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Archiv "Merkblatt Nr. 3: TOLLWUT: Verhütung und Bekämpfung, Ratschläge an Ärzte" (03.08.1978)

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Merkblatt Nr. 3 Ausgabe April 1978 D. Ä. V.

TOLLWUT

Verhütung und Bekämpfung Ratschläge an Ärzte

Herausgegeben vom Bundesgesundheitsamt*)

1. Wesen der Krankheit

Die Tollwut ist eine Zoonose. die in Mitteleuropa z. Z. vor allem bei Wildtieren auftritt. Sie kann auf Nutz- und Haustiere sowie auf den Menschen übertragen werden. Die Erkrankung führt beim Menschen in der Regel zum Tode.

2. Epizootiologie

Bis etwa 1940 wurde die Tollwut in Mitteleuropa vorwie- gend bei Haustieren (Hund. Katze) beobachtet: danach hat sie ihren epizootischen Charakter gewandelt und in erster Linie Wildtiere befallen (silvatische Tollwut). Unter diesen dominieren derzeit Fuchs (rund 80%) und Reh (rund 10%), der Rest verteilt sich auf Marder, Dachs und kleinere Raubtie- re: selten können auch Nagetiere befallen sein. Nach dem letzten Krieg hat sich die Tollwut von Osten nach Westen fortschreitend über ganz Mitteleuropa ausgebreitet.

Der Rotfuchs hat in der Bundesrepublik Deutschland die größte epizootologische Bedeutung er unterhält die Infektket- te bei den Wildtieren und stellt gleichzeitig das entscheidende Bindeglied zwischen Wild- und Haustiertollwut dar. Die An- passungsfähigkeit des Fuchses an die verschiedenen Lebens- räume, das Fehlen natürlicher Feinde. große Vermehrungsra- te und erheblicher Nahrungsspielraum (Aas, Abfälle und ve- getabile Kost werden nicht verschmäht) führen stellenweise zu starker Populationsdichte und zu häufigen Kontakten mit menschlichen Siedlungen. Dadurch werden Infektionsmög- lichkeiten zwischen Wild- und Haustieren hergestellt und be- sonders Hunde und Katzen, aber auch Weidevieh gefährdet.

Die Bekämpfung der Tollwut beim Fuchs ist schwierig.

Am erfolgreichsten war die planmäßige Verminderung der Populationsdichte durch verstärktes Bejagen sowie durch Be- gasen der Fuchsbaue.

3. Erreger und Übertragung

Neben dem als „Straßenvirus" bezeichneten Wildvirus gibt es das im Laboratorium durch ständige Passagen ver- mehrte, in seinem Verhalten veränderte „Virus fixe", das bei Versuchstieren im Regelfall eine stille Wut erzeugt. Nur Virus fixe wird zur Impfstoffherstellung verwendet. Die Wi- derstandsfähigkeit des Tollwutvirus gegenüber physikali- schen, chemischen und biologischen Einwirkungen ist in ei- weißhaltigem Milieu verhältnismäßig groß, so daß Kadaver

von an Tollwut verendeten Tieren u. U. längere Zeit Infektiös bleiben können. Dagegen tötet direkte Sonneneinstrahlung (UV-Strahlung) den Erreger ab.

Von der Eintrittspforte gelangt das Virus über die periphe- ren Nerven in das Zentralnervensystem. Von hier aus kommt es zur Infektion der Speicheldrüsen. so daß der Speichel infektiöses Virus enthält.

Die Empfänglichkeit des Menschen für Tollwut ist schwer zu beurteilen. Nicht alle von tollwütigen Tieren gebissenen und unbehandelt gebliebenen Personen erkranken. Das Erkrankungsrisiko ist aber deutlich abhängig von der Art.

dem Umfang und dem Ort der Bißverletzung.

Die Gefahr einer Ubertragung der Tollwut durch Berühren tollwutkranker Tiere oder Kadaver sowie durch mit infektiö- sem Speichel kontaminierte Gegenstände wie Futternäpfe.

Halsketten, Maulkörbe, Zaumzeug, Instrumente u. a. ist sehr gering. Voraussetzung sind auf jeden Fall Hautverletzungen.

