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Conedera, M., & Forster, B. (1990). Fichtenröhrenlausbefall 1989 (Liosomaphis abietinum) auf der Alpensüdseite. PBMD-Bulletin: Vol. 5.

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Academic year: 2022

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Phytosanitärer Beobachtungs- und Meldedienst PBMD

Service phytosanitaire d'observation et d'informat1on SPD I Sanasil va

Servizio fitosanitario rl'osservazione e d'informazione SFOI

:idgenöss1sche Forschungsanstalt ft.ir Wald. Schnee Jnd Landschaft

FICHTENROEHRENLAUSBEFALL 1989 Liosomaphis abietinum

auf der Alpensüdseite

von M. Conedera und B. Forster

Birmensdorf, im Februar 1990

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Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Biologie und Oekologie der Fichtenröhrenlaus 2.1. Verbreitungsgebiet

2.2. Wirtsbäume

2.3. Lebenszyklen der Fichtenröhrenlaus

2.4. Günstige Bedingungen für eine Massenvermehrung 2.5. Verlauf einer Massenvermehrung

2.6. Natürliche Feinde 2.7. Schadenbild

2.8. Reaktion der Bäume

Seite:

2

2

2 2 3

4 5

6

6 7

3. Bisherige Massenvermehrungen in Europa und der Schweiz 8

4. Die Schadensituation von 1989 8

4.1. Die Situation in Europa und der Schweiz 8 4.2. Die Situation auf der Alpensüdseite 9

5. Ueberwachung und Prognose 12

5.1. Temperatureinflüsse 12

5.2. Prognosen für eine Massenvermehrung 13 6. Waldbauliche Behandlung der geschädigten Bestände auf

der Alpensüdseite 13

6.1. Beobachtungen und Massnahmen in den geschädigten Beständen

6.2. Massnahmen bei einem bedeutenden Befall durch

13

Folgeschädlinge 14

6.3. Massnahmen bei einem wiederholten Fichtenröhren-

lausbefall 14

7. Zusammenfassung 15

Literaturliste 16

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1. Einleitung

Im Frühling und Sommer 1989 sind in den Fichtenwäldern der Alpen- südseite vielerorts ungewöhnliche Nadelverfärbungen mit darauf folgendem Nadelfall beobachtet worden. Das Schadenbild konnte in der ganzen Schweiz auch an Blautannen (Picea pungens var. glauca) in Parks und Gärten beobachtet werden.

Dieses typische Schadenbild ist auf eine Massenvermehrung der Fichtenröhrenlaus (Liosomaphis abietinum) zurückzuführen. Auf der Alpensüdseite ist ein derart starker Befall bisher noch nie regi- striert worden.

Die aussergewöhnliche Erscheinung und die damit zusammenhängenden Fragen der Forstdienste haben die Sanasilva-Koordinationsstelle Alpensüdseite und den phytosanitären Beobachtungs- und Meldedienst

(PBMD) der eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in Birmensdorf zur Abfassung des vorliegenden Berichts veranlasst. Sein Inhalt basiert auf Beobachtungen und Unterlagen der Koordinationsstelle, des PBMD sowie der Forstdienste der Kan- tone Tessin und Graubünden. Dr. Ernst Ott, ETH Zürich, danken wir für die waldbauliche Beratung.

2. Biologie und Oekologie der Fichtenröhrenlaus

2.1. Verbreitungsgebiet

Die Fichtenröhrenlaus, welche zu den Blattläusen (Aphidina) ge- hört, ist mehr oder weniger in ganz Europa anzutreffen. Ihr Ver- breitungsgebiet erstreckt sich ebenfalls entlang der Pazifikküste Nordamerikas, von Kalifornien bis nach Alaska. Die Laus wurde auch nach Neuseeland eingeschleppt.

2.2. Wirtsbäume

Die Fichtenröhrenlaus befällt viele Arten der Gattung Picea, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität. Am stärksten scheint die Sitka-Fichte (Picea sitchensis Carr.) und die Blautanne (Picea pungens var. glauca) besiedelt zu werden. Bei für die Laus günsti- gen Bedingungen kann aber auch unsere gewöhnliche Fichte (Picea abies Karst.) einen auffälligen Befall aufweisen.

