• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Kooperation von Industrie und Medizin: Drittmitteleinwerbung – strafbare Dienstpflicht?" (24.10.2003)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Kooperation von Industrie und Medizin: Drittmitteleinwerbung – strafbare Dienstpflicht?" (24.10.2003)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

D

ie Frage, unter welchen Vorausset- zungen die Einwerbung von Dritt- mitteln durch die industrienah ko- operierende Medizin die Straftatbestän- de der Vorteilsannahme oder Vorteilsge- währung erfüllt, ist ebenso hochaktuell wie umstritten. Zahlreiche strafgericht- liche Entscheidungen sowie die hierzu ergangenen Stellungnah-

men verdeutlichen, dass der besonderen Situation der Drittmitteleinwerbung nicht allein durch Aus- legung der straf- und hoch- schulrechtlichen Normen hinreichend Rechnung ge- tragen werden kann.

I. Einführung in den Problemkreis

Im Jahre 1994 leitete die Staatsanwaltschaft Wup- pertal etliche Strafver- fahren gegen Verantwortli- che und Geschäftspartner dreier Medizinprodukte- hersteller ein. Die Unter- suchung beruhte zunächst auf dem Verdacht persön- licher Bereicherung von

circa 1 500 Ärzten und Mitarbeitern medizinischer Einrichtungen und 132 Unternehmensangehörigen. Die Un- tersuchungen wurden geführt unter dem Aspekt der Bestechlichkeit, der Vorteilsannahme, des Betruges, der Un- treue. Der Großteil der Verfahren wur- de aus Rechts- und Tatsachengründen1 oder wegen geringer Schuld ohne Geld- auflage2 eingestellt; 253 Einstellungen

erfolgten gegen Zahlung einer Geldauf- lage3, 90 Verfahren wurden durch Straf- befehl, 21 Verfahren durch Verurteilung beendet4. Die 1994 eingeleitete Welle von Ermittlungen hat sich zwischenzeit- lich über das gesamte Bundesgebiet ausgeweitet, viele sind noch nicht abge- schlossen.

Im Laufe der Zeit verlagerte sich der Schwerpunkt der Ermittlungen vom Verdacht der Eigennützigkeit auf die komplette Durchleuchtung der herge- brachten Formen der Kooperation zwi- schen Industrie und der (Hochschul-) Medizin. Daher verwundert es nicht, dass die Verunsicherung der mit dem Drittmittelwesen Befassten groß ist.

Welche Formen der Kooperation zuläs-

sig sind, welche die Grenze zum Straf- baren überschreiten, ist bis heute nicht verbindlich geklärt. Zwar wurden enorme Anstrengungen unternommen, Empfehlungen zum Umgang mit Dritt- mitteln zu erarbeiten5, in einigen Bun- desländern existieren zudem verbind- liche Drittmittelrichtlinien6. Darüber hinaus hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes mit Urteilen vom 23. Mai 2002 und 23. Oktober 20027 grundlegende Aussagen zur Interpretation der Be- stechungsdelikte getroffen.

Etliche, in den konkreten Fällen nicht entscheidungs- relevante Fragen sind aber weiterhin offen und um- stritten. Hinzu kommt, dass sich die Entscheidungen auf die Rechtslage vor dem am 13.August 1997 in Kraft getretenen Gesetz zur Bekämpfung der Korrup- tion8 beziehen. Diese Ge- setzesänderung war gerade auch durch den so genann- ten „Herzklappenskandal“

veranlasst und hat unter an- derem deutliche Verschär- fungen der Bestechungs- delikte mit sich gebracht. Die Hoffnung, der breit angelegten, auf dem Legali- tätsprinzip beruhenden Ermittlungs- tätigkeit der Staatsanwaltschaft seien damit höchstrichterliche Grenzen ge- setzt, kann sich daher als sehr trügerisch erweisen. Denn die industrienah koope- rierende Medizin bewegt sich mehr denn je in einem mit Korruptionsverdacht be- lasteten System.

Kooperation von Industrie und Medizin

Drittmitteleinwerbung – strafbare Dienstpflicht?

