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Archiv "Überforderung durch die Schule?: Jeder Satz disqualifiziert" (23.10.1980)

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Aufsätze • Notizen Schulprobleme

Grass, Mengenlehre, lange Haare (die nachweislich nichts mit Verlau- sung zu tun haben, was zumindest ein Arzt wissen müßte!), Ossietzky, Sexualkunde, Arbeiterurlaub (wieso nur Arbeiter?) und Lehrer (ausge- nommen natürlich die „bis zur 2.

Nachkriegszeit"!), der disqualifiziert sich selbst als Diskussionspartner und auch -gegner. Herr Güttich hät- te besser seinen Titel auch „ver- heimlicht", denn er hat mit diesem Artikel das Ansehen der Akademiker im allgemeinen und das der Ärzte im besonderen geschädigt.

Dr. L. Leo-Roßberg Wunsiedeler Weg 116 1000 Berlin 46

Jeder Satz disqualifiziert

Ich finde es unverständlich und als Pflichtmitglied empörend, daß im of- fiziellen Organ der deutschen Ärzte- schaft ein Aufsatz wie der von Güt- tich abgedruckt und ihm gestattet wird, über drei volle Seiten „Amok"

zu laufen: Jeder Satz dieses Artikels disqualifiziert Güttich als einen Schreiber, der blind und ohne Ge- fühl mit bürgerlichem Kulturgut ar- gumentiert. Hätte er damals in der Schule aufgepaßt, dann wüßte er, daß die „hervorragenden Köpfe Goethe, Schiller, Kleist, Stein et al"

selten staats- oder obrigkeitskon- form waren. Aber für Herrn Güttich bleibt da nur Bedauern, denn er steht wohl am Ende des kontinuierli- chen Wissensgefälles der eigenen Familien und hat diesen Aufsatz zu- dem noch nach seiner Hochform elaboriert. Unverständlich ist Güt- tichs Angst vor dem Sozialismus. Als bayrischer Staatsbürger unter den Fittichen eines Ministerpräsidenten wie Dr. h. c. F. J. Strauß ist er doch vor „sozialistischen" Übergriffen ge- feit. Herr Güttich hätte seinen Artikel besser der Zeitung zum Abdruck an- geboten, aus der er seine politi- sche Information und Meinung be- zieht ...

Walter Müller

Facharzt für Kinderheilkunde Regerstraße 12

4800 Bielefeld 1

Faschistoid?

Ich bin weder Mitglied der „Neuen Klasse" Millionen schaufelnder Funktionäre noch der Generation der 25- bis 40jährigen, die in der Hochform ihrer schöpferischen Lei- stungsfähigkeit leben (trau keinem über 40). Zudem bin ich eine zwar

„entsprechend gebildete", doch kei- neswegs eine „vernünftige" Mutter, die sich als ausschließliches Eigen- tum ihres Kindes betrachtet, da ich teilweise berufstätig sein muß und es gerne bin, trotzdem aber nicht auf meine wohlverdienten 28 Tage Ur- laub verzichte. (Warum schreibt der Autor eigentlich nicht auch: „Jeder vernünftige Vater gehört ganz sei- nem Kind"?) Wahrscheinlich bin ich aus all diesen Gründen Opfer der gezielten Volksverdummung und anfällig für den Sozialismus, und ich gestehe, dessen verhängnisvollste Wirkungen an mir selbst zu erken- nen: Ich spreche nicht fließend La- tein, sprach es nie, und habe leider—

das „leider" ist hier ganz ehrlich ge- meint — einen großen Teil mei- ner Griechischkenntnisse verloren, auch deshalb, weil mich derzeit die deutsche Sprache sowie naturwis- senschaftliche Themen mehr inter- essieren. Dabei sind doch perfekte Kenntnisse in den alten, relativ toten Sprachen sowie ein anständiger Haarschnitt viel wichtiger als solche in politischen Wissenschaften und in anderen Bereichen, die unser heutiges Leben berühren. Ich habe meinen Sohn einer dieser verlausten Hasch- und Lasterhöhlen, dieser Brutstätten vaterlandsloser und fa- milienzerstörender Gesellen anver- traut, die sich Schule nennen und in denen statt Ordnung, Zucht und Ge- horsam im Sinne guter deutscher Tradition von 1933/1945 — in Mittel- und Ostdeutschland bis heute — nunmehr Sexual-, Sozialkunde und andere Fächer gelehrt werden, die nur dazu dienen, sozialistische Vor- stellungen zu tarnen. Was kann man angesichts dieser zersetzenden Ten- denzen von solchen Institutionen er- warten, in denen leistungsunwillige beamtete Lehrer gezüchtet statt Schüler gezüchtigt werden? Kurz- um, ich fühle mich von dem Aufsatz einigermaßen gestreßt, indem näm-

lich gleichzeitig meine emotionalen Kräfte überfordert sind, mein Spat- zen- (nicht Spitzen-) Gehirn aber un- terfordert ist. Deshalb fällt mir auch, sosehr ich mich bemühe, kein (hoch)deutsches Wort ein, mit dem der Tenor des genannten Aufsatzes charakterisiert werden könnte. Viel- leicht tut's das unglückliche italie- nisch-griechische Mischwort „fa- schistoid"?

