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Archiv "DÄ-Wortwechsel: Arbeitsmedizinische Sicht" (21.09.2007)

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A2572 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 38⏐⏐21. September 2007

B R I E F E

DÄ-WORTWECHSEL

90 Prozent der Me- dizinstudenten wol- len kurativ tätig wer- den (DÄ 26/2007: „2.

Ärzteblatt-Wort- wechsel: Junge Ärz- te wollen planen können“ von Dr. med. Birgit Hibbeler).

Irrsinniges Szenario

Was für ein irrsinniges Szenario! Wir können hier noch Kollegen in Praxen mit Stundensätzen abspeisen, die deutlich unter denen eines Elektri- kergesellen liegen. Die Kliniken ha- ben immer noch die Möglichkeit, den Assistenten kurz befristete Ar- beitsverträge zu geben und sie teil- weise auch miserabel zu behandeln – alles Umstände, die nicht gerade auf Mangel hinweisen . . . Die Delegier- ten auf Ärztetagen oder ähnlichen Veranstaltungen sollten aufhören, ih- re großartigen Ideen zu loben, die uns in den letzten 20 Jahren nichts gebracht haben. Sie sollten sich lie- ber ansehen, was an der Basis wirk- lich los ist, und nach Wegen suchen, wie man die Situation ändern kann.

Bei nüchterner Einschätzung der ärztlichen Handlungsmöglichkeiten werden sie schnell zu dem Ergebnis kommen, dass nur eine Reduktion des ärztlichen Angebots mittel- und langfristig wertstabilisierend ist . . .

Dr. med. Volker Burgdorf,Elberfelder Straße 20, 58095 Hagen

Arbeitsmedizinische Sicht

Als wesentlicher Faktor für den jetzi- gen Nachwuchsmangel wird in Ihrem

„2. Ärzteblatt-Wortwechsel“ eine problematische Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben herausgearbei- tet. Aus Sicht arbeitsmedizinischer Einrichtungen kann es sich hierbei nur um einen äußerst begrenzt wirk- samen Faktor handeln, denn auch wir Betriebsärzte haben einen eklatanten Nachwuchsmangel und können häu- fig Stellen erst nach langer Zeit und nicht immer mit der gewünschten Qualifikation besetzen. Dagegen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wohl nirgends so optimal gesi- chert wie in einer betriebsärztlichen Tätigkeit. Bereitschaftsdienste und

Nachtdienste fehlen in aller Regel völlig, das Maß der Überstunden hält sich stark in Grenzen und wird, wenn überhaupt, auch vergütet. Gerade in überbetrieblichen Betriebsarztzentren können sich Ärzte fast baukastenartig Teilzeittätigkeiten der unterschied- lichsten Ausprägung zusammenstel- len. Wenn also trotzdem auch in der Arbeitsmedizin die Zahl der Bewer- bungen um eine ausgeschriebene Stelle von Jahr zu Jahr beständig sinkt, sollte man nicht wie das Kanin- chen auf die Schlange immer nur auf

„Familie und Beruf“ starren, sondern den Blick weiter öffnen für bisher eventuell noch nicht diskutierte Fra- gen, z. B. Image und Wertschätzung des Arztes in Deutschland, aber auch Anspruchshaltungen, z. B. in wirt- schaftlicher Hinsicht . . .

Dr. Mathias Dietrich,

Arbeitsmedizinischer Dienst Oldenburg e.V., Wilhelmshavener Heerstraße 79, 26125 Oldenburg

Vor dem beruflichen Aus

Ich habe den Eindruck gewonnen, dass der Ärztemangel in Deutschland immer noch nicht ausgeprägt genug ist. Man kann es sich an Unikliniken wie in Tübingen durchaus noch leis- ten, ärztlichem Nachwuchs die Wei- terbildung zur Allgemeinmedizinerin schlichtweg unmöglich zu machen mit Argumenten, kein Geld für Wei- terbildungsstellen etc. Nach sieben Jahren Studium in Tübingen und nach dreieinhalb Jahren der Weiter- bildung in der Chirurgie und Allge- meinmedizin (mal abgesehen vom kostengünstig absolvierten PJ und AiP), stehe ich vor dem beruflichen Aus. Seit Januar dieses Jahres gehöre ich zu den arbeitslosen Akademike- rinnen. Im gesamten Landkreis Tü- bingen hat sich in den vergangenen acht Monaten keine Weiterbildungs- stelle in der Inneren Medizin erge- ben. Diese Stelle ist jedoch laut

