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Archiv "Personalisierte Medizin: Erst am Anfang des Weges" (22.06.2012)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 25

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22. Juni 2012 A 1305 PERSONALISIERTE MEDIZIN

Erst am Anfang des Weges

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ortschritt, Zukunft und eine bessere und effizientere Ge- sundheitsversorgung – für all dies stehen die Begriffe personalisierte oder individualisierte Medizin. In der Tat kann die auf der Basis von Biomarkern stratifizierende Medi- zin auch bereits einige Erfolge vor- weisen, die die Hoffnung auf eine Revolution in der Medizin nähren, vor allem in der Onkologie. Den- noch steht man erst am Anfang eines langen Weges. Dies wurde bei der Jahrestagung des Deutschen Ethikrates Ende Mai in Berlin deutlich.

Zwar ist es im Rahmen einer individualisierten Medizin bereits möglich, die molekularen Beson- derheiten, deretwegen Menschen verschiedene Krankheitsverläufe zeigen und unterschiedlich auf Me- dikamente reagieren, besser zu er- fassen, die Therapie zu optimieren und die Prognose der Erkrankung zu verbessern. Parallel zu diesen Fortschritten und geweckten Hoff- nungen hat jedoch eine kritische Auseinandersetzung eingesetzt – sowohl mit den Begriffen „persona- lisierte“, „individualisierte“ und

„stratifizierte“ Medizin, die zum Teil synonym, aber auch abgestuft eingesetzt werden, als auch mit dem Potenzial dieser Entwicklun- gen. Können sich Patienten und Ge- sundheitssystem in naher Zukunft tatsächlich auf eine maßgeschnei- derte Medizin freuen, die mit dia - gnostischen Tests für jeden die in - dividuell beste Therapie ermittelt?

Diese Frage stellen sich Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte, und ihr ging schwerpunktmäßig auch der Deutsche Ethikrat nach.

Die neu gewählte Vorsitzende des Ethikrates, Prof. Dr. med.

Christiane Woopen, brachte die eng miteinander verflochtenen Hoff- nungen und Befürchtungen zu Be- ginn der Veranstaltung auf den Punkt: „Werden Patienten auf dem Prunkwagen der personalisierten Medizin in das Paradies medizini- schen Fortschritts gefahren oder werden sie vor den Karren der mo- lekularbiologischen Forschung und der Pharmaindustrie gespannt?“

Anliegen des Ethikrates sei es, das Wohl des Patienten in den Vorder- grund zu stellen.

Fortschritte werden vor allem in der Onkologie erwartet

Hört oder liest man Francis S. Col- lins, den langjährigen Leiter des internationalen Humangenompro- jekts und Autor des Buches „Meine Gene – mein Leben“ (DÄ, Heft 42/2011), so steht der Nutzen der personalisierten Medizin für den Patienten außer Frage. Er sieht die Medizin in der Tat am Beginn einer revolutionären Phase.

Wie Collins setzt auch der Onko- loge Prof. Dr. med. Jürgen Wolf vom Zentrum für Integrierte Onkologie an der Universitätsklinik Köln auf die personalisierte Medizin: „Sub- stanzielle Fortschritte in der Onkolo- gie sind nur von einer personalisier- ten Therapie zu erwarten“, betonte

er. Gleichzeitig plädierte Wolf für ein strikt biologisches Verständnis des Begriffs personalisierte Medizin.

Eine enge Interaktion zwischen Grundlagenforschern und Klinikern sei unabdingbar. Um die personali- sierte Therapie in der breiten Versor- gung zu etablieren, hält er den Auf- bau von Netzwerken zwischen on- kologischen Spitzenzentren, die so- wohl die neueste Genomanalytik als auch die Infrastruktur für die Durch- führung klinischer Studien vorhal- ten, sowie nichtakademischen Kran- kenhäusern und Praxen für dringend erforderlich.

Auch nach Ansicht des Pharma- kologen Prof. Dr. rer. nat. Heyo K.

Kroemer von der Universität Greifs - wald müssen erst einige Grundvor - aussetzungen geschaffen werden, um die personalisierte Medizin zu nut- zen. „Wir verstehen noch zu wenig von den Daten, die wir bereits in der Hand haben“, sagte er. Eine moleku- largenetische Betrachtung reiche nicht aus, sondern müsse mit ande- ren klinischen Daten verbunden wer - den, für die aber die Referenzwerte teilweise noch fehlten. „Mo men tan schaffen wir nur die Voraussetzun- gen, um die künftigen Möglichkei- ten der individualisierten Medizin zu überprüfen“, erklärte Kroemer.

Grundsätzlich hält der Wissen- schaftliche Vorstand der Universi - tät Greifswald und Koordinator des Forschungsverbunds Greifswald Approach to Individualized Medi- cine – GANI_MED jedoch allein aufgrund der Veränderungen der Die individualisierte

Medizin ist mit großen Hoffnungen verbunden.

