A 1104 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 22|
31. Mai 2013 Vom Umschlag des mit 138 mehr-farbigen Tabellen und Abbildungen ansprechend gestalteten Buches strahlt ein sympathischer, normal-
gewichtiger, ursprünglich wohl dunkelblonder End- fünfziger, gekleidet in verwaschene, mittelblaue Jeans und einen beigen Pullover. Er stützt sich läs- sig auf eine Säule aus acht überdimensionierten Stü- cken Würfelzucker. Zwar nicht der klassische Diabe- tiker, doch was die Diabe- tologie inzwischen zur Ver- besserung der Lebensquali- tät und zur Verlängerung der Lebenserwartung anbieten kann, ist eindrucksvoll.
Die Stärken des Buches, an dem 50 Autoren mitgewirkt haben, lie- gen in seinem unmittelbaren Praxis- bezug auf der Basis des aktuellen Wissenstandes. Teil A – Diabetes im klinischen Bild – enthält vorwie- gend instruktive Fallbeispiele. Sie DIABETOLOGIE
Unmittelbarer Praxisbezug
tragen Titel wie: Erstmanifestation des Typ-1-Diabetes im Kindesalter, Typ-1-Diabetes und Dialyse, Ratio- nale Therapie mit oralen Antidiabe- tika, Der uneinsichtige Patient, Dia- betes und Depression, Zukunftspla- nung eines jugendlichen Patienten mit Typ-1-Diabetes, Begleit- und Folgeerkrankungen bei Typ-2-Dia- betes. Meist enden die Kapitel mit einem Fazit für die Praxis und bei Themen zum Typ-1-Diabetes mit einem zusätzlichen cave – beson- ders zu beachten.
In Teil B – Toolbox – werden die in den Fallbeispielen genannten Werkzeuge und Maßnahmen aus- führlich beschrieben und gewichtet.
Zu den Themen gehören unter an- derem: Injektionshilfen, Pens, Ka- theter, Blutzuckermesssysteme, elektronisches Datenmanagement, Schulung, „Lifestyle“-Beratung, OP-Vorbereitung und perioperative Betreuung, Einschätzung der Ge- sundheitskompetenz, Betreuung von Migranten.
Thomas Haak, Klaus-Dieter Pa- litzsch: Diabetologie für die Praxis.
Thieme, Stuttgart 2012, 496 Seiten, gebunden, 99,99 Euro
In Teil C – Hintergrundwissen – liegt der Schwerpunkt auf der Patho- physiologie des Typ-1-, Typ-2-Dia- betes und diabetischen Folgeschä- den sowie auf der Klassifikation und Epidemiologie des Diabetes (für 2010 in der Altersgruppe zwischen 20 und 79 Jahren geschätzte 7,5 Mil- lionen Diabetiker und 4,1 Millionen mit gestörter Glukosetoleranz). In- formationen über Zertifizierungsver- fahren, Berufsbilder in der Diabeto- logie (etwa Diabetesteam quo va- dis?), über psychosoziale Aspekte und diabetesrelevante Adressen so- wie ein Sachverzeichnis schließen das empfehlenswerte Buch ab.
Nur zwei Anregungen: Die Adi- positas-Klassifikation der WHO sollte korrekt wiedergegeben wer- den. So beträgt beispielsweise der BMI-Bereich für Übergewicht nicht 26 bis 29, sondern vielmehr 25 bis 30 kg/m². Aus therapeutischer Sicht wäre ein Beitrag „Diabetes mellitus und Organtransplanta - tion“ sinnvoll. Peter Schauder Die Gesellschaft wird älter, die Me-
dizin besser und die akut-stationäre Behandlung kürzer. So können Pa- tienten früher nach Hause oder zur Wiederherstellung der Selbststän- digkeit in eine Rehabilitationsbe- handlung entlassen werden. Dies ist auch sinnvoll, weil frühe Rehabili- tation erfolgreicher ist als späte. Was passiert jedoch, wenn eine akut- stationäre ursäch liche Behandlung abgeschlossen und eine Rehabilita- tion nötig ist, Patienten aber noch medizinisch instabil sind? Für Pa- tienten mit Gehirn- oder Nerven - erkrankungen existiert in Deutsch- land ein Modell, das diese Lücke schließen und die intensiv- und rehabilitationsmedizinische Versor- gung miteinander verbinden kann – die neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation. Historisch geht diese Frührehabilitation unter ande- rem auf die extrem hohe Zahl von NEUROLOGIE
Wegweisend und praxisorientiert
Straßenverkehrsopfern der 1970er Jahre zurück, und sie erweist sich heute als sehr potentes Instrument, um Pflegebedürftigkeit zu ver - mindern. In voller Tragweite ist dies allerdings vielerorts noch nicht erkannt.
Jens Rollnik hat jetzt mit Kolle- gen ein dringend nötiges praxisori- entiertes Lehrbuch zur neurolo- gisch-neurochirurgischen Frühre- habilitation herausgebracht. Es be- handelt nicht nur akut- und inten- sivmedizinische, chirurgische, uro- logische und augenärztliche Aspek- te der Versorgung von Gehirner- krankten, sondern auch dem Akut- mediziner weniger bekannte sozial- medizinische Aspekte, wie die internationale Klassifikation der Funktionen und die Philosophie der Zieldefinition. Erläutert werden etablierte Konzepte und Therapie- verfahren verschiedener in der Früh-
rehabilitation tätiger Be- rufsgruppen. Während bei der Behandlung von Be- wusstseinsstörungen neuere Entwicklungen nur un - vollständig berücksichtigt sind, ist die Darstellung der motorischen Rehabilitation umfassend und aktuell.
Insgesamt ist das Buch wegweisend und empfeh- lenswert für Einsteiger in dieses immer wichtiger werdende Gebiet der Neurologie, aber auch für im akuten Bereich tätige Neurolo- gen, Neurochirurgen und internisti- sche oder anästhesistische Intensiv- mediziner. Denn letztlich entschei- det die gute neurologisch-neuro - chirurgische Frührehabilitation, ob in der Akutphase errungene medizi- nische Erfolge bewahrt und der Aus- gangspunkt für die weitere Restitu - tion werden können. Stefan Knecht
Jens Dieter Rollnik (Hrsg.): Die neuro - logisch-neurochirur- gische Frührehabili- tation. Springer, Berlin 2013, 377 Seiten, gebunden, 99,95 Euro