WBO obligatorisch und kann auch nicht in einer größeren internisti- schen Praxis abgeleistet werden. Ei- ne entsprechende Anfrage habe ich bei der zuständigen Landesärztekam- mer gemacht, jedoch sei man zu ei- ner Härtefallregelung nicht bereit, hieß es dort. Da ich fünf Kinder ha- be, wäre natürlich eine Teilzeitstelle von Vorteil (man redet ja hier und da von flexiblen Arbeitszeitmodellen), aber auf die kann ich wohl warten, bis ich alt und grau bin . . . Da wir erst vor sechs Monaten umgezogen sind, bin ich nicht bereit, nochmals umzuziehen, eventuell in ein anderes Bundesland, um dort meine Weiter- bildung zu Ende führen zu können.

Eingeschränkte Mobilität, also noch so ein erschwerender Faktor . . . An Wunder glaube ich nicht mehr. Ins Ausland abwandern mit fünf Schul- kindern ist nicht wirklich lustig, vor allem, wenn überhaupt kein finanzi- elles Polster vorhanden ist. Nur nicht aufgeben, sage ich mir. Der lange Atem ist doch das, was einen Arzt unter anderem auszeichnet . . .

A. Sänger

Nachwuchsförderung nicht erkennbar

Die Frage, ob es gelingt, den ärztli- chen Nachwuchs im Land zu halten, entscheidet sich an grundsätzlichen Einstellungen, an der Frage nämlich, ob es der etablierten Ärzteschaft ein Herzensanliegen ist, den jungen Kol- legen eine echte Entwicklungschance zu geben. Hierzu möchte ich drei Beispiele nennen: Als die AiP-Phase eingeführt wurde, wurde sie von al- len maßgeblichen Ärzteverbänden (auch dem Marburger Bund) als Aus- bildungsverbesserung sehr begrüßt;

als dann keiner mehr Arzt werden wollte, wurde sie (zu Recht) im Ruck- Zuck-Verfahren abgeschafft und ent-

Briefe, die die Redaktion per E-Mail erreichen, werden aufmerksam gelesen. Sie kön- nen jedoch nur veröffentlicht werden, wenn sie ausdrücklich als „Leserbrief“ bezeich- net sind. Voraussetzung ist ferner die vollständige Anschrift des Verfassers (nicht nur die E-Mail-Adresse). Die Redaktion behält sich ohne weitere Mitteilung vor, E-Mail- Nachrichten, die als Leserbrief erscheinen sollen, zu kürzen.

E-MAIL

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 38⏐⏐21. September 2007 A2573

B R I E F E

puppte sich als ehemals befürwortete Möglichkeit, den Nachwuchs billig zu verschleißen. Ärztliche Arbeitsbe- dingungen sind über Jahre auch durch ärztliche Hierarchieentschei- dungen so miserabel geworden, dass Medizinstudenten nach den ersten zwei Praktika in deutschen Kranken- häusern schon mal wissen, was sie nicht mehr werden wollen. Auf dem letzten Deutschen Ärztetag wurde, da die derzeitige Weiterbildungsordnung nicht EU-fähig war, ein Internist er- funden, der sich nicht mehr niederlas- sen darf. Das sind alles Entscheidun- gen von Ärzten für Ärzte. Eine Nach- wuchsförderung als Motivation kann ich dabei nicht erkennen. – Wer so entscheidet, darf sich nicht nur nicht wundern, warum keiner mehr Arzt werden will, sondern der nimmt diese Entwicklung billigend in Kauf.

Jürgen Schichterich,In der Laag 34, 54570 Oberstadtfeld

Blick ins Ausland

„(Eine) Geschichte ist die Summe der Dinge, die uns nicht erzählt wurden“, könnte man in Anlehnung an Don DeLillo sagen. Man mache sich keine Illusionen über die Ausbildung im Ausland. Wie ungut muss es um die Weiterbildung hier bestellt sein, wenn man die ganz beträchtlichen Mühen mit fremder Bürokratie, einer oder mehreren neuen Sprachen auf sich nimmt. Ein neues soziales Um- feld muss man sich erst schaffen.