Das Virus kann die intakte Haut nicht passieren, allerdings über die Schleimhäute auch ohne Verletzung eindringen.

Übertragungen von Mensch zu Mensch sind vorstellbar.

bisher aber noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen worden.

4. Tollwuterkrankung der Tiere

Die Tollwut verläuft bei Tieren akut und fast ausnahmslos tödlich. Tierartliche und individuelle Unterschiede der Emp- fänglichkeit sind bemerkenswert. Die Inkubationszeit ist sehr variabel und beträgt beim Hund 10-60. bei der Katze 14-30.

beim Rind 30-60, beim Pferd 60-150 und bei anderen Haus- tieren wie Schaf. Ziege und Schwein 14-30 Tage.

Die infolge von Veränderungen hauptsächlich des Zentra- len Nervensystems auftretenden klinischen Krankheitssym- ptome sind in ihrer Ausprägung variabel. Im Verlauf der 4-7 Tage dauernden Erkrankung treten je nach Tierart zunächst Änderungen des Verhaltens, Unruhe oder Teilnahmslosigkeit.

Zustände erhöhter oder verminderter Nervenerregung, Ag- gressivität oder Benommenheit und schließlich Lähmungen auf ; danach tritt der Tod ein. Viele Wildtiere verkriechen sich, andere verlieren die natürliche Scheu und suchen die Umge-

*) Das Merkblatt ist ausschließlich beim Deutschen Ärzte-Verlag GmbH, Dieselstr.

2, Postfach 40 04 40, 5000 Köln 40 (nicht beim Bundesgesundheitsamt), zu bezie- hen. — Das Originalmerkblatt enthält zusätzlich zu dem hier wiedergegebenen Textteil ein „Verzeichnis der Toliwutberatungs- und -impfstellen in der Bundesre- publik Deutschland einschließlich Berlin (West) und ein „Verzeichnis der Veteri- näruntersuchungsämter, die zur Tollwutdiagnostik beim Tier zur Verfügung ste- hen".

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 31 vom 3. August 1978 1791

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bung des Menschen auf: gerade diese Tiere machen einen hilfsbedürftigen Eindruck. reagieren dann aber bei Berührung häufig mit Beißen. Die Krankheitssymptome können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und sogar völlig fehlen. Die klinische Tollwutdiagnose am Tier ist deshalb sehr schwierig.

5. Erhebung der Anamnese und erste Maßnahmen

Die Tollwutfälle bei Tieren verteilen sich derzeit in der Bundesrepublik Deutschland zu 80°, auf Wildtiere und zu 202i. auf Haustiere. Unter diesen sind Rind und Katze häufiger als der Hund betroffen. Der Hund stellt aber wegen seines besonders engen Kontaktes zum Menschen die größte Gefahr dar. Die Mehrzahl der Tollwuterkrankungen bei Menschen geht auf Hundebisse zurück. Gefährdet durch tollwutkranke Rinder und andere Nutztiere sind vor allem die Landbevölke- rung sowie Tierärzte. Tierhändler, Schlachter und Angehörige anderer Berufe mit häufigem Tierkontakt: durch Wildtiertoll- wut sind insbesondere Waldarbeiter. Jäger, nicht selten aber auch Spaziergänger. spielende Kinder und Jugendliche ge- fährdet. die scheinbar zahme oder verletzte Rehe, Füchse usw. streicheln oder in Pflege nehmen.

Die vorgenannten Gesichtspunkte erlauben bereits eine gewisse Selektion bei Ansteckungsverdacht: dabei ist die re- gionale Tollwutsituation zu berücksichtigen. Die Erhebung der Vorgeschichte muß sich auf die Eruierung der Begleitumstän- de, z.B. Verhalten und Charakter des beißenden Tieres vor der vermeintlichen Erkrankung. vorangegangenes Necken oder Reizen des Tieres durch Kinder usw. erstrecken. ferner auf die Frage, ob das verdächtige Haustier in der freien Wild- bahn umhergestreift ist und in letzter Zeit Verletzungen erlit- ten hat. Der geimpfte Hund ist hinsichtlich der Gefahren. die von ihm ausgehen, dem ungeimpften gleichzustellen. sofern nicht durch Antikörperbestimmungen nachgewiesen wurde.

