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Für Mag. Bettina Diendorfer vom Institut für Sinnes- und Sprachneurologie bei den Barmherzigen Brüdern Linz ist dies eindeutig zu früh: „Gerade erst hat die renommierte Fachzeitschrift ,Pediatrics‘ wieder eine Studie veröffentlicht, in der das elterliche Sprach- verhalten sowie die gemeinsame Inter aktion mit dem Kind – sprich die gemeinsame Beschäftigung mit Dingen und deren verbale Begleitung – einen sehr deutlichen Effekt auf die sprachlichen und kognitiven Fertigkeiten zehn Jahre später haben! Vor allem das Alter zwischen 18 und 24 Monaten scheint hier eine sensible Phase zu sein, in der ,an das Kind gerichtete Sprache‘ einen deutlichen Entwicklungsvorteil verschaffen kann, sowohl im Sprachverständnis als auch in der rezepti- ven und expressiven Wortschatzleistung. Das kann ein Computerprogramm niemals erset- zen. Zudem fehlen bis zum vierten Lebens- jahr die Voraussetzungen, die Aufmerksam- keit auf einen zentralen Inhalt zu steuern und das Gesehene richtig zu verarbeiten.“
Kein TV fürs Baby
Die Linguistin rät daher, bis zum zweiten Lebensjahr komplett auf TV und Co. zu verzichten und den Konsum vom zweiten bis zum vierten Lebensjahr auf wenige Minuten in Anwesenheit der Eltern zu beschränken.
„Ab dem vierten Lebensjahr kann ein begleite- ter Konsum dann aber positive Effekte haben.
Studien belegen, dass es durch Lernpro- Untersuchungen zufolge sehen in den USA
beinahe 80 Prozent aller Kinder unter zwei Jahren fern, in Deutschland 20 Prozent. Ein eigener Industriezweig hat sich mittlerweile auf diese Altersgruppe spezialisiert. Serien wie „Baby Einstein“ und die „Teletubbies“
sowie Hörmedien wie „Baby Bright“ verspre- chen einen „Entwicklungs-Boost“ – kognitiv und sprachlich.
Wie viel TV ist
gut für mein Kind?
Barmherzige Brüder Linz Eigene Fernsehsendungen für Babys gibt es heute ebenso wie TV-Sender speziell für Kinder. Doch viele Eltern sind verunsichert und fragen sich, ob ein früher TV-Konsum oder eine frühe Computer-Nutzung Vor- oder Nachteile für das Kind bringen? Wie Eltern ihrem Nachwuchs einen vernünftigen Umgang mit den neuen Medien nahebringen können, erklärt Mag. Bettina Diendorfer vom Institut für Sinnes- und Sprachneurologie.
V O N E L K E B E R G E R
Eine pauschale Aussage darüber, ob Medien- konsum gut oder schlecht ist, kann nicht getroffen werden.
Mag. Bettina Diendorfer ist Linguistin und Mitarbeiterin am Institut für Sinnes- und Sprach- neurologie bei den Barmherzigen Brüdern Linz.
Gesundheit
&Lebenshilfe Erziehung
Tipps für den Medien
konsum mit Kindern:
Geben Sie selbst ein gutes Beispiel beim Medienkonsum ab.
Verbieten Sie den Medienkonsum bei Kindern ab ca. vier Jahren nicht, sondern grenzen Sie ihn sinnvoll ein.
Suchen Sie mit Ihrem Kind gemeinsam Apps, Spiele oder Sendungen aus und sehen Sie sich diese gemeinsam an.
Kinder bis etwa sechs Jahre konsumieren Medien anders und können Realität und Fiktion nicht voneinander unterscheiden.
Sie sollten daher nicht vor dem Schlafengehen fernsehen.
Ein Smartphone wird erst für Kinder im Alter zwischen elf und zwölf Jahren empfohlen, ein eigenes Handy ab etwa neun Jahren.
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meinwissen sowie die emotionale Kompetenz, da ihnen Lösungen angeboten werden, wie man mit Problemen umgeht. Dabei dürfen der Austausch von Bedürfnissen und die persönliche Interaktion nie vernachlässigt werden. Wichtig ist, dass Eltern ihre Kinder nicht alleine lassen. Wird der Grundstein im Vorschulalter gelegt, sind die Voraussetzungen für einen kompetenten Medienumgang in späteren Jahren gesichert.
„Es ist nicht unser Ziel, zu verbieten, sondern wir möchten die Familien gerne im Hin- blick auf den Umgang mit Medien stärken, damit ein exzessives Verhalten verhindert werden kann“, betont Mag. Diendorfer. Eine pauschale Aussage darüber, ob Medienkon- sum gut oder schlecht ist, kann ohnehin nicht ge troffen werden. Dabei spielt vieles zusam- men: der individuelle Entwicklungsstand und die Eigenschaften des Kindes, mediale Erfahrung, sprachliches Niveau, die Charakte- ristik des Stimulusmaterials sowie der Kontext der Mediennutzung. Letztendlich geht es um die Menge der Nutzung und die Art, wie Medien ins Leben integriert werden.
Fotos: Barmherzige Brüder, ClipDealer
gramme in einem geringen Ausmaß zu einem Zuwachs an Wortschatz und Hörverstehen kommt. Dies liegt aber vor allem am Training und der Motivation, zum Beispiel durch Pluspunkte, und könnte auch durch normales Spielen erreicht werden.“
Wortschatz und Wissen
Letztendlich kommt es darauf an, was man konsumiert. Dies gilt auch für Schulkinder.
Eine Studie zum Lesen mit Kindern aus allen Schichten zeigte, dass übermäßiger TV-Konsum (zwei bis drei Stunden) negative Auswirkungen hatte. Bei den Normalsehern (maximal eine Stunde) konnte durch das Konsumieren von Bildungssendungen ein Zu- wachs an Wortschatz und Welt wissen nach- gewiesen werden. „Wichtig beim Bildungs-TV ist, dass es um ein bestimmtes Thema geht, sich das Kind wiederfinden kann und ein Sprecher durch die Sendung führt. Sehr emp- fehlenswert ist zum Beispiel ,Die Sendung mit der Maus‘“, so die Sprachexpertin.
Kinder sprechen dadurch nicht besser, ver- größern aber ihren Wortschatz und das Allge-
V O R T R A G I N L I N Z
Am 12. Februar hält Mag. Bettina Dien dorfer einen kostenlosen Vortrag zum Thema
„Wie viel Fernsehen ist gut für mein Kind?“:
(18.30 Uhr, Seminar- zentrum Krankenhaus Barmherzige Brüder Linz, kleiner Seminar- raum, Anmeldung per E-Mail bis 5. Februar:
v.iss@bblinz.at).