Dr. M. Gras-RaciC Jägerstraße 18 8047 Karlsfeld

Gefährliche Vereinfachung

Kann das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT einem selbstgerechten... dieses Forum für eine Weltanschauung voll elitärer Borniertheit und Intoleranz zubilligen? Eine Vielzahl diskus- sionswürdiger Probleme wird mit gefährlicher, an Dummheit grenzen- der Vereinfachung vom Tisch ge- wischt. Ich hatte geglaubt, ein Arti- kel, der im DÄ erscheint, müßte hö- here Kriterien an Differenziertheit, Sachlichkeit und Problembewußt- sein erfüllen.

Dr. Susanne Wies Lönsstraße 8 8480 Weiden

Mit Entsetzen gelesen

Was ist das für ein Wissenschaftler (und für ein Mensch), der mit seinem Begriff „Spitzengehirn" einen Bei- trag zum Problem der schulischen Erziehung leisten will? Er schreibt:

„Aus der Weltstatistik wissen wir, daß in einer Million Einwohner in einem Jahr ein Spitzengehirn auf- tritt. Diese deutschen Sechzig in je- dem Jahr zu finden, ist die wichtig- ste Aufgabe der Schule". Verzeihen Sie, aber einen größeren Blödsinn habb ich schon lange nicht mehr gelesen. Wer in dem Sinn konserva- tiv ist, daß er von den Bildungsinhal- ten der Jahrhundertwende die latei- nische und griechische Sprache in unsere Zeit herüberretten will, wird neuere Erkenntnisse, z. B. biometri- sche Gesetzmäßigkeiten (Häufig-

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 43 vom 23. Oktober 1980 2563

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Aufsätze - Notizen

Schulprobleme

keitsverteilungen der Intelligenz) nicht in seine Überlegungen einbe- ziehen oder gar als unnötig abtun.

Gerade der Autor, als Professor ei- nes Faches, das der naturwissen- schaftlich-mathematischen Metho- dik nahesteht, sollte doch wissen, daß Ausdrücke wie „Spitzengehirn",

„kontinuierliches Wissensgefälle seit der Jahrhundertwende", „der Stamm unserer Lehrer war gesund"

usw. ohne jeden objektiven Wert bei der Lösung schulischer Probleme sind. Ein kurzer Legerbrief mit den Kernsätzen von Professor Güttich hätte gereicht, um sich über die Stimmung in einem Teil der Leser- schaft des DÄ zu informieren. Gera- de bedeutende Vertreter des „Bil- dungsbürgertums" der Jahrhundert- wende, wie der Dichter Paul Heyse (Nobelpreisträger von 1910), haben uns so eindrucksvoll gezeigt, daß das Bewahren gewisser bürgerlicher Ideale (Güttich: „Liebe . . . Ehre und Anstand") geradezu voraussetzt, daß man sich von veralteten Bil- dungsinhalten trennen kann. Mir ist daher klargeworden, daß man nicht die Liberalen und Sozialisten, son- dern gerade die Verfechter bürgerli- cher Ideale vor Prof. Güttich in Schutz nehmen muß...

Professor Dr. med. K. Löffelholz Altkönigblick 10

6239 Eppstein-Bremthal

Polemik

gegen den Fortschritt

Auf inhaltliche Widersprüche des Ar- tikels will ich nur kurz eingehen.

Güttich geht es darum, die Begabten zu fördern. Es gibt, verfolgt man die Geistesgeschichte, kaum ein Bei- spiel, daß die Schule alter oder neu- er Prägung die Genies erkannt oder gefördert hätte. Das Gegenteil ist eher der Fall. Albert Einstein hatte in Mathematik eine Fünf! Die wirklich Begabten sind oft auch die Sensibel- sten, die nicht selten in der Schule leiden oder an ihr scheitern. Wie soll es einer Schule auch gelingen, die Begabung eines Ferdinand Sauer- bruch zu erkennen? Als Schüler war er abgeschrieben, als Chirurg groß- artig in seiner Kreativität. Kein