Die Verunsicherung der Betroffenen ist groß:

Welche Formen der Kooperation zulässig, welche (möglicherweise) strafbar sind, ist nicht sicher geklärt. Konsequenzen und Reformüberlegungen

THEMEN DER ZEIT

Drittmitteleinwerbung

Gefährliche Dienstpflicht

Brigitte Tag Jochen Tröger

(2)

II. Gesetzliche Grundlagen der Kooperation

Die Kooperation zwischen Industrie und medizinischen Einrichtungen erfolgt keineswegs nur aufgrund allgemeiner Nützlichkeitserwägungen. Zur Sicher- heit der Patienten bestehen vielfältige gesetzliche Verpflichtungen zur Zusam- menarbeit mit der Medizin. Medizinpro- dukte dürfen ohne vorherige Durch- führung spezieller Bewertungsverfahren zur Erlangung der CE-Kennzeichnung nicht in den Verkehr gebracht werden.

Die Produkteinführung setzt zwingend die Durchführung klinischer Studien voraus9, sodass die Herstellerfirmen not- wendigerweise auf eine Zusammenar- beit mit Ärzten und medizinischen Ein- richtungen angewiesen sind. Nach der Markteinführung sind Produktbeobach- tungen erforderlich, um Erfahrungen über Eignung und Nebenwirkungen zu sammeln sowie Anregungen über Ver- besserungen zu erhalten.10 Aber auch die Arzneimittelhersteller unterliegen gesetzlichen Vorgaben zur Kooperation mit medizinischen Einrichtungen. Das Arzneimittelgesetz11 normiert ausdrück- lich, dass die Produkte im Interesse der Sicherheit umfangreichen klinischen Tests zu unterziehen sind. Der hierdurch bedingte Wissens- und Technologie- transfer ist für die Industrie, für die me- dizinisch Tätigen und ebenso für die Pa- tienten, die sich von der hoch technisier- ten Medizin Hilfe in schwerer Lebensla- ge erhoffen, von grundlegender Bedeu- tung. Denn die medizinische Forschung ist ohne Anwendungsbezug nicht sinn- voll, sodass Ärzte und Forscher vonein- ander lernen müssen, was um- und ein- setzbar ist.12

Das Recht, mit Dritten Kooperations- vereinbarungen einzugehen, ist für an deutschen Hochschulen Forschende durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistet.

Das Hochschulrahmengesetz13und eini- ge Universitätsgesetze der Bundeslän- der konkretisieren dieses Recht und er- klären die Drittmittelforschung zur Dienstaufgabe der Hochschulmitglie- der14. Exemplarisch sei das Universitäts- gesetz des Landes Baden-Württemberg genannt, das den landeseigenen Univer- sitäten aufgibt, sich in geeigneter Weise um die Einwerbung von Mitteln Dritter zu bemühen und damit zur Finanzierung

ihrer Aufgaben in Forschung, Lehre, Stu- dium und Weiterbildung beizutragen.15 Die Verpflichtung zur Einwerbung von Drittmitteln zählt zur Dienstaufgabe der hauptberuflich tätigen Mitglieder der Universitäten, die sonstigen Mitglieder der Universität sind zur Einwerbung von Drittmitteln befugt.16

Darüber hinaus unterstreichen der Bundes- und die Landesgesetzgeber die Bedeutung der Drittmitteleinwerbung für den Hochschulbereich, indem sie als Leistungsindikator17, insbesondere im Rahmen der neuen Besoldungsord- nung18 und bei Berufungsverhandlun- gen19, zu den maßgeblichen Bewertungs- kriterien gekürt wurde. In den baden- württembergischen Strategien zur ganz- heitlichen Hochschulentwicklung wird die Einnahme von Forschungsdrittmit- teln als Prinzip der leistungsfördernden Finanzierung der Hochschulen explizit hervorgehoben.20

III. Strafbewehrung der Kooperation

Demgegenüber droht § 331 Abs. 1 StGB Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe an, wenn ein Amtsträger für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich ver- sprechen lässt oder annimmt. Spiegel- bildlich zu dieser Vorteilsannahme stellt

§ 333 Abs. 1 StGB die Vorteilsgewährung unter Strafe. §§ 332, 334 StGB regeln die Bestechlichkeit beziehungsweise ihre Kehrseite, die Bestechung.