Wegen ihrer normalerweise grossen Widerstandskraft und Anpassungs- fähigkeit an einen Fichtenröhrenlausbefall wird angenommen, dass es sich bei der gewöhnlichen Fichte um die ursprüngliche Wirts- baumart handelt.

Die Fichtenröhrenlaus ist nicht auf einen Wirtswechsel angewiesen.

Der ganze Lebenszyklus findet auf derselben Wirtsbaumart statt. Da auch gesunde Bäume befallen werden können, gehört die Fichten- röhrenlaus zu den Primärschädlingen.

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2.3. Lebenszyklen der Fichtenröhrenlaus

Wie alle Blattläuse besitzt auch die Fichtenröhrenlaus einen kom- plizierten Lebenskreislauf mit verschiedenen, aufeinander folgen- den Erscheinungsformen.

Erkennen kann man die Röhrenläuse an den stechend-saugenden Mund- werkzeugen und an den auffälligen röhrenförmigen Ausscheidungs- organen am Hinterleib.

Die am häufigsten anzutreffende Erscheinungsform der Fichten- röhrenlaus ist jene der ungeschlechtlichen Weibchen (Virgo).

Erkennbar sind sie am grünen Körper und an den roten Augen. Ihre Grösse beträgt ungefähr 1,5 mm. Sie können sich, ohne befruchtet zu werden, durch Lebendgeburten weitervermehren. In nur drei Wochen sind die neugeborenen Larven ausgewachsen und können

wiederum Junge gebären. In 25 Tagen ist ein Populationsanstieg von 1'200% möglich, was die ausserordentlich raschen Massenvermehrun- gen erklärt.

In kontinental getönten Klimazonen (z.B. Zentraleuropa) ist die Witterung meist zu rauh, um ein Ueberwintern der ungeschlechtli-

chen Weibchen zu ermöglichen. Deshalb werden im Herbst bei sinken- den Temperaturen Geschlechtstiere geboren, deren Weibchen Eier legen. Die relativ unempfindlichen Eier überdauern einen harten Winter ohne Probleme. Im nächsten Frühling schlüpft dann die Stammutter, welche wiederum ungeschlechtliche Weibchen gebärt.

Fig.2.1 Vollständiger Zyklus der Fichtenröhrenlaus (Holozyklus):

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Die Ueberwinterung als Ei ~st typisch :ür den geschlechtlichen Zyklus (Holozyklus) und ist normalerweise in Gebieten mit konti- nental getöntem Klima zu beobachten. ~ie im Frühling schlüpfende Ausgangspopulation ist in der Regel zu gering und kommt zu spät, um eine Massenvermehrung auszulösen.

In Regionen mit ozeanischem Klima, gekennzeichnet durch milde Winter, wie zum Beispiel in Grossbritannien oder an der Westküste Nordamerikas, bleibt der Lebenszyklus der Fichtenröhrenlaus

unvollständig (Anholozyklus). Es werden im Herbst keine

Geschlechtstiere ausgebildet, welche Eier legen. Die milden Tempe- raturen erlauben auch im Winter das Ueberleben der ungeschlechtli- chen Weibchen.

Fig.2.2 Unvollständiaer Zyklus der Fichtenröhrenlaus (Anholozyklus):

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2.4. Günstige Bedingungen für eine Massenvermehrung

Die Fichtenröhrenlaus gehört zum Oekosystem Wald und neigt in Mitteleuropa auf der gewöhnlichen Fichte (Picea abies) normaler- weise nicht zur Massenvermehrung. zahlreiche Feinde halten die Lauspopulationen tief, vermögen sie aber auch nicht auszurotten.

Kalte Winter überleben die Läuse bei uns normalerweise als Ei.

Massenvermehrungen werden in erster Linie durch einen günstigen Temperaturverlauf im Winter und im Frühling bestimmt. Ist die Wit- terung mild, so sinkt die Sterberate der Läuse, welche dann auch im Winterhalbjahr aktiv bleiben und sich ungeschlechtlich wei- tervermehren. Im Frühjahr kann es zu einer explosionsartigen

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Vermehrung kommen, falls weiterhin milde Temperaturen verzeichnet werden und falls aus dem Winter bereits eine beträchtliche Popula- tion vorhanden ist.

