Wortgeschichtliche Späne (II) Von Vittore Pisani, Mailand»)
6. Skr. krta-; kali-; garutmant-; trikadruka-
Am Ende seines glänzenden Aufsatzes über das Würfel¬
spiel im alten Indien (Abh. Gött. Ges. Wiss., Phil.-hist. Kl.,
N. F. IX, 2, 1907, S. 1—75, jetzt auch Philologica Indica,
1940, S. 106—175) bespricht H. Lüdees (S. 70) die Etymo¬
logie der Aya-Namen, d. h. der Namen der Würfe. Tretä
erklärt er überzeugend als die , Dreiheit', ,,als Name des
Wurfes, bei dem ein Überschuß von drei Würfeln war, oder
auch dieser drei Würfel selbst". Auch seine Auffassung von
dväpara-, näml. ,,der (Wurf, der) um zwei (Würfel) anders
ist (als das krta)" ist wohl richtig; nur ist seine Erklärung
der Form ^düä-|-Adj. para) dahin zu ändern, daß, wie ich
Rivista degli Studi Orientali XX, S. 161 f., gezeigt habe,
dväpara- ein aus dem Adv. dvipari ,um zwei anders' (Pänini II,
1, 10) gebildeter Bahuvrihi ist, mit. Vrddhi der ersten Silbe
wie in käverakä- : küvera-, särnsapä- : simsipa- usw. Worin ich
Lüdees nicht zu folgen vermag, ist in seiner Deutung von
krta: ''krta, das , Gemachte', , Gelungene', ist als Bezeichnung
für den besten Wurf, dessen Zustandebringen die Aufgabe
des Spielers war, ohne weiteres verständlich". Ich meine:
da die Aya-Namen, wenigstens des zweit- und drittbesten,
auf Grund eines Zahlwortes gebildet sind, und ebenso für
das Schlechteste, das kali-, auch ekaparä- gesagt werden
konnte, wie Lüdees zeigt, welcher das Wort mit „der Wurf,
der um eins anders war" übersetzt (S. 170); da weiter diese
Zahlwörter so geordnet sind, daß die Bezeichnung des auf
das krta- folgenden tretä ,drei', dann diejenige des dväpara-
,zwei', endlich der Name des schlechtesten Wurfes, ekaparä-.
1) Vgl. ZDMG 96, S. 540fT.
ZeitKhrift d. DHO Bd. 97 (Neoe Folge Bd. 22) 28
326 V. Pisaki, Wortgeschichtliche Späne (II)
,ein8' enthält, so wird man schließen, daß krta- möglicher¬
weise mit ,vier' zusammenhängt. Und in der Tat glaube ich,
daß es auf ^q^tfV'jHo- zurückgeht und soviel als ,Vierheit'
ursprünglich bedeutet hat. Die Schwundform *qH(y')r- liegt
bekanntlich dem rpa- von gr. rQdxs^a ,Tisch', eigentlich
,Vierfuß' zugrunde (die von Boisacq, Diet. 6tym., S. 979,
angenommene Haplologie eines *TsrQdinsia ist unglaubwürdig,
bei der Klarheit der angenommenen Urform). Aus *qH(n)rto-
entstand, da ja das Sanskrit anlautende Gruppen von Ver¬
schlußlauten nicht kennt^), krta-, ebenso wegen Dissimilation
der zwei t wie auch vielleicht um den Anlaut der volleren
Form für ,vier' festzuhalten, wenn die Vereinfachung der
Gruppe der Palatalisation von *(f^e- vorausging. Im Ordinal
turtya- türya- siegte dagegen das t, weil hier kein t in der
folgenden Silbe stand.
Vielleicht steckt ein Zahlwort auch in kali-: sollte es
nicht eine Tabuentstellung des, dem anderen Namen des
gefürchteten Wurfes, ekapara-, zugrundeliegenden Adverbs
ekapari ,um eins anders' sein?
Ich wäre geneigt, das idg. Wort ,vier' auch im rätselhaften
trikadruka- des Rigveda (I, 32, 3. II, 11, 17. 15,1. 22, 1.
