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Archiv "Die Jugendfürsorge setzt zu spät ein" (10.07.1975)

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Zu: „Akuter Ärztemangel beim Bundesgrenzschutz" in Heft 14/

1975, Seite 975 f

Ärztliche Kritik

am Bundesgrenzschutz

„In einem Beitrag mit unge- nanntem Autor ..., den das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT unter dem Titel ,Akuter Ärz- temangel beim Bundesgrenz- schutz' veröffentlicht hat, wird moniert, daß der Akade- miker bei den Truppenoffizie- ren allenfalls als Offizier ge- duldet sei. Ein pensionsrei- fer Hauptmann nehme sich das Recht heraus, Truppen- ärzte zurechtzuweisen. Der Wunsch, dem Offiziers-

‚Korps' anzugehören, werde fast ‚gnädig' angenommen.

Und immer noch — leider — unterstehe der Oberstabsarzt dem Major als Kommandeur.

Der Autor fragt: ,Haben die Verantwortlichen im Bundes- innenministerium den gravie- renden Ärztemangel planmä- ßig betrieben (Vertragsarzt- wesen), oder muß man sich fragen, ob sie ihrer Fürsorge- pflicht gerecht wurden?"

(mb der arzt Heft 5/1975, Sei- te 277)

aufwenden, haben sie davon den Vorteil einer gewissen Vereinfa- chung ihrer Produktion. Normung schützt aber auch den Verbrau- cher, da ein genormtes Produkt ei- nen bestimmten Qualitätsstandard garantiert und den Verbraucher so- mit vor unliebsamen Überraschun- gen schützt. Sicherlich werden noch lange Zeit ungenormte Ein- malspritzen im Handel sein, ver- mutlich ein paar Pfennig billiger als die genormten. Arzt und Kran- kenhausträger aber sollten beden- ken, daß sie dem Patienten gegen- über eine besondere Sorgfalts- pflicht haben, ganz abgesehen da- von, daß falsche Sparsamkeit im Falle eines Zwischenfalles sehr teuer werden kann. BÄK/Zi

Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen

THEMEN DER ZEIT

Die Jugendfürsorge setzt zu spät ein

Kurt-Gerhard Islar

Die Jugendfürsorge tritt, in Gestalt der Fürsorgeerziehung, erst ein, wenn etwas „passiert" ist. Notwen- dig wäre ein rechtzeitiges, vorsorg- liches Eingreifen. Dazu fehlen aber weithin die Möglichkeiten. Nicht zuletzt gibt es hier eine Lücke in der Gesetzgebung.

Wir haben ein Jugendschutzgesetz.

Trotzdem tanzen allerorten Fünf- zehnjährige bis in die frühen Mor- genstunden hinein. Sie befinden sich ohne Begleitung in öffentli- chen Lokalen; jedenfalls ohne „be- rechtigte" Begleitung. Halbwüchsi- ge benützen Spielautomaten und trinken in Gastwirtschaften „schar- fe Sachen" in Mengen, die selbst

manchem Erwachsenen nicht be- kommen würden; und ob ein Film für Kinder oder Jugendliche freige- geben ist oder nicht, scheint nie- manden mehr zu interessieren. Das

„Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit besteht wohl nur .auf dem Papier. Sicherlich aber ist es überholungsbedürftig.

So mancher Schul- oder Arbeitstag wird auf diese Weise ohne ausrei- chenden Grund versäumt. Mancher Jugendliche, manches Kind befin- det sich bereits auf der schiefen Bahn. Leider gibt es recht wenig Möglichkeiten zu bremsen, wenn die Eltern nicht in der Lage — oder auch gar nicht gewillt — sind, ihre Kinder in der rechten Weise anzu- leiten und zu erziehen. Manchmal könnte hier der Arzt helfen, sofern er die Möglichkeit hat, mit den El- tern zu reden.

