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Archiv "Psychometrische Testverfahren: Der Bewerber, das unbekannte Wesen" (05.01.2015)

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rfolg im Job wird von zwei Faktoren beeinflusst: dem Fachwissen und der Persönlich- keit. Zwei Ärzte können für unter- schiedliche Karrieren geeignet sein, obwohl sie die gleichen me- dizinischen Kenntnisse haben.

Denn Eigenschaften wie Einfüh- lungsvermögen, Ehrgeiz oder Selbstdisziplin sind ebenso wich- tig, bei Bewerbern aber in unter- schiedlichem Maß vorhanden. Kli- niken sind bei der Besetzung von Stellen daher gut beraten, mög- lichst viel über die Persönlichkeit des Bewerbers herauszufinden.

Psychometrische Tests helfen hier weiter. Doch aussagekräftig wer- den diese erst durch die Kombina- tion mit anderen Methoden.

Ziel jedes Auswahlverfahrens ist eine Antwort auf die Frage: Kann ein Bewerber die Ziele erreichen, die an seine neue Position geknüpft sind? Um dies beantworten zu kön- nen, müssen Arbeitgeber die Fähig- keiten der Kandidaten kennen.

Ebenso wichtig sind aber Fragen wie: Was motiviert diesen Men- schen? Was interessiert ihn? Was macht seine Persönlichkeit aus? So wird introvertierten Personen ein Job schwer fallen, bei dem sie re- gelmäßig Vorträge halten müssen.

In leitender Funktion brauchen sie

Durchsetzungskraft, im Kontakt mit Patienten viel Empathie.

Für Personalentscheider gibt es drei Ansätze, solche Eigenschaften bei Anwärtern zu ermitteln: Der bio- grafieorientierte Ansatz lässt sich mit Interviews verfolgen, in denen es um Zukunftspläne und Perspekti- ven geht. Wer dagegen simulations- orientiert vorgeht, nutzt Rollenspiele oder Fallstudien, um zu erfahren, wie Kandidaten sich verhalten und Aufgaben lösen. Der eigenschafts- orientierte Ansatz setzt auf Persön- lichkeitstests. Grundsätzlich gilt:

Keiner dieser Ansätze führt zu hun- dertprozentig genauen Ergebnissen.

Dies gilt besonders für freie Inter- views, die nicht systematisiert sind, wo Bewerbern also nicht nach einem Muster die gleichen Fragen gestellt werden. Die Wahrscheinlichkeit, in einem unstrukturierten Interview zu relevanten Aussagen zu gelangen, liegt nur bei 14 Prozent. Es ist wich- tig, mehrere Bewertungsansätze zu kombinieren, um einen Kandidaten aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zu einem Gesamtein- druck zu gelangen.

Wenn es darum geht, charakterliche Eigenschaften zu beurteilen, sind wis- senschaftlich fundierte Testverfahren der Persönlichkeitsdiagnostik von ho- hem Wert. Solche psychometrischen

Tests sind abzugrenzen von reinen Leistungstests, in denen es um Kon- zentrationsfähigkeit, logisches Den- ken und Textverständnis geht.

Bei Persönlichkeitstests gibt es keine richtigen oder falschen Ant- worten. Stattdessen geht es darum, die Ausprägung von Eigenschaften wie Kontakt- und Entscheidungs- freudigkeit oder Führungswille zu erkennen. Besonders bei der Beset- zung von leitenden Positionen erwei- sen sich solche Verfahren als hilf- reich. Je nach Testart müssen die Be- werber Fragen im Multiple-Choice- Verfahren beantworten oder ange- ben, ob bestimmte Aussagen auf sie zutreffen. Auch offene Fragen sind möglich, bei denen die Kandidaten beschreiben müssen, wie sie in fikti- ven Situationen handeln würden. Da sich solche Testverfahren heute on- line und ohne viel Aufwand einset- zen lassen, ist in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Methoden auf den Markt gekommen. Viele dieser Angebote weisen allerdings Schwä- chen hinsichtlich ihrer Zuverlässig- keit auf. Wichtig ist dabei, wie durchschaubar und damit manipu- lierbar der Test ist. Ein Kandidat, der sich beruflich in ein gutes Licht rü- cken möchte, wird einer Aussage wie „Ich bin leicht beunruhigt“ wohl nicht zustimmen – auch wenn er in PSYCHOMETRISCHE TESTVERFAHREN

Der Bewerber, das unbekannte Wesen

Die meisten deutschen Kliniken meiden Persönlichkeitstests – zu Unrecht.

Foto: Fotolia/Robert Kneschke

2 Deutsches Ärzteblatt I Heft 1 I 5. Januar 2015

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Wirklichkeit nicht sehr stressresis- tent ist. Eine solche Aussage müssen Bewerber zum Beispiel im NEO- Fünf-Faktoren-Inventar, einem gän- gigen Persönlichkeitstest, beantwor- ten, der zur Personalauswahl auf- grund seiner Durchschaubarkeit nur begrenzt taugt. Welche Art von psy- chometrischen Tests für die Beset- zung einer Stelle geeignet ist, hängt davon ab, welche Eigenschaften für die Position wichtig sind und des- halb analysiert werden sollen und welche Funktion der Test innerhalb des gesamten Auswahlprozesses einnimmt. Ein einfaches Onlinever- fahren kann gut geeignet sein, um ei- ne Vorauswahl zu treffen. Ist die Auswahl schon begrenzt, sind auf- wendigere Tests angemessen, wie sie auch Rochus Mummert Health- care Consulting anwendet, um neue und relevante Erkenntnisse zu ge- winnen. Wer psychometrische Tests einsetzt, braucht also einen guten Marktüberblick, muss Stärken und Schwächen der einzelnen Verfahren kennen und das Bewerbungsverfah- ren gründlich planen, zeitlich wie in-

haltlich. Nicht zu unterschätzen ist die Auswertung des Tests, die durch Fachleute vorgenommen werden sollte. Im ersten Schritt müssen die Ergebnisse des Tests bewertet und unter Berücksichtigung der Norm- gruppe mit dem Soll-Profil vergli- chen werden. Im zweiten Schritt werden die Ergebnisse systematisch in Beziehung gesetzt zu anderen Be- urteilungsschritten: Bestätigen die Ergebnisse des Persönlichkeitstests einige Annahmen, die sich durch ein Interview ergeben haben? Durch Zu- sammenführen der Resultate mit Er- kenntnissen aus Gesprächen und an- deren Auswahlmethoden entsteht ei- ne Grundlage, um die richtige Ent- scheidung zu treffen.