Zunächst müssten jedoch die Risiken diskutiert werden, meint der Deutsche Ethikrat.

Foto: SPL/Agentur Focus

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22. Juni 2012

PRÄNATALDIAGNOSTIK

Paradigmenwechsel

Der Test auf Trisomie 21 aus dem Blut der Schwangeren

„Praenatest“ soll ab Sommer in Deutschland verfügbar sein. Ein Paradigmenwechsel, meinen die Autoren.

D

er Bluttest der Firma Life - codexx in Konstanz auf Trisomie 21 könnte in mehrerlei Hinsicht einen Paradigmenwechsel in der Pränataldiagnostik einläu- ten. Erstmals können dann nämlich ohne eingriffsbedingtes Kompli - kationsrisiko für die Schwangere oder den Fetus ein definitiver genetischer Befund erhoben und gegebenenfalls die Entscheidung über einen Schwangerschaftsab- bruch getroffen werden.

Rein technisch ist die nicht - invasive Pränataldiagnostik (NIPD) an aus mütterlichem Blut gewon- nener fetaler DNA eine relevante Innovation. Sie verbindet die Vor- teile zweier – ungeachtet aller verbreiteten ethischen Bedenken – legaler und gesellschaftlich ak - zeptierter ärztlicher Maßnahmen, nämlich die des bisherigen Erst - trimesterscreenings (ETS) und der Amniozentese. Die NIPD zeichnet sich durch Nichtinvasivität bei gleichzeitiger Verlässlichkeit des Ergebnisses aus – sofern die An- wendung hält, was die klinischen Studien versprechen.

Vor diesem Hintergrund erscheint auch die öffentliche Kritik an der fi- nanziellen Unterstützung der NIPD- bezogenen Methodenentwicklung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) als nicht angemessen: Es ist nun einmal dessen Aufgabe, die Entwicklung in- novativer Technologien zu fördern.

Durch entsprechende Förderpro- gramme stellt das BMBF kontinuier- lich die begleitende ethische und rechtliche Reflexion sicher. Darüber hinaus kann die der NIPD zugrunde- liegende Technologie auch bei ande- ren medizinischen Fragestellungen einsetzbar werden, etwa für die De- tektion aneuploider Zellklone im Blut von Leukämiepatienten.

Andererseits wird durch den Wegfall des eingriffsbedingten Komplikationsrisikos die bislang für die Indikationsstellung zur in - vasiven pränatalen Chromosomen - diagnostik gängige, in sich selbst allerdings offenkundig inkonsisten- te Abwägung zwischen der statis - tischen altersabhängigen Wahr- scheinlichkeit einer fetalen Chro- mosomenfehlverteilung und der

Foto: dapd

Bevölkerungsstruktur in den nächs- ten Jahren einen grundlegenden Wandel im Gesundheitssystem für unumgänglich. Die Effektivität der Therapie müsse bei gleichzeitiger Kostenreduzierung gesteigert wer- den. Dafür sei eine individuell zu- geschnittene Medizin neben der Prävention ein möglicher Ansatz.

Gegen einen vorschnellen Einsatz individueller diagnostischer Tests und Therapien sprach sich auch der Sozialmediziner Prof. Dr. Dr. med.

Heiner Raspe von der Universität zu Lübeck aus. Die Aussicht auf Profit führe einerseits zu überzogenen Versprechungen der Anbieter von in- dividuellen Gesundheitsleistungen und andererseits zu einer gleichzeiti- gen Entwertung des Angebots der gesetzlichen Krankenkassen mit dem Vorwurf, sie würden dem anti- quierten Modell „one size fits all“

folgen. Eine Finanzierung der häufig teuren Maßnahmen durch die Kas- sen bringe Probleme für die Soli - dargemeinschaft mit sich, betonte Raspe. Es fehlten dann nicht nur Ressourcen in anderen Bereichen, sondern auch die Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit von Krank- heiten würden überschätzt.

„Ein Schritt auf dem Weg zur effektiveren Therapie“

Aus Sicht der Industrie ist die Ent- wicklung von Arzneimitteln für klei- nere Patientengruppen dann sinn- voll, wenn der klinische Nutzen durch den individuellen Zuschnitt der Therapie noch so groß ist, dass er auch den Einsatz bei einer kleinen Gruppe rechtfertigt. „Die personali- sierte Medizin ist eine Weiterent- wicklung auf dem Weg zur effekti- veren Therapie“, erklärte Dr. Hagen Pfundner von der Pharmafirma Ro- che. Höhere Kosten bei der For- schung ließen sich im Idealfall durch die Vermeidung von Fehlbehandlun- gen und eine gesteigerte Versor- gungsqualität ausgleichen, Prof. Dr.

med. Jürgen Windeler vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen forderte, in je- dem Fall die etablierten Methoden der evidenzbasierten Medizin bei der Evaluierung der neuen Ansätze

einzusetzen.

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

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