Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
Chronisch Kranke
vom Menschen anstelle einer Zer- gliederung des Individuums in Stör- und Schadensfelder. Wer die Sucht therapeutisch wirksam an- gehen will, muß Möglichkeiten der Wiedererlangung von Eigenstän- digkeit, Verantwortlichkeit und Le- benstüchtigkeit schaffen. Ein wei- tes Feld von Aufgaben für Arzt und Patient.
Es ist gerade am Modell des Suchtkranken sehr einleuchtend, daß die Patienten in unseren Ta- gen beginnen, sich selber zu orga- nisieren in Patienten-Clubs, in the- rapeutischen Gemeinschaften für eine Nachsorgebehandlung, in so- genannten Kranken-Fraternitäten.
Ihre Aktivitäten sind Besuche, Brief-Patenschaften, soziale Bera- tung, Clubarbeit, Gruppentreffen, Studientage, Behinderten-Selbst- hilfe. Kranke fühlen sich dabei für- einander verantwortlich. Solche Patientenorganisationen könnten künftig als eine ganz neue Form von Therapie und medizinische Betreuung figurieren.
Eine solche Entwicklung zeigt aber auch, daß die moderne Medi- zin bei der komplexen Situation der chronisch Kranken noch et- was vorbeilebt an der Wirklichkeit, die sie erst jüngst genauer in den Blick bekommen hat. Tag fü,r Tag
— und überaus konkret — wollen die Krankheiten benutzt, die Übel bearbeitet werden. Nur von daher verstehen wir die energische For- derung, daß die Medizin noch ganz anders werden müsse. Sie wird ganz anders sein, wenn erst einmal das revolutionäre Instru- mentarium erkannt sein wird, das prinzipiell jeder Heilkunde inne- wohnt. In dem sich anbahnenden Panoramawandel der Medizin als Wissenschaft und als Praxis am Kranken in der Folge des Panora- mawandels der Krankheiten im 20.
Jahrhundert geht es um nicht we- niger als um die Anerkennung be- ziehungsweise Wiederanerken- nung einer Gesundheitslehre, ei- ner Lehre der Kunst zu leben mit all ihren Sparten der Präventiv- und Rehabilitationsmedizin als Vorspann für die Kunst des Um-
gangs mit Krankheiten in so vielen Fachdisziplinen. Dabei kann man davon ausgehen, daß die wissen- schaftliche Abgrenzung der Kate- gorie Gesundheit und Krankheit sehr unscharf ist, und die Medizin in Wissenschaft und Praxis damit leben muß, daß „gesund eben fast schon krank ist - .
Referenten der Tagung
Prof. Dr. med. Dr. phil. Heinrich Schip- perges, Heidelberg — Prof. Dr. med. Hans Schäfer, Heidelberg — Prof. Dr. med. Fritz Hartmann, Hannover — Prof. Dr. med.
Wolfgang Jacob, Heidelberg — Dipl.-Psy- chologe Bernhard Geue, Bad Mergent- heim — Prof. Dr. med. Lucius Maiwald,
Carl v. Haller
Der Facharzt für Chirurgie Carl v.
Haller legt einige „Distichon-Ver- suche" vor und kommentiert:
„Wenn man es nicht zu genau nimmt, ist die klassische Metrik ziemlich frei und könnte im Moder- nen eine neue Rolle spielen . " — Ich selbst habe es damit allerdings immer sehr genau genommen und die klassischen Rhythmen für sehr streng gehalten, im Gegensatz zu den modernen „Freien Rhyth- men" — aber „gleichviel" — wie Kleist sagen würde: Hier sollen nicht antike, sondern moderne Rhythmen vorgestellt werden, und wenn ich recht erkenne, geht es mehr um medizinische (?) Er- kenntnisse als um den Rhythmus, durch den sie ausgedrückt wer- den. Edith Engelke
Distichon Versuche
Dem Schlafgestörten hilft die Ta- blette, aber er darf sie nur/selten nutzen, sonst wirkt sie am kom- menden Tag dämpfend noch nach,/vielleicht auch stellt sich die Wirkung widerwillig nur ein.
Wenn das, von den Menschen er- zeugte, unnötige Leid nicht wäre,/
die Natur, ohne Zweifel, hält noch genügend Schrecken hereit.
Würzburg — Diplompsychologe Hartmut
`Schmidt, Heidelberg — Prof. Dr. med.
Dietrich von Engelhardt, Heidelberg, Prof. Dr. med. Hartmut Radebold, Stauf- fenberg — Dr. med. Clemens Henrich, Ko- blenz — Prof. Dr. med. Dr. theol. Dietrich Rössler, Tübingen
Tagungsleitung
Dr. med. Ursula Brandenburg, Präsiden- tin der Katholischen Ärztearbeit Deutsch- lands — Dr. jur. Hans Heinrich Kurth, Bonn
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Hannes Sauter-Servaes Am Rebberg 8
7700 Singen (Hohentwiel) 14- Bohlingen
Denke daran, wenn nachts Dir der Schlaf nicht kommt: Jüngeren ist/
er noch Freund, noch ist es ihr Recht unbekümmert zu schlafen./
Auch Du hast es, ohne zu wissen, wie selbstverständlich genutzt./
Wenn Du zu dieser Erkenntnis ge- kommen, wird Dir Dein Leid und/
Dein Zustand friedlich verständ- lich und Achtung ist Dir gewiß.
Wie machen es nur Manche, die einen leeren Schreibtisch genie- ßen?/Bei mir häuft sich vieles un- erledigt und drückend dort an.
Wenn Du immer nur redest und niemals schweigend Nützliches tust,/so bleibst Du vom Mitteilen umschlungen und kommst nie- mals mehr frei.
Groß ist der Eindruck des gängi- gen Schwätzers, auch ich bin be- troffen,/drum fällt mir die treffende Antwort am nächsten Tag erst ein.
Schreibt ihr mitteilungsbedürfti- gen Menschen, ich bitt Euch,/
schlicht und verständlich, ansonst ist's wie auf Wasser gedruckt,/und das Wasser wird trübe wie auch das lesende Auge.
Die Anschrift von Dr. Carl v. Haller: Gang- hoferstraße 17, 6000 Frankfurt/Main
Arzt — und Poet dazu
74 Heft 37 vom 17. September 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B