In Gebieten mit ozeanischem Klima, wo die Winter relativ mild bleiben, können öfters Massenvermehrungen entstehen (etwa alle fünf Jahre in Britisch Kolumbien, alle 7 bis 8 Jahre in England).

Seltener, dafür um so spektakulärer, treten Massenvermehrungen in Gebieten mit kontinental getöntem Klima auf. Währenddem hier die Läuse normalerweise den vollständigen Lebenszyklus mit der Ueber- winterung als Ei durchlaufen, kann es in ausgesprochen milden Win- tern zusätzlich auch zum unvollständigen Zyklus mit der unge-

schlechtlichen Vermehrung während des Winterhalbjahres kommen, wie sie sonst nur in küstennäheren Gebieten vorkommt.

Ohnesorge* studierte 1957-61 in Deutschland die zusammenhänge zwischen der Vermehrungsrate der Fichtenröhrenläuse und den

Wintertemperaturen. Er fand dabei folgende Grenzwerte, ab welchen eine Gefahr für eine Massenvermehrung besteht:

- mittlere Wintertemperatur (Dez. bis März) wenigstens +2,5 °C - mittlere Temperatur des kältesten Monats wenigstens +0,5 °C - absolutes Minimum des Winters nicht kälter als -14,0 °C Damit die Gefahr für eine Massenvermehrung besteht, müssen alle drei Bedingungen im selben Winter erfüllt sein, was aber nicht bedeutet, dass die Gradation dann auch tatsächlich eintritt.

Die Niederschläge haben keinen massgebenden direkten Einfluss auf die Vermehrungsrate der Läuse. Ein längerfristiges Niederschlags- defizit kann sich aber indirekt auf die Vitalität und Widerstands- kraft der Fichten auswirken.

2.5. Verlauf einer Massenvermehrung

Die Entwicklung der Lauspopulationen werden neben der Temperatur auch durch die Zusammensetzung der Zellsäfte in den Nadeln und durch das Einwirken der Feinde der Fichtenröhrenläuse beeinflusst.

Der starke Anstieg der Lauspopulation vor dem Austreiben der Fich- ten ist von der hohen Stickstoffkonzentration in den Nadeln abhän- gig. Sie stellen zu diesem Zeitpunkt eine ideale Nahrungsgrundlage für die Läuse dar und werden intensiv besagen.

Sobald aber der neue Austrieb im Frühling einsetzt, ändert die Zusammensetzung des Siebröhrensaftes in den Nadeln. Die Stick- stoffkonzentration sinkt, und die Läuse verlieren ihre optimale Nahrungsquelle. Es kommt zu einem schlagartigen Zusammenbruch der Lauspopulation, welcher durch das Zunehmen der natürlichen Feinde

(siehe 2.6.) noch unterstützt wird.

Je nach Verlauf der Witterung kann die Lauspopulation im Herbst wieder etwas ansteigen. Zu diesem Zeitpunkt ist in den Nadelsäften wieder mehr Stickstoff angereichert.

*Ohnesorge, B., 1961: Wann sind Schäden durch die Sitkalaus zu erwarten? Allg. Forstzeitschrift 16, 27/28: 408-410.

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Fig.2.3 Schematische Darstellung einer Massenvermehrung:

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L:::.

Dezember

2.6. Natürliche Feinde

,1

t

Zeitpunkt des Austriebes

Juli t.

Zu den bedeutendsten natürlichen Feinden der Fichtenröhrenlaus gehören verschiedene Arten von Schwebfliegen (Syrphidae) und Marienkäfern (Coccinellidae).

Marienkäfer fressen sowohl als Larven, wie auch als ausgewachsene Käfer Läuse. Eine Larve kann pro Tag bis zu 50 Läuse verzehren, ein erwachsener Käfer bis zu 40. Ein einziger Marienkäfer ist in der Lage, im Laufe seines Lebens ungefähr 3000 Läuse zu vernich- ten.

Bei den Schwebfliegen fressen hingegen nur die Larven Läuse. In fünf bis acht Wochen werden von einer Larve bis 500 Läuse ver- zehrt.