daß er tatsächlich gegen Tollwut immun ist. Schon bei der ersten Befragung soll danach gefahndet werden. ob noch andere Personen oder andere Tiere von dem Tier verletzt wurden und wo sich diese befinden. Es ist notwendig, ein Gesundheitszeugnis über das Tier anzufordern. Ergibt sich der Verdacht. daß das verletzende oder berührte Tier an Toll- wut erkrankt oder verendet ist, so ist dies gemäß Bun- des-Seuchengesetz dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden. Das tollwutverdächtige Tier darf nicht getötet. ein totes Tier nicht beseitigt werden. damit die Diagnose gestellt werden kann. Ein bereits begrabener Kada- ver muß exhumiert werden. Der Amtstierarzt entscheidet. wo das erkrankungsverdächtige Tier beobachtet oder der Kada- ver aufbewahrt werden soll und welche Untersuchungen vor- genommen werden müssen.

Das erkrankungsverdächtige Tier oder der Tierkadaver darf nur mit wasserundurchlässigen Handschuhen angefaßt werden. Alle Gegenstände wie Hundeleinen. Maulkörbe, Halsketten. Geschirr. Futternäpfe und -tröge usw. können mit dem Speichel des Tieres verunreinigt sein und müssen desin- fiziert werden.

Da für die Laboratoriumsdiagnose der Tollwut das guter- haltene Gehirn von entscheidender Bedeutung ist, dürfen ver- dächtige Tiere nicht durch Kopfschuß getötet werden. Das tote Tier oder dessen Kopf wird am besten in eine flüssigkeits- dichte Plastiktüte verpackt und nach Anweisung des Amtstier- arztes an eine Untersuchungsstelle (s. Anhang) überbracht oder eingesandt.

Im Laboratorium wird die Diagnose durch Fluoreszenzse- rologie, Tierversuch und histologische Untersuchung des Ge- hirns (Negri-Körperchen) gestellt.

Bleibt das tollwutverdächtige Tier (Hund oder Katze) unter amtstierärztlicher Aufsicht 10 Tage am Leben, ohne entspre- chende Symptome zu zeigen, so kann eine Tollwutübertra- gung ausgeschlossen werden.

6. Erste Hilfe bei Verletzungen durch tollwütige oder tollwut- verdächtige Tiere

Die sofortige und ausreichende Versorgung aller Biß- und Kratzwunden ist von größter Bedeutung. Ziel der Maßnahmen ist es, in die Wunde gelangtes Tollwutvirus auszuwaschen und zu zerstören. Die Wunden müssen deshalb unverzüglich mit viel Wasser und Seife gründlich gewaschen und ausge- spült werden. Zur Inaktivierung von evtl. in der Wunde verblie- benem Tollwutvirus haben sich 40-70 , 0iger Aethylalkohol oder 0,1°,,ige quarternäre Ammoniumbasen (z. B. Zephirol) bewährt. Da quarternäre Ammoniumbasen durch Seifen inak- tiviert werden. sind Seifenreste vor Anwendung dieser Mittel durch gründliches Spülen zu entfernen.

Die Wunde sollte möglichst nicht durch eine Wundnaht verschlossen werden. Wenn angezeigt (s. Tab.). muß Tollwut- Immunglobulin in und um die Wunde instilliert werden.

Eine Tetanusprophylaxe. deren Art sich nach dem Impfsta- tus der verletzten Person richtet. ist erforderlich. Zur Verhü- tung einer bakteriellen Wundinfektion sind gegebenenfalls Antibiotika angezeigt.

7. Tollwutschutzimpfung des Menschen a) Impfstoffe

Die Entwicklung von Zellkulturvakzinen verbesserte die Tollwutschutzimpfung des Menschen entscheidend. In der Bundesrepublik Deutschland stehen jetzt diese ..HDC-Tollwut- impfstoffe - zur Verfügung. sie sind wesentlich besser verträg- lich und wirksam als die bisher verwendeten Hirn- und Enten- embryovakzinen. Der HDC-Impfstoff ist bei der Tollwutimp- fung unbedingt vorzuziehen. Fur diesen Impfstoff wird Virus fixe in Kulturen diploider Zellen vom Menschen (human di- ploid cells = HDC) vermehrt. konzentriert und durch li-Pro- piolakton inaktiviert. Der Impfstoff wird in lyophilisierter Form abgegeben und ist gekühlt (bei 2° C bis 6° C) aufzubewahren.

