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Langer, Lorenz (2019): Wie sollen Richterinnen und Richter (aus-)gewählt werden? Gastkommentar. Lie-Zeit Nr. 75, Mai 2019.

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04/2019

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omentan läuft die vier- te Evaluation Liechten- steins im Rahmen der Staatengruppe gegen Korrupti- on, kurz GRECO. Liechtenstein trat der GRECO, einer Organi- sation des Europarats, erst 2010 bei. Andere Staaten haben diese Evaluationsrunde, die der Präven- tion von Korruption bei Mitglie- dern von Parlamenten, Gerichten und Staatsanwaltschaften gewid- met ist, bereits abgeschlossen. Im gerichtlichen Bereich richtet die Evaluation besonderes Augen- merk auf die Art und Weise, wie und durch wen Richterinnen und Richter gewählt bzw. ernannt wer- den, ob dies für eine fi xe Amts- dauer geschieht und ob ggf. eine Wiederwahl möglich ist.

Die Ausgestaltung der Richter- selektion, aber auch die substan- tiellen Anforderungen an Richte- rinnen und Richter divergieren von Land zu Land stark. Dabei können persönliche, fachliche und po- litische Kriterien unterschieden werden. Persönliche Qualitäten beschreibt bereits das Alte Tes- tament, wenn Moses «tüchtige, gottesfürchtige und zuverlässi- ge Männer» zu Richtern ernennt,

«die keiner Bestechung zugäng- lich sind». Im Vordergrund der gesetzlichen Regelungen stehen aber inzwischen die fachlichen Qualifi kationen, wie beispielswei- se Studienabschlüsse, Vorberei- tungsdienst, Anwaltspatent und Praxiserfahrung. Politische Attri- bute schliesslich können positi-

ver oder negativer Natur sein: Die Mitgliedschaft in einer Partei ist in den einen Staaten mit dem Rich- teramt unvereinbar, während sie in anderen Ländern für die Karri- ere in der Justiz unerlässlich ist.

Die ganze Bandbreite dieses Spektrums fi ndet sich auch bei Staaten, in denen ansonsten sehr ähnliche Vorstellungen über Rechtsstaatlichkeit und richter- liche Unabhängigkeit herrschen.

Österreichische Richterinnen und Richter werden auf Vorschlag der Regierung ernannt; sie haben studiert, ein Gerichtspraktikum sowie einen Vorbereitungsdienst durchlaufen, sind verbeamtet und bleiben bis zum ordentlichen Pen- sionsalter im Amt. In der Schweiz hingegen ist selbst für Bundes- richterinnen und -richter das Stimmrecht – also Mündigkeit und Staatsbürgerschaft – das einzige gesetzliche Erfordernis. Die Mit- glieder des höchsten Gerichts müssen sich alle sechs Jahre der Wiederwahl stellen; off ene Posi- tionen werden mit dem Hinweis auf «momentan untervertretene»

Parteien avisiert – obwohl dieses Kriterium im kodifi zierten Recht fehlt. Einmal gewählt, entrichten Richterinnen und Richter «ihrer»

Partei eine sogenannte «Man- datssteuer».

Die GRECO-Berichte sind bei- spielhaft für die rechtspoli- tische Entwicklung: So soll Österreich die Rekrutierung noch stärker formalisieren und den

Gerichten mehr Mitsprache bei der Besetzung gewähren. Die Schweiz wurde scharf gerügt für die mangelnde Qualitätskontrol- le bei der Richterselektion; die Parteienbindung müsse gekappt und idealerweise auch gleich die Amtszeitbeschränkung (und da- mit die Wiederwahl) abgeschaff t werden.

Was verheisst das für Liechten- stein? Das hiesige Gerichtssys- tem steht in Bezug auf die Qua- lifi kationen grundsätzlich näher bei Österreich, teilt aber mit der Schweiz gerade bei den ausser- ordentlichen Gerichten eine ge- wisse Off enheit. Bei den oberen Gerichten sind die administrati- ven und juristischen Hilfskräfte unterdotiert – ein Aspekt, den internationale Gremien wie die Venedig-Kommission des Eu- roparates zu Recht als poten- tielle Gefahr für die richterliche Unabhängigkeit taxieren. Auch die starke Stellung des Fürsten in

dem 2003 geschaff enen Richter- bestellungsgremium wurde von der Venedig-Kommission kritisch beurteilt. Man darf also gespannt sein. Immerhin: Auch wenn die internationalen Bemühungen um eine unabhängige Justiz ein wich- tiges Ziel verfolgen – die erheb- lichen nationalen Unterschiede sollten nicht nur als Missstand be- trachtet werden. Bereits Montes- quieu betonte, dass die Rechts- ordnung die Geschichte, die Institutionen und die Eigenheiten eines jeden Volkes spiegelt – und dass es ein grosser Zufall wäre, wenn die Gesetze des einen Lan- des auch genau für ein anderes passten. Das gilt vielleicht auch für die Art und Weise, wie Richte- rinnen und Richter (aus-)gewählt werden.

Wie sollen Richterinnen und Richter (aus-)gewählt werden?

GASTKOMMENTAR

unterdotiert – ein Aspekt, den internationale Gremien wie die Venedig-Kommission des Eu- roparates zu Recht als poten- tielle Gefahr für die richterliche Unabhängigkeit taxieren. Auch die starke Stellung des Fürsten in

werden.

DR. LORENZ LANGER

Forschungsbeauftragter Völkerrecht am Liechtenstein-Institutt

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