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Tiefer Blick ins Innere der Erde

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Tiefer Blick ins Innere der Erde

Ob die Bauarbeiten etwas helfen? Eine Ursachenanalyse aus Sicht der Geomorphologie zum Rutschhang an der A 70 bei Thurnau

THURNAU Von Otto Lapp

Es wird gebaut, gebaggert und gesperrt: Für die neue Trasse der A 70 bei Thurnau laufen die Arbei- ten immer noch auf Hochtouren.

Ein Gutachten der Münchner Firma Boley lieferte die wissenschaftliche Grundlage dafür. Bedenken kom- men jetzt aber von universitärer Sei- te. Klaus-Martin Moldenhauer befürchtet, dass bei erneuten Prob- lemen nochmals gebaut werden müsse. Der Geowissenschaftler der Uni Bayreuth unterrichtet am dorti- gen Lehrstuhl für Geomorphologie und hat mit seinen Studenten das Gelände entlang der Baustelle untersucht. „Auch wir haben tief in die Erdgeschichte geschaut“, sagt er.

Und er kommt zu völlig anderen Schlüssen als das Gutachten der Münchner Firma.

Er schreibt in einem Gastbeitrag für den „Nordbayerischen Kurier“:

Es steht außer Zweifel, dass der steile Hang, den die A 70 östlich von Thurnau quert, schon seit Jahren rutscht. Aber angesichts des massi- ven Eingriffs in die Landschaft, den der Straßenneubau erfordert und den unübersehbaren Rutschungen an frisch angelegten Böschungen, wird über die Erfolgsaussichten der Trassenverlegung derzeit viel spe- kuliert.

Die Frage nach den Ursachen der Hanginstabilität war Anlass für ein Projekt der Universität Bayreuth, bei dem Studierende aus dem Fach Geomorphologie Gelegenheit hat- ten, sich mit einer aktuellen und zugleich angewandten Thematik auseinanderzusetzen.

Anders als die Wissenschaft Geo- logie, die sich vornehmlich der Ent- stehung und den Eigenschaften von Gesteinen widmet, erforscht die Geomorphologie Faktoren und Pro- zesse, die sich auf der Erdoberfläche abspielen und diese formen. Für den schwierigen Baugrund an der A 70 eröffnen sich durch die geomorpho- logische Perspektive einige Aspekte, die über das vorliegende baugrund-

Ton- und Mergelsteine, die am gesamten Unterhang auftreten, werden wegen ihrer schlechten Böden traditionell als Forst genutzt (Abb. 1).

Da Tone in Verbindung mit Was- ser weich und formbar werden, kön- nen Felsblöcke, die sich aus dem Gesteinsverband gelöst haben, auf unterlagernden Tonschichten abwärts gleiten. Dieser Mechanis- mus ist auch Ursache für die Hang- rutschung an der A 70. Jedoch greift die verbreitete Vorstellung, dass hier große Sandsteinblöcke auf den Feuerletten abrutschen, zu kurz.

Denn über den Feuerletten liegt kein kompakter Fels, sondern brüchige Sandsteinfolgen, in denen aber Zonen mit schwächerer Verwitte- rung auftreten. Aus ihnen stammen die vereinzelten festen Blöcke, die auf der Baustelle zu sehen waren.

Das Foto zeigt eindrucksvoll die starke Klüftung der Gesteine. Sol- che Spalten erleichtern das Einsi- ckern von Niederschlagswasser, das sich dann über den eingeschalteten Tonlinsen staut. In Verbindung mit den recht steil gewählten Böschungswinkeln kam es im Bau- stellenbereich schon mehrfach zu kleinen Rutschungen, die man anfangs mit Erdanschüttungen pro- visorisch zu stabilisieren versuchte.

Jetzt überkleidet man sie zur Drai- nage aufwändig mit grobkörnigem Schotter, um Sickerwässer gleich lateral abzuleiten und damit einer anhaltenden Durchfeuchtung des Untergrunds zu begegnen.

Überall dort, wo in der Umge- bung Feuerletten im Hangbereich anstehen, finden sich zungenförmi- ge Rutschmassen. Sie bezeugen eine zumindest zeitweilige Instabilität des Geländes. Aber am Hang unter- halb der aktuellen Baustelle stehen auf ihnen große, alte Bäume. Ihr gerader und aufrechter Wuchs ist nur erklärbar, wenn der der Unter- grund am Standort in der jüngeren Vergangenheit nicht in Bewegung war.

