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Archiv "Prävention: Kritikwürdig" (07.09.2007)

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A2410 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 36⏐⏐7. September 2007

B R I E F E

belegt, das medizinkritische Men- schen gegen den Präventionswahn hegen. Heerscharen leidlich gesun- der Menschen werden zu Patienten gemacht und in ihrem Gesundheits- bewusstsein zutiefst verunsichert.

Dabei ist, wie wir wissen, die Angst vor Krankheit ein Risikofaktor für Krankheit, gut belegt bei Krebs, aber, im Sinn der „self fulfilling prophecy“ sicher auch bei vielen an- deren Erkrankungen. Was uns ge- sund erhält, unsere Lebenskraft, wird durch das Vertrauen auf Ge- sundheit und den eigenen Körper ge- stärkt und durch Verunsicherung ge- schwächt. Dennoch regen sich kaum Stimmen gegen die zunehmende Medikalisierung unserer Gesell- schaft, der kritische Journalismus ist schon lange verstummt. Die Medien veröffentlichen unkritisch, was die Agenturen der Lobbyisten zur Ver- fügung stellen, wie in diesem Som- mer am Beispiel der „FSME-Bedro- hung“. Geradezu militant tritt in Hessen das flächendeckende Mam- mografie-Screening auf; diejenigen, die sich dem Angebot entziehen, weil sie den Wert dieser Maßnahmen kritisch sehen, werden marginali- siert, demnächst wohl noch zur Kas- se gebeten. Eine Schwangerschaft bei all den Vorsorgen und Bedrohun- gen psychisch gesund durchzustehen und dann eine positive Beziehung zu dem neuen Wesen aufzubauen, ist heute fast zur Ausnahme

geworden . . . Die Ärzteschaft be- fleißigt sich natürlich, das Paradig- ma ihrer selbsternannten Deutungs- macht „Wer gesund ist, bestimmen wir“ zu fördern. Wie gut, dass sich dagegen manchmal leise Stimmchen erheben. Wie viel persönlicher, wichtiger und effektiver als die ge- ballte Macht einer gesichtslosen ap- parativen Präventionsmedizin wären gelegentliche Gespräche zur seeli- schen und körperlichen Befindlich- keit. Hier kann sich der Arzt nicht

hinter Labor- und Apparatemedizin verstecken und wird als Mensch ge- fordert.

Dr. Stephan Heinrich Nolte, Dr. Anne Sparenborg-Nolte,

Alter Kirchhainer Weg 5, 35039 Marburg/Lahn

Zum Melanom-Screening

. . . Ich möchte hier nur zum Mela- nom-Screening Stellung nehmen, weil ich mich als Hautarzt über die anderen Screeningverfahren nicht so klar äußern kann. Eigentlich ist in dem ersten Satz dieses Abschnitts schon alles deutlich klargemacht, es heißt dort, dass die Sterblichkeit am Melanom seit Jahrzehnten eher un- verändert ist, die Rate der Melanom- diagnosen allerdings deutlich ange- stiegen ist. Es wird dadurch deut- lich, dass immer mehr frühe Mela- nome entdeckt werden, die dann nicht zum Tod führen. Eine entspre- chende Darstellung findet man bei Prof. Klaus Gabe im Melanoma Re- search 2007, Heft 17. Es wird Be- zug genommen auf die schleswig- holsteinische Phase im Jahre 2001, wo es deutlich mehr Melanomfälle gab, als zu erwarten gewesen wären.

Auch dieser Sachverhalt hier spricht für sich und für eine positive Be- wertung einer Screeningmaßnah- me. Für mich vollkommen unver- ständlich ist das, was die Autoren dann damit als Überdiagnose mei- nen? Eine Überdiagnose hieße ja nur, dass ich irgendwas feststelle, was keinerlei Relevanz hat, aber die Diagnose Melanom hat sehr wohl eine Relevanz – wenn sie früh ge- nug gestellt wird, hat der Patient die große Chance, daran nicht zu ster- ben. Als Letztes ein Satz zu der Be- merkung, dass selbst bei histologi- schen Spezialisten die Diagnosestel- lung erschreckend schlecht sei: Es ist hier wahrscheinlich das Problem dargestellt, dass es hin und wieder Schwierigkeiten gibt, zwischen ei-

nem noch dysplastischen Naevus- zellnaevus zu unterscheiden oder schon einem Melanoma in situ. Es ist sicherlich nicht das Problem, dass ein Melanom nicht als Mela- nom erkannt wird. Abschließend kann ich nur feststellen, dass hier anhand einer schlechten Datenlage statistische Interpretationen gegeben werden, die keinesfalls haltbar sind.

