• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Ein Konzept für die dritte Stufe der Strukturreform: Hartmannbund plädiert für Splitting des Leistungssystems" (22.10.1993)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Ein Konzept für die dritte Stufe der Strukturreform: Hartmannbund plädiert für Splitting des Leistungssystems" (22.10.1993)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

POLITIK TAGUNGSBERICHT

Ein Konzept für die dritte Stufe der Strukturreform

Hartmannbund plädiert

für Splitting des Leistungssystems

In einer aktuellen gesundheits- und verbandspolitischen Standort- bestimmung hat sich der Hartmannbund (Verband der Ärzte Deutschlands e. V.) anläßlich seiner Hauptversammlung am 9. Ok- tober in Baden-Baden für eine durchgreifende Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und eine Durchforstung des Leistungskatalogs der Krankenkassen ausgesprochen. Zugleich hat der 44 000 Mitglieder zählende Ärzteverband angekündigt, sich bereits im Vorfeld der von Bundesgesundheitsminister Horst See- hofer angekündigten dritten Stufe zur Strukturreform im Gesund-

heitswesen aktiv mit Reformvorstellungen beteiligen zu wollen. Ei- ne „oftmals fundamentalistisch anmutende Opposition gegenüber der Regierungspolitik" müsse aufgegeben werden. Gleichwohl wer- de der Hartmannbund keinen „Schmuse-Kurs" einschlagen, son- dern vielmehr gegen Fehlentwicklungen und das Arzt-Patienten- Vertrauensverhältnis störende staatliche Interventionen ankämpfen.

Dies kündigte der mit großer Mehrheit (mit 63 von 92 stimmbe- rechtigten Delegierten) wiedergewählte HB-Vorsitzende Dr. med.

Hans-Jürgen Thomas, praktischer Arzt aus Erwitte, an.

D

er Hartmannbund will als Ideenspender bei der Suche nach Reformalternativen vornweg marschieren — frei- lich nicht als Einzelgänger, sondern auf einen breiten Konsens innerhalb des ärztlichen Lagers hoffend.

Drei Essentials knüpft der Hart- mannbund an die jetzt zu unterneh- menden Reformschritte: Im Zuge der von Seehofer angekündigten Re- form 1995 müsse der überbordende, Patient wie Arzt gängelnde Bürokra- tismus beseitigt werden. Grundlegen- de Reformen im Gesundheitswesen müßten den medizinischen Fort- schritt rasch und gleichmäßig im am- bulanten wie stationären Sektor rea- lisieren. Das System der gesundheit- lichen Sicherung müsse flexibler ge- staltet und für zukunftsträchtige Re- form-Initiativen geöffnet werden. So plädiert der HB für Kooperations- und Organisationsformen, die die heute noch dominierende Soloarzt- Praxis zugunsten von Formen der ge- meinsamen Berufsausübung und fachverbindenden Existenzen weitge- hend ablösen. Der HB ist allerdings nur dann zur Kooperation mit der Politik bereit, wenn die finanziellen und existentiellen Rahmenbedingun- gen so korrigiert werden, daß eine qualitativ hochstehende medizinische Versorgung auch im nächsten Jahr- hundert gewährleistet werden kann.

Stärkung der Eigenverantwortung,

Neubestimmung der Inhalte von Sub- sidiarität und Solidarität müßten die Gestaltungsprinzipien für die nächste Reformetappe prägen.

Die Flickschusterei und die in- terventionistischen, vordergründig fiskalpolitisch begründeten Global- budgetierungen und Kostendämp- fungs-Orgien müßten in der dritten Reformstufe völlig tabu sein.

Aktuelle Statements und Ab- sichtserklärungen prominenter Ge- sundheitspolitiker der Bonner Regie- rungskoalition wertet der Hartmann- bund als „vorsichtige Signale", die ei- ne Lockerung der Budgetierungsvor- schriften zumindest im Bereich der hausärztlichen Versorgung erkennen lassen. Der Bundesgesundheitsmini- ster werde sich allerdings nicht an seinen Sonntagsreden, sondern viel- mehr an seinen Taten bei der näch- sten Reformstufe messen lassen müs- sen. Der Hartmannbund glaubt aus Andeutungen seitens des Ministeri- ums eine zaghafte Wende in der offi- ziellen Gesundheitspolitik erkennen zu können, zumal die Steuerungsin- strumente einem anderen Instru- mentenkasten als der bisherigen Marke Blüm/Seehofer/Dreßler ent- nommen werden sollen. Der HB baut auf das Versprechen, den Leistungs- katalog der gesetzlichen Krankenver- sicherung gründlich zu überprüfen und steuerungswirksame, sozial ver- trägliche Selbstbeteiligungselemente

