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Archiv "Lebertransplantationen: Laborwerte – das Zünglein an der Waage" (18.01.2013)

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A 74 Deutsches Ärzteblatt

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18. Januar 2013

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islang wurden in Deutsch- land jährlich circa 1 000 Le- bern transplantiert. Nachdem meh- rere Transplantationszentren ver- schiedener Uniklinika unter Ver- dacht stehen, Laborwerte manipu- liert zu haben, um ihren Patienten Vorrang auf der Warteliste für Spen- derorgane einzuräumen, wird diese Zahl 2013 wohl kaum zu erreichen sein. Nachfolgend soll die Wertig- keit der Labormedizin für die Eva- luation der Dringlichkeit nach dem sogenannten Lab-MELD-Score erör- tert werden. Die Abkürzung MELD steht für „Model for Endstage Liver Disease“ und gibt an, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Patient weitere drei Monate auf der Warteliste nicht überleben wird.

Die Indikation zur Lebertrans- plantation besteht bei einer nicht- rückbildungsfähigen, das Leben des Patienten gefährdenden Erkran- kung, wenn keine akzeptable Be- handlungsalternative besteht und keine Kontraindikationen für eine Transplantation vorliegen (1). Wei- ter kommen als Indikation für eine Lebertransplantation auch solche genetische Erkrankungen infrage, bei denen sich die Expression des genetischen Defekts wesentlich in der Leber manifestiert und dieser Phänotyp durch eine Transplantati- on korrigiert werden kann (2, 3).

Patienten können in eine Warte- liste für eine Lebertransplantation aufgenommen werden, wenn die mittlere Überlebenszeit und/oder die Lebensqualität nach einer Le- bertransplantation größer wäre als ohne Transplantation. Die häufigs- ten Indikationsgruppen sind Leber- zirrhose (4, 5), Krebserkrankungen der Leber (6, 7), genetische und metabolische Erkrankungen sowie akutes Leberversagen (8, 9).

Allokationssystem seit 2006 Als Maß für die Dringlichkeit einer Lebertransplantation wird bei der Mehrzahl der Patienten der soge- nannte Lab-MELD-Score (10) ver- wendet. Nach dem 16. Dezember 2006 wurde in den zu Eurotrans- plant gehörigen Ländern (Deutsch- land, Niederlande, Luxemburg, Ös- terreich, Belgien, Slowenien und Kroatien) ein auf diesem Score basierendes Allokationssystem ein- geführt (11, 12). Der Lab-MELD- Score ermöglicht die Schätzung der Dreimonatsmortalität von Patienten im Endstadium einer chronischen Lebererkrankung (Tabelle).

Für die meisten Patienten kann der Lab-MELD-Score aus den Kon- zentrationen von Bilirubin und Krea- tinin im Serum oder Plasma sowie der Prothrombinzeit (angegeben als INR-Wert) berechnet werden. Unter-

suchungsergebnisse mit einem nu- merischen Wert unter 1,0 werden da- bei zum Zweck der Berechnung auf 1,0 gesetzt, und die maximal für die Berechnung verwendete Konzentra- tion für das Serumkreatinin wird auf 4,0 mg/dl begrenzt. Dieser Wert wird auch für dialysepflichtige Patienten anstelle des tatsächlich erhaltenen Messergebnisses verwendet.

Bei einem kleineren Teil der Lebertransplantationspatienten, zum Beispiel Patienten mit einem hepato- zellulären Karzinom, ist die Progno- seabschätzung auf Basis des Lab- MELD-Scores nicht möglich. Bei diesen Patienten wird auf Basis der individuell erwarteten Dreimonats- mortalität der sogenannte Match- MELD-Score festgelegt (13).

Der errechnete Wert wird auf gan- ze Zahlen gerundet und auf einen Maximalwert von 40 begrenzt. In Abhängigkeit von der Höhe des er- rechneten Lab-MELD-Scores muss eine erneute Überprüfung der Labor- untersuchungsergebnisse nach einer

Der Lab-MELD-Score wird nach folgender Formel berechnet:

10 {0,957 × Loge (Kreatin mg/dl) + 0,378 × Log

e (Bilirubin mg/dl) + 1,120 × Loge (INR) + 0,643 } LN = Logarithmus zur Basis e

Foto: Fotalia/Alex Tihonov

LEBERTRANSPLANTATIONEN

Laborwerte –

das Zünglein an der Waage

Die Parameter Bilirubin, Kreatinin und Prothrombin beeinflussen den Lab-MELD-Score, der die Reihenfolge für die Organvergabe beeinflusst. Im Rahmen eines Ringversuchs sollen die Untersuchungsmethoden harmonisiert werden.