Diese Beobachtung deckt sich mit den Ergebnissen der 25 Inklinome-

Von oben sieht man die gewaltigen Erdarbeiten für die Trasse der A 70 bei Thurnau. Foto: Eric Waha

geologische Fachgutachten hinaus- gehen und zu einem besseren Ver- ständnis der Problematik beitragen.

Die von der Hangrutschung betroffenen Gesteine sind vor rund 200 Millionen Jahren entstanden.

Zu dieser Zeit lagerten Flüsse ihre Fracht aus Sand und Ton in seichten Nebenarmen und Sümpfen ab, wo sich diese Sedimente allmählich zu Gestein verfestigten. Später wurde das Gebiet gehoben, wobei die Erd- kruste in Schollen zerbrach. Unter einem warmfeuchten Tropenklima verwitterten die zerrütteten Gestei- ne im Verlauf vieler Millionen Jahre tiefgründig.

Heute erweist sich der im Baustel- lenbereich freigelegte Untergrund als eine ca. 50 Meter mächtige Wechsellagerung aus mürben, von tiefen Kluftspalten durchzogenen gelblichen Sandsteinschichten, in die stellenweise dunkelgraue Ton- linsen eingeschaltet sind. Die Basis dieser Abfolge bilden die für ihre Rutschanfälligkeit bekannten Feu-

erletten. Diese rot-violett gefärbten Klaus-Martin Moldenhauer Foto: red

Die Grafik zeigt die starke Klüftung der Gesteine. Grafik: Klaus-Martin Moldenhauer

termesspunkte, die 1994 nach ers- ten Sanierungsmaßnahmen zur Überwachung der Rutschung einge- richtet wurden. Schon im Jahr 2000 hat man die Messungen eingestellt, da keine Hangbewegungen mehr festzustellen waren.

Das erneute Aufleben der Rut- schungsdynamik führt zur Frage, ob es neben den geologischen Verhält- nissen weitere Ursachen geben könnte. Da erste Schäden bereits kurz nach Fertigstellung der Auto- bahn auftraten, ist ein Zusammen- hang mit der Belastung durch den Straßenverkehr denkbar. Ein jüngst erstelltes Verkehrsgutachten zeigt, dass seit 2011 eine erhebliche Zunahme der Verkehrsbelastung, insbesondere des Schwerlastver- kehrs stattgefunden hat. Aufgrund der regionalen Bedeutung als wich- tige Querverbindung zwischen der A7 und der A9 wird bis 2035 ein wei- terer Anstieg des Verkehrs prognos- tiziert, weshalb künftig mit einer noch stärkeren Belastung der Fahr- bahn zu rechnen ist.

Vor diesem Hintergrund erscheint es fraglich, ob die Verle- gung der Fahrbahn langfristig Abhilfe schaffen kann. Zwar wächst dadurch die vertikale Distanz zu den Feuerletten um ca. 100 m, aber die neue Trasse durchschneidet nun den stark geklüfteten Gesteinsver- band am Oberhang, der mit seinem kleinräumigen Wechsel von wasser- stauenden Tonlinsen und mürben Sandsteinschichten geradezu prä- destiniert für das Auftreten von Hangrutschungen ist. Wahrschein- lich werden also auch in Zukunft Baumaßnahmen an der A 70 bei Thurnau erforderlich sein.

ZUR PERSON

D

r. Klaus-Martin Moldenhauer ist Geowissenschaftler und unter- richtet am Lehrstuhl für Geomor- phologie der Universität Bayreuth.

Sein Dank geht an: Tobias Geb- hardt, Daniel Kniewasser und Cor-

binian Memmel. red

A 70: Obwohl gigantische Bauarbeiten für die Trasse der Autobahn bei Thurnau laufen, drohen die Hänge dort weiter zu rutschen. Dann müsste weiter gebaut werden. Zu diesem Ergebnis kommt Prof. Klaus-Martin Moldenhauer. Der Wissenschaftler hat die Böden dort mit seinen

Studenten untersucht.

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