2.7. Schadenbild

Fichtenröhrenläuse sind vorwiegend auf der Unterseite der Nadeln zu finden, wo sie sich mit den Mundwerkzeugen durch die Spalt- öffnungen der Nadeln festsaugen. Befallene Nadeln weisen zuerst eine gelbfleckige Bänderung auf. Anschliessend verfärben sie sich braunrot und fallen ab.

Die Läuse sondern Honigtau ab, welcher sich als matter Glanz auf den Zweigen und Nadeln niederschlägt.

Der Befall beschränkt sich in der Regel auf im Frühjahr bereits vorhandene Nadeln. Nur der neue Trieb, welcher zum Zeitpunkt der Massenvermehrung noch in der Knospe liegt, bleibt verschont. Bei einem starken Befall können sämtliche älteren Nadeln abfallen, so dass das typische Schadenbild entsteht und im Sommer nur der jüng- ste Nadeljahrgang am Trieb verbleibt.

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Fig.2.4 Fichtenzweig nach starkem Fichtenröhrenlausbefall

Schattenkronen und Fichten im Bestandesinnern werden besonders stark in Mitleidenschaft gezogen. Die ausgeglicheneren Klima- und Lichtverhältnisse sowie die geeignetere Nahrungsg:r;undlage der Schattennadeln fördern den Lausbefall.

Die verschieden starke Befallsintensität von Baumgruppen scheint unter anderem auch vorn Wasserhaushalt (Speicherkapazität) der Bö- den abzuhängen. Bei Niederschlagsdefiziten werden die Siebröhren- säfte in den Nadeln der auf gut durchlässigen Böden stockenden Fichten rasch attraktiv für die Läuse. Ebenso beeinflusst auch der genetisch fixierte Austriebszeitpunkt im Frühling die Zusammen- setzung der Nadelsäfte und somit die Stärke eines Befalles.

Da die Fichtenröhrenlaus eine enorme Vermehrungskapazität besitzt, können bei günstigen Bedingungen in kürzester Zeit schwere Schäden entstehen. Vom Sichtbarwerden der Schäden bis zur Entnadelung ei- nes Bestandes kann unter Umständen nur eine Woche vergehen.

2.8. Reaktion der Bäume

Ein Fichtenröhrenlausbefall bewirkt nur in Ausnahmefällen den Tod eines Baumes. Die Fichten haben die Möglichkeit, sich in den fol- genden Jahren zu erholen.

Die weitgehend entnadelten Fichten mit ihren durchsichtigen Kronen sind sehr auffällig. Glücklicherweise ist aber der jüngste und zugleich auch aktivste Nadeljahrgang in der Regel intakt. Von der nächsten Vegetationsperiode an dürfte deshalb eine sukzessive Erholung einsetzen.

An den Feinästen haben sich Ersatzknospen gebildet, welche im

nächsten Frühling austreiben und die verlorene Nadelmasse ersetz~n werden. Bereits im Sommer und Herbst 1989 konnten einige neue

Ersatztriebe beobachtet werden.

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(

Der Vitalitätsverlust der Fichten wird sich auch in einem Zuwachs- verlust äussern. Zudem steigt die Anfälligkeit für weitere Schädi- gungen, sowohl abiotischer wie biotischer Natur. Hier wären vor allem eine erhöhte Frostanfälligkeit und die Gefahr eines Befalls durch Folgeschädlinge, insbesondere Borkenkäfer wie der Buch-

drucker (Ips typographus) zu nennen.

Der weitere Verlauf der Witterung wird für die Erholung der Bäume eine bedeutende Rolle spielen.

3. Bisherige Massenvermehrungen in Europa und der Schweiz

Die bisherigen, in Europa verzeichneten Massenvermehrungen der Fichtenröhrenlaus standen immer im Zusammenhang mit milden Win- tern. Am häufigsten traten Schäden bisher in Sitkafichtenpflanzun- gen in Gebieten mit ausgesprochen ozeanischem Klima auf.

In England beispielsweise sind Schäden bereits seit Mitte des letzten Jahrhunderts registriert worden. Günstige Witterungsbedin- gungen und Massenvermehrungen der Fichtenröhrenlaus werden im Nor- den Englands alle 6 bis 8 und im Süden alle 3 bis 4 Jahre ver- zeichnet. In Dänemark ist die Befallshäufigkeit bereits kleiner.