1. Dienstausübung

Diese die Sachlichkeit der Amts- führung und die Lauterkeit des öffent- lichen Dienstes schützenden21Straftat- bestände wurden im Jahr 1997 ver- schärft, um Strafbarkeitslücken zu schließen. Nach alter Rechtslage war bei der Vorteilsannahme eine Vereinba- rung des Amtsträgers22mit einem Drit- ten darüber erforderlich, dass ein Vor- teil um einer bestimmten Diensthand- lung willen gewährt wurde oder werden sollte. Diese von Geber und Nehmer ge- schlossene Unrechtsvereinbarung, seit jeher zentraler Kern der Bestechungs- tatbestände, wurde zunehmend als

„normative Schwachstelle“ wahrge- nommen.23 Denn das vorausgesetzte

Äquivalenzverhältnis erforderte, dass die einvernehmlich ins Auge gefasste Diensthandlung nach ihrem sachlichen Gehalt zumindest in groben Umrissen erkennbar und festgelegt war.24Gelang der Nachweis nicht, war das Strafver- fahren mangels hinreichenden Tatver- dachts einzustellen oder der bereits An- geklagte vom Vorwurf der Vorteilsan- nahme freizusprechen.

Vorteilsgewährungen zur „allgemei- nen Klimapflege“ als „Dank für die gute Zusammenarbeit“ sowie das „An- füttern“ stellten zwar eine nicht uner- hebliche Gefahr für die Sachlichkeit der Amtsführung und ein Einfallstor für Korruption dar, waren aber aufgrund des engen Gesetzeswortlauts nicht strafbar.

Die Beweisprobleme, die sich zu- nächst im Rahmen der Strafverfolgung stellten, wurden durch das Korruptions- bekämpfungsgesetz 1997 deutlich mini- miert. § 331 Abs. 1 StGB25spricht heute allgemein von „Dienstausübung“ und erfasst nun auch Fälle, bei denen ein Äquivalenzverhältnis zwischen Vorteil und konkreter Diensthandlung nicht nachzuweisen ist. Zuwendungen, die er- folgen, um die Geneigtheit des Amtsträ- gers zu gewinnen, genügen den Anforde- rungen, wenn sie in dem Bewusstsein vorgenommen werden, dass jener hier- für irgendwelche dienstliche Tätigkeit26 vorgenommen hat oder vornehmen wer- de27. Voraussetzung ist, dass sie zu den amtlichen Obliegenheiten des Amtsträ- gers zählt und von ihm in dienstlicher Ei- genschaft vorgenommen wird.28

Damit ist der Kreis weit gezogen.29 Erfasst sind Tätigkeiten, die dem Amts- träger kraft Gesetzes, Dienstvereinba- rung, Arbeitsvertrag oder Berufungs- vereinbarung auferlegt30 werden. Es kann sich sowohl um die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben handeln wie um die Ausübung von Diensten der staatli- chen Daseinsvorsorge.31 Die hierzu zählende Krankenversorgung in einem mehrheitlich der öffentlichen Hand gehörenden Krankenhaus32zählt eben- so zur Dienstausübung der dort be- schäftigten Ärzte wie im Hochschulbe- reich die Durchführung von Forschung durch die Hochschulangehörigen. Bei Krankenhäusern, die mit Universitäts- kliniken kooperieren, sind Lehr- und Forschungstätigkeiten für die Chefärzte

(3)

und Oberärzte zumindest dann Teil der Dienstpflicht, wenn sie mit der Patien- tenversorgung in unmittelbarem Zu- sammenhang stehen. Aber auch Be- schaffungsentscheidungen, die der me- dizinischen Versorgung des Patienten dienen, die Teilnahme an Fortbildungs- veranstaltungen, Kongressen et cetera gehören für den Amtsträger zum wei- ten Bereich der Dienstausübung.33 Grundsätzlich nicht erfasst sind Privat- handlungen oder Nebentätigkeiten.34

2. Vorteil

Neben der Lockerung der Unrechtsver- einbarung wurden die Bestechungstat- bestände in einem weiteren Punkt er- gänzt. Die frühere Gesetzeslage, wonach

nur dem Amtsträger gewährte Vorteile strafrechtlich erfasst wurden, erwies sich vielfach als Einfallstor für Umgehungen.