Auch in Irland oder Australien kann und muss man locker 80 bis 100 Wo- chenstunden arbeiten, nicht ausnahms-, sondern normalerweise. 72 Stunden Wochenenddienst sind die Regel. Auch dort muss man kämpfen um das, was man erreichen will, es herrscht großer Konkurrenzdruck. Man muss wissen, dass es z. B. im australasiatischen Raum eine klinikinterne Beurteilung gibt, die man nie zu sehen bekommt und die, bei Fehlverhalten, wie Wi- derspruch oder zu selbstständigem Arbeiten, wenn auch nur subjektiv durch den „consultant“ so empfunden, als tatsächliches Zeugnis eine Weiter- beschäftigung im englischsprachigen Raum zunichte machen kann . . . Sur- fen kann man vielleicht in den vier Wochen Jahresurlaub. „Partydoctors“

heißen dort unwissende europäische

Jungärzte, die auf Abenteuer aus sind. Tatsächlich herrscht ein eisernes Regime. Arbeiten und Maul halten, auf die feine englische Art jedoch.

Verglichen damit, arbeitet man in den nordischen Ländern immer mit einem ungläubigen Staunen, das sich auch so schnell nicht legen will. Familie hat absolute Priorität. Dennoch ver- dienen Ärztinnen immer noch bedeu- tend weniger als Ärzte, ein nach wie vor hochaktuelles politisches Thema.

Alles ist zwar gut organisiert, aber al- les kann auch sehr lange dauern, bis es umgesetzt wird. Wenn man als Pä- diater auf der Intensiv weiterarbeiten will, geht das nicht, weil die von Anästhesisten geleitet wird, Herzka- theter werden von Radiologen mono- polisiert etc. Zu viel Einsatz ist uner- wünscht, man sei schließlich nicht in Deutschland. Niedergelassene Fach- ärzte gibt es nicht. Wie klingen also die Weisen dieser internationalen Rattenfänger, denen wir folgen? Klar strukturierte Facharztausbildung mit Mentorenbetreuung, „handledare“

genannt in Schweden und wörtlich begriffen: an der Hand führen. Zwi- schenanalysen, um das Erreichen der Qualität und Ziele zu gewährleisten.

Ermöglichung vernünftiger Familien- planung mit selbstverständlicher Kin- derbetreuung ab sechs Monaten und Weiterbeschäftigung, Kindergeld, ob- ligatorischer Vaterschaftsurlaub von mindestens drei Monaten usw. Kate- gorisch bezahlte Dienste und Über- stunden, sodass man als Assistenzarzt in Irland zwar immense Arbeitszeiten hat, dafür am Ende des Monats 6 000 bis 7 000 Euro Nettogehalt, wissend, es handelt sich um die begrenzte Zeit

der Weiterbildung. (Bei solchen Gehältern muss man sich im Klaren sein, dass das Geld irgendwo fehlen muss.) 1 500 bis 3 000 Euro, die je- dem Assistenten jedes Jahr zustehen, um davon Kongresse, Fortbildungen, Kurse, Fachbücher oder einen neuen Laptop zu bezahlen. Flache Hierar- chien. (Respekt ist keine Frage der Hierarchie. Hierarchien dienen dazu, Machtpositionen zu festigen.) Kran- kenpflegepersonal, mit dem man auf egalitärer Basis arbeitet und das nach einer hervorragenden universitären Ausbildung eine vollkommen selbst- ständige Arbeitsgruppe darstellt . . . Mafiose Strukturen gibt es dort wie hier, O-Ton Melbourne, Universitäts- klinik: „You have to butter up to the ICU mafia if you are to survive.“

Verglichen mit anderen Ländern, ist unser Gesundheitssystem nicht so schlecht, jedoch klar reformbedürf- tig. Wir haben eine sehr gute Ausbil- dung, wenn wir sie denn bekommen.

Und es gibt sie, die großartigen klini- schen Lehrer. Hier. Wenn wir kompe- tente Fachärzte/innen wollen, müssen wir sie wirklich wollen und in diese Menschen investieren. Finanziell, mit glasklaren Strukturen, klaren Per- spektiven, flacher Hierarchie, Aner- kennung, Respekt und Begeisterung.

Von Anfang an. Es handelt sich um erwachsene Menschen, nicht um er- ziehungsbedürftige Kinder . . . PS:

Die bislang beststrukturierte und ef- fektivste Ausbildung habe ich in ei- nem kleinen zentralamerikanischen Land erhalten. „Ich erwarte, dass du mich übertriffst“ forderte damals meine Mentorin.

Anita Dumitrescu,Lehrter Straße 22, 10557 Berlin

Fotos:Georg J.Lopata

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