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A Wellen der Inflation

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Academic year: 2022

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b r e n n p u n k t

16 Physik Journal 13 (2014) Nr. 5 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

A

m 17. März 2014 hat die BI- CEP2-Kollaboration eine der mutmaßlich bedeutendsten Entde- ckungen der Kosmologie bekannt gegeben: die erstmalige Messung einer B-polarisierten Komponente der kosmischen Mikrowellenstrah- lung auf Winkelskalen von einigen Grad [1]. Ursache dafür könnten – so die plausible Interpretation – Gravitationswellen aus der kosmo- logischen Inflationsphase sein. Dies wäre der erste Hinweis auf ein Phä- nomen der Quantengravitation und eine Messung der Energieskala kos- mologischer Inflation von 1016 GeV, die mit der Skala großer vereinheit- lichter Theorien übereinstimmt.

Sollten andere Experimente dieses Resultat bestätigen, wäre diese Ent- deckung von fundamentaler Bedeu- tung für die gesamte Physik.

1965 entdeckten Arno Penzias und Robert Wilson den kos- mischen Mikrowellenhintergrund, also die Reststrahlung des heißen Plasmas, das nach Entstehung der ersten Atome zu einem durch- sichtigen Gas wurde. 1992 wies die COBE-Mission der NASA Temperaturfluktuationen in der kosmischen Mikrowellenstrahlung nach. Vor kurzem ermöglichten es Ergebnisse der ESA-Mission Planck, diese Fluktuationen mit höchster Genauigkeit zu vermessen [2]. Die Hintergrundstrahlung ist thermischen Ursprungs und wäre ohne Temperaturfluktuationen völlig unpolarisiert, obwohl der Wirkungsquerschnitt für die letzte Streuung der Photonen an freien

Elektronen, kurz bevor diese in Atomen gebunden werden, von der Polarisation abhängt (Thomson- Streuung). Aufgrund der Fluktua- tionen der Temperatur und damit der räumlichen Intensität ver- schwindet das über alle Richtungen gemittelte polarisationsabhängige Signal aber nicht mehr, sodass eine kleine räumlich variierende lineare Polarisation der Mikrowellenstrah- lung auftritt.

Polarisation entsteht also durch die von Dichteschwankungen des Plasmas erzeugten Temperaturfluk- tuationen. Um einen heißen Punkt bildet sich ein Polarisationsmuster, das tangential an konzentrische Kreise um diesen Punkt ist, wäh- rend die Polarisation um einen kalten Punkt radial ausgerichtet ist (Abb. 1a). Sowohl radiale als auch tangentiale Orientierungen sind invariant unter Spiegelungen. In Analogie zu den Eigenschaften des elektrischen Feldes unter Punkt- spiegelungen spricht man hier von E-Moden. Das DASI-Experiment

hat es 2002 erstmals erlaubt, die E-Polarisation zu messen [3]. An- dere Experimente bestätigten das Ergebnis später. Durch die Ablen- kung der Mikrowellenphotonen im Schwere feld von Dichteschwan- kungen im Universum wandelt sich ein Teil der E-Moden in B-Moden um, die antisymmetrisch unter Punktspiegelungen sind. Dieser Effekt ist bei kleinen Winkelskalen unter einem Grad am stärksten aus- geprägt, was kürzlich Messungen vom South Pole Telescope [4] und von POLARBEAR [5] bestätigen konnten (durchgezogene rote Linie bei hohen Multipolen in Abb. 2). Das BICEP2-Experiment hat nun B- Polarisation auf deutlich größeren Winkelskalen entdeckt (Abb. 1b und gestrichelte Linie bei niedrigeren Multipolen in Abb. 2), die eine ande- re Ursache haben muss [1].

Mehrere US-amerikanische Uni- versitäten betreiben das BICEP2- Experiment (Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polariza- tion) am Südpol, der aufgrund der

Wellen der Inflation

Das BICEP2-Teleskop am Südpol findet erste Hinweise auf Quantengravitation und eine neue Energieskala.