Denn die Zuwendungen wurden an An- gehörige, Parteien, Verbände, Vereine gewährt und befriedigten in zum Teil abenteuerlichen Konstruktionen den Ei- gennutz des Amtsträgers. Zwar behalf sich die Praxis, indem sie den Begriff des Vorteils sehr weit auslegte. Darunter wurde jede Leistung verstanden, auf die der Amtsträger keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtli- che oder auch nur persönliche Lage ob- jektiv verbessert.35Selbst immaterielle36 und mittelbare Vorteile sollten den An- forderungen genügen, sodass die Befrie- digung des beruflichen Ehrgeizes oder

die Erhaltung oder Steigerung von Kar- rierechancen37lange Zeit als Vorteil im Sinne von §§ 331 ff. StGB galten. Neuer- dings hat der BGH38dieser extensiven Interpretation Grenzen gesetzt. Zu Recht fordert er bei Vorteilen immateri- eller Art zumindest einen objektiv mess- baren Inhalt, der den Amtsträger in ir- gendeiner Weise tatsächlich besser stellt.

Als Vorteil wird bereits der Abschluss eines Vertrages gewertet39, sodass auch in der Erteilung eines konkreten, vom Auftraggeber bezahlten Forschungsauf- trages ein Vorteil liegt40. Ob er dem For- scher, dem Institut, dem Land oder dem Patienten zugute kommt, ist nach heuti- ger Gesetzeslage von nachrangiger Be- deutung. Denn die Bestechungsdelikte

wurden 1997 explizit um den Drittvorteil erweitert. Selbst der Chefarzt, der sich ohne Privatliquidation und allein um sei- ner Dienstaufgabe willen, Patienten zu heilen, bereit erklärt, ein kostenlos zur Verfügung gestelltes Gerät zu testen, sieht sich häufig dem Vorwurf des Kor- ruptionsverdachts ausgesetzt. Da es praktisch keine Vorteilsgewährung gibt, die nicht mit irgendeinem Nutzen für je- manden verbunden ist, hat das Merkmal seine Grenzsetzungsfunktion weitge- hend verloren. Selbst wenn eine Hono- rierung von Nebentätigkeiten zur Be- wertung ansteht, gilt es zu beachten, dass ein Vorteil im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB gerade in der Übertragung von Nebentätigkeiten liegen kann, die dem

Amtsträger als Gegenleistung für Ent- scheidungen im Bereich der Dienstaus- übung gewährt werden.41

Betrachtet man die tatbestandlichen Erweiterungen der Unrechtsvereinba- rung und des Drittvorteils in einer Gesamtschau, so ergibt sich Folgendes:

Das Korruptionsbekämpfungsgesetz 1997 hatte das richtige und wichtige Ziel vor Augen, die Korruption einzudämmen.

Zwar wurden die Strafrechtsänderun- gen im Vorfeld intensiv und wohl abge- wogen diskutiert.42 In der praktischen Anwendung zeigte sich aber, dass sich das Spannungsfeld zwischen der Pflicht der Amtsträger, Drittmittel einzuwer- ben, und der Verpflichtung, für die Dienstausübung keinen Vorteil anzu- nehmen, zu fordern oder sich verspre- chen zu lassen, mehr und mehr intensi- vierte. Die staatlicherseits geforderten Dienstpflichten wurden quasi als Ne- benprodukt der Korruptionsbekämp- fung mit dem Makel des Strafbaren be- lastet. Denn Forschung an Hochschulen und nicht an ausschließlich privat ge- führten Kliniken ist Dienstausübung.

Drittmittel, die diese Forschung unter- stützen, kommen den Forschenden, den Mitarbeitern, der Hochschule oder Kli- nik, dem Land und nicht zuletzt den Pa- tienten zugute.

3. Unrechtsvereinbarung zwischen Vorteil und Dienstausübung

Über die Qualifizierung der Drittmittel- einwerbung als strafbare Vorteilsan- nahme entscheidet mithin letztlich die Unrechtsvereinbarung zwischen Geber und Nehmer. Zwar verzichten die §§ 331, 333 StGB seit 1997 auf die ausdrückliche Benennung des Gegenleistungsverhält- nisses „Vorteil – Dienstausübung“.43 Obgleich der Wortlaut eine andere In- terpretation zulassen würde, besteht aber zu Recht Einigkeit darüber, dass mit jetziger Wendung „für die Dienstaus- übung“ nicht die regelwidrige Tauschbe- ziehung als Tatbestandserfordernis auf- gegeben werden sollte.44

Im Rahmen dieser restriktiven Tat- bestandsinterpretation ist anerkannt, dass Zuwendungen, die lediglich als Mittel zur Durchführung der Dienst- ausübung gewährt werden, als Vorteil im Sinne der §§ 331 ff. StGB ausschei- den.45 Sie ermöglichen die Dienstaus- übung, sind aber nicht deren Gegenlei- Der Bundesgerichtshof hat 2002 grundlegende Aussagen zur Interpretation von Beste-

chungsdelikten getroffen. Etliche Fragen sind aber weiterhin offen und umstritten.

