m
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
'ethadon entzweit die Gemüter. Über die Absicht des nordrhein- westfälischen Gesundheitsmini- sters Hermann Heinemann, ei- nen Modellversuch mit Metha- don als Ersatzdroge zu starten, ist ein heftiger Streit entbrannt.
Während Heinemann sich der Unterstützung der beiden Ärz- tekammern in seinem Lande si- cher wähnte, widersprach vor allem die Ärztekammer Nord- rhein: mitnichten habe man dem Modellvorhaben zugestimmt.
Tatsächlich hatten die Ärz- tekammern Nordrhein und die Ärztekammer Westfalen-Lippe auf Bedrängen ihres Ministeri- ums eine Art Tolerierungserklä- rung abgegeben. Darin haben sie auf die medizinischen Be- denken verwiesen, die auch bei- spielsweise im Deutschen Ärzte- blatt mehr oder weniger offiziös schon vorgebracht worden sind;
sie haben auch auf die umstritte- ne Rechtslage aufmerksam ge- macht. Sie haben schließlich darauf gedrungen, daß ein Mo- dellversuch, sofern er durchge- führt werden sollte, streng kon- trolliert sein müsse. Außerdem aber haben die Kammern versi- chert, sie würden Ärzte, die sich an einem solchen kontrollierten Versuch beteiligen, berufsrecht- lich nicht belangen.
Die Kammern mögen etwas zu differenziert Stellung genom- men und es so dem Minister er- leichtert haben, aus solch diffe-
Methadon
Glaubenskrieg
renzierter Tolerierung Zustim- mung zu interpretieren. Wie auch immer — hier geht es im Grunde genommen nicht allein um einen Zwist zwischen Mini- ster und Kammern. Die Ausein- andersetzungen über Sinn oder Unsinn einer Methadon-Ersatz- therapie laufen bundesweit und nicht erst seit heute. Die Recht- haberei, mit der die Standpunk- te oft verteidigt werden, ge- mahnt an Glaubenskriege.
Unbestritten ist nur eins:
Mit Methadon wird Drogen- sucht — hier die Abhängigkeit von Heroin — nicht geheilt in dem Sinn, daß der Süchtige von seiner Abhängigkeit befreit würde. Die Mehrzahl der Arzte, die mit Drogentherapie zu tun haben oder die darüber spre- chen, lehnen es ab (um ein in diesen Tagen geflügeltes Wort zu nennen), den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Sie vertreten das, was Minister Hei- nemann als „Königsweg" be- zeichnet, nämlich die Therapie von Grund auf, also den Dro- genentzug und die anschließen- de Rehabilitation.
Auf der anderen Seite ste- hen jene, die wie Minister Hei- nemann ihre Zweifel daran ha-
ben, ob der „Königsweg" für alle Süchtigen gangbar ist. Sie weisen darauf hin, daß mit Me- thadon zumindest eine gewisse Sozialisierung erreicht werden kann. Für den Politiker Heine- mann kommt noch hinzu, daß er hofft, Süchtige aus der harten Drogenszene herausbrechen zu können und somit die Beschaf- fungskriminalität zu mindern.
Ein modisches I-Tüpfelchen zum Schluß: Mindestens 10 Pro- zent, wenn nicht sogar ein Vier- tel der Heroinabhängigen in Nordrhein-Westfalen gelten als AIDS-infiziert. Auch daher fol- gert Heinemann: Die Süchtigen müssen weg von der (Heroin-) Nadel.
Beide Seiten haben also ih- re guten Gründe. Heinemann hat vielleicht einen guten Grund mehr: die Realität. Offensicht- lich ist nämlich eine große Zahl Heroinabhängiger der idealen Therapie nicht zugänglich. Was ist nun besser: sie versacken zu lassen oder die Methadon-Not- lösung zu versuchen? Letztlich ist das keine medizinische Frage mehr, sondern eine gesundheits- politische. Heinemann mag sie getrost entscheiden. Er dürfte Arzte finden, die ihn bei einem Modellversuch unterstützen.
Bei einem Fehlschlag des Ver- suchs wird er mit der Schaden- freude der anderen rechnen müssen. Bei einem guten Aus- gang haben's ja — wie immer — alle schon gleich gesagt. NJ
D
rei von vier Männern und jede dritte Frau trinken regelmäßig Bier. Den Biertrinkern kommt es vor al- lem auf Geschmack, Würze, ge- pflegtes Zapfen, richtige Tem- peratur und Blume des Bieres an. Dies ergab eine Umfrage der Psychiatrischen Universi- tätsklinik Münster bei 414 Per- sonen in zwei Städten Nord- rhein-Westfalens.Der Genuß von alkoholfrei- em Bier könnte Alkoholismus vorbeugen, meint Klinikdirek- tor Professor Dr. med. Rainer Tölle: Alkoholfreies Bier erfülle
Alkoholfreies Bier
Mit Geschmack
die gewünschten Qualitätsmerk- male wie normales Bier (dazu auch: DÄ, Heft 28/29). Bis jetzt freilich trinkt kaum jemand al- koholfreies Bier. Nur 70 der 414 befragten Männer und Frauen hatten schon einmal das neue Bier probiert. Über die Hälfte der Befragten meinte aber, sich damit anfreunden zu können.
Die Wirte dagegen sind skeptisch. Von 101 Lokalen führten nur 21 alkoholfreies Bier. Mangelndes Interesse der Gäste und fehlendes Angebot der Brauereien werden als Gründe genannt.
Für „trockene" Alkoholi- ker ist das alkoholfreie Bier kein Ersatzgetränk, warnt die Klinik:
Alkoholfreies Bier ist nicht frei von Alkohol, sondern es enthält immerhin noch bis zu einem hal- ben Prozent Restalkohol, der dem Bier nicht entzogen werden kann, ohne daß der Geschmack beeinträchtigt wird. sk
Dt. Ärztebl. 84, Heft 37, 10. September 1987 (1) A-2349