Ungefähr alle 20 Jahre kommt es hier zu einer Massenvermehrung.

In Zentraleuropa sind die Gradationen der Fichtenröhrenlaus selte- ner. In Deutschland wurde 1957 eine erste Massenvermehrung be- schrieben, welche ebenfalls Sitkafichten in der Küstenregion

betraf. 1961 wurde in verschiedenen Ländern ein starkes Auftreten der Fichtenröhrenlaus festgestellt, so wiederum in Deutschland und England, teilweise aber auch in der Schweiz. Damals waren bei uns sowohl Blautannen (Picea pungens var. glauca) in Gärten wie auch gewöhnliche Fichten (Picea abies) im Wald betroffen. Auch auf der Alpensüdseite wurden zwei Meldungen verzeichnet.

Der letzte bedeutende Befall wurde in Zentraleuropa 1980 regi- striert. In der Schweiz sind damals auf der Alpennordseite lokal einzelne Schäden aufgetreten, hingegen lange nicht in einem der- artigen Ausmass, wie es beim jüngsten Befall von 1989 auf der Alpensüdseite zu verzeichnen ist.

4. Die Schadensituation von 1989

4.1. Die Situation in Europa und der Schweiz

Der milde Winter von 1988/89 hat in Gebieten mit ozeanischem Klima eine neue Gradation der Fichtenröhrenlauspopulationen ausgelöst.

Wiederum sind in verschiedenen europäischen Ländern vor allem Sitkafichten und verschiedene andere Fichtenarten in Parks und Gärten betroffen.

In der ganzen Schweiz wurden starke Schäden vor allem an Blautan- nen verzeichnet. Fichten im Wald zeigten auf der Alpennordseite nur unbedeutende Befallssymptome.

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Auf der Alpensüdseite war hingegen auch an gewöhnlichen Fichten im Wald ein Befall durch die Fichtenröhrenlaus registriert worden.

Bedeutende Schäden konnten in der italienisch sprechenden Schweiz wie auch in Norditalien beobachtet werden.

Fig.4.1 Fichtenröhrenlaus 1989: beim PBMD registrierte Meldungen und Beratungsfälle

(auf der Alpennordseite vor allem an Blautannen)

• schwacher Befall, bzw. ke,ne Angaben zur Befalls,ntens,taet

*

maess,ger Befall

*

starker Befall

*

sehr starker Befall

4.2. Die Situation auf der Alpensüdseite

Die Massenvermehrung der Fichtenröhrenlaus hat in der Südschweiz im Frühjahr 1989 einen grossen Teil der Fichtenbestände beein- trächtigt. Ein vergleichbar starker Befall wurde bis anhin noch nie registriert.

Schäden wurden auch aus weiten Teilen Norditaliens und aus dem nördlichen Piemont gemeldet, insbesondere aus den Provinzen Torino, Vercelli und Novara.

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Erhebungen der kantonalen Forstdienste auf der Alpensüdseite

Graubünden

Tessin

)IE maessiger Befal 1

*

starKer Befall

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- 11 -

Die Schadenflächen decken vielerorts die gesamte Fichtenverbrei- tung ab. In der Südschweiz zeigen ungefähr 7'000 ha Wald einen Fichtenröhrenlausbefall, was ungefähr einem Drittel der dortigen Fichtenbestände entspricht.

Die Schadenkarten liefern einen Ueberblick über die Verbreitung des Fichtenröhrenlausbefalls und lassen folgende Rückschlüsse zu:

- Einzig Regionen, welche ausserhalb des insubrischen Klimaein- flusses liegen, wurden vom Lausbefall verschont. Beispielsweise wurden im Bedrettotal und in der oberen Leventina, Gebiete mit eher kontinentalem Klima und kalten Wintern, keine Schäden regi- striert. Vergleichbare Befallsgrenzen liegen auch im Misox,

nördlich von Pian San Giacomo, und im Calancatal, nördlich von Valbella. Im Puschlav wurden nur geringe Schäden festgestellt.

Offenbar verhinderte das kontinentaler geprägte Klima hier eine grössere Vermehrung der Läuse.