Foto:caro

(4)

stung. Der Grat zur Unrechtsvereinba- rung ist jedoch schmal. Werden Gelder dem Amtsträger zugewandt, um For- schung zu ermöglichen, liegt eine Un- rechtsvereinbarung vor, falls diese Zu- wendung aufgrund einer zuvor ergan- genen Bestellentscheidung erfolgte.

Dass der Vorteil die weitere Forschung ermöglicht, lässt das schon bestehende Äquivalenzverhältnis nicht rückwir- kend entfallen.46

4. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH)

Der nicht mehr im Tatbestand ausdrück- lich erwähnten Unrechtsvereinbarung ist damit die schwierige Aufgabe zuge- wiesen, strafbare Korruption und er- laubte Drittmitteleinwerbung voneinan- der abzugrenzen. Die Rechtsprechung und die Strafrechtswissenschaft haben hierzu zahlreiche Lösungsvorschläge er- arbeitet. Zu Recht hat der Erste Senat des BGH in seiner viel beachteten Dritt- mittelentscheidung vom 23. Mai 200247 den Wertungsgleichklang zwischen der Dienstaufgabe des Amtsträgers, Dritt- mittel einzuwerben, und dem Verbot der Vorteilsannahme bereits auf der Ebene des Tatbestandes angesiedelt. Werden Fördermittel von Produktlieferanten eingeworben, die dem sachlichen Gehalt nach Drittmittel sind und der Förderung von Forschung und Lehre dienen, und wurde zugleich die Offenlegung, die An- zeige der Mitteleinwerbung und ihre Genehmigung in dem hochschulrecht- lich dafür vorgesehenen Verfahren durchgeführt, ist der Tatbestand der Vor- teilsannahme nicht gegeben.

Damit hat der Erste Senat ein inhalt- liches und ein formales Kriterium ent- wickelt, um den strafrechtlichen Grau- bereich der Drittmitteleinwerbung auf- zuhellen. Liegen beide Kriterien kumu- lativ vor, ist die Drittmitteleinwerbung keine tatbestandsmäßige Vorteilsan- nahme. Mit dieser Restriktion hat der BGH zugleich deutlich gemacht, dass die Drittmitteleinwerbung nicht per se mit dem Stigma des Strafbaren belastet werden darf. Denn der Strafgesetzgeber normiert im Tatbestand der Vorteilsan- nahme nicht irgendwelche, einer Rechtsgutsverletzung unverdächtige oder gar ausdrücklich erwünschte Handlungen. Das sich aus der Delikts- umschreibung ergebende Verbot be-

schreibt vielmehr typisierte Verhaltens- weisen, die als qualifiziert unwerte und sozialschädliche aus der unüberschau- baren Vielzahl menschlicher Handlun- gen herausragen.48 Dem Straftatbe- stand kommt eine Grenzsetzungsfunk- tion zu, die dem Rechtsunterworfenen deutlich vor Augen geführt werden muss. Erst das Missachten dieser Schranken wird durch die jeweilige Strafbewehrung mit Strafe bedroht.

Mit der Tatbestandslösung hat der Bundesgerichtshof zugleich der so ge- nannten Rechtfertigungslösung eine Absage erteilt. § 331 Abs. 3 StGB sieht die Straflosigkeit des Vorteilsnehmers bei Genehmigung des Vorteilsverspre- chens oder der Vorteilsannahme vor. Die Rechtsnatur der Genehmigung ist um- stritten, wird jedoch überwiegend als Rechtfertigungsgrund bewertet.49 Die Bestimmung greift indes dann nicht, wenn die eingeworbenen Mittel gefor- dert worden sind.