Abb. 1 Das BICEP2-Teleskop hat sowohl die E- als auch die deutlich schwächere B-Mode der kosmischen Mikrowellen- Hintergrundstrahlung beobachtet. Das Polarisationsmuster der E-Mode ist sym-

metrisch unter Punktspiegelungen, das Muster der B-Mode antisymmetrisch (dargestellt durch die Orientierung und Länge der schwarzen Striche).

E-Mode

–65 –60 –55 –50

Deklination in Grad

B-Mode

–50 0

50 –65 –60 –55 –50

–1,8 0 1,8

–0,3 0 0,3

µKµK

Deklination in Grad

Rektaszension in Grad

–50 0

50 a

b

BICEP2-Kollaboration

Sonnenuntergang am Südpol, mit dem BICEP2- Teleskop im Vor- dergrund und dem South Pole Telescope im Hintergrund.

Steffen Richter, Harvard Univ.

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b r e n n p u n k t

© 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 13 (2014) Nr. 5 1

Prof. Dr. Dominik Schwarz, Fakultät für Physik, Universität Bielefeld, Postfach 100131, 33501 Biele- feld

extrem geringen Luftfeuchtigkeit ein hervorragender Ort ist, um kos- mische Mikrowellenstrahlung zu untersuchen []. BICEP2 benutzt ei- nen mit Helium gekühlten Refrak- tor mit einer Winkelauflösung von einem halben Grad. Das Teleskop lässt sich nicht nur in Elevation und Azimut bewegen, sondern auch um die eigene Achse drehen. Das ermöglicht es, Polarisationsmes- sungen systematisch zu kontrollie- ren. Das Teleskop beobachtet den Mikrowellenhimmel bei einer ein- zigen Frequenz von 150 GHz (nahe dem Maximum der kosmischen Mikrowellenstrahlung) mithilfe von 256 Antennenfeldern (Pixeln).

Über drei Jahre lang untersuchte BICEP2 ab 2010 ein 0 Quadrat- grad großes Gebiet. Dieses „süd- galaktische Loch“ eignet sich gut, da es im Vordergrund nur mit be- sonders wenig galaktischem Staub

„kontaminiert“ ist. Dadurch entfällt eine aufwändige Rekonstruktion des kosmischen Signals, wie sie beispielsweise bei Planck für den gesamten Himmel notwendig war.

Aus den Messun gen wurden Karten der E- und B-Moden erstellt (Abb. 1) und einer Reihe systematischer Tests unterzogen. Schließlich ließ sich die Stärke einer möglichen Vordergrundkontamination aus Modellen abschätzen. Kreuzkor- relationen mit alten Daten des BI- CEP1-Experiments, das mit seinen Detektoren nur obere Schranken gemessen hatte, erlauben es, den spektralen Index abzuschätzen.

Da dieser mit der Annahme eines Schwarzkörperspektrums konsis- tent ist, lässt sich ausschließen, dass das Signal primär von galaktischem Staub oder Synchrotronstrahlung stammt. Im Leistungsspektrum der B-Moden zeigt die durchge- zogene rote Linie das Signal, bei dem die Lichtablenkung verant- wortlich war für die Umwandlung von E- in B-Polarisation (Abb. 2).

Der Überschuss gegenüber der durchgezogenen roten Linie ist ein 5,9 σ-Effekt, wenn galaktischer Vor- dergrund zugelassen ist.

Dem Standardmodell der Kos- mologie zufolge ist unser Univer- sum in einer Phase exponentiellen Wachstums – der kosmologischen

Inflation – entstanden. Aus der Un- tersuchung der Temperaturfluktu- ationen der Mikrowellenstrahlung wissen wir, dass das Universum kei- ne räumliche Krümmung aufweist, dass diese Fluktuationen kohärent in ihrer Phase sind, ein nahezu ska- leninvariantes Spektrum besitzen und normalverteilt sind. All dies steht im Einklang mit Voraussagen von Inflationsmodellen.