Erfahrung in der Personalaus- wahl ist im Umgang mit Bewerbern sehr viel wert. Sie führt dazu, dass sich gegenüber den Kandidaten ein Bauchgefühl einstellt, das nicht zu unterschätzen ist. Doch so ein Bauchgefühl kann immer auch trü- gen. Die persönliche, subjektive Einschätzung sollte also durch ver- schiedene Bewertungen und Me-

thoden ergänzt werden. Dass sich Persönlichkeitstests negativ auf ihr Image auswirken und sie damit Ta- lente abschrecken, müssen Kliniken nicht befürchten. Erfahrungsgemäß ist der Einsatz solcher Verfahren für 90 Prozent der Bewerber unproble- matisch. Doch bislang setzt nur rund ein Viertel der deutschen Kli- niken psychometrische Tests ein.

Das Risiko, dass ein neuer Mitar- beiter nicht zu einer Stelle passt, weil sie nicht seinem Naturell ent- spricht, ist daher unnötig hoch. Dies gilt besonders bei Führungspositio- nen. Fehlbesetzungen können zu mehr Unzufriedenheit im Team und einer höheren Fluktuation führen.

Außerdem bremst es die Entwick- lung einer Klinik, wenn Positionen nicht adäquat besetzt sind. In Zeiten des steigenden Konkurrenzdrucks sollten Krankenhäuser daher auch Möglichkeiten nutzen, ihre Bewer- bungsverfahren mit effektiven Me- thoden zu verbessern.

Zu wenig Zeit für den Patienten, zu wenig Zeit für Weiterbildung und zu wenig Zeit für Forschung – so beschreibt ein Positionspapier des

„Bündnis Junge Ärzte“ das Empfinden der jungen Medizinergeneration.

Der Zeitmangel in der Klinik verschlechtere die Versorgung – auch, weil die Weiterbildung zu kurz komme, heißt es im Positionspapier des „Bündnis Junge Ärzte“. Ist das nur eine punktuelle Meinung?

Müller-Marbach: Nein, das ist nicht die Meinung einzelner besorgter Kollegen, sondern ein Konsens im gesamten Bündnis – und dem gehören immerhin die Nachwuchsorganisationen von mittlerweile 15 der größten medizinischen Fachgesellschaften und Berufsverbänden an.

Als wir uns nach der Gründung des Bündnis Ende 2013 zusammen - gesetzt haben, wurde klar: Wir haben alle die gleichen oder zumindest vergleichbare Erfahrungen gemacht. Immer mehr medizinische Möglich- keiten, die demografische Entwicklung, die steigenden Erwartungshal- tung der Patienten und letztlich der Kostendruck in den Kliniken führen dazu, dass Pflegepersonal und Ärzteschaft in gleicher Zeit immer mehr leisten müssen. Diese sich zuspitzende Arbeitsverdichtung lässt für zen- trale ärztliche Aufgaben immer weniger Zeit, also für das persönliche Gespräch, Anteilnahme und menschliche Zuwendung. Besonders die zeitaufwendige Weiterbildung der Ärzte leidet unter dem ökonomischen Druck.

Wir wollen Ärzte sein und ärztlich arbei- ten, also am und mit dem Patienten. Das war ja der Grund, warum wir uns für den Arztberuf entschieden haben. Stattdessen müssen wir immer mehr patientenferne Arbeit leisten, zum Beispiel im Verwal- tungsbereich. Für Medizinstudierende und

junge Ärzte wird das Gesundheits system als Arbeitgeber damit immer unattraktiver. Der daraus resultierende Mangel an ärztlichem Nach- wuchs verschärft die Defizite in der ärztlichen Versorgung zusätzlich.

Wir fordern die Delegation von nicht-ärztlichen Aufgaben an geschultes Personal ohne Substitution von ärztlichen Tätigkeiten, wie dies im anglo- amerikanischen Raum zum Teil angewendet wird. Wichtig sind außer- dem innovative Arbeitszeitmodelle, um den Bedürfnissen von Ärzten mit Familien gerecht zu werden. Last but not least könnten effizientere IT- Systeme tägliche Abläufe deutlich besser gestalten. Aber Prozess - optimierung ist natürlich nicht alles.

Kliniken sind keine Profit-Center und dürfen nicht als solche konzi- piert und geführt werden. Es darf nicht in erster Linie um Rendite gehen, sondern um eine hochwertige medizinische Versorgung. Garan ten dafür sind ein motiviertes, hochqualifiziertes Personal und modern ausgestat-

tete Gesundheitseinrichtungen. hil

FRAGE DER WOCHE AN . . .

Dr. med. Alexis Michael Müller-Marbach, Sprecher „Bündnis Junge Ärzte“

Dr. med. Peter Windeck Geschäftsführer der Rochus Mummert Healthcare Consulting GmbH in Hannover

4 Deutsches Ärzteblatt I Heft 1 I 5. Januar 2015

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