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Archiv "Transfusionsmedizin und Immunhämatologie: Ein Engpass an Blut ist absehbar" (17.09.2010)

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A 1748 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 37

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17. September 2010

D

ie demografische Entwick- lung in Deutschland und ihr Einfluss auf die Verfügbarkeit von Blut und Blutprodukten in der Hoch- leistungsmedizin werden Transfusi- onsmediziner in Zukunft vor schwie- rige Fragen stellen, für die schon heute in der Versorgungsforschung die logistischen Weichen gestellt werden müssen. Heute werden in Deutschland täglich 15 000 Blut- spenden benötigt und jährlich ins- gesamt fünf Millionen.

Mit mehr als 30 Prozent stellen Krebs therapien einen wesentlichen Grund für Transfusionen von Blut und Blutprodukten dar – mit wach - sender Tendenz, wie auf dem 31. Weltkongress der Internationalen Gesellschaft für Bluttransfusionen, der gemeinsam mit dem 43. Kon- gress der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immun - hämatologie in Berlin stattfand, zu hören war. Der steigenden Eingriffs- häufigkeit bei älteren Menschen ste-

he gleichzeitig eine sinkende Zahl an jungen gesunden Blutspendern ge- genüber, sagte Prof. Dr. med. Harald Klüter (Mannheim). Er stellte eine Bedarfsstudie des DRK-Blutspende- dienstes Baden-Württemberg und des Mannheimer Instituts für Public Health vor. Erfahrungsgemäß sind gerade die 18- bis 19-jährigen Schü- ler Blutspender. Doch die Zahl spen- defähiger Menschen ist rückläufig, denn auch die Generation der Baby- boomer zwischen 1961 und 1968 kommt in die Jahre.

Statistisch lässt sich ein Spen- denaufkommen ab 2030 erwarten, das um circa 15 Prozent niedriger als im Jahr 2007 liegen wird.

Gleichzeitig aber steigt infolge der zunehmend älteren Patienten der Bedarf nach Blutpräparaten bei den über 70-jährigen. Dies wird für den Bereich der Maximalversorgung ei- ne Steigerung um etwa 15 Prozent bedeuten; in der Grund- und Regel- versorgung sogar um bis zu 35 Pro- zent. Dies betrifft nicht nur ältere Patienten, sondern auch Unfallop- fer und Patienten der Neonatologie.

Der Blutbedarf ist regional unterschiedlich

Diese Zahlen zeigen auf, dass für die Zukunft mit einer Gefährdung der Blutversorgung in Deutschland zu rechnen ist. Klüter erwähnte, dass diese Bedarfsschätzungen nicht für alle Regionen Deutschlands zutref- fen müssten. Anders als zum Bei- spiel der Südwesten Deutschlands könnte ein Stadtstaat wie Berlin mit einer höheren Zuzugsrate an jungen, also auch spendefähigen Menschen nicht so stark von Problemen der Bedarfsversorgung betroffen sein.

Dr. Cees van der Poel (Utrecht, Niederlande) berichtete über das Po- sitionspapier der Europäischen Blut- allianz (European Blood Alliance).

Foto: mauritius images

TRANSFUSIONSMEDIZIN UND IMMUNHÄMATOLOGIE

Ein Engpass an Blut ist absehbar

Der 31. Weltkongress für Bluttransfusionen in Berlin befasste sich mit der Bedarfs- steigerung an Blut und Blutprodukten infolge der Alterung der Bevölkerung und dementsprechend höheren Raten an transfusionsbedürftigen Erkrankungen.

15 000 Blutkon- serven täglich be- nötigen die deut- schen Kliniken.

Engpässe gibt es derzeit vor allem bei Null- und Rhesus-negativen Gruppen.

M E D I Z I N R E P O R T

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17. September 2010 A 1749 Die darin vertretenen Ansichten ent-

sprechen denen der Weltgesund- heitsorganisation, der Europäischen Union, des Europarats und der Inter- nationalen Gesellschaft für Blut- transfusionen. Diese Institutionen verfolgen in ihren gesundheitspoliti- schen Erklärungen, die sie in den Einzelstaaten durchsetzen müssen, das Ziel, die Sicherheit von Blut und Blutprodukten so weit wie möglich voranzutreiben – vor allem im Hin- blick auf das mensch liche Immun- schwächevirus (HIV) und Hepatiti- den. Zudem müsse die Spende von Blut und Blutprodukten freiwillig sein und ohne materielle Vergütung erfolgen (Aufwandsentschädigun- gen wie Fahrgeld oder Getränke sind davon ausgenommen).

Diese Ziele sind in der Mel- bourne-Deklaration vom Juni 2009 von Vertretern aus 40 Staaten und In- stitutionen formuliert worden (www.

who.int/worldblooddonorday/Mel bourneDeclarationWBDD09.pdf), ebenso wie die Forderung nach ei- nem Welttag der Blutspende.