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18. Januar 2013 A 75 Woche, einem Monat, drei Monaten

oder zwölf Monaten erfolgen.

Erfolgt keine neue Untersuchung (und damit auch keine Rezertifizie- rung), wird der Lab-MELD-Score von der Vermittlungsstelle auf den Wert 6 heruntergestuft. Die Alloka- tion der Spenderorgane erfolgt bei Erwachsenen auf Basis des Lab- MELD-Scores in absteigender Rei- henfolge, so dass Patienten mit der geringsten zu erwartenden Über - lebenszeit auf der Warteliste die höchste Dringlichkeit und somit die höchste Priorität besitzen (14).

Für die genannten Laboratori- umsuntersuchungen sind zahlreiche unterschiedliche Methoden in Ge- brauch; Referenzmethoden existie- ren jedoch nur zur Bestimmung der Konzentrationen von Bilirubin und Kreatinin. Beim letzten Ringversuch des Referenzinstituts für Bioanalytik in Bonn verwendeten die 1 126 teil- nehmenden Labore in Deutschland allein für die Ermittlung der INR- Werte insgesamt 45 unterschiedliche Nachweismethoden.

Trotter und Kollegen publizierten 2004 und 2007 multizentrische Stu- dien in den USA, in denen Proben von Patienten auf einer Warteliste für eine Lebertransplantation untersucht wurden (15, 16). Ziel dieser Untersu- chung war die Ermittlung des Ein- flusses der Labor-zu-Labor-Variation auf den Lab-MELD-Score, hierbei insbesondere des Einflusses der INR- Bestimmung auf dessen Berechnung (16). Dabei zeigten sich Unterschie- de zwischen den jeweils mitgeteilten Scores von bis zu neun Punkten.

Auch Lisman et al. untersuchten die Bedeutung analytischer Metho- dik für die Bestimmung der Kon- zentrationen von Bilirubin und Kreatinin sowie der INR für die Berechnung des Lab-MELD-Scores (17). Hier zeigte sich ein methoden- spezifischer Einfluss bei der Bili - rubinbestimmung von nur einem Punkt, bei der des Kreatinins von drei Punkten und bei der INR- Bestimmung von zwölf Punkten.

Schouten et al. kommen bei ei- nem Vergleich zwischen sechs La- boratorien in Abhängigkeit von der Eingruppierung der Patienten in die Child-Klassifikation zu ei - ner Lab-MELD-Score-Differenz von

6,45 Lab-MELD-Score-Werten für Child-B-Patienten und zu einer Dif- ferenz von 5,68 Lab-MELD-Score- Werten für Child-C-Patienten (18).

Darüber hinaus müssen verschie- dene präanalytische Einflüsse wie Lichtexposititon der Proben bei Bili- rubinbestimmung oder Einflüsse auf die INR (zum Beispiel bei verzöger- ter Analytik) ausgeschlossen werden.

Beitrag zur Qualitätssicherung In Zusammenarbeit mit dem Trans- plantationszentrum der Universi- tätsklinik in Frankfurt am Main entwickelt die Deutsche Vereinte Gesellschaft für Klinische Chemie und Laborato riumsmedizin (DGKL) einen Lab-MELD-Score-Ringver- such, der mit dazu beitragen kann, die Untersuchungsmethoden zu harmonisieren, um dadurch einen Beitrag liefern zu können, dass die verfüg baren Organe gemäß der kli- nischen Notwendigkeit für Trans- plantationen verteilt werden.

Der Ablauf des Lab-MELD- Score-Ringversuchs umfasst die umfängliche Qualitätssicherung al- ler Einzelschritte des Lab-MELD- Score-Verfahrens. Hierzu zählen:

die Bestimmung der Konzen - trationen von Bilirubin und Kreati- nin sowie der INR in Patientenpro- ben (Patienten mit Leberzirrhose und ohne Leberzirrhose),

die Berechnung der Lab-MELD- Score-Werte aus den ermittelten Ergebnissen,

die Bewertung der ermittelten Lab-MELD-Score-Werte im Kon- text mit einer beigefügten klini- schen Kasuistik und

die Beurteilung klinischer Be- fundkonstellationen.

