Stellungnahme der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen des Gemeinderates Neckarsulm zum Verkehrs- und Schallschutzgutachten bzgl. des geplanten Anschlusses der Binswanger Straße an die B27
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Frau Dr. Mösel,
sehr geehrte Damen und Herren,
zunächst einmal möchte ich Herrn Strümann entschuldigen, der bedingt durch die Verschiebung des Termins auf das heutige Datum verhindert ist.
Stellungnahme:
1. Mit dem Projekt „Anschluss der Binswanger Straße an die B27“ soll in unmittelbarer Nähe zu einem Wohngebiet eine große Kreuzung entstehen, wo sich an die 20 Fahrspuren begegnen.
Das Lärmgutachten verspricht eine „sehr starke Beruhigung der Lärmsituation in der Umgebung der B27“. In den Bereichen Richard-Wagner-Straße und Binswanger Straße sieht das dann anders aus. Lärmschutzwände, sprich ein aktiver Lärmschutz, können lediglich an der B27 selbst angebracht werden, für die anderen Bereiche ist nur passiver Schallschutz vorgesehen. Der auf der 6-spurigen Brücke inklusive Ampelkreuzung mit permanent
abbremsenden und anfahrenden Autos entstehende Lärm kann gar nicht wirklich gedämmt werden. Das räumt das GA indirekt auch ein. Von der Belastung der Anwohner durch Abgase ganz zu schweigen.
2. Die Komplexität der Kreuzung lässt viele wichtige Abbiegespuren gar nicht erst zu. So kann z.B. jemand, der von Heilbronn kommend die Rampe von der B27 hochfährt, nicht nach links in die Innenstadt abbiegen. Als Lösung wurde eine Wendemöglichkeit auf der Fahrtstrecke Richtung Weinsberger Tal eingeplant, die sich jetzt, laut Gutachten, als nicht umsetzbar erwiesen hat, sodass nur ein weiter Weg über den Kreisel möglich wird, oder eben doch wieder Schleichwege. Dies nur als ein Beispiel.
3. Das Gutachten stellt eine Entlastung des Verkehrs für die Innenstadt in Aussicht. Die Frage ist: wann soll das denn tatsächlich passieren? Der zeitliche Ablauf der Projekte stellt sich doch folgendermaßen dar: zuerst der geplante Bau des Anschlusses an die B27. Wie ja auch das Gutachten von Prof. Kölz vor Jahren bereits ergeben hat, ist damit keine Stauentlastung gegeben, der Verkehr wird sich also weiterhin durch die Innenstadt quälen. Dann soll der vierspurige Ausbau der B 27 bis zur Viktorshöhe erfolgen, - das nächste Nadelöhr. Wie es ab hier, also auf Höhe der Tankstellen weitergeht, so Ihre Auskunft Herr Oberbürgermeister und Fr. Dr. Mösel, muss noch vom Bund geplant werden. - Eine völlig offene und ungewisse Situation. D.h. auch dann wird der Stau auf der B27 noch fortbestehen und die Innenstadt nicht entlastet sein. Auch der weitere zweispurige Verlauf nach Bad Friedrichshall
Kochendorf stellt einen Flaschenhals dar. Letztlich erkennen Sie, Herr Oberbürgermeister, diesen Kritikpunkt an und haben jetzt den Vorstoß zum vierspurigen Ausbau unternommen.
Hierfür ist eine Aufnahme des Projekts in den Bundesverkehrswegeplan erforderlich und das kann bekannter Weise lange dauern. Eine Lösung dieses Problems steht also noch in den Sternen. Konsequenz: noch lange Zeit wird der Stau auf der B27 fortbestehen, die Innenstadt auf Jahre noch nicht entlastet werden.
Anmerkung: Parallel zur B27 verläuft in Richtung Kochendorf die Bahnlinie. Die Zukunft der
Mobilität liegt lt. Verkehrsexperten auf der Schiene. Wäre es nicht sinnvoller, wir verdoppeln hier die Spuren? Oder verbauen wir uns durch den vierspurigen Ausbau der B27 an dieser Stelle gar die Möglichkeit dazu?
4. Die Kostenfrage: 38 Millionen € für ein Projekt, mit fraglichen Effekt, an dem die Stadt mit 21 Millionen € beteiligt ist
5. Ob es bei den 38 bzw. 21 Millionen bleibt, ist ungewiss. Bei Großprojekten dieser Art sind erhebliche Kostensteigerungen die Regel. Fraglich ist, ob dann überhaupt noch Geld für den dringend erforderlichen und nach unserer Auffassung absolut vorrangigen Ausbau des ÖPNV und dessen Attraktivierung übrig ist. Leider wurde dies ja bisher auch nur halbherzig getan, wie man am Ausbau der Stadtbahn gesehen hat. Dieser wurde bekanntlich von einer erheblichen Reduktion des Busverkehrs begleitet, wodurch viele frustrierte ÖPNV-Nutzer schließlich doch wieder auf das Auto umgestiegen sind.
6. Mobilitätspakt schön und gut, solange man letztlich doch wieder, dem Motorisierten
Individualverkehr den roten Teppich ausrollt, werden wir das Ziel, mehr Leute zum Umsteigen auf den ÖPNV, bzw. zu Fahrgemeinschaften oder Radfahren zu motivieren, nicht erreichen.
7. Ich möchte zum Schluss aus dem vor zwei Wochen erschienen Magazin „Der Spiegel“ (Titel:
„Rasender Stillstand“) zitieren:
Der Artikel beruft sich auf Aussagen von der Verkehrsforscherin Frau Prof. Barbara Lenz vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt: „Der Umbruch (gemeint ist die Verkehrswende) wird teuer, doch Geld allein wird nicht reichen. Die Politik muss die Bürger dazu bringen, mit ihren Gewohnheiten zu brechen. Vor allem damit, immer und überall das Auto zu benutzen.
Das wird nicht leicht. Das Mobilitätsversprechen des Autos ist gigantisch. Überzeugen lassen sich die jetzigen Noch-Autofahrer nur, wenn der öffentliche Verkehr und das Fahrrad eine bequeme, günstige und sichere Alternative bieten. Ideen und die Technik sind bereits da. Der Anfang aller Veränderung liegt in den Städten. Was oft fehlt ist der politische Mut“.
Den wünschen wir Ihnen und uns Herr Oberbürgermeister!