VIII, 13, 18. 81, 21) zu sehen. Die Bedeutung des Wortes
ist nicht klar-, soviel steht fest, daß es der Name ist „einer
bestimmten Somafeier, die im späteren Ritual die erste
Hälfte des Abhiplava bildet" (Gelditbb, Glossar, S. 76); ist
aber dieser der Sinn des Wortes im Rigveda? Die älteren
Interpreten sahen darin die Benennung von drei Soma-
gefäßen, so Gbassmann (Wb. zum ^IV., Sp. 557): „drei
Kadrugefäße, Zusammenstellung derselben zu einer Dar¬
bringung" und noch Lanhak in seinem Sanskrit Reader
(S. 165): „perhaps designation of certain Soma-vessels, three
in number", insoweit sie an kadrü- f. „ein (bräunliches)
Somagefäß" (so Gbassmann, Sp. 311), ein hapax in ^IV. VIII,
45, 26 dachten. Vgl. auch Geldneb, der in seinem Rigveda
1) Auf diese Ursache führte ich *tarug- für *ptarug- = gr. ittifvi,
dann zu garut{mant)- .gefiedert' umgesetzt, zurück in einem alten
Aufsatz, Rendiconti della R. Accad. dei Lincei, VI, VI, S. 65fT.
V. PiBAin, Wortgeschichtliche Späne (II) 327
übersetzt und erläutert (I, S. 32 f.) das Wort unübersetzt
läßt und in der Fußnote bemerkt: „trikadrukesu ist dunkel,
vielleicht N. einer bestimmten Somafeier (später die ersten
drei Tage einer Sechstagefeier) oder einer örtlichkeit. Man
beachte bes. 8, 45, 26 äpibat kadrüvah sutäm. Wiederholt
wird erzählt, daß Indra vor dem Vrtrakampf drei Seen voll
Soma austrank (5, 29, 7. 8; 6, 17, 11)". Die letzte Tatsache
scheint der Auffassung der Älteren wenigstens zum Teil,
d. h. in der Identifikation der ersten Silbe mit dem Wort
,drei'. Recht zu geben. Ich vermag das Sachliche nicht
weiterzuführen; nur das Sprachliche möchte ich so deuten,
daß trika-druka- ein Kompositum derselben Art wie lat.
reciprocus aus *reko- und *proko- aussieht; und wenn, wie
augenscheinlich, trika- das Zahlwort ,drei' enthält, dann
wird druka- in seinem dru- das Wort ,vier' möglicherweise
besitzen. Nun hat das Griechische neben rpajtega aus *^t(u)r-
noch tQVfp«isia aus *^tru- ,mit vier fpdXsa versehen', und
dem sollte unser dm- entsprechen. Zwar mit d statt zu
erwartenden (; heißt es .aber im Lat. nicht quadrägintä
quadringentl quadrätus quadnmus quadrupes neben quattuor"}
Man sollte mit der Möglichkeit rechnen, daß in ihrem d
Sanskrit und Latein, wie sonst, etwas sehr altertümliches
bewahren.
7. Skr.rafia- ,dunkelfärbig,blau, schwarzblau, schwarz'
Über dieses Wort führen sehr unsichere, m. E. unrichtige
Vermutungen anderer Waldb-Pokoent, vgl. Wb. der Idg.
Sprachen, II, S. 322 an. Es kann als ungedeutet gelten.
Auf anderes führt mich eine Notiz bei Bosshabst, Die
Nomina auf -«rg, Diss. Zürich 1942, S. 132. Aus Strabo X,
1, 14 zitiert er: tlol Si vvv Eißalreu xorapol KtjQtvg xai
I^lrjXfög, &V ä(p' oi piv «Ivovra xä. xgäßara Xevxä yCvtrai,
o{) dk pdXttva, und auf Grund von Aristoteles Mir. Ausc. 170
deutet er die Sache so, „daß der K. die Tiere weiß, der N.
aber schwarz färbt". — „Die Flüsse, fährt B. fort, dürften
also den Namen von ihrer Farbe erhalten haben (vgl. Elbe <
Aliis u. a. m.). K. würde demnach ,Weißbach', N. ,Schwarz-
2 2«
328 V. PiBAin, Wortgeschichtliche dpäne (II)
bach' bedeuten". Auf S. 133 kommt er auf Nrji.e'ög zurück:
„Demnach dürfte wohl ein (vorgr. ?) Stamm *vijX- (vgl.