Zu diesem Zweck sieht der MELD-Score-Ringversuch die Un- tersuchung von Patientenproben vor, die zu zwei Zeitpunkten ent- nommen waren, so dass im Kontext mit einer klinischen Fallbeschrei- bung mit den Ergebnissen der Laboratoriumsuntersuchungen eine labormedizinische Plausibilitäts- kontrolle durchgeführt werden kann. Abschließend wird auch der klinische Befund für die Meldung an Eurotransplant im Ringversuch evaluiert, um auch hier die Qualität des bestehenden Meldeverfahrens analysieren zu können.

Der neue Ringversuch wird zu- nächst in einer Pilotphase an zehn ausgewählten Zentren evaluiert wer- den und anschließend allen inter - essierten Zentren zur Verfügung ste- hen. Der Start der Pilot phase ist aus aktuellem Anlass bereits für Februar geplant. Die generelle Teilnahme- möglichkeit am ersten regulären Ringversuch ist für Mitte 2013 vor- gesehen.

Aktuelle Informationen für die Anmeldung zum MELD-Score-Ring - versuch werden auf der Homepage des Referenzinstituts für Bioanaly- tik (www.dgkl-rfb.de) erscheinen und speziell an alle Mitglieder der DGKL sowie insbesondere an alle Laborärzte an Transplantationszen-

tren erfolgen.

Dr. med. Thorsten Kaiser, Prof. Dr. med. Stefan Zeuzem, Prof. Dr. med. Joachim Thiery

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit0313 TABELLE

Eckpunkte der MELD-Score- Äquivalente

Quelle: Bundesärztekammer MELD-Score

6 10 15 20 22 24 26 27 28 29 30 31 32 33 35 36 37 38 39 40

Dreimonats- mortalität

1 Prozent 2 Prozent 5 Prozent 11 Prozent 15 Prozent 21 Prozent 28 Prozent 32 Prozent 37 Prozent 43 Prozent 49 Prozent 55 Prozent 61 Prozent 68 Prozent 80 Prozent 85 Prozent 90 Prozent 93 Prozent 96 Prozent 98 Prozent

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18. Januar 2013

LITERATURVERZEICHNIS HEFT 3/2013, ZU:

LEBERTRANSPLANTATIONEN

Laborwerte –

das Zünglein an der Waage

Die Parameter Bilirubin, Kreatinin und Prothrombin beeinflussen den Lab-MELD- Score, der die Reihenfolge für die Organvergabe beeinflusst. Im Rahmen eines Ringversuchs sollen die Untersuchungsmethoden harmonisiert werden.

LITERATUR

1. Neufassung der Richtlinien zur Leber- transplantation durch Bundesärztekammer vom 17.–18. 02. 2011. Inkrafttreten:

26. 03. 2011 . Dtsch Arztebl 2011;

108(12): A 662–73.

2. Weiss KH, Gotthardt D, Schmidt J, et al.:

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3. Devictor D, Tissieres P, Afanetti M, et al.:

Acute liver failure in children. Clinics and Research in Hepatology and Gastroentero- logy 2011; 35: 430–7.

4. Burra P, Germani G, Adam R, et al.: Liver transplantation for HBV-related cirrhosis in Europe: a ELTR study on evolution and outcomes. J Hepatol 2012; pii:

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10.1016/j.jhep.2012.10.016. [Epub ahead of print].

5. Bachir NM, Larson AM: Adult liver trans- plantation in the United States. Am J Med Sci 2012; 343(6): 462–9. doi:

10.1097/MAJ.0b013e3182308b66 6. Cucchetti A, Cescon M, Bigonzi E, et al.:

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7. Washburn K, Halff G: Hepatocellular carci- noma and liver transplantation. Current opinion in organ transplantation 2011; 16:

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8. Strassburg CP, Manns MP: Liver trans- plantation: indications and results. Der In- ternist 2009; 50: 550–60.

9. Czaja AJ: Acute and Acute Severe (Fulmi- nant) Autoimmune Hepatitis. Digestive diseases and sciences 2012; doi:

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18. Schouten JN, Francque S, Van Vlierberghe H, et al.: The influence of

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10.1111/j.1399–0012.2011.01538.x.

Epub 2011 Oct 27.

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