Da HDC-Tollwutimpfstoffe noch nicht überall zur Verfügung stehen. werden nachfolgend andere noch gebräuchliche Vak- zinen genannt:

Impfstoff nach Semple

Virus aus Hirngewebe (Kaninchen. Schaf) phenolinaktiviert Impfstoff nach Hempt

Virushaltiges Hirngewebe. zur Reduzierung enzephalitoge- ner Substanzen mit Äther vorbehandelt und mit Phenol inakti- viert.

..Suckling mouse brain"-Impfstoff

Virus aus Hirngewebe bis zu 4 Tage alter Babymäuse. durch (3-Propiolakton oder UV-Licht inaktiviert.

Entenembryo-Impfstoff :

Virus aus Entenembryonen. durch (i-Propiolakton inaktiviert.

Hamsternierenzellkultur-Impfstoff :

Virus aus primären Hamsternierenzellkulturen. in der Regel nicht konzentriert. durch UV-Licht inaktiviert.

b) Postexpositionelle Tollwutschutzimpfung

Personen, die von einem tollwütigen oder tollwutverdäch- tigen Tier gebissen wurden, sollen möglichst bald nach erfolg- ter Exposition geimpft werden. Kontraindikationen gibt es bei der Tollwutschutzimpfung nicht, da diese aus vitaler Indika- tion erfolgt, denn die manifeste Erkrankung endet in der Regel tödlich. Trotzdem ist die Indikation wie bei allen anderen Schutzimpfungen präzise zu stellen. Nur bei hinreichendem Verdacht soll mit der Impfung begonnen werden. In Betracht gezogen werden müssen : die Art der Exposition. der Zustand des verletzenden Tieres. die örtliche Tollwutsituation. das Urteil des Tierarztes und evtl. vorliegende Ergebnisse von Laboratoriumsuntersuchungen. Das Expertenkomitee für

1792 Heft 31 vom 3. August 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Tollwut der Weltgesundheitsorganisation hat ein Indikations- schema erstellt (WHO Techn. Rep. Ser. Nr. 523 [1973]), das in Tab. 1 wiedergegeben wird. Das Indikationsschema wägt insbesondere zwischen dem Infektionsrisiko und dem Impfri- siko mit Hirn- bzw. Entenembryoimpfstoffen ab. Bei Verwen- dung von HDC-Impfstoffen kann man sich im Zweifelsfall leich- ter für die Impfung entscheiden.. Die postexpositionelle Imp- fung mit dem HDC-Tollwutimpfstoff erfordert 6 Injektionen an den Tagen 0, 3, 7. 14, 30 und 90. Bezüglich der Einzeldosis sind die Angaben des Herstellers zu beachten. Der Impfstoff soll intramuskulär injiziert werden: eine intradermale Appli- kation ist zu vermeiden, da sie zu unerwünschten Lokalreak- tionen führen kann.

Wurde bei Tollwut-Exponierten die Impfung mit anderen Impfstoffen begonnen, aber nicht zu Ende geführt (z. B. wäh- rend einer Auslandsreise), so empfiehlt sich ein Neubeginn mit einem HDC-Impfstoff nach dem oben genannten Schema.

Bei erneuter Exposition ist eine Auffrischimpfung mit einer Injektion notwendig, wenn seit der Grundimmunisierung weni- ger als ein Jahr vergangen ist. Andernfalls sind nach bisheri- gen Erfahrungen ein bis zwei Injektionen erforderlich (siehe auch Abschnitt 7 d).

Der Vollständigkeit halber werden nachfolgend Dosie- rungsempfehlungen für einige andere Impfstoffe angegeben, die teilweise im Ausland noch verwendet werden.

Impfstoff nach Semple:

tägl. je 1 Injektion an 14-21 aufeinanderfolgenden Tagen und 1-2 Booster-Injektionen.

