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Archiv "Doping im Freizeitsport: Akne ist häufig ein Hinweis auf Abusus" (20.01.2006)

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ie Doping-Welle hat längst den Breitensport erfasst und eine be- denklich hohe Prävalenz erreicht.

Nach einer aktuellen Studie der Univer- sität Tübingen haben 13,5 Prozent der Besucher von Fitnessstudios minde- stens einmal anabol-androgene Stero- ide (AAS) genommen. Besonders häu- fig entscheiden sich Männer im Alter zwischen 21 und 25 Jahren für eine Lei- stungssteigerung durch Medikamente;

sie nehmen dabei in Kauf, dass der pharmakologische Eingriff in den Or- ganismus von unerwünschten Effekten begleitet wird. „Durch den heute übli- chen Abusus werden Ärzte der ver- schiedensten Fachrichtungen mit Ne- benwirkungen der anabol-androgenen Steroide konfrontiert, die sich intern und extern manifestieren“, erklärte Prof. Dr. med. Bodo Melnik (Univer- sität Osnabrück) bei dem 30. Inter- disziplinären Forum „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“ der Bun- desärztekammer in Berlin.

Ein markantes äußeres Zeichen des

„Freizeitsport-Dopings“ sei die Akne, die sich bei 50 Prozent der Abuser ent- wickelt. „Sie sollte unbedingt als Indi- kator eines Medikamentenmissbrauchs erkannt werden“, betonte Melnik. Der

Dermatologe kritisierte, dass Doping von Teilen der Ärzte- und Apotheker- schaft nicht nur billigend hingenom- men, sondern sogar aktiv gefördert wer- de: „Es ist sehr bedenklich, dass jeder zweite Zugang (48,1 Prozent) zu anabol- androgenen Steroiden durch approbier- te Vertreter der Heilberufe erfolgt und damit legalisiert erscheint“, sagte Mel- nik. Die nichttherapeutische Verord- nung von AAS sei bereits 1998 anhand der Lübecker Studie belegt worden und habe kürzlich durch die Tübinger Studie eine Bestätigung erfahren. „Die ärztli- che Fürsorgepflicht wird hier nachhaltig verletzt und sollte Anlass zu einer brei- ten Debatte des Themas in der Ärzte- schaft sein“, so Melnik.

Im Rahmen der Lübecker Studie, bei der 24 Fitnessstudios in Schleswig- Holstein und Hamburg befragt worden waren, hatten 24 Prozent der Männer und acht Prozent der Frauen angege-

ben, anabol wirkende Medikamente zu sich zu nehmen. Als Bezugsquelle ga- ben die Anwender damals Bekannte (56 Prozent), Mitsportler (53 Prozent), die Apotheke (16 Prozent), den Arzt (14 Prozent) und den Trainer (12 Pro- zent) an. Nach den jüngsten Daten des Instituts für Sportmedizin der Univer- sität Tübingen aus einer bundesweiten Befragung von 113 Fitness-Einrichtun- gen hat die fördernde Rolle der Ärzte beim Missbrauch deutlich zugenom- men (32,1 Prozent).

„Kuren“ aus dem Internet

Als „besorgniserregend“ bezeichnet Mel- nik den Handel mit verbotenen „Mus- kelmachern“ im Internet. Auf zahlrei- chen Internet-Portalen werden Bezugs- quellen angegeben, Beschaffungsmög- lichkeiten beschrieben sowie Dosie- M E D I Z I N R E P O R T

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A98 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 3⏐⏐20. Januar 2006

Doping im Freizeitsport

Akne ist häufig ein Hinweis auf Abusus

Illegale Verschreibung und Abgabe von anabol-androgenen Substanzen durch Ärzte und Apotheker

Zur Pathophysiologie der Doping-Akne

Anabol-androgene Steroide (AAS) sind Deri- vate des Testosterons. AAS führen zu einer Hypertrophie der Talgdrüsen, verbunden mit vermehrter Sebumproduktion, gesteigerter Bildung von Hautoberflächenlipiden und Ver- mehrung der Population von Propionibacteri- um acnes. Der Wirkungsmechanismus der AAS ist von chemischen Modifikationen der einzelnen Derivate abhängig, da diese die Af- finität der Androgenrezeptorbindung und die Interaktion mit verschiedenen steroidmeta- bolisierenden Enzymen und Transportprote- inen (Sexualhormon bindendes Protein) be- einflussen. AAS mit hoher Bindungsaffinität zum Androgenrezeptor gelten als stark wirk- same Androgene, wie beispielsweise 19-Nor- testosteron und Metenolon, Substanzen mit

niedriger Bindungsaffinität zum Androgenre- zeptor als schwache Androgene wie Stanozo- lol oder Fluoxymesteron.