Aber selbst wenn das Genehmigungs- erfordernis das „Fordern“ mit umfassen würde, hätte die Verortung der Drittmit- telproblematik auf der Rechtswidrig- keitsebene nicht hinnehmbare Konse- quenzen. Bereits die Feststellung des Tatbestandes enthält eine negative Vor- Wertung.50Diese hinzunehmen ist dem Amtsträger, der seiner Dienstpflicht ordnungsgemäß nachkommt, aber nicht zumutbar.51

IV. Konsequenzen der derzeitigen Rechtslage

Dieser Überblick über den Streitstand

„Drittmitteleinwerbung – Strafbare Dienstpflicht?“ verdeutlicht, dass trotz der Bemühungen der Rechtsprechung, den Tatbestand der Vorteilsannahme auf ein adäquates Maß zurückzuführen, die Gesamtthematik bei weitem noch nicht geklärt wurde. Das Strafrecht darf nicht etwas verbieten, was gesetzlich oder durch sonstiges Recht ausdrücklich er- laubt oder gar als Pflicht normiert wur- de. Das führt dazu, dass die drittmittelbe- zogene Normsetzung im Bund, in den Ländern und öffentlichen Einrichtun- gen für das Strafrecht begrenzend wirkt.

Die hiermit angesprochene Einheit der Rechtsordnung wirft aus strafrechtlicher Sicht schwerwiegende Fragen auf.

1. Ausfüllungsbedürftige Straftatbestände

Die von der Rechtsprechung herange- zogenen Drittmittelregelungen sind derzeit überwiegend im Recht der Bun- desländer verortet. Das Zusammen- wirken von Bundesstrafrecht mit den Regelungen der Länder hat zur Konse- quenz, dass die Regelungen über die Be- stechlichkeit mehr denn je zu Blankett- straftatbeständen werden. Die Straf- drohung kann inhaltlich ganz unter- schiedliche Ausprägungen annehmen, je nachdem, ob und wenn ja, wie die Drittmitteleinwerbung in den einzelnen Bundesländern geregelt ist. Da es kei- nen einheitlichen Regelungsgehalt die- ser Vorschriften gibt, ist die bundes- rechtliche Strafbestimmung in ihrem sachlichen Geltungsbereich länderbe- zogen zersplittert und zerrissen.

Durch die Verweisungstechnik wird zudem der Anwendungsbereich von Kernstrafrecht maßgeblich in die Hän- de der Landesgesetzgeber, der Hoch- schulen und Universitäten, Träger von Kliniken und sonstigen medizinischen Einrichtungen gelegt. Der Inhalt des Straftatbestandes der Vorteilsannahme ist dadurch dem ständigen Wandel durch außerstrafrechtliche Normset- zungsakte ausgesetzt. Der Bundesge- setzgeber kann hierauf nur in den Gren- zen seiner Kompetenz Einfluss nehmen.

Dies bedingt eine Abhängigkeit des strafrechtlich relevanten Verhaltens so- wohl von der Hochschulpolitik der ein- zelnen Bundesländer als auch den mehr oder weniger strengen regionalen Dritt- mittelrichtlinien und der jeweiligen Ver- waltungspraxis.52

2. Interlokales Strafrecht?

Ein weiteres Problemfeld entsteht mit Blick auf die mögliche Anwendung in- terlokalen Strafrechts. Denn die kon- kreten landesrechtlichen Bestimmun- gen berühren zunächst nicht die Ein- werbung von Drittmitteln in einem an- deren Bundesland. Denn die Strafbar- keit richtet sich nach dem am Tatort gel- tenden Recht. Tatort ist jeder Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder an dem der zum Tatbestand gehörende Er- folg eingetreten ist, § 9 Abs. 1 StGB. Be- sondere Schwierigkeiten ergeben sich, wenn der potenzielle Täter entspre- chend den Vorgaben seines Bundeslan-

(5)

des Drittmittel einwirbt, die Anfrage beim Drittmittelgeber jedoch innerhalb eines anderen Bundeslandes mit abwei- chenden Vorschriften entschieden wird.

Ergeben sich danach mehrere Tatorte in verschiedenen Bundesländern, so gilt das bei konkreter Betrachtung strenge- re Gesetz.53

Diese komplizierten Regelungen zei- gen, dass die Frage, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen die Drittmit- teleinwerbung strafbar ist, von dem juri- stischen Laien kaum noch beantwortet werden kann. Aber auch die Strafverfol- gungsbehörden und Strafverteidiger werden durch die länderbezogene Viel- falt der Drittmittelregelungen vor kaum lösbare Probleme gestellt.