Impfstoff nach Hempt:

tägl. je 1 Injektion an 5-6 aufeinanderfolgenden Tagen und 1 Booster-Injektion 4 Wochen nach der letzten Injektion.

..Suckling mouse brain"-Impfstoff:

täglich eine Injektion an den Tagen 0, 1, 2, 3. 4. 9, 13, 20.

90.

Entenembryo-Impfstoff :

tägl. 1 Injektion an 14 aufeinanderfolgenden Tagen und 3 Boo- ster-Injektionen 10, 20 und 90 Tage nach der letzten Impfung.

Hamsternierenzellkultur-Impfstoff :

tägl. 1 Injektion an 6 aufeinanderfolgenden Tagen und Boo- ster-Injektion 10, 20 und 90 Tage nach der letzten Impf- stoffgabe.

Bezüglich der Einzeldosis und dem Vorgehen bei gleichzeiti- ger passiver Immunisierung sind die Angaben des Herstellers zu beachten.

c) Passive Immunisierung

Bei allen Verletzungen durch Wildtiere oder sicher tollwü- tige Tiere und bei als besonders gefährlich geltenden Bißver- letzungen, d. h. bei multiplen Verletzungen sowie Gesichts-, Kopf-, Nacken- oder Fingerbissen, ist eine gleichzeitig mit der Impfung durchzuführende passive Immunisierung mit Tollwut-Immunglobulin erforderlich (s. Indikationsverzeichnis der WHO. Tab. 1). Hierbei ist, wenn verfügbar. Tollwut-Im- munglobulin vom Menschen zu bevorzugen. Bei Immunseren vom Tier sind deren Risiken (anaphylaktischer Schock, primä-•

re Allergie, Serumkrankheit, spätallergische Reaktion) zu be- rücksichtigen. So ist nach früheren Serumgaben und beste- henden Allergien zu fragen und in jedem Falle eine Ophthal- mo- oder besser eine Intrakutanprobe mit 1:10 verdünntem Serum durchzuführen. Die Möglichkeiten zur Schockbekämp- fung sollten vorhanden sein. Als Dosis werden 20 IE/kg Kör- pergewicht eines Immunglobulins vom Menschen mit 150 E pro ml (in der Regel Injektion von 10 ml) oder 40 IE/kg Körper- gewicht eines heterologen Immunserums empfohlen. Die Hälfte des Immunglobulins sollte möglichst um die Wunde instilliert, der Rest in eine andere Körperregion als der Toll- wutimpfstoff injiziert werden. Am selben Tag beginnt man mit der aktiven Immunisierung.

d) Präexpositionelle Tollwutschutzimpfung

Die neuen HDC-Impfstoffe erlauben es, präexpositionelle Impfungen in größerem Umfang als bisher durchzuführen.

Sie sind für Risikopersonen wie Personal in Tollwutlaboratori- en, Tierärzte, Jäger usw. zu empfehlen. Es werden drei Injek- tionen im Abstand von einem Monat verabfolgt. Ist ein rascher Aufbau der Immunität erforderlich, werden vier Injektionen an den Tagen 0, 3, 7 und 21 gegeben. 4 Wochen nach der letzten Injektion sollte eine Antiköperbestimmung erfolgen.

Das Serum sollte wenigstens 0,5 1E/m1 Tol Iwut-Antikörper ent- halten oder — falls eine Ermittlung der IE nicht möglich ist

— einen Serumtiter von wenigstens 1:16 aufweisen. Ein Jahr nach der Grundimmunisierung ist eine Auffrischinjektion er- forderlich, danach nur noch alle drei bis fünf Jahre.

