P O L I T I K
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A2120 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3315. August 2003
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m 1. Juni 2002 trat das Freizügig- keitsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) in Kraft. Es gewährt ange- stellten und selbstständig tätigen Ärz- tinnen und Ärzten aus den EU-Mit- gliedstaaten das Recht, in der Schweiz ihren Beruf auszuüben. Personen, die nicht erwerbstätig sind, dürfen sich ebenfalls frei niederlassen, sofern sie über genügend finanzielle Mittel verfü- gen, um dem Schweizer Staat nicht zur Last zu fallen.Die Regelungen: Angestellte Ärzte, die ein Arbeitsverhältnis von höchstens drei Monaten eingehen, benötigen kei- ne Aufenthaltserlaubnis. Ärzte im Angestelltenverhältnis mit einem Arbeitsvertrag von bis zu einem Jahr erhalten eine Aufenthaltserlaubnis mit der entsprechenden Dauer des Arbeitsverhältnisses. Ärzte, die einen Arbeitsvertrag von mehr als einem Jahr abgeschlossen haben, erhalten eine mindestens fünf Jahre gültige Aufent- haltserlaubnis. Selbstständige erhalten eine Aufenthaltserlaubnis von minde- stens fünf Jahren, wenn sie nachweisen, dass sie zum Zweck der selbstständigen Erwerbstätigkeit niedergelassen sind oder sich niederlassen wollen.
Gebot der
Gleichbehandlung
Kernbestimmung des Freizügigkeitsab- kommens ist das Gleichbehandlungs- gebot von Angehörigen der EU-Mit- gliedstaaten und Schweizern. Dieses umfasst unter anderem die Entlohnung, Kündigung und gegebenenfalls die be- rufliche Wiedereingliederung bei Ar-
beitslosigkeit. Auch selbstständig tätige Ärzte müssen, was Aufnahme und Aus- übung ihres Berufes betrifft, wie Inlän- der behandelt werden.
Für eine Übergangszeit hat sich die Schweiz Beschränkungen der Freizü- gigkeit vorbehalten: In
den ersten fünf Jahren sind jährliche Höchst- zahlen von Aufent- haltsbewilligungen vorgesehen. Für Aufenthalte von drei Monaten bis zu einem Jahr be- trägt diese Zahl
115 500,
für Aufenthalte
von mehr als einem Jahr
15 000 Bewilligungen. In den ersten zwei Jahren gilt zudem für neu zuwan- dernde Personen der Inländervorrang.
Diese Beschränkungen sollen allmäh- lich gelockert werden, bis nach zwölf Jahren der freie Personenverkehr ver- wirklicht ist.
Um die Ausübung einer Erwerbs- tätigkeit zu gewährleisten, werden die EG-Richtlinien zur gegenseitigen An- erkennung von beruflichen Befähi- gungsnachweisen zugrunde gelegt. Für Ärzte gilt in diesem Zusammenhang
die Richtlinie 93/16/EWG vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freizügig- keit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungs- zeugnisse und sonstigen Befähigungs- nachweise in der Fassung vom 2. Juni 1999. Danach wird zwischen Facharzt- richtungen unterschieden, die in allen Mitgliedstaaten anerkannt sind (etwa Chirurgie oder Innere Medizin) und Facharztgebieten, die nur in zwei oder mehr Mitgliedstaaten anerkannt sind (zum Beispiel Kardiologie oder Rheu- matologie). Besitzt ein Facharzt ein Di- plom der zweiten Gruppe, darf er nur in den EU-Staaten arbeiten, die dieses Fachdiplom ebenfalls anerkennen.*
Verbot neuer Beschränkungen
Da das Freizügigkeitsabkommen die Einführung neuer Beschränkungen des freien Personenverkehrs für Angehörige der EU-Mit- gliedstaaten verbietet, ist der vom schweizerischen Bundes- rat eingeführte Kassenzulas- sungsstopp für Ärzte zumindest für EU-Bürger rechtswidrig.
Was den Erwerb von Immobi- lien betrifft, unterscheidet das Freizügigkeitsabkommen, ob der Betroffene ein Aufenthaltsrecht besitzt oder nicht. EU-Bürger, die ein Aufenthaltsrecht und den Hauptwohnsitz in der Schweiz haben, genießen beim Immobilienerwerb die gleichen Rechte wie Inländer. EU-Bür- ger mit Aufenthaltsrecht, aber ohne Hauptwohnsitz in der Schweiz dürfen Immobilien für die Ausübung ihrer be- ruflichen Tätigkeit erwerben. Weil das Freizügigkeitsabkommen als Voraus- setzung für den Immobilienerwerb so- wohl die EU-Staatsangehörigkeit als auch den Hauptwohnsitz in der Schweiz vorsieht, in Deutschland hingegen der Immobilienerwerb keiner Beschrän- ung unterliegt, vertreten Juristen die Auffassung, dass diese Regelung eine versteckte Diskriminierung im Sinne des Gemeinschaftsrechts darstellt.
Dr. iur. Udo Adrian Essers Zürichstraße 135 CH-8700 Küsnacht/ZH
E-Mail: essers.udo.adrian@telesonique.net
Freizügigkeitsabkommen
Schweiz für EU-Bürger geöffnet
Seit einem Jahr können Ärztinnen und Ärzte aus den Mit- gliedstaaten der Europäischen Union relativ uneingeschränkt in der Schweiz arbeiten. Die wichtigsten Regelungen
*Kontaktadressen, die über die Anerkennung von Diplo- men informieren, sind auf der Homepage der Bundesärz- tekammer unter www.baek.de abrufbar.