Dr. rer. nat. Clemens Brilon,Große Rurstraße 40, 52428 Jülich

Kritikwürdig

Der Autorin ist uneingeschränkt in ihrer Forderung zuzustimmen, dass auch für Prävention und Früherken- nung die Evidenz zum möglichen Nutzen und Schaden umfassend, ob- jektiv und täuschungsfrei dargestellt werden muss. Jedoch bleiben zumin- dest drei Aspekte kritikwürdig:

ŒDie sich wie ein roter Faden durch den Text ziehende Überzeu- gung, dass allein oder vor allem RCTs geeignet seien, den Nutzen solcher Programme zu belegen.

Diese Vorstellung verkennt, dass RCTs auf Bevölkerungsebene häu- fig nicht praxisgerecht durchführ- bar sind, z. B. bei gemeindebezoge- nen Interventionsprogrammen, und RCTs mit mangelnder oder zumin- dest eingeschränkter externer Vali- dität zu kämpfen haben. Interessan- terweise verwendet die Autorin – wenn es ihr um den mangelnden Nutzen oder potenziellen Schaden geht – durchaus Non-RCT-Ergeb- nisse und daraus abgeleitete Konse- quenzen.

Das Fehlen einer abgewogenen Berücksichtigung der Invasivität von Präventionsprogrammen. Auf- klärungsprogramme über gesunde Ernährung, z. B. die Empfehlung zu gemüse- und obstreicher Kost, wird unter der Überschrift „Ist gesunde Ernährung gesund?“ in einem Atem- zug mit Vitaminsupplementierung und Weinkonsum genannt. Es liegt genügend epidemiologische Evidenz vor, dass eine gemüse- und obst- reiche Ernährung gesundheitlich po- sitive Effekte aufweist. Studien, die einen Schaden belegen, sind dagegen mir zumindest nicht bekannt . . .

ŽDie fehlende Thematisierung des Unterschieds zwischen kurativer und Die Redaktion veröffentlicht keine ihr anonym zugehenden Zuschriften, auch keine Briefe

mit fingierten Adressen. Alle Leserbriefe werden vielmehr mit vollem Namen und voller Anschrift gebracht. Nur in besonderen Fällen können Briefe ohne Namensnennung publi- ziert werden – aber nur dann, wenn der Redaktion bekannt ist, wer geschrieben hat.

ANONYM

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A2411

B R I E F E

bevölkerungsbezogener präventiver Medizin, sei es in Therapie oder Dia- gnostik, Nutzen und Schaden, num- ber needed to treat, number needed to harm, betreffen in der kurativen Medizin Kranke, also Patienten, die Hilfe brauchen. Die bevölkerungsbe- zogene Prävention und die Früher- kennung wenden sich im Allgemei- nen an (noch) Gesunde. Die damit zusammenhängenden ethischen Fra- gen, z. B. „Wie viel Schaden darf ei- nem Teil der Bevölkerung zugefügt werden, damit die Gesamtbevölke- rung einen positiven Nutzen bzw. ei- ne positive Nutzen-Kosten-Relation aufweist?“, werden leider gar nicht thematisiert. So unterbleibt leider auch der Aufbau des Spannungsbo- gens zwischen individualisierter und bevölkerungsbezogener Strategie.

Dennoch müssen die vorgelegten Beispiele – unbeschadet ihrer kriti- schen Diskussion – als Anregung für die weitere Diskussion im Gesund- heitswesen zum Stellenwert von Prävention und Früherkennung be- trachtet werden.

Prof. Dr. K.-H. Jöckel,

Direktor des Instituts für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Hufelandstraße 55, 45122 Essen

Aus wissenschaftlicher Sicht

. . . Aus wissenschaftlicher Sicht hat Frau Mühlhauser teilweise recht: Ei- nige Ansätze der Prävention haben der wissenschaftlichen Aufarbeitung nicht standgehalten. Andererseits kann der Arzt nur auf dem jeweili- gen Stand des Wissens agieren, wie er z. B. in den Leitlinien der Fachge- sellschaften zu finden ist. Meine Arbeitsgruppe „Präventive Kardio- logie“ hat zu zahlreichen Themen der kardiovaskulären Prävention wissenschaftliche Arbeiten publi- ziert, die dazu beigetragen haben, mit lieb gewordenen Traditionen aufzuräumen (z. B. Hormoner- satztherapie zur kardiovaskulären Prävention), oder neue präventive Strategien zu entwickeln (derzeit den Omega-3-Index als beeinflussbaren Risikofaktor für den plötzlichen Herztod). Wissenschaftliche Arbeit dient dazu, dem Arzt wirksame Stra- tegien an die Hand zu geben. Wie Prof. Willich feststellt, ist es aber in

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