*nele Sundwall 164) .dunkel' zugrunde liegen, NrjXs'ig also
,der Dunkle' heißen, was gut passen würde zu dem S. des
Poseidon und Herrn von Pylos, worunter ja die Unterwelt
verstanden wurde. Ebenso ist Nrjlm Ap[ollo]d[or] 2. 1. 5,
T. der Aithiopis (I) ,die Dunkle'." Bosshabdt's Ausführungen
scheinen mir einleuchtend; demnach würde ich den griech.
Stamm vt]X- ,dunkel, schwarz' mit dem gleichbedeutenden
skr. nlta- verknüpfen. Wer das Wort als idg. ansehen mag,
wird im Wechsel iji] den uralten Ablaut einer gi-Wurzel
erblicken; ich glaube eher, daß — worauf ja die geographische
Ausbreitung hinweist — vtjX- und nlla- die Fortsetzungen
eines indomediterranischen Ausdrucks sind; vgl. auch das
von B. aus Sundwall angeführte Element ne2e- kleinasiatischer
Namen.
8. Skr. antdrik§a-m ,Luftraum'
In seinen Notes on Vedic Noun-inflection, 1942, S. 91
bemerkt F. B. J. Kuipee, mit Bezug auf solche Gelehrte,
die in antariksa das Wort ksam- ,Erde' erblicken wollten,
daß „antäriksa-m remains obscure". Vielleicht ist das Wort
ganz anders zu fassen, und ich glaube, daß der alte Bopp
im Grunde Recht hatte, welcher in seinem Glossarium Com-
parativum*, 1867, S. 13 es ,,ex antdr et iks'a a r. tks' videre,
correpto t, suff. a" erklärte. Das Semantische (,Luftraum'
als ,durch8ichtig') ist dabei unanfechtbar; freilich hinken
Laut- und Formenlehre ein wenig. Man soll eher in -iks-a-
dasselbe *9g"5- erkennen, das im reduplizierten tksate ,er
sieht, blickt' (*i-9q"s-), weiter in gr. öxr-aAiog usw., auch
skr. aksi ,Auge' vorliegt; in dks-i haben wir altes •og"s- für
*9q<^s- nach *öj"- der normalstufigen Wurzel (•ffy"- z. B. in
ox-ma-a usw. : z. B. in skr. prdtlka-m ,Antlitz' < *proti-
ag"- u. dgl.).
9. Skr. Wzl. galbh-
Eine in den literarischen Werken nicht bezeugte Wurzel
gaJbh- ,dhär^}ye' (also ,kühn sein') wird im Dhätupätha ge-
V. PuANi, Wortgeschichtliche Späne (II) 329
lehrt; sie wird nach der ersten Klasse und zwar im Ätmane-
pada flektiert, vgl. auch Siddhäntakaumudi ad Pän. VII, 1,
61 (S. 347 der zweiten. Ausg. von Gidgil-Panäikar, Bombay
1901). Bezeugt ist dagegen pragalbh- {prajagalbhe Meghad. 10,
18), das übrigens als Denominativum zum wohlbekannten
pragalbha- ,mutig, entschlossen, kühn, selbstbewußt' auf¬
gefaßt werden kann. Ferner findet man in der Kääikä zu
Pän. III, 1, 11 avagalbhate und avagalbhäyate im Sinn von
klibäyate ,er beträgt sich wie ein Eunuch'.
Diese Wurzel läßt sich mit einigen germanischen Worten
vereinigen, nämlich mit ags. gielpän ,prahlen', mhd. gel(p)fen
,8chreien, singen, prahlen', anord. gjalp ,Prahlerei', ags. gielp
ds., as. gelp ,Trotzrede, Hohn', ahd. gelph ,Trötzrede, Prahlerei'
adj. ,lustig, übermütig' usw.; vgl. Walde-Pokobnt I, S. 628,
die andere Worte mit der Bedeutung ,singen, schreien' oder
dgl. anführen; hinzu kommt lit. gülbinti ,rühmen, preisen'.