Schulsystem dieser Welt kann bei einem Zehn- bis Neunzehnjährigen voraussagen, ob er später besonde- re Fähigkeiten entwickeln wird. Ich zitiere: „Man halte sich nicht mit den Lebensgeschichten der neuen deut- schen Nobelpreisträger von Ossietz- ky und Brandt auf." Sind wir bereits so weit, daß wir erklärte Antifaschi- sten mit einer abfälligen Bemerkung abtun dürfen? War nicht nach dem Kriege das Bekenntnis und der Mut solcher Männer der letzte Kredit, den die Deutschen nach zwölf Jah- ren Schreckensherrschaft noch im Ausland hatten? Ist es wieder eine Schande, gegen Hitler und sein Sy- stem gekämpft — und wie Ossietzky — sein Leben gelassen zu haben? Güt- tichs Argumente haben System. Es geht ihm darum, die Prinzipien von Gehorchen, Zucht und Ordnung (S. 214) zu erhalten oder wieder ein- zuführen. Wer sich ihnen widersetzt, dessen Lebensgeschichte zu lesen ist Zeitverschwendung. Noch deutli- cher wird die Menschenverachtung an anderer Stelle. Ich zitiere: „. . sie (die Drogenabhängigen) hindern die Begabten und sind in Schulen unnö- tiger Ballast." (S. 214) (Dazu Wahrig:

Deutsches Wörterbuch: wertlose Fracht ... ). Die Entwertung eines Menschen kann nicht weiter gestei- gert werden. Die Verachtung für Kranke und Schwache, deren sich Ärzte eigentlich anzunehmen haben, kann eindeutiger nicht zum Aus- druck gebracht werden. Ich möchte mich in aller Form von den zitierten Äußerungen des Kollegen Güttich distanzieren und feststellen, daß ich mich durch Artikel dieser Art inner- halb der deutschen Ärzteschaft nicht repräsentiert fühle.

Dr. med. Dieter Becker Eleonore-Sterling-Straße 3 6000 Frankfurt 50

Unqualifizierte Beschimpfungen

Der Artikel des Kollegen Güttich strotzt vor Unterstellungen, falschen Beispielen sowie unqualifizierten Beschimpfungen, so daß es unmög- lich ist, darauf im einzelnen sachlich einzugehen. Offenbar will das der

Verfasser auch nicht: Er ist emotio- nal engagiert und verstrickt sich deshalb in lauter Widersprüche. So sollen z. B. „die Sozialisten" die Be- gabten verdummen (wie macht man das?), doch müßten ihm die extre- men Leistungsforderungen soziali- stischer Staaten bekannt sein. Er stellt Leistungsverfall fest, anderer- seits geht es in der Schule nur mit massiver Hilfe von Müttern. Er be- klagt Nivellierung und Gleichmache- rei, fordert sie aber selbst in Form von kollektivem Drill zu „Zucht und Ordnung". Die Klagen über den Ver- fall der Sitten, Verdorbenheit der Ju- gend und Schuld der schlechten Lehrer sind gut 2000 Jahre alt. Auch Sokrates wurde als „jugendgefähr- dender Lehrer" — nicht nur zu Be- rufsverbot — verurteilt. Nach Güttich sicher auch so ein Sozialist, der das (deutsche!) Volk verderben wollte.

Dr. med. Gerhard G. Kloska Marsdorfer Straße 62 5000 Köln 40

Streß ist nicht so groß

Ich habe nichts gegen Leistung und ihre gerechte Bewertung in der.

Schule, auch halte ich den Streß für nicht so groß, wie er oft dargestellt wird. Im übrigen aber fühle ich mich verpflichtet, das Sammelsurium von Curiosa, gemischt mit unbeweisba- ren Behauptungen und glatten Un- wahrheiten, wenigstens ansatzweise richtigzustellen.

1. Ihre (Güttichs) Behauptungen be- züglich der Lehrer sind z. B. für Stu- dienreferendare (2 Jahre) und Stu- dienräte z. A. (2 bis 5 Jahre) absolut nicht zutreffend. Im Gegensatz zur Situation noch vor zehn Jahren ste- hen heute den Stellenangeboten er- heblich mehr Referendare gegen- über, so daß der Arbeitgeber (Staat) Auswahl treffen kann, und zwar nach fachlichen und pädagogischen Gesichtspunkten. Sie schreiben:

„Als man im vergangenen Jahrhun- dert die Schulpflicht einführte, ge- schah das, um den Kindern eine Grundbildung, die sie später zu Ent- scheidungen befähigen sollte, zu vermitteln." Wissen Sie, Herr Profes-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

2564 Heft 43 vom 23. Oktober 1980

Referenzen

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