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Archiv "Fontanes Ahnung" (29.10.1981)

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Afghanische Erinnerungen

Das erste gekrönte Haupt, das die Weimarer Republik mit einem Be- such beehrte, war der Afghane Aman Ullah, der 1919 seinem er- mordeten Vater auf dem Throne gefolgt war. Ganz oder fast ganz Berlin prangte im Flaggen- schmuck, vor Freude, endlich mal wieder einen leibhaftigen Kö- nig zu sehen. Der Berliner Witz sprudelte in täglich neuen Ver- sionen. Aber den schönsten Witz leistete sich der Berliner Magi- strat:

Kurz vor dem feierlichen Emp- fangsprotokoll, bei dem nach al- tem Brauch beide Nationalhym-

nen erschallen sollten, stellte man fest, daß keine Noten der afghanischen Hymne aufzutrei- ben waren (es kann auch sein, daß dieses Hirtenvolk damals überhaupt keine besaß). Aber oh- ne Tschingderassassa — kein Kö- nigsempfang. Kurz entschlossen wurde Ersatz geschaffen. Die Berliner trauten ihren Ohren nicht, als man ihnen vor dem Deutschlandlied als afghanische Hymne den wohlvertrauten Cho- ral: „Tochter Zion, freue dich"

andrehte. Die Menge brach in ein frenetisches Gelächter aus, das der König für eine monarchische Huldigung hielt. Er erfuhr übri- gens unterwegs auf der Heimrei- se, daß man ihn zu Hause bereits abgesetzt-hatte. Dr. Fleiß

Fontanes Ahnung

Fontane fand erst als Fast-Sieb- zigjähriger zu seiner eigentlichen Begabung. Diese Spätreife brachte Werke hervor, deren Breitenwirkung sich erst jetzt und nicht nur in Deutschland zeigt. Fontanes Meisterschaft, das Spezifische auf die Spitze zu treiben, die Gestalten seiner Schöpfungen nicht nur mit foto- grafischer Genauigkeit, sondern auch mit ihren psychologischen Hintergründen darzustellen und ihnen damit Zeitlosigkeit zu ver- leihen, ist das Geheimnis seiner dichterischen Kraft, die Dauer hat. In seinem Nachlaß fanden sich Verse, die ihm aus der Feder liefen und nur für ihn selbst allein und nicht für andere bestimmt

waren. Dazu gehören die folgen- den Zeilen. Es sei vorausge- schickt, daß Fontane an einem Magenkrebs starb und daß die Verse lange bevor die Diagnose feststand, ja bevor Fontane sich überhaupt wegen seiner Be- schwerden an einen Arzt ge- wandt hat, entstanden sind.

„Ein Punkt nur ist es, kaum ein Schmerz, Nur ein Gefühl, empfunden eben;

Und dennoch spricht es stets darein, Und dennoch stört es dich zu leben."

Meines Wissens ist es die einzige dichterische Aussage über ein Früh(?)symptom des Magenkar-

zinoms. Dr. Fleiß

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Stadt und Umwelt

Verkehrsflächen machen heute im Bundesdurchschnitt knapp die Hälf- te der gesamten überbauten Fläche aus. Sie bestimmen weitgehend das Stadtklima, die Luftverhältnisse und das Wohnumfeld. Hier könnten Maß- nahmen der Verkehrsberuhigung, der Verbesserung des Verkehrs oh- ne Pkw-Benutzung (öffentlicher Nahverkehr, Radwege), Ausweisung von Wohnstraßen und technische Verbesserungen an den Verkehrs- mitteln (Lärm-, Abgasminderung) Wege zur Lösung sein.

Auch durch die Art der Energiever- sorgung wird die Stadtumwelt mit- geprägt. Luftbelastung durch Indivi- dualheizungen und Großkraftwerke oder visuelle Beeinträchtigungen durch Schornsteine und Überland- leitungen im Stadtrandbereich sind nur einige der Probleme. Schwedi- sche Untersuchungen haben erge- ben, daß Städte mit Fernwärmever- sorgungsgraden zwischen 60 und 65 Prozent der Grundstücke nur 10 bis 15 Prozent der sonst üblichen Im- missionsbelastung haben. Neue Techniken der Dezentralisierung der Stromproduktion mit Kraft-Wärme- Kopplung in kleineren und mittleren Anlagen sind vorhanden und ein- setzbar. Die Chancen für ihre Nut- zung sind besonders in den „altin- dustriellen" Ballungsgebieten wie beispielsweise dem Ruhrgebiet gün- stig, weil dort in nächster Zukunft etwa ein Drittel aller Steinkohlekraft- werke ersetzt werden muß.

Hohe Luftfeuchte

— wenig Sauerstoff

Schließlich schafft die „Versiege- lung" der natürlichen Erdoberfläche in den Städten rund 30 Prozent der Gesamtfläche — besondere Proble- me: Aufheizung der Luft über Beton und Teer, Erhöhung der Luftfeuchte durch schnelle Verdunstung von Niederschlägen, Fehlen von Sauer- stoffanreicherung und Staubbin- dung aus der Vegetation sowie Ab- sinken des Grundwasserspiegels bei hoher Belastung von Abwassersy- stemen, weil der Regen nicht versik- kern kann. Eine Vermehrung und Verbesserung der Grün- und Freiflä- chen hätte daher unmittelbare öko-

logische Vorteile. Als zusätzliche Wirkungen könnte der Druck auf das Umland durch Wohnen und Freizeit- verkehr vermindert werden.

Handlungsanstöße für die Politik

Die Diskussion dieser vielfältig mit- einander verwobenen Problemfelder auf dem „Umweltforum" dürfte auch für die Umweltpolitik der Bundesre- gierung Hinweise zur Weiterent- wicklung der schon vorhandenen Ansätze bringen. Das „Umweltfo-

rum" geht auf Anregungen im Um- weltprogramm der Bundesregierung von 1971 zurück, die Geschäftsfüh- rung liegt bei der Arbeitsgemein- schaft für Umweltfragen e. V. in Bonn. Das Forum dient dem Aus- tausch von Meinungen und Informa- tionen und will dazu beitragen, un- terschiedliche Gruppeninteressen zu verdeutlichen und Wege zu ihrem Ausgleich zu ebnen. In den vergan- genen Jahren wurden die Themen- komplexe „Chemikalien" und „Auto und Umwelt" behandelt.

Georg Kohlrausch DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

2100 Heft 44 vom 29. Oktober 1981

Referenzen

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