Wir kennen zwar eine Jugendfür- sorge. Laut Sprach-Brockhaus die

„vom Staat übernommene Erzie- hung körperlich und sittlich gefähr- deter Jugendlicher". Aber eine Vorsorge, eine vorsorgliche Für- sorge, falls dieser Pleonasmus er- laubt ist, gibt es bei uns nicht. Un-

sere Jugendfürsorge tritt — in Ge- stalt der Fürsorgeerziehung — erst dann in Kraft, wenn etwas „ge- schehen" ist. Zwar hat der Gesetz- geber die freiwillige Erziehungshil- fe vorgesehen, aber es gibt eben doch eine ganze Reihe von „Erzie- hungsberechtigten", die einer sol- chen freiwilligen Fürsorgeerzie- hung (so nötig sie auch für ihre Kinder sein mag) nicht zustimmen;

trotz Zuredens oder dringlichen Anratens seitens des Lehrers, des Arztes, des Jugendamtes u. a. Wel- che Eltern haben schon den Mut, von sich aus einen Antrag auf Für- sorgeerziehung ihrer Kinder zu stellen; wer wagt es schon zuzuge- ben, daß er mit der Erziehung nicht mehr zurechtkommt.

So manches Kind könnte vor ei- nem Abgleiten bewahrt bleiben, wenn es rechtzeitig, also vorsorg- lich in eine andere Umgebung käme. Wenn es aus seinem schad- haften oder schädigenden Milieu herausgenommen und in eine ge- sundere Umgebung mit straffer, konsequenter Lenkung und Füh- rung hineingestellt werden könnte.

Leider gibt es hierfür, wie die Pra- xis immer wieder zeigt, keinerlei gesetzliche Handhabe. Und so kommt es, daß mancher Erzieher, mancher Lehrer oder Fürsorger di- rekt aufatmen muß, wenn ein Kind oder Jugendlicher „endlich" so weit gekommen ist, daß sich eine Gelegenheit bietet, es aus seinem Elternhaus herauszunehmen. Ein Beispiel möge das erläutern:

Burkhard besucht die vierte Klasse einer Volksschule. Gegen den Rat aller Lehrer wird er zur Realschule angemeldet. Er versagt dort völlig, wie es aus seinen bisherigen Lei- stungen und seiner ganzen, durch- aus negativen Arbeitshaltung auch nicht anders zu erwarten war. Der

2070 Heft 28 vom 10. Juli 1975 DEUTSCHES ÄRZTE BLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Jugendfürsorge

Junge ist liederlich, faul und verlo- gen. Im fünften Schuljahr macht er sich verschiedener Eigentumsde- likte und auch sexueller Vergehen schuldig. Wenn. er, was oft vor- kommt, die Schule schwänzt, gibt er an, aus Angst vor dem Lehrer nicht hingegangen zu sein. Die El- tern glauben ihm unbesehen alles, was er zu Hause erzählt; der Junge ist der Hausgötze seiner Familie.

Hat er etwas ausgefressen, so ver- steht er es geschickt, andere Kin- der zu beschuldigen; auch das wird ihm von seinen Eltern unbese- hen abgenommen. Die Eltern ge- ben sich „vornehm"; viermal haben sie ein Auto gehabt, das allerdings immer nur mit einer Anzahlung ge- kauft und dann — da keine weite- ren Zahlungen erfolgten — vom Händler zurückgeholt werden muß- te. Es fanden sich immer wieder Händler, die den Leuten einen neu- en Wagen verkauften. In die Enge getrieben, versucht es die Mutter

— je nach Bedarf — mit „Tränen"

oder „Erotik"; nützt alles nichts, bekommt sie einen „Herzanfall".

Das ist auch beim Gericht, wo man beide Elternteile gut kennt, durch- aus bekannt und zieht dort auch nicht mehr. Merkwürdigerweise aber noch nicht bei verschiedenen Ärzten, die ihr und ihrem Jungen Atteste und Bescheinigungen aus- stellen. Der Junge ist schon heute der „geborene Hochstapler", d. h.

er wird, zu Hause durchaus „fach- gerecht" angelernt. Da aber Frei- heit offenbar gleichbedeutend ist mit Unverbindlichkeit, gibt es keine Möglichkeit, hier einzugreifen. Man muß also tatenlos zusehen und ab- warten, bis der Junge endlich die bewußten „silbernen Löffel gestoh- len" hat. Anstatt alle nur denkba- ren Hebel und Gesetzesmöglich- keiten in Bewegung zu setzen, daß ein junger Mensch nicht erst krimi- nell wird, muß man darauf warten, daß er es wird, was sich oft ohne allzugroße prophetische Gabe vor- aussagen läßt.