Van der Poel wies in Berlin aller- dings darauf hin, dass sich diese Empfehlungen in manchen Regio- nen der Erde nicht durchsetzen lie- ßen. Zum Beispiel, weil es dort Tradition sei, dass Verwandte Blut spendeten oder man sich einen Fremdspender kaufe – unbeachtlich ihrer eventuellen Erkrankungen.

In Europa dagegen sei Blutspen- den freiwillig, unbezahlt und sicher.

Die rechtlichen Vorschriften zur Tes- tung einer Spende sowie die voll au- tomatisierte Prozessierung im Labor garantierten höchste Qualitätsstan- dards. Priv.-Doz. Dr. med. Michael Schmidt vom Institut für Transfusi- onsmedizin und Immunhämatolo- gie in Frankfurt am Main gab Zah- lenbeispiele zum Restinfek tions - risiko von Blutpräparaten: Ein Pa- tient habe heute ein um den Faktor 500 größeres Risiko, an den Folgen eines Verkehrsunfall zu sterben, als sich via Blutspende mit HIV zu infi- zieren. So lag das Restrisiko für HIV-1 vor 17 Jahren bei 1 : 1 Million, heute bei 1 : 4,3 Millionen, für He pati - tis-C-Viren damals bei 1 : 5 000 und heute bei 1 : 10,88 Millionen.

In Anbetracht der massiv gestie- genen Sicherheit von Blut und Blut-

produkten kommt der Eigenblut- spende nach Angaben von Schmidt heute keine besondere Bedeutung mehr zu; ihr Anteil mache nur noch zwei Prozent aus.

Eine Steigerung der Sicherheit von Blutprodukten verspricht der voll automatisierte direkte Virus- nachweis in Einzeltestung. Im Ge- folge anderer europäischer Staaten hat der Blutspendedienst München als erste transfusionsmedizinische Einrichtung in Deutschland auf das

„Individual Donor Testing“ umge- stellt, bei dem jede Blutspende in- dividuell und nicht im Pool auf HIV, HBV und HCV untersucht wird. Auf Basis der Multiplex- NAT-Technik (Nukleinsäure-Am- plifikationstechnik) kann das dia - gnostische Zeitfenster frischer In- fektionen verkürzt werden.

Stammzelltherapie nach Herzinfarkt ermutigend

Zu den Schwerpunktthemen des Weltkongresses zählte ebenfalls die Stammzelltherapie. Prof. Dr.

med. Torsten Tonn (Dresden) stellt Zweijahresergebnisse der klinischen Stammzellstudie „REPAIR-AMI“

(Reinfusion of Enriched Progenitor

Cells And Infarct Remodel ing in Acute Myocardial Infarction) vor, die in Zusammenarbeit mit 17 Zentren durchgeführt wurde. Sie behandelt die kontrovers diskutierte Frage nach der Möglichkeit einer Rege - neration eines geschädigten Herzge- webes nach Myokardinfarkt durch die in trakoronare Injektion von Kno - chenmark-Progenitorzellen (adulte Stammzellen) in die Infarktregion.

Von 204 Infarktpatienten hatten 101 adulte Stammzellen und 103 eine

Placeboflüssigkeit erhalten (Circu- lation: Heart Failure 2010; 3:

89–96). Vier Monate später hatte die linksventrikuläre Ejektionsfunk - tion (LVEF) in der Verumgruppe leicht zugenommen (absolute Ver- besserung +2,5 Pro zent). Allerdings profitierten die Patienten mit der schlechtesten Ausgangssituation am besten von der Therapie (Subgruppen - analyse große Infarkte: +5 Prozent).

Möglicherweise ist das myokar- diale Milieu direkt nach dem Herzin- farkt infolge von Reperfusionsschä- den, Inflammation und oxida tivem Stress ungünstig für das „Homing“

der Progenitorzellen. Ein therapeuti- scher Nutzen erscheint Tonn signifi- kant im Hinblick auf Endpunkte wie Tod, Reinfarkt und Reoperation. So hatte kein Patient der Verumgruppe einen Reinfarkt erlitten, in der Kon- trollgruppe aber sieben Patienten.

Entscheidend für die biologische Ak- tivität sei jedoch die Qualität der ein- gebrachten Stammzellpräparationen.

Im Jahr 2012 werden laut Europä - ischer Verordnung die Stammzellzu- bereitungen für die regenerative The- rapie als Arzneimittel betrachtet. Sie fallen dann unter die Zulassungs- pflicht und die Kontrollmechanismen

zu Sicherheit und Qualität durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA. Für die Übergangszeit warnt die Internationale Gesellschaft für Bluttransfusionen vor dem unkon- trollierten Einsatz von Stammzellprä- parationen außerhalb von kontrollier- ten, durch das Paul-Ehrlich-Institut zugelassenen klinischen Studien. Da- durch würden den Patienten bereits heute nicht haltbare therapeutische Versprechungen gemacht. ■

Dr. phil. Barbara Nickolaus

In vitro ausdiffe- renzierte CD133 Stammzellen mit teilweise endothe- lialem Charakter

Foto: Peter Mark, RTC Rostock

M E D I Z I N R E P O R T

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