Eine weitere Voraussage passt sehr gut mit der Entdeckung von BICEP2 zusammen. Alexei Staro- binskii, einer der Väter der Idee der kosmologischen Inflation, hatte 1979 erkannt, dass eine solche Phase exponentieller Ausdehnung Quantenfluktuationen der Raum- Zeit, im Speziellen auch Gravi- tationswellen, mit Wellenlängen größer als dem Hubble-Radius einfriert []. Nach dem Ende der Inflation wachsen die Wellenlängen dieser Moden langsamer als der Hubble-Radius, sodass diese später als klassische Gravitationswellen durch das Universum laufen. Somit entstehen in der kosmologischen Inflation aus Quantenfluktuati- onen Gravitationswellen. Deren Leistungsspektrum ist ein direktes Maß für die Energiedichte des Uni- versums bei deren Entstehung.

Gravitationswellen, die per se Quadrupolanisotropie hervorrufen, können eine beliebig ausgerichte- te lineare Polarisation und damit ein beliebiges Polarisationsmuster erzeugen – also sowohl die spiegel- symmetrischen E-Moden als auch die unter Spiegelung antisymmetri- schen B-Moden []. Vektormoden (z. B. Rotation) könnten ebenfalls zu B-Moden führen, diese sind im Rahmen kosmologischer Inflation aber nicht möglich.

B-Moden sind also ein Hinweis auf die Existenz von Gravitations- wellen, die während einer Phase kosmologischer Inflation im frü- hesten Universum entstehen. Darü- ber hinaus stimmt die Messung gut mit dem Quantenursprung dieser Gravitationswellen überein und legt die Energieskala der kosmolo- gischen Inflation auf die Skala der bislang spekulativen großen v erein- heitlichten Theorien fest, nämlich 1016 GeV.

BICEP2 POLARBEAR 102

101 100 10–1

10–3 10–2

Leistungsspektrum in µK2

102

101 103

Multipol

POLARBEAR

Abb. 2 Im Leistungsspektrum zur Charakterisierung der B-Mo- de ist ein Signal zu erwarten, das auf Gravitationswellen aus der Inflationsphase des Universums zurückzuführen ist (gestri- chelte rote Linie). Dies hat BICEP2 nun bestätigt. Das POLAR- BEAR-Experiment hatte zuvor ein Signal bei kleineren Winkel- skalen (höhere Multipole) beobachtet, dessen Ursache die Ablenkung der Mikrowellenphotonen im Schwerefeld von Dichteschwankungen ist (durchgezogene rote Linie). Frühere Experimente konnten nur obere Schranken angeben (bunte Symbole).

Nun ist es wichtig, diese Beo- bachtung mit einem anderen Expe- riment, bei einer anderen Frequenz und in einem anderen Gebiet am Himmel zu bestätigen. Zur Jagd tre- ten verschiedene Experimente an, nämlich ABS, ACTPol, EBEX, PO- LARBEAR, Spider, das South Pole Telescope und nicht zuletzt Planck.

Sollten sich die Behauptungen von BICEP2 bestätigen, so wurden wir im März zu Zeitzeugen einer revolutionären Entdeckung – des ersten Hinweises auf einen Aspekt von Quantengravitation. Dies wäre ähnlich bedeutend wie der photo- elektrische Effekt, mit dem zum ersten Mal ein Quanteneffekt von Licht nachgewiesen wurde.

Dominik Schwarz [1] BICEP2 Collaboration, arXiv:140.95

(2014)

[2] D. Schwarz, Physik Journal, Mai 201, S. 1

[] J. M. Kovac et al., Nature 420, 772 (2002)

[4] D. Hanson et al., Phys. Rev. Lett. 111, 14101 (201)

[5] POLARBEAR Collaboration, arXiv:140.269 (2014)

[6] BICEP2 Collaboration, arXiv:140.402 (2014)

[7] A. A. Starobinskii, JETP Letters 30, 62 (1979)

[] A. G. Polnarev, Sov. Astron. 29, 607 (195)

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