Die germ. Wörter deuten auf *ghelb-, skr. galbh- auf
*g(h)eU>h- hinzu. Angesichts der Seltenheit von b in den
altidg. Dialekten kann man denken, daß *ghelb- eine, nur
in einer Vorstufe der germ. Mundarten entstandene Neuerung
sei. Oder liegt eine Metathese der Aspiration vor (gelbh-lghelb ) ?
10. Skr. matkuiif,a-
Daß matkui^ ,Wanze' heißt, hat Liebich ZII. V, S. 156
gezeigt. Nun wird die Wanze ganz besonders als „Wandlaus"
gedacht, wie schon Liebich ausführt, und wie am besten
aus dem Artikel Wanze in Kluge-Götze, Etym. Wb. der
deutschen Sprache", S. 672, zu erlernen ist. Ich analysiere
daher matkwoM- in mat-kuva- und sehe darin ein Kompositum
mit praktischer Lautung: mat- aus mrt- (Pischel, Gramm,
der Prakr.-Spr., S. 48ff.) ,Lehm' (hier für ,Lehmwand') und
kufjM- mit tl aus n (Pischel, S. 161) zum bisher ungedeuteten
gr. xmvmi'' Auch in kut^a-jxatvo' (aus xaivo- ist xavoa^ wie
fe6mt «dgvof xÖQvoii u. dgl. weitergebildet) mit dem Schwan¬
ken zwischen u und ö glaube ich, wie oben 7. für nÜa-jvrjJio-
geschehen, ein altes indomediterranisches Wort erblicken zu
dürfen.
Ein iranisches Lehnwort in den Inschriften von Mänildäla
Von Hans Heinrich Schaeder, Berlin
In dem großen persisch-manichäischen kosmogonischen
Text T III 260, der wesentlich auf Mani seiher zurückgehen
dürfte, kommt zweimal das Wort qrwg, einmal das zu¬
gehörige Abstraktum qrwgyh vor^), wofür der Herausgeber
W. Henning aus dem eindeutigen Zusammenhang die rich¬
tigen Bedeutungen'Handwerker' bzw.'Handwerkskunst' an¬
setzte. Es entging ihm dabei, daß das Wort bereits belegt
und daß auch die entsprechende altpersische Form schon
bekannt war. Beides wies H. W. Bailey*) nach. Th. Nöl¬
deke*) hatte aus den syrischen Märtyrerakten das damals
noch unerklärbare Wort qrwgbr, glossiert durch 'Vorstand
der königlichen Werkleute', ans Licht gezogen und in qrwgbd
verbessert. Dazu führte Bailey die armenische Übersetzung
an, die das fragliche Wort durch krogpet, die Glosse durch
ghix ^uestagüac*) ark'uni wiedergibt. Außerdem zeigte er,
daß das mittelpers. qrwg, das er karrOy las, die Fortsetzung
von altpers. (martiyä) krnuvakä 'Werkleute' in der Burg¬
bauinschrift des Dareios von Susa Z. 47 ist'). Er führte
endlich krwk 'geschickt' im VahmanyaSt, kyrwk 'dass.' im
Denkard und 'krwg 'ungeschickt* im manichäischen Frag¬
ment M 98 an, wozu Henning') dann noch paz. ftarö* 'Ge¬
schicklichkeit' im §kand-gumänig vizär und buddh.-sgd.
1) SBPrA 1932, 203. 213b.
2) JRAS 1934, 512/14.
3) Tabari-Übers. 502.
4) aruestaglt ist eigentlich 'kunstfertig' ; zu arueit s. OLZ 1940,289.
5) Die von E. Herzfeld, Altpers. Inschr. 17, gegebene Übersetzung 'Steinmetzen' ist zu speziell.
6) OLZ 1934, 755. Bet- und Beichtbuch 69, 562.