einzubauen. Der Wettbewerb der Krankenkassen dürfe sich nicht wie bisher auf einen reinen Leistungser- weiterungs- und Imageverbesse- rungs-Wettbewerb reduzieren, son- dern vielmehr müßte die ganze Lei- stungs- und Finanzierungsseite (ein- schließlich des Angebots von Zusatz- und Wahltarifen) auf den Reform- prüfstand gehoben werden. Es müß- ten wirksame Prinzipien installiert werden, um sowohl bei den Lei- stungsträgern als auch bei den Lei- stungsempfängern in allen Soziallei- stungssystemen Mißbrauch und Ver- schwendung zu vermeiden und mehr Effizienz und Effektivität sowie mehr Wirtschaftlichkeit zu erzielen. Mehr Selbstverantwortung durch Selbstbe- teiligung bedeuteten nicht nur für den Beitragszahler und Patienten mehr Opfer, auch für die gesamte Ärzteschaft könnte ein Systemwan- del „schmerzlich" sein. Es gehe also dem Hartmannbund nicht um eine viel behauptete Schonung des eige- nen Portemonnaies.

Der Leitantrag postuliert eine grundlegende Finanzreform der ge- setzlichen Krankenversicherung. Da- nach sollen künftig sämtliche Ein- kommensarten als Bemessungsbasis zur Berechnung der Beiträge heran- gezogen werden, und zwar bis zur geltenden Beitragsbemessungsgren- ze. Allerdings sollten die Einkom- men, die nicht aus einer unselbstän- Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 42, 22. Oktober 1993 (23) A1-2751

(2)

POLITIK

digen Tätigkeit zur Bemessung her- angezogen werden, nur mit dem hal- ben Beitragssatz belastet werden. Es soll also ein „selbst finanzierter Ar- beitgeberanteil" entfallen.

Finanzreform der Krankenversicherung

Der HB schlägt vor, daß freiwil- lig weiterversicherte Mitglieder der Krankenkassen für jedes mitversi- cherte Familienmitglied einen Bei- trag in Höhe eines festen Prozentsat- zes des eigenen Beitrages zahlen.

Diese Beitragspflicht soll beginnen, wenn das Monatseinkommen des Versicherten die Beitragsbemes- sungsgrenze in der Krankenversiche- rung um 25 Prozent übersteigt. Alter- nativ wird vorgeschlagen, den Bei- tragssatz für mitversicherte Familien- mitglieder nach der Höhe der Mo- natseinkommen der Versicherten zu staffeln. Der Beitrag sollte für alle mitversicherten Familienmitglieder mindestens 50 Prozent des vom Mit- glied der Krankenversicherung be- zahlten Beitrages nicht übersteigen.

Künftig soll die gesetzliche Krankenversicherung nur noch ge- setzlich festgelegte Regelleistungen nach dem Sachleistungsprinzip ge- währen. Sämtliche Wahlleistungen sollten dagegen darauf aufbauend in- dividuell wählbar und über Zusatz- versicherungen abgesichert werden, soweit der Versicherte nicht ent- scheidet, Wahlleistungen in anderer Form zu bezahlen.

Die Zusatzversicherungen sollen die Prämien leistungsbezogen be- rechnen, und zwar nach dem vom Versicherten gewünschten Versiche- rungsumfang. Die Prämien zur Zu- satzversicherung könnten von den zusätzlichen Beiträgen zur GKV ab- gezogen werden, die aus der Erweite- rung der Bemessungsbasis der „son- stigen Einkommen" resultieren.

Im Bereich der Arzneimittel soll generell zwischen Regel- und Wahl- leistungen unterschieden werden, nicht hingegen im Bereich der ambu- lanten ärztlichen Versorgung, da dies aus medizinischen Gründen dort nicht möglich und nicht sinnvoll sei.

Zudem sei das Abgrenzungsproblem kaum operational lösbar.

TAGUNGSBERICHT

Zu den Regelleistungen sollen sämtliche Arzneimittel zählen, die auf der Positivliste nach § 92 a SGB V aufgelistet sind, wenn die Positivli- ste auch Arzneimittel der besonde- ren Therapierichtungen berücksichti- ge (also homöopathische, anthropo- sophische und phytotherapeutische Arzneimittel). Sämtliche Arzneimit- tel außerhalb der Positivliste sollen unter die Wahlleistungen fallen.

Für sämtliche Arzneimittel aus den Regel- und Wahlleistungsberei- chen soll eine durchgängige prozen- tuale Selbstbeteiligung der Versi- cherten vorgeschrieben werden.

Auch für Hilfsmittel wird eine Positivliste vorgeschlagen. In diese Liste fallen Regelleistungen, wohin- gegen in der Positivliste nicht erfaßte Hilfsmittel zum Wahlleistungssektor gerechnet werden sollen. Diese sind gegebenenfalls über eine Zusatzver- sicherung zu finanzieren. Für Hilfs- mittel als Regelleistungen sollten Festbeträge festgelegt werden. Eine prozentuale, sozial verträgliche Selbstbeteiligung soll für alle Hilfs- mittel vorgesehen werden.