Kommt es bei vorbeugend geimpften Personen zu einer Exposition, so ist nur eine Auffrischimpfung erforderlich, wenn seit der präexpositionellen Impfung weniger als ein Jahr vergangen ist. Liegt die prophylaktische Impfung länger zurück, so gibt man je nach zeitlichem Abstand zur letzten Impfung und Schwere der ExpoSition 2-3 Auffrischimpfungen im Abstand von 3-4 Tagen (z. B. an den Tagen 0, 3. 7). Tollwut- Immunglobulin soll in den genannten Fällen nicht gegeben werden.

e) Impfschäden

Die bisher in der Bundesrepublik Deutschland verwende- ten Hirn- bzw. Entenembryoimpfstoffe waren wegen ihres ho- hen Gehaltes an allergisierenden Substanzen durch eine Rei- he von Komplikationen belastet. Neben zum Teil schweren allergischen Reaktionen wurden immer wieder Schäden am Nervensystem wie Neuritiden. lumbale Myelitiden oder Me- ningoenzephalitiden beobachtet. Die Häufigkeit neuraler Schäden lag bei dem bis 1974 in der Bundesrepublik Deutsch- land verwendeten Hempt-Impfstoff bei etwa 1:2000. beim En- tenembryoimpfstoff war sie um etwa eine Zehnerpotenz nied- riger. Die jetzt verwendeten HDC-Tollwutimpfstoffe zeichnen sich durch gute Verträglichkeit aus. Selten werden entzünd- liche Reaktionen an der Impfstelle beobachtet: allenfalls kön- nen die regionären Lymphknoten reaktiv beteiligt sein. Tem- peraturerhöhungen bis 38° und vorübergehendes Abgeschla- genheitsgefühl treten selten auf. Die genannten leichten Impf- reaktionen klingen in den meisten Fällen nach 24 bis 48 Stun- den spontan ab und zwingen in der Regel nicht dazu. die Impfung zu unterbrechen. Falls erforderlich, können schmerz- stillende und sedierende Medikamente verordnet werden.

Wenn die Tollwutschutzimpfung von der obersten Gesund- heitsbehörde eines Bundeslandes öffentlich empfohlen und in deren Bereich vorgenommen worden ist, haben Geimpfte, die einen Impfschaden erleiden, einen Versorgungsanspruch nach §51 ff. BSeuchG. Bei Auftreten einer über das übliche Maß hinausgehenden Gesundheitsstörung sollte das zustän- dige Gesundheitsamt/Versorgungsamt benachrichtigt wer- den. Versorgung und Heilbehandlung müssen bei der für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörde beantragt werden.

f) Abstände zu anderen Schutzimpfungen

Abstände zu anderen Schutzimpfungen sind bei Verwen- dung des HDC-Impfstoffes nicht erforderlich, jedoch sind nach Tollwutexposition Schutzimpfungen möglichst zu unterlassen.

Bei einer Tollwutschutzimpfung mit Hirn- oder Entenem- bryoimpfstoffen sollten während der Behandlung und bis zu 6 Wochen nach der letzten Injektion mit Ausnahme der Teta- nusprophylaxe andere Schutzimpfungen nicht durchgeführt werden. Für Auskünfte in Sonderfällen stehen die im Anhang genannten Beratungsstellen zur Verfügung.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 31 vom 3. August 1978 1793

(4)

keine

Beginn der Impfung, Ab- bruch der Behandlung, wenn das Tier fünf Tage nach Exposition noch ge- sund ist') 3 )

a) tollwutverdächtig 2 ) II. Belecken der Haut;

Kratz- oder Schürfwun- den; geringfügige Bis- se an bedeckten Kör- perstellen wie Arme, Rumpf, Beine

b) tollwütig; Wildtier 4 ) bzw.

für die Diagnose . nicht verfügbar

Serumbehandlung u. Imp- fung

Zustand d. beißenden Tieres (unabhängig von dessen Impfstatus)

bei der Exposition während Beobachtungszeit von 10 Tagen') Art der Exposition

des Menschen Empfohlene Behandlung

I. Kontakt, aber keine Verletzung ; indirekter Kontakt; kein Kontakt

tollwütig

Beginn der Impfung; An- wendung von Serum bei positiver Diagnose u. Ver- vollständigung d. Impfung gesund

tollwütig

III. Belecken v. Schleim- häuten; große Bisse (mehrere o. in Gesicht, Kopf, Finger, Nacken, Hals)

tollwütiges oder tollwutver- dächtiges2 ) Haustier oder Wildtier 4 ) bzw. für die Dia- gnose nicht verfügbar

Serumbehandlung u. Imp- fung; Abbruch d. Behand- lung, wenn das Tier 5 Tage nach Exposition noch ge- sund ist') 3 )

