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Baur, Georges (2019): Politmarketing oder: Egal, was drin ist, wichtig ist, was drauf steht! Gastkommentar. Lie-Zeit Nr. 78, September 2019.

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06/2019

Schweizer Medien haben unlängst die Tatsache aufgegriffen, dass das Pharmaunternehmen Novar- tis für Marketing einen grösseren Betrag ausgibt als für Forschung und Entwicklung. Gemäss Jahres- bericht 2017 waren dies 12,8 Mil- liarden USD gegenüber 8,9 Mil- liarden USD. Die Medien sahen in den aus ihrer Sicht unverhält- nismässigen Ausgaben für das Marketing eine Erklärung für die hohen Krankenkassenprämien.

Wie dem auch sei, und egal wie sich die Zahlen zusammensetzen, die Frage drängt sich auf, ob dies nicht ein Sinnbild unserer Zeit ist:

Es kommt nicht mehr darauf an, was man produziert, wichtig ist, wie man es verkauft. Und wenn dies im täglichen Leben so ist, könnte dies auch in der Politik gelten? Salopp ausgedrückt: Es spielt keine Rolle mehr, was drin ist, nur noch, was drauf steht.

Nehmen wir Präsident Trumps

«Aussenpolitik» zu Nordkorea:

Zuerst die Verdammung bis an den Rand des Abgrundes, dann die ausgestreckte Hand. Ein Tref- fen offenbar ohne Ergebnis, dann ein zweites, angeblich mit Resul- taten. Wunderbar: Trump hat mit Kim den Pfad des Friedens eröff- net. In der Realität hat sich nichts geändert. Nordkorea testet wei- ter seine Waffen, die Sanktionen laufen weiter wie bisher, aber der öffentliche Druck ist weg, Thema abgehakt.

Oder Brexit: Dies war wohl ein Meisterstück des Polit-Marke- tings. Nicht nur konnte man das

Stimmvolk mit falschen Aussagen irreführen. Das wäre an sich nichts Neues. Die Drohung, wonach bei einem Verbleib in der EU bald «77 Millionen Türken» ohne Kontrolle in das Vereinigte Königreich einwan- dern könnten, kann man sich auch als Wahlslogan einer bestimmten Partei in der Schweiz vorstellen.

Aber Dominic Cummings, das Hirn hinter der Kampagne von «Vote Leave», einer der erfolgreichsten Plattformen der Brexit-Befürwor- ter, propagierte lediglich: «take back control» – die Kontrolle zu- rückgewinnen. Dies schien einer Mehrheit des Stimmvolks zu rei- chen, um für den Brexit zu stim- men. Keiner hat sich je gefragt, was denn die Alternative zu einer EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs sein könnte oder wie diese aussehen würde. Die neue Regierung unter Boris Johnson

«verkauft» weiter: Die Zukunft werde auch mit einem «no deal», also ohne Austrittsabkommen mit der EU, wunderbar sein, man dürfe nicht verzagen. Bestes Polit- marketing.

Es wird also in Kauf genommen, dass, wie es die Experten vor- hersagen, auf die man nicht hört, unabsehbare Konsequenzen wirt- schaftlicher und dann wohl auch sozialer Natur auf die Bürger zu- kommen. Ähnlich tönt es jenseits des Rheins, wenn die Kündigung des Abkommens zwischen der Schweiz und der EU über den Freien Personenverkehr propa- giert wird: Mehr Arbeitsplätze für Schweizer und die EU werde sich schon nicht trauen, ihrerseits die

übrigen Bilateralen Abkommen zu kündigen. Argumente, eine solche Kündigung werde weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen haben, werden in den Wind ge- schlagen. Nicht etwa mit Argu- menten, sondern wiederum mit Politwerbeslogans.

Was tun? Darauf warten, dass die Leute von all dem genug haben, dürfte nicht reichen. Zudem: Wä- ren Werbung, PR und Marketing nicht erfolgreich, würde man sie nicht betreiben. Wenn man aber schon den Vergleich zwischen Konsumgütern und der Politik zieht, warum nicht auch hinsicht- lich der Konsequenzen? Wer für Schäden, die durch ein Produkt verursacht werden, verantwort- lich ist, haftet. Sollte nicht ebenso haften, wer der Wohlfahrt der Bür- ger Schaden zufügt? Zumindest, wenn er oder sie dies wusste oder hätte wissen können?

Um dies auszuprobieren, müsste man vielleicht einmal eines dieser vielen populistischen Experimen- te, welche in schönen Verpackun- gen daherkommen, zu Ende füh-

ren. Zumindest, wenn an dessen Ende nicht gerade ein Atomkrieg droht, wie im Falle Nordkoreas oder des Irans. Vielleicht sollte man die Konsequenzen eines «no deal» austesten. Ebenso müss- te man in der Schweiz vielleicht einmal ausprobieren, was es be- deuten würde, ohne Abkommen mit der EU dazustehen. Wenn es gut ausgeht, umso besser. Wenn nicht, wird sich das Volk seine Schuldigen dann schon suchen.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass das (Polit-)Marketing auch dafür vorsorgen wird. Der oder die Schuldige ist für diesen Fall be- reits vorbereitet. So werden hüben und drüben des Ärmelka- nals bereits jetzt in der Presse die Schuldzuweisungen aufgebaut, falls es im Oktober zu einem «no deal» mit den erwarteten Proble- men kommen sollte.

Politmarketing oder: Egal, was drin ist, wichtig ist, was drauf steht!

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DR. GEORGES BAUR Forschungsbeauftragter Recht am Liechtenstein-Institut

GASTKOMMENTAR

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