- In den Schadenrandgebieten ist oberhalb einer Höhe von ungefähr 1600 m.ü.M. kein Befall mehr zu verzeichnen. In den übrigen Regionen wurden hingegen bis an die Waldgrenze Schäden regi- striert.

An einzelnen Orten kann auch eine untere Schadengrenze (400 bis 800 m.ü.M.) auftreten, sofern in den tieferen Lagen überhaupt Fichten stocken. Vermutlich ist diese Grenze durch den frühen Austrieb und die stärker in Erscheinung tretenden natürlichen Feinde der Läuse bedingt.

- Stark geschädigte Bestände stocken oft auf Standorten mit man- gelndem Wasserspeichervermögen, beispielsweise auf flachgründi- gen, gut drainierten Böden oder Blockschutt.

Das Schadenbild trat letztes Frühjahr zuerst in tiefern Lagen in Erscheinung und verlagerte sich dann mit den steigenden Temperatu- ren die Berghänge empor, immer mit einem gewissen Vorsprung auf den neuen Austrieb der Fichten.

In den geschädigten Beständen konnten zahlreiche natürliche Feinde der Läuse, vor allem Schwebfliegenlarven, festgestellt werden.

Bisher wurde noch kein übermässiges Auftreten von Folgeschädlingen beobachtet. Trotz günstigen Witterungsbedingungen im Laufe des Jahres 1989, wurde nur an vereinzelten Stellen ein Befall durch Borkenkäfer registriert. In einigen stark geschädigten Bäumen wurde der Buchdrucker (Ips typographus) und der doppeläugige Fich-

tenbastkäfer (Polygraphus poligraphus) festgestellt.

Etliche der geschädigten Bäume haben sich zu erholen begonnen. Die Anlage von Ersatzknospen und zum Teil auch schon von Ersatztrieben konnte im Sommer 1989 beobachtet werden. Dank dem Ausbleiben von Frühfrösten im Herbst konnten diese Triebe meist genügend verhol- zen. Es bleibt zu hoffen, dass die zahlreichen Ersatzknospen im Frühling 1990 auch tatsächlich austreiben werden.

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5. Ueberwachung und Prognose

5.1. Temperatureinflüsse

Der Winter 1988/89 war ausgesprochen mild, wie wir anhand von Temperaturdaten der schweizerischen meteorologischen Anstalt (SMA) festgestellt haben. Die mittlere Temperatur von Dezember 1988 bis März 1989 lag auf der Alpensüdseite weit über dem Durchschnitt der

letzten 50 Jahre und wurde in dieser Zeitspanne bisher noch nie erreicht (Diagramm unten). 1988/89 wurden sogar mehr als 1°C höhere Temperaturen als im zweitwärmsten Winter 1947/48 verzeich- net! Zusätzlich folgte 1989 noch ein milder Frühling, was weiter zum ausserordentlichen Temperaturverlauf beitrug.

Die einmalig milden Temperaturen ermöglichten das Ueberleben sowie eine ungeschlechtliche Vermehrung der Fichtenröhrenläuse im

Winter.

Fig.5.1 Mittlere Wintertemperatur (Dez. bis März) auf der ·Alpen- südseite

(Mittelwerte der Stationen Locarno-Monti und Bosco-Gurin;

entsprechen theoretischer Station auf ca. 950 m.ü.M.)

Mittelwert 1.3°c

L---~

30 4U 42 44 46 40 50 52 54 56 50 GO 62 64 GG GO 70 72 74 76 70 00 02 04 OG 00 Jahr

Die im Kapitel 2.4 angegebenen Temperaturgrenzwerte nach Ohnesorge für die Möglichkeit einer Fichtenröhrenlaus-Massenvermehrung

scheinen auch auf der Alpensüdseite im Grossen und Ganzen zuzu- treffen. Interessant sind diesbezüglich die Werte der SMA-Station Piotta, welche im Winter 1988/89 ungefähr diese Grenzwerte ver- zeichnete. Oberhalb Piotta waren in der Leventina und im Bedretto- tal keine bedeutenden Schäden zu verzeichnen.

