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Gegenklang, Amadeus: Lernbereich Künste - das unbekannte Wesen

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Academic year: 2022

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Vermischtes - Magazin

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35/2013

iele Künste kann der Teufel…

Diese 1958 von Leopold Klatt als Kanon vertonte Redensart sagt viel über Probleme des Menschen mit der Kunst. Zum Beispiel macht sich der Teufel die hippokratische Erkenntnis zu Nutze, dass die Kunst lang sei, das Le- ben dagegen kurz. Für mehrere Künste wird’s im Leben sogar ganz eng und ei- gentlich schafft mann das nur, wenn frau den Abwasch macht, Teufel noch mal! Charlie Chaplin bekannte daher in Limelight, dass das Leben so kurz sei, dass wir letztlich alle Amateure blie- ben, in keiner Kunst wahre Könner.

Zwei Lösungsansätze bieten sich an.

Der erste: Wir dilettieren wenigstens in einer Kunst und lernen nebenbei noch so viel Kommunikation, dass wir den Dilettanten aus anderen Künsten selbst- bewusst begegnen, uns mit ihnen er- gänzen und so den Teufel listig hinter- gehen: Er hat noch immer Schwierig- keiten mit Solidarisierungen gehabt.

Mehreren Menschen gleichzeitig die Seele abzukaufen, bringt auch ihn an den Rand seiner Möglichkeiten.

Die zweite Lösung ist in der Kultusmini- sterkonferenz der Länder entstanden. Sie hat das alte Menschheitswissen so über- setzt, dass die Kunst inzwischen viel zu lang geworden sei, das Leben aber zu schade, um es nur in der Schule und dann auch noch ausgerechnet mit einer Kunst zu vertändeln. Sie planen seit Jah- ren, das, was sie für Kunst halten ratio- neller in den Griff zu bekommen, zumal ihnen das Personal für die so genannten künstlerischen Fächer, das sie weder ge- nug ausbilden, noch einstellen, ausgeht.

Mehrere Menschen, die solche Gedan- ken denken, müssen ihre Seele einzeln schon vorher verkauft haben: In eine KMK-Sitzung zu gehen, würde sich selbst der Teufel nicht trauen. Aber wann

und wie ist das passiert? Und wie kann es heute sein, dass jemand – zur Zeit in Berlin – für die Schule einen Lernbereich Künste entwickeln konnte ohne rot zu werden oder tot umzufallen? Kann man da seine Seele zurückkaufen?

In der Antike sprach man noch von den sieben freien Künsten: Grammatik, Rhe- torik, Logik – dem Trivium, das heute nur noch mit der abwertenden Bedeutung trivial existiert – dazu von Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie, dem Quadrivium, das seine Zusammenhänge heute ganz verloren zu haben scheint.

Damals schaute man damit nach quasi göttlichen Gesetzen, spekulierte auch ein bisschen, aber ließ dem Teufel wenig Raum.

Ausgerechnet die Aufklärung hat uns die

„schönen Künste“ abgespalten vom Den- ken und in schöngeistige Spiel-Ecken zu- sammengelegt: Malerei und Bildhauerei, Musik, Literatur, Theater, Tanz, also al- les, was brotlos ist, aber Spaß macht.

Wer sich vor der richtigen Arbeit drückt, darf sich wenigstens selber ausdrücken.

Oder so. „Verweile doch, du bist so schön“ und schon hat der Teufel Faustin der Tasche. Der Gelehrte scheitert an der Schönheit und kann nur noch versuchen sich strebend zu bemühen. Seine Künste sind ganz in der Hand des Teufels.

Wenn Künste die Künste verdrängen, sä- gen wir uns die Bäume ab, auf denen wir nicht nur sitzen, sondern die uns auch ernähren. Was wäre das für ein spannen- der Wettbewerb: Wir mischen uns einen Obstsalat. Eine Gruppe bekommt Äpfel, Orangen, Bananen von richtigen Pflan- zen mit richtigen Wurzeln, gereift unter richtiger Sonne mit richtigem Wasser.

Schneiden, mischen, kosten: Lecker! Die andere Gruppe bekommt Äpfloranpulver aus einer modernen Äpfloranfabrik. Was- ser dazu, anrühren, Brei fertig! Ganz toll!

Mein Sieger steht jetzt schon fest. Wenn Kinder noch staunen können, was sie in der Welt hören, sehen und fühlen, wenn sie bewegt die Welt entdecken und nach- spielen und Unterricht darüber bekom- men, wie Klänge, Farben, Formen, Ver- hältnisse zwischen Menschen und vieles mehr gestaltet werden können und wor- den sind, dann brauchen sie diese Leh - rerInnen, bevor sich das Staunen der Kinder in gelangweiltes sich Abfinden mit der Unkenntlichkeit der Welt ver- wandelt. Aber wer kann das alles gleich- zeitig? Welcher Erwachsene, der noch al- le Tassen im Schrank hat, verteilt als Un- terrichtender die Künste (welche Künste eigentlich?) als Einheitsbrei aus der Schnabeltasse? (Literatur wird übrigens in dem Traktat zum Lernbereich Künste nicht erwähnt, dafür Sport. Hä, was ist denn das für eine Kunst?) Hat hier der Teufel seine CD der Woche in die Run- de hineingespielt? Talking Heads: Stop Making Sense!

Kunst kommt von Können, nicht von Wollen, sonst wäre es Wulst, schrieb 1894 der Bühnendichter Ludwig Fulda.

Wahrscheinlich weiß der Teufel, wie- viel Wulst in den Texten der Schulver- waltungen und Kultusminister steckt.

Der Lernbereich Wülste ist da sicher nicht fern. Der kommt noch, dafür sind wir nur noch nicht bereit. Wir steuern zwar stetig darauf zu, aber die Sprache braucht noch ein Weilchen. Bis dahin sollten wir versuchen, Kunst für Kunst vom Teufel zurückzukaufen, damit wir etwas können, wenn wir es brauchen.

Damit die teuflische Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“ wieder sel- tener gestellt werden muss.

Wie ging eigentlich der Kanon von den Künsten zu Ende? Ach ja: Viele Künste kann der Teufel, aber singen kann er nicht.

V

Lernbereich Künste –

das unbekannte Wesen

Amadeus Gegenklang

Referenzen

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