Einige AAS, wie beispielsweise Oxyme- tholon, binden nicht an den Androgenrezep- tor und wirken über andere Mechanismen.

Androgenrezeptoren konnten in Sebozyten nachgewiesen werden. Nicht unbedeutend ist die enzymatische Konversion einzelner AAS durch steroidmetabolisierende Enzyme der Talgdrüsen. So kann die 5-alpha-Re- duktase AAS-Metabolite mit höherer Rezep- torbindungsaffinität bilden. Auch das an- drogene Prohormon Dehydroepiandroste- ron (DHEA) spielt in der Pathogenese der Akne eine Rolle, da es durch die in Sebo- zyten vorkommende 3-beta-Hydroxysteroid- dehydrogenase und 5-alpha-Reduktase in das potente Dihydrotestosteron umgewan-

delt werden kann. )

Foto:Vario-Press

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rung, Gebrauch und Wirksamkeit der Pharmaka erläutert. Die überwiegende Zahl der Freizeitsportler nimmt ver- schiedene Präparatekombinationen über eine Zeitraum von fünf bis zehn Wo- chen als „Kur“ ein. Durchschnittlich kommen während eines Behandlungs- zyklus drei verschiedene Substanzen zur Anwendung, deren Dosis bis zur Mitte des Einnahmezeitraums erhöht und zum Ende wieder erniedrigt wird.

Dabei wird die physiologische Substitu- tionsdosis deutlich – um den Faktor 5 bis 29 – überschritten.

Nach der Lübecker Studie dominie- ren bei den oralen Präparaten die Wirk- stoffe Stanozolol, Methandrostenolon und Oxandrolon. Bei den parenteral verabfolgten AAS wurden Stanozolol, Testosteronönantat und -decanoat und das Nandrolon favorisiert. Striegel et al.

(2006) schätzen, dass Besucher von Fitness-Einrichtungen in Deutschland jährlich etwa 85 Millionen Euro für anabol-androgene Substanzen ausge- ben. Die Hauptmotivation zur Einnah- me von AAS ist die Identifikation Ju- gendlicher und junger Erwachsener mit den durch die Massenmedien suggerier- ten Körperidealen.

Gefährliche kardiovaskuläre Neben- wirkungen (wie der plötzliche Herztod

von Athleten) und psychische Verände- rungen werden im „world wide web“ al- lerdings ebenso verschwiegen wie pa- thologische Veränderungen der Leber und des Lipidstoffwechsels. So heißt es beispielsweise unter www.bodybuilding- online.com: „Nebenwirkungen bei die- sem Programm sollten keine auftreten, unter Umständen ein paar Pickel – aber das wär’s dann schon.“

Dermatologen bezeichnen diese Ver- änderungen als „handfeste“ Doping- Akne. Das Spektrum ihrer klinischen Erscheinungsformen reicht von der Erstmanifestation einer Akne, über die Exazerbation einer präexistenten Acne vulgaris bis zum Bild einer Acne con- globata oder dem plötzlichen Auftreten einer Acne fulminans. „Gleichzeitiges Auftreten von psychischen Verände- rungen, Gynäkomastie, Striae disten- sae, Ödemen und verminderten Hoden- volumen untermauern die klinische Verdachtsdiagnose einer Doping-Ak- ne“, erklärte Melnik.