Tabelle 1: Indikationen zur Tollwutschutzimpfung des Menschen

') Beobachtungszeit betrifft nur Hunde und Katzen

2) Alle unprovozierten Bisse in Endernlegebieten sollten als verdachtig angesehen werden, es sei denn. daß die Laboratoriumsbefunde negativ ausfallen (Gehirn FA)

') Oder wenn dessen Gehirn beim FA-Test negativ war

4) Gewohnlich erfordert die Exposition zu Nagetiecen oder Kaninchen nur selten, wenn überhaupt. eine spezifische Wutschutzbehandlung Diese ist nur notwendig.

wenn die Begleitumstände oder ein positiver Laboratoriumsbefund das Vorliegen von Tollwut eindeutig erbringen oder in hohem Grade wahrscheinlich machen

8. Tollwuterkrankung des Menschen

Die Inkubationszeit variiert stark, die meisten Fälle werden 1-3 Monate nach Exposition manifest. In seltenen Fällen, vor allem bei Bißverletzungen am oder in der Nähe des Kopfes kann die Inkubationszeit auf 10-14 Tage verkürzt sein. Aber auch sehr viel längere Inkubationszeiten sind beschrieben worden. Bei den in der Bundesrepublik Deutschland erkrank- ten Personen lagen die Inkubationszeiten zwischen 11 und 153 Tagen.

Gegen Ende der Inkubation treten wenig charakteristische Prodromalerscheinungen auf, die in Jucken, Brennen oder Schmerzen an der Verletzungsstelle, Störungen des All- gemeinbefindens usw. bestehen. Fieber ist nicht regelmäßig vorhanden. Schon bei Verdacht auf eine Tollwuterkrankung ist sofortige Krankenhauseinweisung erforderlich. Tritt der Tod nicht schon während des folgenden Exzitationsstadiums mit Hydrophobie, Schlingkrämpfen, Aerophobie, Photopho- bie, starkem Speichelfluß ein, so kann sich ein paralytisches Stadium mit finaler Atemlähmung ausbilden. Der tödliche Ausgang ist in der Regel nicht zu verhindern.

9. Vorsichtsmaßnahmen bei der Pflege tollwutkranker Patien- ten

Das medizinische Pflegepersonal sollte auf die Infektions- gefahr, die vom virushaltigen Speichel des Patienten ausgeht, aufmerksam gemacht werden. Es wird empfohlen, Schutzbril- le. Gesichtsmaske und Gummi handschuhe zu tragen.

10. Desinfektion

Wegen der Widerstandsfähigkeit des Tollwutvirus außer- halb des Körpers sind Desinfektionsmaßnahmen erforderlich.

Entsprechende Anordnungen treffen die landesrechtlich zu- ständigen Behörden.

Wenn möglich, sollten thermische Verfahren bevorzugt werden. Für die chemische Desinfektion eignen sich Mittel auf der Basis von Formaldehyd und anderen Aldehyden sowie Chloramin T und gleichwertige Verbindungen. Eine Zusam- menstellung gibt die Liste der vom Bundesgesundheitsamt geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfah- ren.

11. Meldepflicht

Jeder Fall einer Erkrankung, des Verdachtes einer Erkran- kung und des Todes an Tollwut. jede Verletzung eines Men- schen durch ein tollwutkrankes oder -verdächtiges Tier sowie die unmittelbare Berührung eines Menschen mit einem sol- chen Tier oder Tierkörper ist nach dem Bundes-Seuchenge- setz vom 18.7. 1961 (BGBl. I S. 1012) dem für den Aufenthalt des Betroffenen zuständigen Gesundheitsamt unverzüglich, spätestens innerhalb 24 Stunden nach erlangter Kenntnis zu melden.

Nachdruck. auch auszugsweise. nur mit Genehmigung des Deutschen Arzte-Verlages Postfach 400440 5000 Koln 40

Vorstehendes Merkblatt ist erhaltlich beim Deutschen Arzte-Verlag GmbH. Postfach 400440. 5000 Koln 40 Preis 1 Stuck 0.50 DM. 10 Stuck 3.75 DM. 50 Stuck 13.50 DM 100 Stuck 22 50. 1000 Stuck 150 — DM

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