,5 Prozent) betroffen.

Zusätzlich wurde ausgewertet, ob die Telekonsultation Einfluss auf die Anzahl der vorgestellten Patien- ten beim Facharzt hat. Durch die te- lemedizinische Vorstellung kamen

55 der 102 Patienten zur Konsulta- tion beim HNO-Facharzt, die aller Vor aussicht nach ohne diese Mög- lichkeit im Rahmen des Behand- lungsfalls dort nicht vorstellig ge- worden wären. Mehr als 40 Prozent der vorgestellten Patienten suchten zudem zusätzlich zum Telekonsil die Praxis des HNO-Arztes auf (Grafik 2). Dies lässt den Schluss zu, dass die Möglichkeit eines Tele- konsils nicht zu einem Patienten- rückgang beim HNO-Facharzt führt.

Vielmehr werden durch die verein- fachten Zugänge tendenziell mehr Patienten vorstellig.

Bessere Zusammenarbeit in der Praxis

Das interdisziplinäre Telekonsil zwi - schen dem Allgemein- und dem HNO- Facharzt ist für die Behand- lungsqualität und den Patienten- komfort von Nutzen. Die direkte und enge Kommunikation kann zu einer noch besseren Zusammenarbeit der beiden Fachgruppen beitragen.

Für die Facharztpraxis bietet das Konsil den Vorteil, dass sie mehr facharztspezifische Arbeiten durch- führen kann. Das Risiko einer Ver- schiebung von Behandlungskompe-

tenz zulasten der HNO-Heilkunde ist nach den vorliegenden Erfahrun- gen als gering einzuschätzen. Viel- mehr erlaubt die Beteiligung der Fachgruppe an frühen Projektpha- sen eine breite Gestaltungsfreiheit und die Chance auf eine Erweite- rung des Leistungsprofils. Daher sind weitere Anwendungen des Te- lekonsils innerhalb der Fachgruppe der HNO-Fachärzte vorstellbar.

Eine telemedizinische Behand- lung (Diagnostik- und Behandlungs- hilfe) bietet auch für den Allgemein- arzt vielfältige Vorteile. Bei unkla- ren Befunden oder Routinekontak- ten können unnötige Konsultationen wegen desselben Problems einge- spart werden. Damit werden Kapa- zitäten für andere Patienten frei, und den Krankenkassen entstehen keine zusätzlichen Kosten. Der Arzt hat über die Telemedizin zwar einen bis zu fünf Minuten erhöhten Aufwand für den einzelnen Patienten, erspart sich aber im besten Fall Wiederein- bestellungen und die Überweisung an andere Ärzte.

Durch die in den Telekonsulta- tionen gewonnenen unmittelbaren Lösungen kommt es zu einem er- heblichen Imagegewinn des Arztes

GRAFIK 1 Indikationsspek-

trum der Vorstel- lung von Patienten durch den All - gemeinarzt beim HNO-Facharzt via Telekonsil Indikationen zum HNO-Telekonsil

Diagnose endonasale Polypen 3 %

Tonsillen- asymmetrie 11 %

Tonsillitis acuta/chronica 26 %

Zunge 3 % Uvula 3 % Mundboden 2 %

Kontrolle nach Zerumenentfernung Kontrolle nach 19 %

Behandlung Otitis externa 4 % Beurteilung Gehörgang-

verletzung 2 %

Beurteilung Gehörgangstenose 7 %

Otitis media acuta (Erwachsene) 5 % Otitis media acuta

(Kind) 2 % Trommelfellperforation,

traumatisch 1 % Trommelfellperforation,

zentral 1 %

Septum- deviation

8 % Zustand Nasenschleimhaut/

untere Muschel 2 %

Kontrolle bei Rhinitis allergica 2 %

*Der LOQ wird in der Medizintechnik benutzt, um die Qualität einer Zusatzinformation zu evaluieren.

Werte über 50 bedeuten einen effektiven Zusatz- gewinn an relevanter Information.