Darüber hinaus induzieren AAS das Auftreten von Hypertrichosis, Hirsu- tismus, androgenetischer Alopezie, se- borrhoischer Dermatitis sowie Hautin- fekten einschließlich Furunkulose. Be- reits bestehende Hautkrankheiten, wie die Psoriasis vulgaris, können exazer- bieren. Gesichert wird die Diagnose des Medika- mentenmissbrauchs durch den Nachweis der Sub- stanzen und deren Me- tabolite im Urin; neuer- dings auch durch die Un- tersuchung von Haarpro- ben mittels Gaschroma- tographie-Massenspektro- metrie.

Die wichtigste Maß- nahme bei Doping-Akne ist die sofortige Beendi- gung der exogenen Zu- fuhr der AAS. Die Thera- pie der Läsionen ent- spricht den allgemein gül- tigen Therapierichtlinien der verschiedenen Akne- formen. Hierfür stehen evidenzbasierte pharma- kologische Substanzen zur Verfügung, die ge- zielt an den pathogeneti- schen Faktoren – Sebor-

rhö, follikuläre Hyperkeratose (Kome- donen), mikrobielle Wucherung (Pro- pionibakterien) und Entzündung – an- greifen. So wirken systemische Reti- noide und die (nur bei Frauen ein- setzbaren) systemischen Antiandroge- ne sebostatisch, topische Retinoide und Azelainsäure antikomedogen und Ben- zoylperoxid und Antibiotika antimi- krobiell.

UV-Therapie gilt als obsolet

„Bei sachgerechter Kombination, Do- sierung und Anwendungsdauer lassen sich selbst bei schweren Verläufen der Erkrankung innerhalb weniger Monate gute therapeutische Erfolge erzielen“, erklärte Prof. Dr. med. Klaus Degitz (Universität München) und wies darauf hin, dass Antibiotika weder systemisch noch topisch als Monotherapie einge- setzt werden sollten, da dies Antibioti- karesistenzen fördere. Außerdem emp- fahl Degitz, eine Reihe älterer thera- peutischer Prinzipien zu verlassen, da für sie keine kontrollierten Studien vor- lägen, die den heutigen Kriterien ent- sprechen. Hierzu zählen die Behand- lungen mit Schwefel, Schieferöl, He- feextrakten, Chlorhexidin, topischem Zink, Phenol und Resorcin. Auch für die lange Zeit propagierte Therapie mit UV-Strahlung gebe es nach heuti- gen Erkenntnissen, unabhängig vom karzinogenen Risiko, keine Rationale mehr. „UV-Strahlen haben zwar einen kosmetischen Effekt, da sie die Ent- zündung hemmen, die A-Fraktion för- dert jedoch die Komedogenese“, sagte Degitz.

Fazit: Unter der Tarnung des positi- ven Aspekts körperlicher Fitness hat sich ein lukrativer Anabolika-Schwarz- markt etabliert, der eine Gesundheitsge- fährdung junger Erwachsener darstellt.

Neben den gefährlichen kardiovaskulä- ren und psychotropen Langzeitneben- wirkungen stellt die Akne eine wichtige Indikatorerkrankung dar. Darüber hin- aus besteht die Gefahr der Abhängigkeit von androgenen Steroiden und der Bah- nung weiteren Drogenkonsums. Die il- legale Verschreibung dieser Substanzen erfolgt nach den Daten der Tübinger Studie bei einem Drittel der Abuser durch Ärzte. Dr. med. Vera Zylka-Menhorn M E D I Z I N R E P O R T

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A100 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 3⏐⏐20. Januar 2006

Die Auswertung von 25 835 Anrufen im Zeitraum 1993 bis 2000 einer Anti-Doping-Hotline des Instituts für klinische Pharma- kologie des Huddinge Universitätshospitals in Stockholm zeig- te, dass von den zehn häufigsten unerwünschten Wirkungen der AAS die Akne – nach psychischen Alterationen wie Aggres- sivität und Depression – an dritter Stelle steht; von den kli- nisch makroskopischen Symptomen sogar an erster Stelle.

(Eur J Clin Pharmacol 2003; 59: 571–577) Grafik

Nebenwirkungen anabol-androgener Steroide (AAS)

0 200 400 600 800 1 000

Aggressivität Depression Akne Gynäkomastie Ängste Potenzprobleme Hodenatrophie Schlafstörungen Wasserretention Stimmungs- schwankungen

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