Oft taucht im Zusammenhang mit einer sich als notwendig erweisen- den Fürsorgeerziehung oder frei- willigen Erziehungshilfe oder auch einer Internatsunterbringung die

Frage des Kostenträgers auf. Die Eltern wollen oder können angeb- lich nichts bezahlen, obwohl das Kind zu Hause auch nicht „um- sonst" lebt; und der Staat will auch nicht, jedenfalls so lange nicht, bis das Kind oder der Ju- gendliche kriminell auffällig gewor- den ist. Vielleicht ist es in diesem Zusammenhange ganz aufschluß- reich zu hören, daß in den USA die Zahl der Jugendgerichtsfälle in den letzten zwanzig Jahren um mehr als ein Viertel gestiegen ist.

Nimmt man an — und man wird dabei sicherlich nicht fehlgehen — daß nur jeweils einer von zehn ju- gendlichen Delinquenten vor Ge- richt kommt, so kommt auf etwa 13 bis 14 Jugendliche ein Delinquent;

wobei auf fünf Jungen ein Mäd- chen entfällt. Lawton schreibt in seinem Buch „Das sexuelle Verhal- ten der Jugendlichen", daß in den USA 15 Prozent aller Morde, 51 Prozent aller Einbrüche, 30 Prozent aller Vergewaltigungen von jungen Menschen unter 21 Jahren began- gen wurden. Die inzwischen her- eingebrochene Rauschgiftwelle wird diese Prozentzahlen mögli- cherweise inzwischen noch erhöht haben. Lawton gibt weiterhin an, daß sich die Notzuchtverbrechen der Vierzehnjährigen und Jüngeren in den USA um 30 Prozent ver- mehrt hätten.

Die Zahl der Jugend- und Kinder- ehen — wobei ich dieses Wort „Kin- derehe" durchaus in seiner dop- peldeutigen Form stehenlassen möchte — hat sich bei uns in ei- nem erschreckenden Maße erhöht.

Man kann bei einigen Jugendlichen geradezu von einer Flucht in die Ehe sprechen. Einfach, weil sie die Unverbindlichkeit des täglichen Le- bens, die geistig-seelische Leere nicht mehr ertragen und nun hoffen, einen Halt in der Ehe und am Ehe- partner zu finden. Oft sind solche Frühehen auch eine Flucht aus dem Elternhaus, dem Milieu. Si- cherlich ist eine Flucht in die Ehe immer noch akzeptabler als die Flucht in Rauschmittel!

Man muß diese Dinge einmal offen aussprechen. Mißstände können

erst dann abgestellt werden, wenn man sie erkannt hat. Soll man wei- terhin resignieren? Soll man weiter tatenlos zusehen, wie junge Men- schen auf die schiefe Bahn gera- ten, wie immer mehr Städte sich genötigt sehen, Schulklassen für gemeinschaftsschwierige Kinder und für werdende Mütter einzurich- ten? Wollen wir weiter auf die Teenager und die „Halbstarken"

schimpfen, die doch nur ein Pro- dukt ihrer Umwelt mit all ihren ne- gativen Einflüssen sind? Oder soll- te man nicht vielmehr das Gewis- sen der Öffentlichkeit wachrufen und immer und immer wieder auf diese Lücke in unserer Gesetzge- bung hinweisen! Jeder weiß, in welchen Erziehungsschwierigkei- ten wir heute mit unserer Jugend stecken. Den Schulen zum Beispiel wäre mit einer solchen vorbeugen- den Jugendfürsorge ebenso ge- dient, wie manchen Eltern, Lehr- herren, Fürsorgern.

Aber darauf kommt es noch nicht einmal an. Obwohl ein solches, einmal statuiertes Exempel unter Umständen äußerst heilsam und wirkungsvoll sein könnte. Viel wichtiger aber ist es doch wohl, daß dem gefährdeten, dem milieu- geschädigten Jugendlichen gehol- fen werden kann. Daß verhindert wird, daß ein Kind oder ein Ju- gendlicher erst kriminell auffällig wird. Auch der Jugendarrest setzt bekanntlich erst dann ein, wenn ein Jugendlicher mit Polizei und Richter zu tun gehabt hat.

Es genügt nun einmal nicht, daß ein Kind in seinem Elternhaus ge- kleidet und verpflegt wird, wenn der moralische Halt, der elterliche Wille zur Erziehung nicht vorhan- den sind. Es gibt genügend Eltern, die offen zugeben, daß sie mit ih- ren Kindern nicht mehr fertig wer- den. Meist aber erklären sie das erst vor dem Jugendrichter, also wenn es bereits zu spät ist!

Anschrift des Verfassers:

Kurt-Gerhard Islar 328 Bad Pyrmont Postfach 13 66

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 28 vom 10. Juli 1975 2071

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