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In tiefen Lagen (Locarno, Lugano) werden die Temperaturgrenzwerte allerdings in etlichen Jahren nicht unterschritten, so dass dort schon oft günstige Voraussetzungen für einen Befall vorhanden gewesen wären. Vermutlich erlangen die Grenzwerte auf der Alpen- südseite erst ab einer Höhe von ca. 700 m.ü.M. eine relevante Bedeutung.

5.2. Prognosen für eine Massenvermehrung

In milden Wintern können bereits im Januar und Februar die Nadeln mit einer Lupe auf Fichtenröhrenläuse abgesucht werden. Der Glanz der Honigtauausscheidungen der Läuse sowie erste Verfärbungen der Fichtennadeln sind auch ein Hinweis auf eine beginnende Massenver- mehrung.

Anhand der aktuellen Wintertemperaturen lässt sich die Möglichkeit einer kommenden Massenvermehrung abschätzen. Dazu werden die in den SMA-Bulletins oder Tageszeitungen veröffentlichten

Monatsmittelwerte benötigt. Leider sind auf der Alpensüdseite nur die Daten von wenigen automatischen Stationen innert nützlicher Zeit verfügbar.

Mit einem Minimum/Maximum-Thermometer kann hingegen in jedem be- liebigen Bestand überprüft werden, ob die Minimum-Grenze von -14°C erreicht wird. Wird es im Laufe des Winters einmal kälter, so kann in der folgenden Vegetationsperiode eine Massenvermehrung der

Fichtenröhrenlaus mit grosser Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

6. Wald.bauliche Behandlung der geschädigten Bestände

6.1. Beobachtungen und Massnahmen in den geschädigten Beständen Während in den nur schwach betroffenen Fichtenbeständen ausser einer gelegentlichen Beobachtung keine weiteren Massnahmen vorzu- sehen sind, müssen in den bedeutenden Schadengebieten die waldbau- lichen Massnahmen der neuen Situation angepasst werden.

Neue Holzschläge sind vorerst zurückzustellen, und die weitere Entwicklung der Fichten muss überwacht werden. Bis sie sich erholt haben, sollten sie nicht noch der zusätzlichen Belastung durch einen Schlag mit neuen, stärkeren Einflüssen durch Sonne und Wind ausgesetzt werden.

In den am stärksten geschädigten Beständen, welche oft auf Block- schutt stocken, ist das Bestandesgefüge mehrheitlich stabil. Es besteht hier keine waldbauliche Dringlichkeit für einen sofortigen Eingriff.

Sollten einige der befallenen Fichten absterben, so empfehlen wir, auf die Naturverjüngung zu warten. Durch Bodenschürfungen könnte die Ansamung allenfalls gefördert werden.

Pflanzungen.empfehlen wir nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel im Zusammenhang mit einer notwendigen Verbauung von neuen Lawinen- anrissgebieten. In höheren Lagen kämen dazu Fichten oder Lärchen in Frage. In tieferen Lagen, im Bereich von Buchenwaldgesellschaf- ten, schlagen wir das Einbringen von Lärchen und Buchen vor.

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6.2. Massnahmen bei einem bedeutenden Befall durch Folgeschädlinge Die weitgehend entnadelten Fichten sind für einen Sekundärschäd- lingsbefall prädisponiert. Je nach Witterung des nächsten Früh- lings und Sommers muss in erster Linie mit einem mehr oder weniger starken Auftreten von Borkenkäfern, insbesondere des Buchdruckers

(Ips typographus) gerechnet werden. Eine gründliche Beobachtung der kritischen Bestände ist angezeigt. Bohrmehlaustritt, Rinden- ablösungen und intensive Spechttätigkeit sind Hinweise auf einen Käferbefall. Oft liegen die mit Frassbildern durchsetzten Rinden- stücke am Stamrnfuss eines befallenen Baumes.

Wo bereits im Herbst 1989 ein Borkenkäferbefall beobachtet wurde, empfehlen wir, die befallenen Bäume möglichst rasch zu nutzen. In den ausgeräumten Käferherden können für den Buchdrucker Lockstoff- fallen gestellt werden, um einen Teil der überwinterten Käfer abzufangen und um die Entwicklung der neuen Population zu über- wachen.