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2. September 2013 GRAFIK 2

Vorstellung beim HNO-Arzt „nur“ wegen Telefonkonsils, Vorstellung in Sprechstunde

0 Diagnose endonasale Polypen Kontrolle bei Rhinitis allergica Zustand Nasenschleimhaut/untere Muschel Septumdeviation Trommelfellperforation, zentral Trommelfellperforation, traumatisch Otitis media acuta (Kind) Otitis media acuta (Erwachsener) Beurteilung Gehörgangstenose Beurteilung Gehörgangverletzung Kontrolle nach Behandlung Otitis externa Kontrolle nach Zerumenentfernung Mundboden Uvula Zunge Tonsillitis acuta/chronica Tonsillenasymmetrie

5 10 15 20 25 30

0 3

2 1 1 0

5 2 0 1

0 1 1 0

1 2

1 4 0 0

4 1

17 0 1 1

2 1

1 1 19 11

0 3

CBO (n) CIO (n)

CBO, Council by opportunity; CIO, Council in office

beim Patienten, der das Interagieren zwischen Haus- und Facharzt mit- erlebt. Der Patient nimmt an dem Konsil teil und kann sich selbst eine Meinung zur Zweitmeinung bilden.

Er ordnet dem Hausarzt mehr Kom- petenz zu, das Arzt-Patienten-Ver- hältnis und die beiderseitige Zufrie- denheit werden gestärkt. Der Haus- arzt wird in seiner Rolle als Organi- sator und Sammler der Befunde zum primären Ansprechpartner für den Patienten. Überdies profitiert er von der direkten Einbindung in die Diagnostik und den Therapievor- schlag, da im Gespräch nicht nur der Befund, sondern auch die Ent- scheidungskriterien und die Erfah- rungen des Facharztes einen Wis- senszuwachs ermöglichen.

Gleichzeitig verringern sich über den Hausarzt die Barriere und Schnittstelle zum Spezialisten. Das fachliche Spektrum des Hausarztes wird größer, ohne dass der Facharzt Honorareinbußen zu befürchten hat.

Durch das direkte Zusammenwir- ken von Hausarzt und Spezialist wird das kollegiale fachliche Ge- spräch weit über den Austausch von Befundberichten hin aus geführt.

Das ärztliche Zusammengehörig-

keitsgefühl und Miteinander wer- den deutlich gestärkt.

Die meisten Vorteile hat indes der Patient: Er hat ohne organisato- rischen Mehraufwand Zugang zur Expertise eines Spezialisten. Er muss hierfür nicht extra Urlaub nehmen oder sich krankschreiben lassen. Die üblichen zeitlichen Be- lastungen und Wartezeiten für einen Termin beim Spezialisten entfallen.

In der Regel hat der Patient zu seinem Hausarzt ein persönlicheres Verhältnis als zu Fachärzten, die er nur durch die Überweisung kennen- lernt. Durch das Telekonsil erfährt der Patient den Hausarzt als Pro- blemlöser aus einer Hand. Das schafft Vertrauen in den Hausarzt und in die Medizin als solche. Der Zeitrahmen für Diagnostik und The- rapie verkürzt sich unter Umständen erheblich, und die Behandlung lässt sich eindeutig besser koordinieren.

In einem konkreten Beispiel konn- ten die Arzt-Patienten-Kontakte auf dem Weg von einer primären Be- schwerdeschilderung über Diagnos- tik, Operation, Nachsorge und ab- schließendes Gespräch beim Haus- arzt von neun auf vier bis fünf Arzt- kontakte verringert werden.

Fazit: Für den Hausarzt stellen telemedizinische Verfahren keinen Ersatz für übliche diagnostische oder therapeutische Verfahren dar.

Vielmehr sind sie künftig eine un- verzichtbare Option in ärztlich un- terversorgten Gebieten oder ein Serviceangebot in Großstädten. Ex- perten gehen davon aus, dass die Telemedizin in Zukunft einen Teil der Regelversorgung abbilden wird, da die medizinische Infrastruktur in demografisch belasteten und ländli- chen Regionen zunehmend ausge- dünnt ist. Die Telemedizin stellt je- doch keine massenhaft einzusetzen- de Variante dar, sondern ist Krank- heitsbildern vorbehalten, bei denen der Hausarzt sich nicht sicher ist und deswegen die Expertise eines Facharztes einholen muss.

Iris Gollnick, International Reference and Development Centre for Surgical Technology (IRDC) Leipzig, i.gollnick@irdc-leipzig.de Dr. med. Thomas Lipp, Allgemeinarztpraxis Dres. Lipp und Amm, Leipzig

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit3513 eTabelle und eGrafik:

www.aerzteblatt.de/131622 Parameter CBO:

Council by opportunity, CIO:

Council in office, unterteilt nach Indikationen.

Der erste Parameter bezieht sich auf Pa- tienten, die nur auf- grund der Möglich- keit des Telekonsils

dem HNO-Facharzt vorgestellt wurden, der zweite auf die Patienten, die zu- sätzlich zum Tele- konsil die Facharzt- praxis aufsuchten.

T H E M E N D E R Z E I T

Referenzen

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