Heilmittel sollten jedoch ohne jede Begrenzung und ohne jede Bud- getierung als Regelleistungen gewer- tet werden. Als Direktbeteiligung wird eine Quote von 10 Prozent vor- geschlagen. Zu beachten sei, daß Heilmittel auch bei Anschlußheilver- fahren von Rehabilitanden sowie von geriatrisch und chronisch Kranken verordnet werden dürfen. In der Krankenhausversorgung sollen alle ärztlichen Leistungen als Regellei- stungen eingestuft werden. Die chef- ärztliche Behandlung könne als Wahlleistung über eine Zusatzversi- cherung abgedeckt werden. Be- stimmte oder noch zu bestimmende nicht-medizinische Versorgungslei- stungen sollen als Wahlleistungen definiert und ebenfalls durch Zusatz- versicherungen abgedeckt werden.

Im Bereich der ärztlichen Lei- stungen, die generell als Regellei- stungen zu definieren sind, sollte ei- ne Direktbeteiligung auf der Basis ei- nes festen Punktwertes vorgesehen werden. Dieser soll zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen vereinbart und jährlich neu festgelegt werden. Die Höhe der Direktbeteiligung soll sich

nach der Leistungsfähigkeit der Krankenkasse richten, also nach dem Anteil, mit dem sie den festen Punkt- wert finanzieren kann. Die Differenz zwischen der Krankenkassenleistung und dem Punktwert soll der Patient als eine Art „floatende Quote" der Selbstbeteiligung bezahlen, gegebe- nenfalls durch eine Zusatzversiche- rung abdecken.

Reform des EBM

Für die ärztlichen Fachgebiete sollen vereinfachte und leichter als bisher anwendbare Gebührenord- nungen erarbeitet werden. Diese sol- len weniger Leistungspositionen als bisher enthalten. Abrechnungsaus- schlüsse sollen weitgehend entfallen.

Der HB bezeichnete sich als unnach- giebiger Verteidiger der Einzellei- stungsvergütung. Bei der jetzt anste- henden Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) dürfte nicht der zweite „Sündenfall" nach der Pauschalierung im Laborkapitel erfolgen.

Der Gesetzgeber habe zwar vor- geschrieben, in gewissen Bereichen Leistungskomplexhonorare zu schaf- fen. Dies müßten jedoch so gestaltet werden, daß sie nicht einer Pauscha-

le gleichkämen. Bestritten wurde die vom Vorsitzenden der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung (KBV), Dr.

med. Winfried Schorre, in Baden-Ba- den geäußerte Zusicherung, daß die jetzt unternommenen Reformschrit-

te nur in der Phase der Budgetdecke- lung (bis Ende 1995) wirksam sein sollen. Der Hartmannbund hingegen prognostiziert, daß einmal eingeführ- te Honorarpauschalen auch über das Ende der Budgetdeckelung hinaus Bestand hätten.

Im Bereich der Krankenhausver- sorgung sollen sämtliche Kranken- hausträger, staatliche/kommunale, gemeinnützige und private Kranken- hausträger, bei der Investititionsför- derung gleich behandelt werden.

Künftig sollen die Investitionskosten in einem angemessenen Verhältnis staatlicher und eigener Mittel stehen, ohne daß Wettbewerbsverzerrungen durch Subventionen insbesondere zugunsten kommunaler Träger ent- stehen. Dr. Harald Clade A1-2752 (24) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 42, 22. Oktober 1993

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

> Statt die Versicherungspflicht zu erweitern und den Personen- kreis auf die Gesamtbevölkerung auszudehnen (heute sind bereits mehr als 94 Prozent der Bevölke- rung in

Manches gibt es auch auf dem freien Markt, aber ich kann sagen, dass wir im Laufe der Zeit immer mehr zu einer auf die Apotheke fokussierten Marke geworden sind.. Das soll auch so

Kammerversammlung einstimmig die „Ordnung der Sächsischen Lan- desärztekammer für die Fortbildung und Prüfung zum Fachwirt/zur Fach- wirtin für ambulante medizinische

Kammerversammlung einstimmig die „Ordnung der Sächsischen Lan- desärztekammer für die Fortbildung und Prüfung zum Fachwirt/zur Fach- wirtin für ambulante medizinische

Zudem wird das GS- Zeichen nach dem Gerätesicherheits- gesetz aufgebracht, das nicht mehr für medizinisch-technische Produkte mit einer CE-Kennzeichnung nach dem

—Die zeitliche Befristung (bis Ende 1995) der globalen und sekto- ralen Budgetierung soll strikt einge- halten werden (darauf drängte ins- besondere die FDP; auch gibt es

Wie viel erhalten die regionalen Spitalzentren, das Inselspital und die Privatspitäler durchschnittlich pro Fall im stationären Bereich, allgemeine Abteilung,

baren Probleme, zeigte sich Hess grundsätzlich aber erleichtert, dass der G-BA auch nach der Verabschiedung der Gesundheitsreform entge- gen der ursprünglichen Pläne des Gesetzgebers