3. Verunsicherung und Abwanderung Aufgrund der erheblichen Rechtsunsi- cherheit, die mit den nur zum Teil vor- handenen, inhaltlich zudem abwei- chenden landesrechtlichen Regelun- gen verbunden ist, besteht die deutli- che Gefahr einer kontraproduktiven Rechtszersplitterung. Um die Drittmit- telproblematik zu entschärfen, geht die Industrie dazu über, neue Kooperati- onswege zu beschreiten. So unterfällt die Kooperation mit rein privatrecht- lich geführten medizinischen Einrich- tungen nicht den weiten Straftatbe- ständen der Amtsdelikte, sondern den weitaus engeren Straftaten gegen den Wettbewerb.54 Eine für den Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland noch nachteiligere Reaktion ist die Ab- wanderung in benachbarte, drittmittel- freundliche Länder. Den Hochschulan- gehörigen und sonstigen Amtsträgern stehen weit weniger Möglichkeiten of- fen, dem Dilemma zu entrinnen.

4. Reformüberlegungen

Vor diesem Hintergrund erscheint ein Handeln des Bundesgesetzgebers un- ausweichlich. Eine Schwierigkeit liegt aber zunächst darin, der Kompetenz- verteilung zwischen Bund und Ländern gerecht zu werden. Die Kompetenz für ein Bundesgesetz kann sich zwar aus Art. 74 Nr. 13 GG (Förderung der wis- senschaftlichen Forschung) sowie aus Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG (allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens) er- geben. Die zulässige Regelungsdichte der Bundesnormen findet jedoch unter

mehrfachen Aspekten ihre Grenzen:

Die Grundsätze des Hochschulwesens obliegen der Rahmengesetzgebungs- kompetenz des Bundes, obgleich For- schung selbstverständlich gerade auch an Hochschulen stattfindet. Danach unterliegen diejenigen Fragen der Rah- menregelung, die für eine wirkungsvol- le Funktion und Aufgabenerfüllung der Hochschulen erforderlich sind, wobei insbesondere Art. 5 Abs. 3 GG zu be- achten ist.55 Darüber hinaus wird die Förderung der Lehre nicht von Art. 74 Nr. 13 GG erfasst. Um

die konkurrierende Ge- setzgebungszuständig- keit gemäß Art. 74 Nr.

13 GG und die Rah- menzuständigkeit nach Art. 75 Abs. 1 GG in der Balance zu halten, darf über den Weg der Forschungsförderung nicht in die Hochschul- strukturen eingegriffen werden, deren Rege- lung grundsätzlich den Bundesländern vorbe- halten ist.56 Diesbe- zügliche Detailregelun- gen dürfen damit nur im Ausnahmefall nach

Maßgabe von Art. 75 Abs. 2 GG zu einer bundeseinheitlichen Regelung führen.57

Damit stellt sich die Frage, ob im We- ge einer strafrechtlichen Lösung eine bundeseinheitliche Regelung geschaf- fen werden sollte. Die Bundeskompe- tenz hierzu ergibt sich aus Art. 74 Nr. 1 GG.58 Danach kann der Bund – ohne an die sonstigen Zuständigkeitsrege- lungen gebunden zu sein – Straftatbe- stände schaffen. Dieser Weg wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach gewählt. Bekanntes Beispiel hierzu ist das Embryonenschutzgesetz.59Es wur- de Ende 1990 als zum Nebenstrafrecht gehörend verabschiedet, nachdem auf der Ebene der Bundesländer kein Kon- sens über die zu regelnden Fragen der modernen Fortpflanzungsmedizin er- zielt werden konnte.60

Könnten damit die Zuständigkeits- fragen im Weg einer strafrechtlichen Lösung der Drittmittelproblematik entschärft werden, bleiben dennoch zahlreiche Probleme. Hierzu sind eini-

ge Lösungsvorschläge bereits in die Diskussion eingebracht. So zum Bei- spiel, dass der neutrale Begriff des