( Waldbaulich gelten dieselben Kriterien wie im Kapitel 6.1., nur muss mit einem grösseren Anfall von Zwangsnutzungen gerechnet wer- den. Eingriffe müssten möglichst rasch erfolgen können, um einer weiteren Ausbreitung der Borkenkäfer Einhalt zu gebieten. Dem- entsprechend ist es für die Forstdienste zu empfehlen, sich auf die neue Situation einzustellen und ihre Kräfte auf die ausser- ordentlichen Nutzungen und auf den geänderten Holzabsatz zu konzentrieren. Uebrige Arbeiten sollten zurückgestellt werden.

(

Bei einem grossen Auftreten von Käferherden empfehlen wir, die geplanten Eingriffe in Dringlichkeitsstufen einzuteilen. In ausge- sprochenen Schutzwaldungen oberhalb von Dörfern und Verkehrswegen müsste zuerst eingegriffen werden, weil sich die Schäden hier stärker auswirken.

6.3. Massnahmen bei einem wiederholten Fichtenröhrenlausbefall Der Fall, dass sich die ausserordentlich milde Winter- und Früh- lingswitterung von 1988/89 wiederholt und eine neue grosse Massen- vermehrung der Fichtenröhrenlaus ermöglicht, ist eher unwahr-

scheinlich.

Ein erneut starker Fichtenröhrenlausbefall würde sich auf die Bestände allerdings fatal auswirken. zahlreiche Bäume würden diesen weitern Stress vermutlich nicht überstehen und würden absterben.

Aus der Literatur ist bekannt, dass die Fichte eine einmalige starke Entnadelung durch Insektenfrass einigermassen gut bewäl- tigt, ein sich wiederholendes Ereignis aber nur schlecht über- steht.

Einschlägige Massnahmen müssten in diesem Fall durch eine spe- zielle Arbeitsgruppe ad hoc realisiert werden.

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7. Zusammenfassung

Mit diesem Bulletin wird den Forstdiensten die Fichtenröhrenlaus (Liosomaphis abietinum) vorgestellt und auf allfällige Konsequen- zen des starken Befalls auf der Alpensüdseite hingewiesen.

Die Biologie der Laus, das Schadenbild und die Verbreitung der Schäden werden vorgestellt. Anschliessend sind Vorschläge für die Ueberwachung und für die waldbauliche Behandlung der betroffenen Bestände aufgeführt. Die weitere Entwicklung und Erholung der geschädigten Fichten wird durch die Witterung beeinflusst werden.

Der Forstdienst muss auf einen mehr oder weniger starken Befall durch Folgeschädlinge gefasst sein.

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Literaturliste:

Centre Technique du Genie Rural des Eaux et des Forets: Le puceron vert de l'epicea de Sitka, Liosomaphis (Elatobium) abietinum Walk.

(Fiche d'information), Grenoble.

Grandi, G., 1951: Introduzione allo studio dell'entomologia, Vol I et II, Edizioni agricole Bologna.

Krieg, A., Franz, J.M., 1989: Lehrbuch der biologischen Schäd- lingsbekämpfung, Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg, 302 p.

Maksymov, J.K., 1961: Blattlausschäden im Jahre 1961 und Auftreten der Fichtenröhrenlaus Liosomaphis abietina Walker in der Schweiz.

Mitt. schweiz. Anst. forstl. Versuchswesen, 37, 5: 343-353.

Maksymov, J.K., 1981: Die Massenvermehrung der Fichten-Röhrenlaus, Elatobium abietinum Walker, in der Schweiz. Zeitschrift Forst- wesen, 132 (1981) 4: 267-272.

Ohnesorge, B., 1961: Wann sind Schäden durch die Sitkalaus zu erwarten? Allg. Forstzeitschrift 16, 27/28: 408-410.

Scheller von, H.D., 1963: Zur Biologie und Schadwirkung der Nadel- holzspinnmilbe Olygonichus ununguis Jacobi und der Sitka-Fichten- laus Liosomaphis abietina Walker (Horn., Aphid.) Teil II:

Liosomaphis abietina Walker,

z.

ang. Entomologie 51, 3: 258-284.

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Obwohl in der Schweiz die Niederschläge im Sommer 1993 deutlich über dem langjährigen Durchschnitt lagen, verminderten sich in die- sem Jahr die Borkenkäferschäden nicht. Im