„Vorteils“ durch das Attribut des Un- lauteren präzisiert61, die Unrechtsver- einbarung explizit genannt oder auch eine Forscherklausel62 aufgenommen werden sollte. Von nicht unerheblicher Bedeutung ist zudem die Frage, ob al- lein der formelle Verstoß gegen Ein- werbungsvorschriften geeignet ist, eine Gefahr für die Lauterkeit des öffent- lichen Dienstes zu begründen. Der Bundesgerichtshof sah im Fall des Heidel- berger Herzspeziali- sten allein aufgrund des formellen Versto- ßes gegen die Drittmit- telvorgaben zwar den Tatbestand der Vorteil- sannahme erfüllt, gab jedoch zu bedenken, dass das verwirklichte Unrecht am unteren Rand des überhaupt Strafwürdigen liege.63 In derartigen Fällen bloßen Verwaltungsun- rechts ist intensiv über eine Entkriminalisie- rung der Drittmittel- einwerbung nachzudenken. Ob von solchen Änderungen ein falsches Si- gnal ausgehen könnte64, muss sorgfältig diskutiert, Chancen und Risiken müs- sen gegeneinander abgewogen werden.

Andererseits wird der Rechtsgüter- schutz nicht nur durch das Strafrecht verwirklicht. Vielmehr sollte hierzu das gesamte Instrumentarium der Rechts- ordnung beitragen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 2776–2780 [Heft 43]

Die hochgestellten Zahlen beziehen sich auf das Anmer- kungsverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit4303 abrufbar ist.

Anschriften der Verfasser:

Prof. Dr. iur. utr. Brigitte Tag

Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht, Univer- sität Zürich, Freiestrasse 15, CH-8032 Zürich

Prof. Dr. med. Jochen Tröger

Ärztlicher Direktor, Pädiatrische Radiologie der Univer- sität Heidelberg; Prorektor für Forschung und Struktur der Medizinischen Fakultäten, Ruprecht-Karls-Univer- sität Heidelberg, Grabengasse 1, 69117 Heidelberg

Drittmitteleinwerbung–

strafbare Dienstpflicht?

Ein am 14. und 15. November 2003 in Heidelberg stattfindendes Symposium

„Drittmitteleinwerbung – strafbare Dienstpflicht?“ soll die zur Diskussion stehenden Lösungswege ausloten.

Ziel des Symposiums ist es, dem Ge- setzgeber einen Vorschlag zu unter- breiten, um der zurzeit mit zahlreichen Fallstricken überzogenen Dienstpflicht der Drittmitteleinwerbung klare Kon- turen zu geben. Ein Kurzprogramm so- wie Hinweise zur Anmeldung findet man in Heft 37/2003 am Schluss der Bekanntgaben und unter www.dritt mitteleinwerbung.de.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Minister Seehofer, führt Lang weiter aus, habe seit 1995, als die Ein- führung der ICD-10 erstmals breit und kontrovers diskutiert worden sei, immer wieder betont, eine Ein- führung

Auszüge aus dem Bundesgerichtshof-Urteil zum Rettungsdienst (BGH, 22. Rettungsdienst und Notarztdienst sind in der Weise einander zugeordnet, daß der Notarztdienst einen

Die ärztliche Selbstverwaltung muß deshalb darauf achten, daß sich die Bemühungen zur Qualitätssiche- rung nicht ausschließlich darauf rich- ten, ob ökonomische Größen oder

Mit der pH-Messung werden nur massive bakterielle Störungen der Vaginalflora erfasst (bakterielle Vagino- se/Aminvaginose), aber viel häufiger beteiligt an der Frühgeburt sind

Die Strafbarkeit ist auch dann gege- ben, wenn der Vorteil nicht für sich selbst, sondern auch für Dritte verlangt oder angenom- men wird.. Strafbewehrt ist, dass sich der

Es fragt sich aber, ob und wieweit eine sol- che Ausarbeitung für den Kliniker - und in abgwandelter Form dann wohl auch für den niedergelasse- nen Arzt - in

— In einer vergleichbaren Situation befinden wir uns übri- gens bei der Frage nach der Dienst- oder Berufsfähigkeit, auch etwa von Ärzten, auf die hier nicht näher

Bei inhaltlichen Fragen wenden Sie sich bitte an: Bundesärzte- kammer, Dezernat I, Herbert-Lewin-Straße 1, 50931 Köln, Tele- fon: 02 21/40 04-4 15 (Margret Del Bove), Fax: 02 21/40